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Julie Gräfin zu
Ortenburg
(1819-1883)
Das Kirchenglöcklein
O heil'ges Glöcklein, wunderbar
Schallst du aus deinem Dach,
Dein Ton, so lieblich und so klar,
Ruft viel' Gedanken wach.
Und doch wie viele ihrer sind,
Der Grundton einer bleibt;
Du rufst zum Vaterhaus das Kind,
Zu dem ja Alles treibt.
Den kleinen Fremdling in der Welt
Führst du erst freundlich ein,
Damit, wenn's draußen ihm mißfällt,
Er denke liebend dein!
So schallst du fort und immer fort -
Rufst oft zu Fest und Freud',
Und manches segensreiche Wort
Wird da in's Herz gestreut.
Und wenn die Saat in Blüthe steht,
Wird sie dem Herrn geweiht;
Dann rufst du wieder zum Gebet,
Daß uns're Frucht gedeiht.
Ja! jeden segensreichen Bund
Zeigst du uns festlich an;
Du thust der Liebe Wonne kund,
Die Niemand schildern kann.
Doch endlich hallst du dumpf und schwer
Mit feierlichem Klang: -
Man bringt zur letzten Wiederkehr
Dein Kind mit Trauersang.
Und stumm, wie einst zum ersten Mal,
Trägt man's herein zu dir,
Doch tönet ihm, befreit von Qual,
Süß dein Willkommen hier!
Und nicht mehr eilt's von dir hinaus,
Des Rufes braucht's nicht mehr,
In einem schönern Gotteshaus
Giebt's ewig Gott die Ehr'.
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