"Ach Gott, ach Gott, wie kommt der Tag so früh!"

Das Tagelied der Troubadours, der Minnesänger und anderer
 


Else Lasker-Schüler (1869-1945)
Abschied

 


Dietmar von Aist
(vor 1140 - nach 1171)


"Schläfst du noch, mein friedel?
Man weckt uns leider wieder.
Ein vögelein mit süßem sang
Schon fröhlich auf der linde zweige sprang."

Ich war sehr sanft entschlafen,
Nun rufest du kind: wâfen, wâfen!
Lieb ohne leid mag nimmer sein,
Was du gebietest, leiste ich, freundin mein.

Die frau begann zu weinen:
"Du reitest hinnen, läßt mich alleine -
Wann willst du wieder her zu mir?
Weh, meine freude führest du mit dir."

Nachgedichtet von Friedrich Wolters (1876-1930)

Aus: Minnelieder und Sprüche
Übertragungen aus deutschen Minnesängern
des XII. bis XIV. Jahrhunderts von
Friedrich Wolters. Zweite Ausgabe Berlin 1922 Bei Georg Bondi (S. 17)
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Abschied am Morgen

"Mein Lieb, du schläfst noch immer?
Man läßt uns leider ruhen nimmer.
Es flog ein schönes Vögelein
Zum Lindenbaum und singt im Morgenschein."

"Ich lag in sanftem Schlummer,
Nun rufst du, Kind: 'Ach, ach!' voll Kummer.
Nie gab es Wonnen ohne Weh'n;
Was du gebietest, Freundin, soll gescheh'n."

Da weinte sie von Herzen:
"Du gehst und lässest mich in Schmerzen.
Wann kommst du wieder her zu mir?
Ach, meine Wonne nimmst du fort mit dir."

Nachgedichtet von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Buch der Lieder aus der Minnezeit
von Wilhelm Storck
Münster Adolph Russell's Verlag 1872 (S. 262)
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"Schläfst du noch, mein Leben?
Es ist wohl Zeit uns zu erheben.
Ein Vögelein so wohlgethan
Hebt auf dem Lindenzweig zu singen an."
 
    "Ich schlief so sanft, dein Wecken
So eilig, ist mir, Kind, ein Schrecken.
Lieb ohne Leid mag nimmer sein:
Was du gebietest, leist ich, Freundin mein."

    Die Frau begann zu weinen:
"Du reitest, läßest mich alleine.
Wann kommst du wieder her zu mir?
Weh, meine Freude nimmst du fort mit dir."

Nachgedichtet von Karl Simrock (1802-1876)

Aus: Lieder der Minnesinger von Karl Simrock
R. L. Friedrichs Elberfeld 1857 (S. 45)
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Unter der Linde

"Schläfst du noch, mein Trauter?
Man weckt so bald uns leider.
Ein schönes Vöglein that wohl das,
Das auf dem Zweig der Linde niedersaß." -

Ich lag so sanft im Schlafe,
Nun rufst du, Kind: Erwache!
Lieb kann ja ohne Leid nicht sein.
Was du befiehlst, das thu' ich, Liebste mein.

Da fing sie an zu weinen.
"Du reit'st, läßt mich alleine.
Wann kommst du wieder her zu mir?
Ach, meine Freude nimmst du ja mit dir!"

Nachgedichtet von Bruno Obermann

Aus: Deutscher Minnesang Lieder aus dem
zwölften bis vierzehnten Jahrhundert
Übertragen von Bruno Obermann
Leipzig Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. o. J. (1890) (S. 30)
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