Laß dich sehen, laß dich grüßen, Engel meiner Seele, du!

Ständchen-Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen
 



Carl Probst (1854-1924)
Ständchen



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
(alphabetisch)
 





August Apel (1771-1816)

Ständchen

Bist Liebchen dort oben im Stübchen allein,
Ist heut nicht die Mutter zu Haus,
So tritt an das Fenster im Mondesschein,
Und guck' mit dem Köpfchen heraus!
Am Himmel da blinken
Die Sternlein und winken
In's Freie die blinkenden Aeuglein heraus.

Bist, Liebchen allein, daß die Mutter nichts hört,
So sprich mir ein freundliches Wort!
Die Gassen sind leer und wir sind nicht gestört,
Laß nicht ungetröstet mich fort!
Die Saiten die rauschen,
Beim Schalle, da tauschen
Wir beide manch heimliches, trauliches Wort.

Schläfst Liebchen vielleicht in dem Stübchen allein,
Wirst nicht von der Mutter bewacht,
So laß mich, Du Schönste, zum Fenster hinein
Und gieb mir die fröhlichste Nacht!
Mit Seelchen und Leibchen
Bist bald ja mein Weibchen,
Da hüt' ich Dich selbst statt der Mutter bei Nacht.


Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 299-300)

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Ernst Moritz Arndt (1769-1860)


Ständchen
1809

Es leuchtet ein Licht durch die weite Welt,
Das schönste und hellste von allen,
Es ist nicht als Sonne zum Tag bestellt,
Nicht als Mond die Nacht zu durchstralen,
Blaß werden die Sternlein, die Kleinen,
Vor seinem allmächtigen Scheinen.

Es dringet wie Blitze durch Eisen und Stal,
Kein Panzer mag fest vor ihm stehen,
Doch dränget sich jeder zum fährlichen Stral,
Und sollt' er zur Stunde vergehen.
O scheine, du süßes Verderben!
Wie lieblich, in Flammen zu sterben!

Geh auf denn, mein Licht! Geh wieder zur Ruh!
Ich darf dich, du schönstes, nicht nennen;
Doch strömet mein Herze wie Wasser dir zu,
Heiß fühl' ich es lodern und brennen!
Auf! lasset es schmettern und klingen!
Es will mich die Wehmuth bezwingen.

Aus: Gedichte von Ernst Moritz Arndt
Vollständige Sammlung Zweite Auflage
Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1865 (S. 154)

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Otto Julius Bierbaum (1865-1910)


Morgenständchen

Ich blase meine Flöte
Im Glanz der Morgenröte,
Der Garten liegt voll Tau.
Die Morgenwolken blühen
Am Himmel auf und glühen
Dir ihren Gruß ins weiße Bett,
Vielliebe, liebe Frau!

Hör aus der Morgenkühle,
Was ich im Herzen fühle,
Was meine Sehnsucht singt.
Du sollst noch nicht erwachen,
Dir soll im Traume lachen,
Was in der Morgenröte Glanz
Aus meiner Seele klingt.

Ich blase meine Flöte
Im Glanz der Morgenröte
Und bin voll Morgenrot.
Die Bäume und Blumen im Garten,
Ich und die Vögel warten,
Bescheer dich uns, o Herrin, gieb
Uns unser täglich Brot!

Aus: Otto Julius Bierbaum – Irrgarten der Liebe.
Verliebte launenhafte und moralische Lieder
Gedichte und Sprüche aus den Jahren 1885 bis 1900
Im Verlage der Insel bei Schuster und Loeffler Berlin und Leipzig 1901 (S. 29)
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Rudolf Borchardt (1877-1945)


Ständchen

Morgen, Morgen, bist du da,
Dem mein Herz entgegenlachte:
Rosenbrünstig stehst du da,
Eh ichs selber recht bedachte!

Eh ich hin die Straßen mag
Eilen, glühst du wolkenbrausend
Strahlenschleudernd, starker Tag,
Über trägen Hunderttausend.

Oh, beschäme du mich nicht
Über leeren Straßengleisen
Schatten werfend, leibhaft Licht, -
Laß mich hin, mich mit dir reisen,

Nimm die Pulse meines Bluts,
Nimm die reinsten Überflüsse
Meiner Demut wie des Muts,
Wünsche, Angedenken, Küsse,

Daß sie vor mir her zu ihr
Sich die langen Zeilen stürzen,
Glühnde Vorgefühle mir
So wie ihr die Ferne kürzen,

Und die Stunden, welche du
Uns nicht gönnst, und die uns trennen,
Heiße meinen Boten zu
Und zurück mit ihnen rennen, -

Daß ich jetzt schon um sie sei,
Hundertfältig hingerissen
Als ein Schwarm von Schwärmerei
Tanze über ihren Kissen.

Sie begegne vor dem Spalt
Ihrer Tür, die sich entriegelt,
Nur noch Spiegeln der Gestalt
Und dem Dank, den alles spiegelt, -

Jedes Auge sage: "Dein",
Jedes Antlitz steh entfaltet,
Das Vermischte sei ihr rein,
Und erwärmt, was immer kaltet,

Im Bescheidnen sei der Blick,
Ders Erhabenstem verbrüdert,
Und das frevelste Genick
Fühle sich durch sie erniedert;

Und sie stehe vor der Macht
Ihrer hingestrahlten Fülle,
Wie, wer weint und wie wer lacht,
Ahnend, wie viel er noch hülle,

Sie erblicke durch den Hauch
Also süß gewobner Schleier
Wie das Blau durch Morgenhauch -
Oh, noch nicht mich armen Freier,

Oh, noch nicht die Leidenschaft,
Die noch bebt, das Haus zu hüten,
Sondern jugendliche Kraft
Dieser ihr verwandten Blüten:

Wenn sie flüstern: "Welche gleicht
Ihr am nächsten?" meine Kelche, -
"Kühn wie sie und stark und leicht?"
Und die Glöckchen seufzen: "Welche?"

Wenn der Goldenlack sich müht,
Auszusehn wie ihre Locken,
Rosenprimel wie sie glüht,
Wie sie prangen Osterglocken -

Wenn die Tulpe sich bemalt,
Daß sie uns wie Du erfreue,
Und der Blaustern golden strahlt
Aus dem Augenstern der Bläue.

Und sie lächelt ihres Bilds
Aufgeblüht auf jedem Stengel,
Und ein wenig in sich schmilzt -
Dann erst, sehe mich der Engel,

Dann mein Abgott ferne knien
An dem Rande seiner Reiche,
Still beschämt, daß ich nur ihn
Nicht erreiche, noch ihm gleiche!

Aus: Rudolf Borchardt Gedichte
Textkritisch revidierte Neuedition der Ausgabe 1957
Herausgegeben von Gerhard Schuster und Lars Korten
Verlag Klett-Cotta Stuttgart 2003 (S. 265-267)

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Helene Branco (Ps. Dilia Helena) (1816-1894)


Ständchen

Auf dem blauen Spiegelteiche
Zieht der Schwan in sanfter Pracht,
Wie dein Bild, das wonnereiche,
Durch die Phantasie der Nacht.

Im beseelten Glanz der Thränen
Träum' ich dich, im Frühlingslicht,
Bis aus des Erinnerns Wähnen
Deines Bildes Rose bricht.

Abgeschmeichelt lichter Ferne
Mit des Herzens Leidenschaft,
Seh' ich deines Blickes Sterne
In dem Geiste zauberhaft!

Hörbar klingt mir dein Gedanken
Mit der Milde vom Gebet,
Deiner Neigung warmes Danken
Mich im Spiel der Lust umweht.

Eingebannt in mein Erinnern
Glänzt beseelt die Lichtgestalt
Ewig, ob auch meinem Innern
Glück und Schmerz vorüberwallt.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 16-17)
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Helene Branco (Ps. Dilia Helena) (1816-1894)


Gartenständchen

Schmücken Liedes Blüthentriebe
Dir dein Gärtchen mit Musik,
Auf Gedanken meiner Liebe
Sanfter schließe sich dein Blick.

Aus der Mondnacht heil'gem Feuer
Steige auf der goldne Traum:
Venus zieht die Strahlenschleier
Durch des Schweigens nächt'gen Raum.

Nachtviolen streuen Düfte
Ihrer Sehnsucht in's Gezweig:
Wölkchen reisen durch die Lüfte,
Hüllen dich in Dämm'rung weich.

Wie durch dunkle Schattenschleier
Dufterfüllte Rosen blüh'n,
Mag mein Herz für dich nur treuer
Durch die Nacht des Scheidens glüh'n.

Kaum ein Abendfalter flüchtet
Noch der Blumenwiege zu,
Nur die Liebe wacht, und dichtet
Schlummerlieder deiner Ruh.

Wie am Himmel ruht's geborgen,
Liegt im Schlummer das Geschick.
Träume, Liebling, bis zum Morgen -
Schlaf ist Lebens Sterbeglück.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 5-6)
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Max Bruns (1876-1945)


Ständchen

Mag August uns mit Gewitter schlagen,
und vom Fliederbaum den Flitter schlagen,
dennoch soll er deinen Troubadour
nicht zum blassen Leichenbitter schlagen.

Lockend will ich gleich der Nachtigall
weich vor deines Gartens Gitter schlagen.
Lugend vom Balkone siehst du mich
zierlich die verliebte Zither schlagen

(aus den Saiten blaut ein Funkenspiel,
wie vom Feuerstein die Splitter schlagen);
und du läßt mich ein und wirst mich hold
zu der Liebe treuem Ritter schlagen.

Aus: Max Bruns Garten der Ghaselen
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1925 (S. 5)

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Helmina von Chézy (1783-1856)


Ständchen

Ich kenn ein' Lilje schlank und rein,
Das ist ein süßes Mägdelein,
Ich kenn ein' Ceder, wunderhold,
Da blicket durch der Sterne Gold,
Das ist das Haupt mit Locken fein,
Das ist der lichten Augen Schein!

Ich kenn ein Wörtlein silberrein,
Das Wörtlein führt in Himmel ein,
Das heißt allein: ich liebe dich!
Sagst Du es nicht, so sterbe ich,
Hört ich's von deinen Lippen an,
Nur einmal nur, gern stürb ich dann!

Ich kenn ein' Rose wundersüß,
Die Rose ist das Paradies,
Von zarten Lippen ist's ein Kuß,
Nach dem ich ewig schmachten muß -
Du, aller Huld und Schönheit reich,
Gieb mir den Kuß, den Tod zugleich!

Aus: Helmina von Chézy Gedichte der Enkelin der Karschin
Zweiter Band Aschaffenburg 1812 (S. 35)
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Helmina von Chézy (1783-1856)


Ein Ständchen

Ich kenn ein Röslein süß und licht,
Ein blühend Röselein.
O, hätt' ich es gesehen nicht,
Nie litt' ich solche Pein!
Die Biene scheut die Rose nicht,
Saugt lüstern Honig ein,
Wie kann nun Gift in Blumen licht,
Und heißes Feuer seyn?

Mein hohes Röslein nenn ich nicht,
Es schaut so lieblich drein,
Doch wenn mein Herz in Sehnsucht bricht
Ists seine Schuld allein!
Mein Mund zwar nie von Liebe spricht,
Doch kennt es meine Pein,
Wie Glut durch alle Ritzen bricht,
Muß Minne kenntlich seyn!

Von Eisen steht ein Gitter dicht,
Rings um mein Röselein,
Doch scheu ich Schwert und Eisen nicht
Will Röslein hold mir seyn!
Drum, säume nicht, du süßes Licht,
Und stille meine Pein,
Dann hüllt im Sternenschleier dicht
Das Glück die Liebe ein!

Aus: Helmina von Chézy Gedichte der Enkelin der Karschin
Zweiter Band Aschaffenburg 1812 (S. 42-43)
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Franz von Dingelstedt (1814-1881)


Ständchen

Fenster zu, Gardine nieder,
Stille Alles, Alles Nacht!
Drunten wandl' ich hin und wieder:
Ob sie schlummert? Ob sie wacht?
Dort ihr Kämmerlein, wie traulich
Und wie zierlich aufgeräumt;
Hier die Sehnsucht, die beschaulich
Von dem Himmel droben träumt!

Sieht das Bett in dunkler Ecke,
Wo sie einsam schlummernd liegt,
Sieht die grüne Seidendecke,
Die sich zitternd an sie schmiegt,
Alle Tüchlein, alle Bänder,
Die sie züchtig von sich warf,
Und das reichste der Gewänder,
Das auch Nachts ihr bleiben darf.

Sieht im Schlaf dahingegossen
Ihren Leib, so süß gebaut,
Fest das Augenpaar geschlossen,
Das am Tag so klar geschaut.
Ihre Hand, die weiße, kleine,
Die in leere Luft sich streckt,
Wenn ein Traum mit Irrlichtscheine
Die geliebte Seele neckt.

Friede diesem Schlafgemache,
Segen diesem Kämmerlein!
Mögen Engel seine Wache,
Seine Kerzen Sterne sein!
Nur noch einmal hin und wieder:
Ob sie schlummert? Ob sie wacht?
Fenster zu, Gardine nieder!
Gute Nacht denn, gute Nacht!


Aus: Franz Dingelstedt's Sämmtliche Werke
Erste Gesammt-Ausgabe in 12 Bänden
Siebenter Band Zweite Abteilung
(Lyrische Dichtungen Erster Band)
Berlin Verlag von Gebrüder Paetel 1877 (S. 8-9)

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Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)


Ständchen

Schlafe, Liebchen, weil's auf Erden
Nun so still und seltsam wird!
Oben gehn die goldnen Herden,
Für uns alle wacht der Hirt.

In der Ferne ziehn Gewitter;
Einsam auf dem Schifflein schwank,
Greif' ich draußen in die Zitter,
Weil mir gar so schwül und bang.

Schlingend sich an Bäum' und Zweigen
In Dein stilles Kämmerlein,
Wie auf goldnen Leitern, steigen
Diese Töne aus und ein.

Und ein wunderschöner Knabe
Schifft hoch über Tal und Kluft,
Rührt mit seinem goldnen Stabe
Säuselnd in der lauen Luft.

Und in wunderbaren Weisen
Singt er ein uraltes Lied,
Das in linden Zauberkreisen
Hinter seinem Schifflein zieht.

Ach, den süßen Klang verführet
Weit der buhlerische Wind,
Und durch Schloß und Wand ihn spüret
Träumend jedes schöne Kind.


Aus: Joseph von Eichendorff
Sämtliche Gedichte und  Versepen
Herausgegeben von Hartwig Schultz
Insel Verlag 2001
(S. 151-152)
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Ludwig Eichrodt (1827-1892)


Ständchen

Lieb um Liebe tauscht ich gern,
Wäre Lieb entglommen;
Aber Liebe steht so fern,
Liebe will nicht kommen.
Liebe, Liebe nur von dir,
Liebste, wäre Liebe mir!

Kannst du so zufrieden sein,
Immer ohne Sorgen,
Wie der Himmel, still und rein,
Früh am Frühlingsmorgen,
Kennst du nicht des Mittags Mühn,
Nicht das süße Abendglühn?

Lerne Liebe, Lust und Leid
Heißer Liebe lerne!
Endlich auch im Feierkleid
Zeige dich der Sterne!
Träume selig, schmücke dich,
Aber liebst du, liebe mich!


Aus: Leben und Liebe Gedichte von Ludwig Eichrodt
Frankfurt a. M. Verlag Heinrich Keller 1856 (S. 74)
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Adolf Frey (1855-1920)


Ständchen

Der Abendhauch strömt kühl und rein
Und schaukelt Silbersternenschein.
Willst nach des Tags Verrauschen
Du meinem Liede lauschen,
Das aus der Seele scheuer Hut
Die Schwinge taucht in Ätherflut?

O selig, die im Glücke stehn
Und täglich dir zur Seite gehn!
Ich seh dich nur von fernen Wegen
Mit bang verhaltnen Herzensschlägen -
Leih meinem Liede nun dein Ohr
Und tritt mit liebem Gruß hervor!

Ach, deiner Augen Schwalbenflug
Hasch ich so gern und nie genug!
Doch wenn sie schimmern einem andern,
Dann laß mich stolz und bitter wandern!
Ich habe viel und mehr als du:
Ein treues Herz und nichts dazu!

Aus: Gedichte von Adolf Frey
Zweite vermehrte Auflage
Leipzig H. Haessel Verlag 1908 (S. 42)
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Wilhelm Gerhard (1780-1858)


Morgenständchen

Liebes Mädchen, schlafe nicht!
Alles glänzt im Purpurlicht
Schon so hell und munter.
Höre meiner Laute Klang,
Höre meinen Morgensang,
Komm! o, komm herunter!

Liegst du noch im weichen Flaum?
Glüht ein rosenfarbner Traum
Dir um Mund und Wangen?
Auf! erwache, süßes Kind!
Steig' hernieder, o geschwind!
Stille mein Verlangen!

Schau! der Sonne goldner Strahl,
Blumen laden dich in's Thal,
Und die Vöglein singen.
Hell ertönt ihr Jubelchor,
Wenn sie sich durch Nebelflor
Auf zum Aether schwingen.

Siehst du nicht die holde Schaar
Sanfter Tauben, Paar und Paar,
Schnäbelnd sich erfreuen?
Mädchen, flieh' das niedre Dach,
Ihrem Beispiel folge nach!
Nimmer soll dich's reuen.

Rascher wallt des Jünglings Blut,
Und es kühlet Liebesglut
Nicht der feuchte Morgen.
Warum, schöne Schläferinn,
Hält dich böser Eigensinn
Immer noch verborgen?

Still! ich höre Liebchens Gang.
Nun verhalle Lautenklang,
Schweiget nun ihr Lieder!
Denn ihr schönes Auge lacht
In der Unschuld Himmelspracht
Hold auf mich hernieder.

Aus: W. Gerhard's Gedichte Erster Band
Leipzig Verlag von Joh. Ambr. Barth 1826 (S. 16-17)

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Martin Greif (1839-1911)


Ständchen

"Wirf den Rossen Futter vor!
Hell erglänzt der Mond,
Reiten will ich vor das Tor,
Wo fein Liebchen wohnt."

Ritter schwang sich leicht aufs Roß,
Knappe hinterdrein,
Durch des Waldes Gipfel floß
Heller Vollmondschein.

"Liebchen, Liebchen, ich bin da,
Liebchen, mach mir auf,
An den Wolken geht schon nah
Morgenrot herauf."

""Glühet an den Wolken schon
Lichtes Morgenrot,
Kehr dein Roß und jag davon,
Bringst mir Angst und Not.""

"Bring dir, süßes trautes Lieb,
Wonne doch zur Pein,
Mach dir keine Sorgen trüb,
Reich den Kußmund dein!"

""Meinen Kußmund biet' ich nicht,
Brich dir eine Ros,
Weißt doch, wie man Rosen bricht
Jung vom Strauche los.""

"Weiß, wie schön die Rosen sind
Frühe still am Tag,
Doch dein Kuß, rotwangig Kind,
Besser munden mag."

""Reite in den Wald zurück,
Frag Frau Nachtigall'n,
Rät sie zu, im Augenblick
Laß ich's Schlüßlein fall'n.""

"Schlug Frau Nachtigall wie wild
Und vor Liebe toll,
Ruft nur, daß ihr Ebenbild
Zu ihr kommen soll."

""Also frag den Kuckuck du,
Der im Wald tut schrein,
Werf' dir dann von oben zu
Gern mein Schlüsselein.""

"Kuckuck ist kein Glücksprophet,
Mach mir auf das Tor,
Siehe dort, die Sonne geht
Blendend schon empor."

""Konnten so in Zucht und Ehr'
Plaudern eine Stund',
Komm fein morgen wieder her,
Mehr dann wird dir kund.""

Aus: Gedichte von Martin Greif
Mit einem Bildnis des Dichters von Hans Thoma
Neunte, verbesserte und vermehrte Auflage (15. Tausend)
Leipzig C. F. Amelangs Verlag 1909 (S. 195-196)

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Johann Christoph Friedrich Haug (1761-1829)


Ständchen
An Feodoren

Rings walten Todesstille,
Und Schlaf und Mitternacht.
Der Wolken Nebelhülle
Verbirgt des Mondes Pracht.
Kein Sternchen flimmert heute;
Doch lieb' ich meinen Pfad.
Holdseligste der Bräute!
Dein Vielgetreuer naht.

Sanft, unter Harfentönen
Erwache, Zauberin!
Ich schlummre nicht vor Sehnen;
Du hast mich ganz dahin.
Mehr, als des Herzens Traute,
Welt, Himmel bist mir du.
O lisple Liebeslaute
Mir vom Balkone zu!

"Ich liebe Feodoren;
Ich lieb' und wanke nie.
Sie ward für mich gebohren,
Gebohren ich für Sie."
Das ist mein bestes Wissen,
Mein seligster Gewinn.
Sie kann ich nimmer missen. -
Erscheine, Zauberin!


Aus: Epigrammen und vermischte Gedichte
von Johann Christoph Friedrich Haug
Zweiter Band
Berlin Bei Johann Friedrich Unger 1805 (S. 238-239)

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Franz Hessel (1880-1941)


Ständchen

Hinter den Bäumen
Im Gemache
Schlummernde auf den kindlichen Kissen,
Du sollst nicht träumen,
Daß ich noch wache
In deinem Garten, - sollst du nicht wissen.

Nicht soll dich schwimmender
Dämmer erkennen,
Die helle Sonne soll dich wecken.
Nie soll ein glimmender
Funke dich brennen,
Die hohe Flamme wird dich nicht schrecken.

Dämmerung weil ich
Vor deinen Türen,
Ich bin die Nacht an deinen Wangen,
Die du zu heilig
Meinem Berühren,
Die du zu licht meinem dunklen Verlangen.

Weicht, Nachtwinde,
Von ihrem Haare,
Schlummer, verwahre sie im Gemache.
Nie empfinde,
Was ich erfahre,
Du sollst nicht wissen, daß ich noch wache.


Aus: Franz Hessel Sämtliche Werke in fünf Bänden
Band IV: Lyrik und Dramatik
Herausgegeben von Hartmut Vollmer und Bernd Witte
Igel Verlag Oldenburg 1999 (S. 39)

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Alfred Walter Heymel (1878-1914)


Ständchen

Rosenbüsche leuchten durch die Nacht.
Nur ein Mondschein und der Trost der Sterne.
Fern der Silberfluß. - Ich hör nicht gerne,
wie es aus dem Landhaus leise lacht.

Freundin scherzt dort. Und ich Tor, ich bebe,
von dem Frost der Einsamkeit gepeinigt.
Nur noch, wenn die süße Näh uns einigt,
glaube ich, Geliebte, daß ich lebe.

Laube find ich und den Hügel leer,
unsere hellen Wege unbetreten.
Komm, mich an den Liebesstrand zu retten,
Süße, aus erinnerungslauem Meer!

Rosenbüsche leuchten durch die Nacht.
Sanfte Lieder sing ich meinem Sterne.
Warum kamst du nicht? - In grauer Ferne
dämmert es, und dein Verliebter wacht.


Aus: Alfred Walter Heymel
Gesammelte Gedichte 1895-1914
Leipzig im Insel Verlag 1914 (S. 79)

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Ignaz Hub (1810-1880)


Ständchen

Sey gegrüßet, schöne Holde,
Mit dem Engels-Angesicht!
Mädchen mit dem Lockengolde
Um der Augen Sonnenlicht.

Komm hervor du süße Schöne,
Helle mir die dunkle Nacht,
Geuß den Silberlaut der Töne
Aus der Lippen Purpurschacht!

Laß dich sehen, laß dich grüßen,
Engel meiner Seele, du!
Laß dich sehen, grüßen, küssen,
Leg' das treue Herz zur Ruh'.

Du nur bist ja mein Verlangen,
Meiner Seele Paradies;
In dein Aug' wer sich verfangen,
Träumt den Himmel ganz gewiß.


Aus: Lyra-Klänge Gedichte von Ignaz Hub
Augsburg 1833 Gedruckt bei J. C. Wirth (S. 32)

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Karl Immermann (1796-1840)


Philosophisches Ständchen

Von den Büchern hab' ich mich
Noch Clock Eilfe losgerissen,
Da ich einmal liebe dich,
Sollst du nicht des Ständchens missen.
Zärtlich steht dein Philosoph,
O Laurentia, hier im Hof.

Du ein Weib, und ich ein Mann,
Sind wir beiderlei Geschlechte,
Und in solchem Falle kann
Lieb' entstehn nach Fug und Rechte.
Was natürlich, ziemet sich,
Ergo darf ich lieben dich.

Von dem Wirbel bis zum Zeh
Bist du, Schatz, schlechthin vollkommen!
Das Vollkommne hat von je
Herz und Sinne eingenommen.
Ist denn nicht stringent der Schluß:
Daß ich drum dich lieben muß!

Im Begriff der Liebe sitzt
Thorheit fest, gleich einem Keile.
Thorheit ist es, daß ich itzt
Klimpernd, singend hier verweile.
Wär' ich aber nicht ein Thor,
Trät' ein Widerspruch hervor.

Sieh, so hab' ich Satz für Satz
Unsre Liebe demonstriret,
Und zugleich am selben Platz
Dir ein Ständchen construiret.
Schlafe wohl, Laurentia,
Denn des Schlafes Stund' ist da.

Aus: Karl Immermann's Schriften
Erster Band Gedichte
Düsseldorf Verlag von J. E. Schaub 1835 (S. 43-44)

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Karl Immermann (1796-1840)


Ständchen

Wachst du, mein Herz?
Darf ich mit flüsternder Laute
Singen in Schlaf dich, o Traute?
Giebst du es zu?

Gieb es nur zu!
Nacht, die vertraute, mag's wissen,
Was wir dem Tage verschließen:
Mir ist so wohl!

Ist mir so wohl,
Weiß, welch ein Honig zu nippen
Heimlich von schwellenden Lippen,
Weißt du es auch?

Weißt es ja auch!
Danket, am Fenster ihr Reben!
Schlafe, du himmlisches Leben,
Schlaf, süßes Herz!

Aus: Karl Immermann's Schriften
Erster Band Gedichte
Düsseldorf Verlag von J. E. Schaub 1835 (S. 97)

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Eduard Kauffer (1824-1874)


Ständchen

Die Nacht ist aufgestiegen,
Stillträumend liegt die Welt
Und tausend Sterne fliegen
Empor am Himmelszelt.

Es rauschen Tann' und Eichen
Wie Kläng' aus alter Mär'
Und auf dem Kreuzweg schleichen
Gespenster hin und her.

Wie Kobold und Gespenster
Am monderhellten Hain,
Irr' ich um deine Fenster
In ruheloser Pein.

Ein leiser Ton der Zitter,
Ein leiserer Gesang
Sagt, daß dein treuer Ritter
Sucht süßen Minnedank.

Schließ auf, schließ auf das Pförtchen
Und sei so spröde nicht -
Ein einzig trautes Wörtchen
Der Spielmann mit dir spricht.

Schließ auf, du liebe Kleine,
Und fürchte dich nicht vor mir:
So gut, wie ich es meine,
Meint's niemand mehr mit dir!

Aus: Gedichte von Eduard Kauffer
Leipzig Theodor Thomas 1850 (S. 11-12)

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Gottfried Keller (1819-1890)


Drei Ständchen

1. Vor einem Luftschlosse
Schöne Bürgerin, sieh, der Mai
Flutet um deine Fenster!
Alle Seelen sind nun frei
Und es zerfließen der Tyrannei
Grämliche Gespenster!

In die Tiefe tauche kühn,
Ewige Jugend zu werben,
Wo die Bäume des Lebens blühn
Und die Augen wie Sterne glühn;
Droben bei dir ist Sterben!

Löse der Krone güldenen Glanz
Aus den Lockenringen!
Wirf sie herab! im klingenden Tanz
Einen duftigen Rosenkranz
Wollen wir froh dir schlingen!

Fühle, du Engel, dies heilige Wehn,
Das allmächtige Treiben!
Ja, dein Himmel wird untergehn
Und ein schönerer auferstehn -
Willst du ein Engel bleiben ?

Nicht wie Luna in schweigender Nacht
Küßte den träumenden Schläfer;
Komm, wenn der sonnige Tag uns lacht,
Daß das alte Lied erwacht:
Königstochter und Schäfer!


2. Einer Verlassenen
Wir haben deinen tiefen Gram vernommen
Und sind in deinen Garten still gekommen,
Wir stimmen unsre Saiten mit Bedacht,
Erwartend lauscht die laue Maiennacht.

Zu deines Ungetreuen Reu und Leide,
Zu deiner Nachbarinnen bitterm Neide,
Zu deiner Mutter Stolz und stiller Lust,
So wollen singen wir aus voller Brust!

Zünd an dein Licht, daß unser Lied dich ehre
Und vor dem Sternenzelt dein Leid verkläre!
Noch gibts manch Auge, das in Treuen blitzt,
Manch Herz, das noch an rechter Stelle sitzt!

Wohl selig sind, die in der Liebe leiden,
Und ihrer Augen teure Perlen kleiden
Die weißen Wangen mehr als Morgentau
Die Lilienkelche auf der Sommerau.

Die Liebe, die um Liebe ward betrogen,
Glänzt hoch und herrlich gleich dem Regenbogen;
Zu seinen Füßen, die in Blumen stehn,
Da liegen goldne Schüsseln ungesehn.


3. Schifferliedchen
Schon hat die Nacht den Silberschrein
Des Himmels aufgetan:
Nun spült der See den Widerschein
Zu dir, zu dir hinan!

Und in dem Glanze schaukelt sich
Ein leichter dunkler Kahn;
Der aber trägt und schaukelt mich
Zu dir, zu dir hinan!

Ich höre schon den Brunnen gehn
Dem Pförtlein nebenan,
Und dieses hat ein gütig Wehn
Von Osten aufgetan.

Das Sternlein schießt, vom Baume fällt
Das Blust in meinen Kahn;
Nach Liebe dürstet alle Welt -
Nun, Schifflein, leg dich an!

Aus: Gottfried Keller Sämtliche Werke
in sieben Bänden Herausgegeben von Thomas Böning,
Gerhard Kaiser, Kai Kaufmann, Dominik Müller und Peter Villwock
Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt am Main 1995
Band 1 Gedichte (S. 389-392)
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Justinus Kerner (1786-1862)


Ständchen

Ich kam vor Liebchens Fensterlein,
Tät viele Stunden stehen,
Ob nicht im milden Abendschein
Die Liebe wär' zu sehen.

Was fühlt dies Herz? So Lust als Weh,
Sie kömmt! o süßes Bangen!
Ich sah wohl zitternd in die Höh' -
Da kam der Mond gegangen.

Doch jetzt, doch jetzt, was fühlt dies Herz?
Gewiß! sie ist nicht ferne!
Ich sah wohl zitternd himmelwärts -
Da stunden tausend Sterne.

Dann drüben an dem Fensterlein
Sich mir ihr Bildnis zeigte;
Es war des Himmels Widerschein,
Was sich herunterneigte.

Aus: Justinus Kerner Werke.
Herausgegeben mit Einleitung und Anmerkungen von Raimund Pissin.
6 Teile in 2 Bänden Berlin Leipzig Wien Stuttgart
Deutsches Verlagshaus Bong & Co
Georg Olms Verlag Hildesheim New York 1974
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1914) (S. 103)
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Theobald Kerner (1817-1907)


Ständchen

Schläfst du oder wachst du,
Herzlieb, Herzlieb, Herzlieb?
Es schleicht zu deinem Fenster
Ein Dieb, ein Dieb, ein Dieb.

Er möchte Küsse stehlen:
O gib, o gib, o gib!
Es hat fürwahr dich Keiner
So lieb, so lieb, so lieb.

Halt fest mit weichen Armen,
Herzlieb, Herzlieb, Herzlieb,
Gefangen und umfangen
Den Dieb, den Dieb, den Dieb!

Aus: Die Dichtungen von Theobald Kerner
Hamburg Karl Grädener 1879 (S. 64)

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August Kopisch (1799-1853)


Ständchen am Vesuv

Unruhige du, du rufst mir "ruhe!" zu:
Bin todesmüd' und finde doch nicht Ruh!
Wo ruht des Schiffers Haupt im Sturmesdrang?
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ich bin der glüh'nde Stein, der dort entfleugt
Dem Schlund und, schon im Fallen, wieder steigt,
Emporgewirbelt von erneutem Drang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ein Ameisenhaufen bin ich, den gestört
Die Lieb', all meine Sinne sind verkehrt!
Am Himmel wankt vor mir der Sterne Gang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ich bin die Wachtel, über Meer verirrt,
Kein Land erblickt sie, jagt und schlägt und schwirrt,
Dicht unter ihr der Wellen Grabgesang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Aus: Gesammelte Werke von August Kopisch
Geordnet und herausgegeben von
Freundes Hand [Carl Bötticher] Band 1 und Band 2
Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1856

(Band 1 S. 388)
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Franz Kugler (1808-1858)


Ständchen

Der Mond steht über dem Berge,
So recht für verliebte Leut;
Im Garten rieselt ein Brunnen,
Sonst Stille weit und breit.

Neben der Mauer, im Schatten,
Da stehn der Studenten drei
Mit Flöt' und Geig' und Zither,
Und singen und spielen dabei.

Die Klänge schleichen der Schönsten
Sacht in den Traum hinein,
Sie schaut den blonden Geliebten
Und lispelt: Vergiß nicht mein.

Aus: Gedichte von Franz Kugler
Stuttgart und Tübingen
J. G. Cotta'scher Verlag 1840 (S. 5)

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Friedrich Marc (1819-?)


Ständchen

Höre meiner Laute Klänge
Durch die stille Nacht erzittern.
Süßer Reize Lobgesänge
Nahen deinen Fenstergittern.

Einsam weil' ich hier im Dunkeln,
Freudenlos, und von den Sternen
Nur gesehen, die mir funkeln
Milden Trost von blauen Fernen.

Rings ist Alles Schlaf und Friede,
Blätter flüstern wie in Träumen.
Nur die Schmerzen mit dem Liede
Schweben wach in diesen Räumen.

Wenn den Schlummer unterbrachen
Töne, die dem Lager nahten,
Für ein kurzes, halbes Wachen
Dein Verzeihen auch erbaten:

Zürne nicht und schlumm're wieder,
Bleibt ein Echo nur der Töne,
Rührt die Stimme dieser Lieder
Doch vielleicht dein Herz, du Schöne.

Aus: Gedichte von Friedrich Marc
London, Franz Thimm Deutsche Buchhandlung
Brook Street Grosvenor Square 1858 (S. 4-5)

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Hermann Oelschläger (1839-1908)


Ständchen

Wach auf, wach auf, es trifft mein Sang
Dein überraschtes Ohr
Und bei dem lieben leisen Klang
Hebst du dich halb empor.

Wach auf, wach auf, es schläft die Welt
Und heiter ist die Nacht,
Der Mond nur und dein Liebster hält
Noch auf der Straße Wacht.

Wach auf, wach auf und träumtest du
Auch noch so süß und fein,
Wohl klingt mein leises Lied dazu:
Die Liebe harret dein.

Wach auf, wach auf, schon ließ der Wind
Sein ungestümes Weh'n
Und könntest du, geliebtes Kind,
Dem Sange widersteh'n?

Wach auf, denn ach in kurzer Zeit
Neigt sich der Sterne Lauf -
Wach auf, wach auf und sei bereit,
Wach auf, mein Schatz, wach auf.

Aus: Gedichte von Hermann Oelschläger
München Carl Merhoff's Verlag 1869 (S. 9)

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Ludwig Pfau (1821-1894)


Ständchen

Mein Lieb! all ihre Grüße
Schickt dir die Frühlingsnacht:
Schlaf wohl! du Wundersüße,
Du Süße!
Gehüllt in deine Pracht.

Es kommt aus Kelch und Dolde
Ein Duft dir zugefacht:
Schlaf wohl! Du Wunderholde,
Du Holde!
Du Glut der kühlen Nacht.

Und zarte Liebestöne
Umschweben dich sanft und sacht:
Schlaf wohl! Du Wunderschöne,
Du Schöne!
Du Herz der stillen Nacht.

Und Sterne mit mildem Scheine,
Sie winken von hoher Wacht:
Schlaf wohl! Du Wunderreine,
Du Reine!
Du Trost der dunkeln Nacht.

Du Lieb! all ihre Grüße
Schickt dir die Frühlingsnacht:
Schlaf wohl! Du Wundersüße,
Du Süße!
Gehüllt in deine Pracht.

Aus: Gedichte von Ludwig Pfau.
Dritte Auflage und Gesamtausgabe
Stuttgart 1874 (S. 12)
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Hermione von Preuschen (1854-1918)


Ständchen

Wenn das Silberlicht des frühen Morgens
Mir die Augen küsst, dass ich erwache,
Traumbefangen dann und ganz verwundert,
Ohn' Erinnern noch, den Tag beschaue:
Dringt an's Ohr mir leises Vogelzwitschern
Süss herüber, wie aus weiter Ferne.

Lächelnd schliess' ich dann die Augen wieder,
Träume noch von Dir, schon halb im Wachen:
Dass Du mir die Frühlingsvögel schicktest,
Alle Lieder meinem Tag zu bringen!

Aus: Via Passionis. Lebensbilder
von Hermine von Preuschen
Dresden und Leipzig Verlag Carl Reissner 1895 (S. 54)
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Robert Reinick (1805-1852)


Morgens als Lerche
Ständchen

Morgens als Lerche
Möcht' ich begrüßen der Sonne Strahl,
Mittags Libelle,
Küssen die Blum' im Blüthenthal,
Abends ein Schwan wohl
Schwimmen in funkelndem Sternenschein,
Möcht' in der Mondnacht
Leicht und lustig ein Elfe sein!

Sonne, wann endlich
Trittst du strahlend heraus zu mir?
Blume, o dürft' ich
Hier in den Blüthen ruhen bei dir!
Stern, und hörst du
Rauschen die Wasser? sie rufen dich.
Schön ist die Mondnacht,
Elfenkönigin, zeige dich!

Aus: Lieder von R. Reinick (Maler)
Berlin Verlag von Carl Reimarus
Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung 1844 (S. 33)

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Robert Reinick (1805-1852)


Komm in die stille Nacht!
Ständchen

Komm in die stille Nacht! -
Liebchen, was zögerst du?
Sonne ging längst zur Ruh',
Welt schloß die Augen zu,
Rings nur einzig die Liebe wacht!

Liebchen, was zögerst du?
Schon sind die Sterne hell,
Schon ist der Mond zur Stell',
Eilen so schnell, so schnell!
Liebchen, mein Liebchen! drum eil' auch du!

Sonne ging längst zur Ruh'! -
Traust wohl dem Schimmer nicht,
Der durch die Blüthen bricht?
Treu ist des Mondes Licht.
Liebchen, mein Liebchen, was fürchtest du?

Welt schloß die Augen zu!
Blumen und Blüthenbaum
Schlummern in süßem Traum,
Erde, sie athmet kaum,
Liebe nur schaut den Liebenden zu! -

Einzig die Liebe wacht,
Ruft dich allüberall;
Höre die Nachtigall,
Hör' meiner Stimme Schall,
Liebchen, o komm in die stille Nacht!


Aus: Lieder von R. Reinick (Maler)
Berlin Verlag von Carl Reimarus
Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung 1844  (S. 36-37)

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Robert Reinick (1805-1852)


In dem Himmel ruht die Erde
Ständchen

In dem Himmel ruht die Erde,
Mond und Sterne halten Wacht,
Auf der Erd' ein kleiner Garten
Schlummert in der Blumen Pracht. -
Gute Nacht, gute Nacht!

In dem Garten steht ein Häuschen,
Still von Linden überdacht;
Vor dem kleinen Erkerfenster
Hält ein Vogel singend Wacht. -
Gute Nacht, gute Nacht!

In dem Erker schläft ein Mädchen,
Träumet von der Blumen Pracht;
Ihr im Herzen ruht der Himmel,
Drin die Engel halten Wacht. -
Gute Nacht, gute Nacht!

Aus: Lieder von R. Reinick (Maler)
Berlin Verlag von Carl Reimarus
Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung 1844   (S. 53)

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Christian Ludwig von Reissig (1784-1847)


Nachtständchen

Der Mond erhellt
Die müde Welt,
Bedeckt mit grauer Hülle,
Die Abendluft
Ist wie die Gruft
So schauerlich und stille.

Erquickt dich schon
Des Schlummers Mohn,
Du Holde, die ich meine?
Holla mein Kind!
Erwach' geschwind!
Erscheine, ach erscheine!

Auch ich trank schon
Des Schlummers Mohn,
Da wollt' ich mich ermorden!
Denn denke dir,
Es träumte mir,
Du wärest treulos worden.

Mich hat der Traum
Vom weichen Flaum
Voll Angst zu dir getrieben,
Nicht wahr mein Kind,
Du bist gesinnt
Mich ewig treu zu lieben? -

Komm öffne mir
Die falsche Thür,
Dich an mein Herz zu drücken!
Ach, der Genuß
Von deinem Kuß,
Ist himmlisches Entzücken!

Aus: Blümchen der Einsamkeit
von Christian Ludwig Reissig Wien 1809
auf Kosten und im Verlag bey Johann Baptist Wallishausser (S. 98-99)

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Ludwig Rellstab (1799-1860)


Ständchen

Leise flehen meine Lieder
Durch die Nacht zu Dir;
In den stillen Hain hernieder,
Liebchen, komm' zu mir!

Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
In des Mondes Licht;
Des Verräthers feindlich Lauschen
Fürchte, Holde, nicht.

Hörst die Nachtigallen schlagen?
Ach! sie flehen Dich,
Mit der Töne süßen Klagen
Flehen sie für mich.

Sie verstehn des Busens Sehnen,
Kennen Liebesschmerz,
Rühren mit den Silbertönen
Jedes weiche Herz.

Laß auch Dir die Brust bewegen,
Liebchen, höre mich!
Bebend harr' ich Dir entgegen!
Komm', beglücke mich!


Aus: Gedichte von Ludwig Rellstab
Leipzig F. A. Brockhaus 1844 (S. 79-80)

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Hugo Salus (1866-1929)


Ständchen

Ich hab' die ganze Frühlingsnacht
Vor meines Liebchens Haus gewacht,
Der Himmel war voll Sternenglanz,
Mein Herz war eingesponnen ganz
In Sehnsucht und in Liebe,
In Sehnsucht und in Liebe.

Wollt' mir das Herz fast aus der Brust,
Hab's immer halten nur gemußt,
So sehnt es sich: das heißt auch was,
Trennt einen nur ein Fensterglas
Von seiner süßen Liebe,
Von seiner süßen Liebe!

Nun steht die Sonne schon im Tag,
Doch, wie sie immer strahlen mag,
Ich seh' am Himmel, nah und fern,
Noch neben ihr die tausend Stern',
Die Sternlein meiner Liebe,
Die Sternlein meiner Liebe.

So wach doch auf, du Schläferin!
Lockt's dich denn nicht zum Fenster hin,
Wie Sonn' und Stern am Himmel stehn,
Mit Wunderaugen anzusehn,
Und mich und meine Liebe?
Und mich und meine Liebe... 

Aus: Hugo Salus Neue Garben
Albert Langen Verlag für Litteratur und Kunst
München 1904 (S. 92-93)
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Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)


Ständchen

Mach auf, mach auf! doch leise, mein Kind,
Um Keinen vom Schlummer zu wecken!
Kaum murmelt der Bach, kaum zittert im Wind
Ein Blatt an den Büschen und Hecken;
Drum leise, mein Mädchen, daß nichts sich regt,
Nur leise die Hand auf die Klinke gelegt!

Mit Tritten, wie Tritte der Elfen so sacht,
Die über die Blumen hüpfen,
Flieg leicht hinaus in die Mondscheinnacht,
Zu mir in den Garten zu schlüpfen!
Rings schlummern die Blüthen am rieselnden Bach
Und duften im Schlaf, nur die Liebe ist wach.

Sitz nieder! Hier dämmert's geheimnißvoll
Unter den Lindenbäumen.
Die Nachtigall uns zu Häupten soll
Von unseren Küssen träumen
Und die Rose, wenn sie am Morgen erwacht,
Hoch glüh'n von den Wonneschauern der Nacht.

Aus: Gedichte von Adolf Friedrich von Schack
Berlin 1867 (S. 98)
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Georg Scheurlin (1802-1872)


Ständchen

Wach auf, wach auf, du liebe Maid!
Und hörst du nicht des Freundes Lied,
Das durch die Stille im Geleit
Der sehnenden Akkorde zieht?
Die Sterne schaaren sich zu Hauf,
Daß küssend dich ihr Strahl berühre;
O laß mich nicht vor deiner Thüre
Vergessen flehn: wach auf, wach auf!

Wach auf, wach auf, du schönes Kind,
Und fühlst du nicht auf weichem Pfühl,
Wie süßen Zaubers dich umspinnt
Der Schein des Mondes lind und kühl?
Die Wolken auch, in leisem Lauf
Beschauen dich mit sel'gem Blicke,
Indeß ich süße Seufzer schicke
Zu deinem Ohr: wach auf, wach auf!

Wach auf, du meiner Seele Traum!
Im Laube tönt des Sprossers Schlag,
Bald lüftet an der Berge Saum
Den Schleier auch der junge Tag.
Die Laute noch zu dir hinauf
Entsendet zärtlich ihre Weise: -
Und horch, dein Fenster regt sich leise, -
Mein süßes Lieb wacht auf, wacht auf! -

Aus: Heideblumen
Gedichte von Georg Scheurlin
Heidelberg Universitätsbuchhandlung von Karl Winter 1858 (S. 156-157)

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Eduard Schulz (Ps. Eduard Ferrand) (1813-1842)


Das Ständchen

Im kalten Schneegewande
Ruht still und öde die Flur.
Unter deinem Fenster sing' ich
Von den Schmerzen der Liebe nur.

Erbärmlich mag es zwar klingen,
Die Zähne klappern vor Frost -
Ich höre dich heimlich lachen -
Das ist ein schlechter Trost!

Hu! Grimme Dezemberkälte!
Schneidend weht des Windes Hauch.
Meines Mundes Athem gefrieret,
Und meine Seufzer wohl auch.

Fürwahr, das muß ich fast glauben -
Wie ließen sie sonst dich so kalt?
Sie kommen aus glühendem Herzen,
Und deines ist ewig kalt! -

Aus: Gedichte von E. Ferrand [Eduard Schulz]
Berlin im Verlage der Stuhr'schen Buchhandlung 1834 (S. 96)

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Ludwig Seeger (1810-1864)


Ständchen

Ach! dieses Glück war nicht für mich!
Byron

Da komm' ich her in Nächten mild
Und sing' und wag' es kaum,
Wie Sternenglut ins Mondlicht quillt,
Sing' ich in deinen Traum.

Und hast du meiner nie gedacht,
Was ist's nun mehr mit mir?
Doch komm' ich her in stiller Nacht
Und sing' empor zu dir.

Ein Sehnen zieht zu dir mich hin,
Das macht mich todeswund;
Ach, zieht mich, Herzenskönigin,
Bald in der Erde Grund!

Und Lied und Liebe sinkt hinab
Und träumt im kühlen Schrein.
Dann laß im Garten hier mein Grab
Vor deinem Fenster sein.

Und wenn der Mond am Himmel steht
Und Liebesträume sinnt,
Ein Flüstern durch die Blumen geht,
Der Springquell leiser rinnt:

Dann schaust du in die Nacht hinaus,
Dann steh' ich wieder hier,
Entstiegen meinem dumpfen Haus,
Und sing' empor zu dir.


Aus: Ludwig Seeger's gesammelte Dichtungen I. Liederbuch
Stuttgart Druck und Verlag von Emil Ebner 1863 (S. 126-127)

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Karl Simrock (1802-1876)

Ständchen

Athme nur leise,
Wenn ich die Kreise
Zieh um dein kleines befriedetes Haus;
Gaukelnde Töne,
Schaukelt die Schöne
Nicht aus dem goldigen Schlummer heraus.

Säusle gelinde,
Blühende Linde,
Wecke sie nicht aus dem lieblichen Traum,
Daß sich den Tönen
Liebend versöhnen
Mag dein Geflüster, du kosender Baum.

Träume sind Lieder,
Die dir hernieder
Singen die Sterne vom himmlischen Land;
Lieder sind Träume:
Spielende Reime
Machen das innerste Wünschen bekannt.

Drum in die Lieder
Immer und wieder
Stiehlt sich dein lieblicher Name so gern:
Selige, Reine,
Wäre der meine
Deinen entzückenden Träumen nicht fern.

Aus: Gedichte von Karl Simrock
Leipzig In der Hahn'schen
Verlagsbuchhandlung 1844 (S. 32)

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Theodor Storm (1817-1888)


Ständchen

Weiße Mondesnebel schwimmen
Auf den feuchten Wiesenplanen;
Hörst du die Gitarre stimmen
In dem Schatten der Platanen?

Dreizehn Lieder sollst du hören,
Dreizehn Lieder, frisch gedichtet;
Alle sind, ich kann's beschwören,
Alle nur an dich gerichtet.

An dem zarten schlanken Leibchen
Bis zur Stirne auf und nieder,
Jedes Fünkchen, jedes Stäubchen,
Alles preisen meine Lieder.

Wahrlich, Kind, ich hab zuzeiten
Übermütige Gedanken!
Unermüdlich sind die Saiten,
Und der Mund ist ohne Schranken.

Vom geheimsten Druck der Hände
Bis zum nimmersatten Küssen!
Ja, ich selber weiß am Ende
Nicht, was du wirst hören müssen.

Laß dich warnen, laß mich schweigen.
Laß mich Lied um Liebe tauschen;
Denn die Blätter an den Zweigen
Wachen auf und wollen lauschen.

Weiße Mondesnebel schwimmen
Auf den feuchten Wiesenplanen;
Hörst du die Gitarre stimmen
In dem Schatten der Platanen?

Aus: Theodor Storm, Sämtliche Werke Gedichte Märchen
und Spukgeschichten, Novellen
Aufbau Verlag Berlin und Weimar, 1972 (S. 210-211)
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Moritz Graf von Strachwitz (1822-1847)


Ständchen

Mein Liebchen komm, uns Beiden
Ist wohl, wenn der Abend scheint,
Es hat der Tag beim Scheiden
Sein Auge rot geweint.
Die allertiefste Bläue
Umduftet den Bergeswall,
Und wie in süßer Scheue
Murmelt der Wasserfall.

Lautlos die Flügel regend
Hinschwimmt des Winters Flug,
Das ist der entschlafenden Gegend
Duftflutender Atemzug.
Er macht die Welle nicht schüttern,
Er streicht ihr Haar nur glatt;
Er läßt die Blätter nicht zittern,
Er küßt nur jedes Blatt.

Die Blumen traumhaft schwanken
Und atmen wollustschwer,
Es flattern Märchengedanken
Um ihre Häupter her.
Der Baum mit allen Zweigen
Zum Himmel blickt er stät,
 Er spricht in seligem Schweigen
In sich sein Nachtgebet.

Mein Liebchen komm, das Glutmeer
Ist hinter die Berge gerollt
Und wirft noch über die Flut her
Sein letztes Streifchen Gold;
Mein Liebchen komm, es nachtet,
Tau schlürfen die Rosen fromm,
Mein Mund nur dürstet und schmachtet,
Mein Liebchen komm, o komm!


Aus: Gedichte von Moritz Graf Strachwitz
Gesamt-Ausgabe Halle a. d. S.
Druck und Verlag von Otto Hendel 1887 (S. 85-86)

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Christoph August Tiedge (1752-1841)


Ständchen

Entschlummre, schön Liebchen, schon flattert's im Stall!
Heut' hatten wir Kränzchen, und morgen ist Ball!
Das Herz und die Aeuglein bedürfen der Ruh:
Drum schließe, schön Liebchen, nur beides hübsch zu!

Es haben die Füßchen nur wenig geruht,
Nur selten erlosch auf der Wange die Gluth;
Nun löse der Schlaf die Lebendigkeit ab,
Sonst nützet das Leben zu schleunig sich ab.

Es ist ja das Leben ein liebliches Spiel;
Wir spielen nicht lange: drum spielen wir viel.
Wohl kostet es Zeit, um die Zeit zu verthun:
Drum ist es auch billig, dazwischen zu ruhn.

Viel Kronen des Sieges erwarbst du dir heut';
Da ging denn dies Herzchen, wie Festtagsgeläut.
Drum schlafe nun, Liebchen, schlaf ruhig und wohl,
Sonst klopfet das Herzchen die Seite noch hohl!

Und morgen umflattert, mit Kränzen geziert,
Das Leben uns, welches die Geige regiert.
Horch! hörst du? schon brummet der Nachtwächter: elf;
Drum schlafe, schön Liebchen, bis morgen um zwölf!

Aus: C. A. Tiedge's sämmtliche Werke (Band 1-10)
Leipzig 1841 Vierte Auflage Renger'sche Buchhandlung (Fr. Volckmar) (Band 3 S. 4-5)

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Albert Traeger (1830-1912)


Morgenständchen

Steh' auf und öffne das Fenster schnell,
Es lacht der Morgen so frisch, so hell,
Und unten im kleinen Garten
Sind Leute, die Deiner warten.

Die Veilchen kamen über Nacht,
Hoffärtig breit sich die Tulpe macht,
Und träumend auf und nieder
Schwankt schon der blaue Flieder.

Die Aermsten haben keine Ruh',
An's Fenster blicken sie immerzu,
Sie glauben nicht an des Lenzes Wehen,
Bis sie die holde Rose gesehen.


Aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 114)
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Albert Traeger (1830-1912)


Die Rose nur
(Ständchen)

Der Tag schloß im Ermatten
Sein Sonnenauge zu,
Ich stehe tief im Schatten,
Auf hohem Söller Du;
Getrennt sind uns're Loose,
Dir lacht des Lebens Lust,
Die Rose nur, die Rose
Gieb mir von Deiner Brust!

Sanft flüstert in den Bäumen
Der Liebestraum der Nacht,
Nun ist zu stillem Träumen
Dein Herz auch aufgewacht;
Mild ist der Luft Gekose,
Sei mild auch unbewußt,
Die Rose nur, die Rose
Gieb mir von Deiner Brust!

Den Stolz, der bang noch zaudert,
Laß ihn dem Wind zum Spiel,
Nie hat ein Stern geplaudert,
Wenn eine Rose fiel;
Der Nacht verschwieg'nem Schoose
Du still vertrauen mußt,
Die Rose nur, die Rose
Gieb mir von Deiner Brust!


Aus:
Gedichte von Albert Traeger
Neunte vermehrte Auflage
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1873
(S. 115-116)
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Wilhelm Wackernagel (1806-1869)


Frühlingsständchen

Auf auf! der Lenz ist wieder da der holde!
Er fleugt auf Winden schon von Wald zu Walde
Und hüpft in Luft von Dolde schon zu Dolde.

Er schaukelt hin und her auf grünen Zweigen,
Daß rundum stiebt der Blüten weißer Regen,
Mitjubelnd Blumen sich zu Blumen neigen.

Nun will auch ohne Halt mit Liedern schallen
Der Vögel Schaar, die Luft schlägt bunte Wellen,
Das Laub erbebt dem Lied der Nachtigallen.

Auch mir ist nun von Tönen all umrungen
Mein Herz, daß es vor Lust noch will zerspringen:
Zu dir hat sich mein erstes Lied erschwungen.

Der Lenz hat mit dem Schlagen seiner Flügel
Die alte Scheu verjagt, gesprengt die Riegel;
Die neue Lust bricht meiner Zunge Zügel.

Flehend heb ich zu dir gefaltne Hände:
Schilt nicht, wie manche Blume wieg im Winde,
Daß ich mein Auge nach der schönsten wende.

Schilt Holde nicht: zagend erstummt mein Klimpern,
Schlagenden Nachtigallen weicht mein Stümpern.
Schilt Holde nicht und schleuß zum Schlaf die Wimpern.


Aus: Gedichte eines fahrenden Schülers.
Herausgegeben von Wilhelm Wackernagel
Berlin Verlag von Fr. Laue 1828 (S. 8)
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Wilhelm Wackernagel (1806-1869)


Ständchen mit Frost

Du Gute mit dem rosenrothen Munde,
In dunkler Nacht steh ich bei kaltem Winde
Und harre dein schon eine lange Stunde.

In dunkler Nacht steh ich bei kaltem Winde.
Kein Fenster klirrt und gibt mir frohe Kunde,
Kein Blumenstrauß von meinem süßen Kinde.

Du thust nach Weiberart, mein liebes Mädchen:
Hast langes Haar, dabei ein kurzes Müthchen.
Der Wind geht scharf: Kind, öffne mir dein Lädchen.

Und läßt dus, hast du mich damit verloren:
Soll ich die lange Nacht hier draußen frieren,
Leicht kommts, daß mir auch ist die Lieb erfroren.


Aus: Gedichte eines fahrenden Schülers.
Herausgegeben von Wilhelm Wackernagel
Berlin Verlag von Fr. Laue 1828 (S. 17)
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Wilhelm Wackernagel (1806-1869)


Verregnetes Ständchen

Wach holdes Kind, horche der Saiten Klange,
Horche dem kleinen Lied, das ich dir bringe:
Wie Mädchenlieb und Treue währts nicht lange.

An allen Laden schlich ich auf und nieder:
Alles schläft fest, der Saiten leises Plaudern
Vernimmt Niemand und die verstohlnen Lieder.

Begonnen ists, wie bring ichs nun zu Ende?
Gleichgültig wärs dir, wenn ich auch gestünde,
Wie dich so gerne herzten Mund und Hände.

Was hilfts denn, wenn ich dir nun auch verkünde,
Wie ich dir eigen bin ohn Wank und Ende?
Du lachtest, wenn ich all die Nacht hier stünde.

Was frommt mir so mein Singen und mein Sagen?
Kann wie Amphion Felsen ich bewegen?
Bezähmen wilden Sinn durch Lautenschlagen?

Und doch will mich mein Singen nicht verdrießen,
Wie sich auch öffnen alle Wolkenschleußen,
Daß ich schier muß sammt meinem Lied verfließen.

Hörst du die Ström an deines Fensters Gitter
Schlagen und rauschen durch der Linde Blätter?
Hör ich nicht auf, verregnets mir die Cither.


Aus: Gedichte eines fahrenden Schülers.
Herausgegeben von Wilhelm Wackernagel
Berlin Verlag von Fr. Laue 1828 (S. 49)
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Wilhelm Wackernagel (1806-1869)


Und wieder ein Ständchen

Und wieder tönt dein Sang zu später Stunde:
Stille die Flügel falten alle Winde,
Zuhorchend führt der Sterne Heer die Runde.

Ich lausch und sing und sing und lausche wieder:
Wie kühler Thau sich senkt auf Kronen müder
Blumen, so fleußt dein Lied ins Herze nieder.

Dem wilden Vogel mag ich mich vergleichen,
Der lang in Freyheit Wald und Feld durchstrichen:
Zuletzt muß sie des Klobens Trügniß weichen.

Knechtschaft und Noth lohnt ihm sein süß Verlangen:
Je mehr die Flügel schlagend dannen ringen,
Je fester immer gibt er sich gefangen.

Höre den Klagesang, mein Lieb, mein Leben:
Umschleuß mit Armen mich: nur also lieben
Fesseln ergeb ich mich ohn Widerstreben.


Aus: Gedichte eines fahrenden Schülers.
Herausgegeben von Wilhelm Wackernagel
Berlin Verlag von Fr. Laue 1828 (S. 55)
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Wilhelm Wackernagel (1806-1869)


Letztes Ständchen

Noch öfter ist mein Nachtsang dir erklungen,
Als Blüten an der grünen Linde hangen:
Und welchen Lohn hab ich damit errungen?

Klingend und singend wie viel dunkle Stunden
Hab ich in Sturm und Nachtthau hier gestanden!
Und welchen Dank hat all mein Dienst gefunden?

Für Freude Hohn und Spott und Haß für Liebe!
Ich würde, welch ein Lied ich auch erhübe,
Die Thür nur hüten gegen nächtge Diebe.

Verwünscht die Stunden, die ich lauschend schaute!
Verwünscht, die dir ertönten, Sang und Saite!
An deiner Wand zertrümmert sey die Laute!


Aus: Gedichte eines fahrenden Schülers.
Herausgegeben von Wilhelm Wackernagel
Berlin Verlag von Fr. Laue 1828 (S. 62)
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Paul Wertheimer (1874-1937)


Ständchen

Vernimmst du meiner Geige sehnsuchtstollen
Aufschrei der nachtgebor'nen Melodien?
Ich will mit Liedern wie mit wundervollen
Blumenguirlanden deine Stirn umziehen.

Du meine Welt, du mein geheimes Wissen!
Was ist mir der Erkenntnis Sternenklarheit!
In Nachtviolen, Rosen und Narzissen,
In meinem Traum von dir ist meine Wahrheit!

Aus: Neue Gedichte von Paul Wertheimer
München und Leipzig bei Georg Müller 1904 (S. 31)
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Oskar Wiener (1873-1944)

Ständchen

Kleine Dame, stolze Dame
Mit den braunen Nackenlöckchen
Und dem rothgestreiften Mieder
Und dem knappen Seidenröckchen;

Kleine Dame, stolze Dame,
Sieh, ich komme nicht vom Fleckchen!
Will ich Dir von Liebe sagen,
Blickst Du störrig wie ein Böckchen.

Kleine Dame, stolze Dame,
Wäre ich ein fades Geckchen,
Hätte gelbe Schnabelschuhe
Und ein weißes Tennisjäckchen,

Kleine Dame, stolze Dame:
Ja, dann käme ich vom Fleckchen,
Dürfte Deine Lippen küssen
Und die braunen Nackenlöckchen. -
Kleine Dame, stolze Dame! -

Aus: Gedichte von Oskar Wiener
mit Titellitographie von H. Steiner
Berlin Schuster & Loeffler 1899 (S. 40)

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Ernst von Wildenbruch (1845-1909)


Ständchen

Rosen und duftende Veilchen
Bring' ich fein Liebchen dir,
O nur ein kleines Weilchen
Neige dich her zu mir.

Laß meiner Zither Töne
Klagen dir all meinen Schmerz.
Nimm sie, du Holde, du Schöne,
Nimm sie liebreich an das Herz.

Sieh wie der Mond am Himmel
Leuchtet in stiller Pracht,
Stumm ist der Menschen Getümmel,
Lautlos und duftig die Nacht.

Könnt' in dem tiefen Schweigen,
Das uns traulich umgibt,
Könnt' ich mein Herz dir zeigen,
Wüßtest du, wie es dich liebt.

Aus: Ernst von Wildenbruch Gesammelte Werke
Herausgegeben von Berthold Litzmann
Band 15 (Gedichte und kleine Prosa)
G. Grotesche Verlagsbuchhandlung Berlin 1924 (S. 14-15)

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Ernst Anton Zündt (1819-1897)


Ständchen an Johanna

I.
Ich trockne dir gern die Thränen,
Und finde sie doch so schön!
Ich freu' mich des Wiedersehens,
Und kann nicht von dir geh'n!


II.
Sie glaubten, ich sei von Sinnen,
Sie hielten mich für verrückt.
Sie mögen das glauben, und halten!
Hast du mich dafür nicht beglückt?

Als sie sich freuten des Narren,
Wie weintest du, Liebste, so sehr!
Ihr Gelächter kann er vergessen,
Deine Thränen nimmermehr!


III.
Ich stand in einem Garten,
Da blühten der Blumen viel
Mit ihren stolzen Farben
Im buntesten Gewühl.

Und eine weiße Rose
Stand dort auch ganz allein,
Den Kelch bekränzt mit Thränen
Von Himmels-Edelstein.

Des Morgenthaues Strahlen
Auf ihrem Angesicht
Sprach sie so hold und schmachtend:
Vergiß mich Arme nicht!

Und von derselben Stunde
Labt mich ihr Duft allein;
Sie soll den Stolzen ferne
Mein Zaubergarten sein!


IV.
Mein Lieb, sie wollten uns trennen,
Und reißen uns Herz von Herz;
Bald schickten sie die Verläumdung,
Bald Bosheit, und bald den Scherz.

Doch haben sich unsere Herzen
Nicht längst schon besser erkannt?
Hat nicht unsterbliches Feuer
Auf unserm Altare gebrannt?

Wir lachen der bösen Gesellen,
Und schmiegen uns enger an;
Wir haben die Probe bestanden,
Schau, wie sie sich ärgern daran!


V.
Deine Wachtel hat oft geschlagen
In herrlicher Mondesnacht,
Die ich voll liebender Sehnsucht
Deinem Kämmerchen nahe verwacht.

Da gab es keine Gespenster,
Der Wächter mit seinem Speer,
Und mit der finstern Laterne
Zog einzig die Straße daher.

Ich stand im Schatten der Linden,
Und er schritt ruhig vorbei;
Was kann auch Herzens Diebstahl
Bekümmern die Polizei.


VI.
Wir hatten vergnügte Stunden,
Da gab es nur Gegenwart;
Wir küßten selige Küsse,
Das fiel uns gar nicht hart.

Und jetzt kommt plötzlicher Abschied,
Jetzt treiben sie mich fort!
Wie viel noch möcht' ich dir sagen,
Und finde doch kein Wort.

Kein Wort könnt' es auch sagen,
Was mir das Herz beklemmt;
Deine Thränen haben die Worte,
Die süßesten, weggeschwemmt!


VII.
Auf meines Vaters Grabe
Hab ich dich angeblickt,
Und einen frommen Seufzer
Dem Todten zugeschickt.

Der du so viel geduldet,
O theurer Vater mein,
Sieh trauernd deinen Sohn hier
An deinem Grabesstein!

Sieh auch an seiner Seite
Die Heißgeliebte steh'n!
Du weißt, was wir verlangen,
Du weißt, um was wir fleh'n!

Erbitt uns du Gewährung
Vor seinem Gnadenthron,
Erfleh' uns du den Segen,
Der treuer Liebe Lohn!


VIII.
Wie heißt denn mein Vergehen,
Wie heißt doch meine Schuld,
Daß mir der Himmel gänzlich
Entzogen seine Huld?

Mich wärmt nicht seine Sonne,
Freut nicht sein reines Blau,
Die Welt tritt mir vor Augen
So fahl und geistergrau!

Auf einem Todtenacker,
Da geh' ich ganz allein,
Und kalter Schauer rüttelt
Das bebende Gebein.

Ein einzig Flämmchen leuchtet
Aus weiter Ferne hier;
Doch, ach, so weit, so ferne,
S'ist deine Lieb zu mir!


IX.
Blut möchten meine Augen
Vergießen, Herzensblut;
Denn mich hat nicht erleichtert
Vergoß'ner Thränen Flut.

Das Blut, das eine Flamme
Im tiefsten Herzen brennt,
Und ängstiget mit Qualen,
Die keine Sprache nennt;

Das Blut, das einst die Wange
So glühend färbte rot,
O möcht' es nun erkalten,
O gäb' es jetzt den Tod! -


X.
Laß uns das Schiff besteigen,
Und kämpfen mit der Flut!
Wie wird mein Herz erquicken
Der Elemente Wut!

Ihr Stürme, rast und brauset,
Ihr Wogen thürmt euch auf,
Und zischt in eitlem Stolze
An's Firmament hinauf.

Und könnt' ihr übertoben
Des Herzens blutige Schlacht,
Dann Heil euch meinen Engeln,
Die mich zur Ruh gebracht.


XI.
Was nützt mich, zu erkennen,
Wie schön die Erde ist,
Wenn meines Gartens Blüten
Die gift'ge Schlange frißt.

Warum bewahr' ich Liebe,
Wenn sie mich stets verriet?
Wie trau' ich noch dem Freunde,
Der tückisch auf mich sieht?

Ist es der Hohn des Teufels,
Der mich so grausam quält?
Ist es der Gottheit Liebe,
Die mich am Glauben hält?


XII.
Du geh'st in's Kloster, Liebste,
Und schließest dort dich ein;
Du kehrst zurück zum Himmel,
Und bleibest dennoch mein!

Du fleh'st in stillen Seufzern
Zur heiligen Jungfrau wohl,
Daß sie bei ihrem Sohne
Uns Gnad' erbitten soll.

Und deine frommen Augen
Wird sie mit Rührung seh'n;
Die Reinste wird dich segnen,
Und uns wird wohlgescheh'n! -


XIII.
Flieh' vor den listigen Bösen,
Sie sehen es mit Neid,
Wie innig wir uns lieben,
Wie wohl es uns gedeiht.

Sie mögen nur zerstören,
Wir wollen auferbau'n!
Sie wollten Gift mir geben,
Wie magst du ihnen trau'n?

Du schreibst: "Ich wage Alles!"
O flieh! du wagst nicht viel;
Du kömmst an meiner Seite
Zu einem bessern Ziel!

Ich gebe dich dem Himmel,
Wie du es selbst verlangst;
Mag er vor dem dich wahren,
Wovor uns beiden bangt.

Und ist mein Ziel erstrebet
Auf meiner Pilgerfahrt,
Dann bitt' ich dich zurücke
Von dem, der dich bewahrt. -

Und eine fromme Jungfrau
Führ' ich in's Haus mir ein;
Und Gnade wird uns werden,
Du wirst mein Segen sein!

D'rum lasse jetzt uns kämpfen; -
Was uns die Welt auch raubt!
Der Sieg wird nur dem Dulder,
Der Lorber schmückt sein Haupt.


XIV.
Von meiner Mutter Herzen
Riß mich die Liebe los,
Die Liebe, dieser Teufel,
So mächtig, riesengroß!

An meiner Trauten Herzen
Hat Liebe mich beglückt,
Die Liebe, dieser Engel
Mit Himmelsreiz geschmückt.

Ein wildes Feuer martert
Mich schrecklich Tag und Nacht,
Verzweiflung hat voll Elend
Zum Wahnsinn mich gebracht.

Es sank ein Stern hernieder
Zu mir von Himmelshöh'n:
Er winkt mir Trost entgegen
So freundlich und so schön!

O Liebe, du mein Schrecken,
Du meine Trösterin!
Vollende deinen Zauber,
Und nimm mein Leben hin.


XV.
Es gleicht der weißen Rose
Dein schmachtend Angesicht;
Es gleicht dem Abendsterne
Deiner Augen holdes Licht.

Es gleicht dein Mund der Röte,
Die Morgens im Osten glüht;
Dein Lächeln des Mondes Schimmer,
Wenn er durch Wolken sieht.

Die Wolken sind deine Haare,
Bald schweben sie frei um dich,
Bald schmiegen sie dir an's Antlitz
Sich schmeichelnd an, wie ich.

Da kommt ein Sturm gezogen,
Der grausam dich zerstört:
S'ist der Verräther Bosheit,
Die jedes Glück empört.


Aus: Einsame Stunden
von Ernst Zündt Freiherrn von Kenzingen
München Bei Joseph Finsterlin 1847 (S. 186-196)

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Ernst Anton Zündt (1819-1897)


Ständchen
(1845)

I.
Ich trockne dir gerne die Thränen
Und finde sie doch so schön,
Ich freu' mich des Wiedersehens
Und kann nicht von dir geh'n.


II.
Deine Wachtel hat oft geschlagen
In herrlicher Mondesnacht,
Die ich, voll liebender Sehnsucht,
Deinem Kämmerchen nahe, verwacht.

Da gab es keine Gespenster,
Der Wächter mit seinem Speer
Und mit der finstern Laterne
Schritt einzig die Straße daher.

Ich stand im Schatten der Linden
Und er zog ruhig vorbei:
Was kann auch Herzensdiebstahl
Bekümmern die Polizei!


III.
Es gleicht der weißen Rose
Dein schmachtend Angesicht;
Es gleicht dem Abendsterne
Deiner Augen holdes Licht!

Es gleicht dein Mund der Röthe,
Die Morgens im Osten glüht;
Dein Lächeln des Mondes Schimmer,
Wenn er durch Wolken sieht.

Die Wolken sind deine Haare,
Bald schweben sie frei um dich;
Bald schmiegen sie dir an's Antlitz
Sich schmeichelnd an wie ich.

Da kommt ein Sturm gezogen,
Der grausam dich zerstört,
Voll der Verräther-Bosheit,
Die jedes Glück empört.

Aus: Ebbe und Fluth Gesammelte lyrische Dichtungen
und Jugurtha Trauerspiel in fünft Akten
von Ernst A. Zündt Milkwaukee, Wis.
Druck der Freidenker Publishing Co 1894 (S. 274-275)

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