Umfliessen
 

in ausgewählten Gedichten deutscher Dichter und Dichterinnen








Ernst Moritz Arndt
(1769-1860)


Liebesgeflüster

Süß Liebchen, doch schweige! das Süße, Süße flieht,
So blühet die Blume, wie Liebe flüchtig blüht,
Sie duftet am Morgen, am Abend ist sie todt.
Reich her mir dein Mündlein mit Küssen rosenroth.

Blüht Liebe wie Blumen - o lustig, lustig Bild!
So küsse die Lippe, die Liebe brünstig füllt.
Stirbt Liebe wie Blumen, daß Liebe traurig sei,
Die Blume, die welket, kommt wieder frisch im Mai.

Süß Liebchen, die Liebe ist gleich dem Sonnenlicht,
Es locket so freundlich mit Rosenangesicht,
Dann schwellen die Knospen, die Blumen brechen aus,
Doch löscht eine Wolke die Tagesfackel aus.

Du Lieber, gleicht Liebe dem hellen Sonnenlicht,
So läßet die Sonne die Blumen nimmer nicht -
Die Wolke muß weichen, und frischer blüht die Welt:
Die Liebe läßt nimmer, was einmal ihr gefällt.

Süß Liebchen, die Liebe ist gleich der dünnen Luft,
Du willst sie wohl fassen, und fassest leichten Duft,
Du willst sie wohl halten, wer hält die Winde fest?
Süß Liebchen, ich sterbe, wenn Liebe mich verläßt.

Du Lieber, wohl gleichet die Liebe dünner Luft,
Sie ist allenthalben und wallt wie Blumenduft,
Umschlinget,
umfließet den Himmel wie die Au:
Das Leben der Liebe du findest nie genau.

Süß Liebchen, dem Klange ist auch die Liebe gleich,
Sie lispelt in Tönen wie Engel wonnereich -
Was gleichet dem Girren der liebevollen Brust?
Ach! Klang ist vergänglich. Vergeht auch Liebeslust?

Wohl tönet im Klange die Liebe doppelt süß,
Im Klange, der Erden um Sonnen tanzen hieß,
Im Klange, der liebend aus mir verklingen wird,
Wann selig mein letztes Lebwohl die Zunge girrt.

Süß Liebchen, im Feuer die Liebe flammend blüht,
Im mächtigen Feuer, das heiß zu dir mich zieht;
Ich fühl' es gewaltig, ich fühl' es freudenvoll,
Doch sprich, ob dies Feuer denn nie verlöschen soll?

Du Lieber, dies Feuer ist andrer, andrer Art
Als das, wodurch Troja zum Aschenhaufen ward.
Es lodert und brennet, und brennt sich nimmer satt.
O himmlische Flamme, wie selig, wer dich hat!

Süß Liebchen, dem Wasser ist gleich die Liebe auch,
Es spielet so leidig und dampfet hin im Rauch,
Es kommt wohl so fröhlich und fließet wieder fort.
O Liebe, du süße! wo steht dein fester Ort?

Ihr fester Ort stehet im Wasser ewiglich,
Wie Wasser fließt, fließet mein Liebesstrom um dich,
Wie Wasser sich schwellet, mir schwillt das volle Herz
Zur Sonne der Liebe, zum Manne himmelwärts.

Süß Liebchen, die Liebe ist unergründlich tief
Wie Wasser, worin wohl manch schlimmes Scheusal schlief.
Wie kühn ist der Steiger, der steigt in solchen Grund?
Wohnt immer im Herzen, was spricht der schöne Mund?

Wohl braust unergründlich das tiefe, tiefe Meer,
Wohl fließet es immer, wird nimmer doch nicht leer.
So schöpfest du nimmer des Herzens Tiefen aus:
Die Tiefe der Liebe sie schwillet überaus.

O liebliches Liebchen!  wie tröstest, Süße, mich!
Kommt, Flammen der Liebe, begrabet selig mich!
Kommt, Fluthen des Wassers, das nimmer, nie verrinnt!
O Wonne! die also die tiefste Tiefe findt!

Aus: Gedichte von Ernst Moritz Arndt
Vollständige Sammlung Zweite Auflage
Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1865 (S. 105-107)

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Aloys Blumauer
(1755-1798)


Lied, an der Toilette der Geliebten zu singen

Dürft' ich, Huldin, dich umfangen,
Gleich der Luft, die dich
umfließt,
Und mit zitterndem Verlangen
Jeden deiner Reize küßt!
Schwebt' ich, ach mit Wohlgefallen,
Wie dein Genius, um dich,
Willig böt' ich dann zu allen
Noch so kleinen Diensten mich.

Gern hielt ich als Wachspomade
Dir die krausen Locken hier,
Oder steckte gar, o Gnade!
Dort im Krepp als Nadel dir.
Wollte gern bei'm Puderpüsten
Kreiselnd um dein Haar mich drehn!
Oder mit den Kolonisten
Deines Haars spazieren gehn! (...)

Aus: Aloys Blumauer's gesammelte Schriften
Neueste Gesammt-Ausgabe in 3 Theilen,
mit dem Bildniss des Verfassers
und neun humoristischen Illustrationen
von Th. Hosemann Theil 2 und Theil 3
Stuttgart Rieger'schen Verlagsbuchhandlung 1862 (Band 3 S. 144-146)
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Max Bruns
(1876-1945)


Stille

Legst du auf meinen Scheitel deine Hände
und neigst mir deine Blicke, weich und mild,
bist du mir wie ein stilles Frauenbild
aus einer Heiligenlegende,
aus einem alten Lied in höheren Chören.
Wenn deine dunkle Stimme mich
umfließt,
sich deine Kindesseele mir erschließt,
mein' ich, ich müßte Palmen rauschen hören . .

Aus: Die Gedichte (1893-1908)
von Max Bruns
Verlegt bei J. C. Bruns in Minden (Westfalen) 1908 (S. 138)

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Paul Heyse
(1830-1914)


Zuflucht

Und so hebst du meiner Seele
Schleier mit der weichen Hand,
Daß sie nichts mehr dir verhehle,
Die errötend vor dir stand.

Ach, was ihr im Übermute
Lieblich an ihr selber deucht’,
Seit darauf dein Auge ruhte,
Ist der eitle Wahn verscheucht.

Nun entkleidet ihrer Flittern,
Nun so scheu in sich geschmiegt
Überrieselt sie ein Zittern,
Zwischen Glück und Scham gewiegt.

Bis sie sich mit heft’gem Triebe
Dicht an deine Seele schließt
Und die Fülle deiner Liebe
Wie ein Schleier sie
umfließt.

Aus: Paul Heyse Gesammelte Werke,
Reihe III, Band 5 Gedichte und Übersetzungen
(J. G. Cottasche Buchhandlung) Georg Olms Verlag
Hildesheim Zürich New York 1991
 (Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1924) (S. 170)
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Gustav Kühne
(1806-1888)


Liebesduett
Zweiundzwanzig Elegien
(Berlin 1834)

1. Der Gefangene
Weckt mich nicht aus meinen Träumen,
Ach! der Schlummer ist so süß!
Und in goldgewirkten Säumen
Wogt und webt mein Paradies.

Was ich weiß, - ich will's nicht wissen,
Was ich glaub', ist Seligkeit,
Und die Täuschung zu vermissen
Wär' mein tiefstes Herzeleid.

Nicht den Augen will ich trauen,
Dämmerlicht ist wundersüß;
Nicht in's Helle mag ich schauen:
Laßt mich still im Burgverließ.

Goldumsponnene Gitterstäbe
Schmücken meine Kerkerwand,
An dem Fenster schmiegt die Rebe
Sich hinauf zum Dachesrand.

Seht! so sitz' ich hier im Dunkeln,
Selbst den Himmel schau' ich nicht;
Aber Sterne seh' ich funkeln,
Und ich fühle Glanz und Licht.

Wenn sich meine Augen schließen,
Seh' ich nur ihr sanftes Bild;
Duft und Dämmerung
umfließen
Meine Seele warm und mild.


Aus: Gustav Kühne's Gesammelte Schriften
Erster Band Gedichte
Leipzig Ludwig Denicke 1862 (S. 173-174)

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Emil Kuh
(1828-1876)


Liebeslieder

II.
Nur ein Mal, Süße, möcht' ich Dich
Verliebt erröten sehn
Und hören ein "Ich liebe Dich!"
Mit Zittern eingestehn.

Ich selber wollt' es gar nicht sein,
Der dieses Glück genießt,
Nur schauen möcht' ich Dich allein,
Wenn Liebe Dich
umfließt!

Wer sähe einen Engel schlicht
An sich vorübergehn
Und dächte nicht und wünschte nicht:
Ich möcht' ihn fliegen sehn!?

Aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 467-468)
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Melchior Meyr
(1810-1871)


Ist nicht dein Leib, anmuthumflossen,
Die Blüte schaffender Magie?
Hat sich nicht rein in ihn ergossen
Der ew'gen Kräfte Harmonie?

Ist dein Gesicht, das schönheitreiche,
Nicht deiner Seele Lustgefild?
Ist nicht die Brust, die schwanengleiche,
Der Herzensfülle Wunderbild?

Glänzt des Gemüthes tiefste Regung
Nicht in des Auges holdem Blick?
Tönt nicht die Grazie der Bewegung
Den Abglanz innerster Musik?

Ist's nicht der Liebe Geist, der wonnig
Durch Herz und Adern sich ergießt
Und mit Verklärungslichte sonnig
Die herrliche Gestalt
umfließt?

Du bist ein Ganzes ohne Fehle,
Ganz lieb' ich dich, geliebtes Weib:
Die holde, süße, reine Seele,
Den holden, süßen, reinen Leib.

Aus: Melchior Meyr Biographisches. Briefe. Gedichte
Aus seinem Nachlasse aus der Erinnerung
herausgegeben von Max Graf von Bothmer und Moriz Carriere
Leipzig F. A. Brockhaus 1874 (S. 310-311)

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Ernst Rauscher
(1834-1919)


Was du mir bist

Wie herrlich mir, durch dich geschmückt,
Ein neues Leben lacht!
Ich bin geliebt, ich bin beglückt,
Wie nimmer ich's gedacht;
Mein Herz, berauscht vom Freudenglanz',
Der deinen Blick
umfließt,
Ist so beseligt, daß es ganz
Sein eigen Glück vergißt!

O glaube nicht, ich sei verstimmt,
Wenn Schweigen mich erfaßt!
Gib mir das Wort, das von mir nimmt
Zu große Glückeslast, -
Das Wort, nach dem mein Dichten all'
Ein fruchtlos Suchen ist,
Das alles sagt mit Einem Schall,
Was du, nur du mir bist!

Du bist die Sonn', vor der sogleich
Des Ruhmes Stern erbleicht,
Du bist der Quell, erquickungsreich,
Den wandernd ich erreicht,
Du bist das Licht am Küstenthurm,
Nach dem ich längst begehrt,
Nach dem mein Schiff, aus Drang und Sturm
Die Segel sehnend kehrt!

Du bist die Blume, die ich oft
Gesucht, von Land zu Land,
Die Perle, die ich unverhofft
Am Strande liegend fand;
Bist meines Lebens Schmuck und Zier,
Mein Hoffen, Stolz und Muth,
Ach! Alles, alles bist du mir,
Was schön und hold und gut!

Du bist mein einziger Gesang,
Mein erster, letzter Laut,
Du bist, o vielgeliebter Klang!
Mir treue Herzensbraut;
Du bist der Tag, der morgenroth
Mein schlummernd' Aug' berührt,
Die Schwesterseele, die ein Gott
Der meinen zugeführt!

Aus: Gedichte von Ernst Rauscher
Wien Verlag von Herm. Markgraf 1864 (S. 107-108)

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Gustav Schwab
(1792-1850)


Liebesmorgen
1812

Gelagert sprachlos saßen wir im Kreise,
Ein jeder sann den Morgenträumen nach;
Da öffnete die Pforte sich, und leise
Tratst du herein und standst in dem Gemach,
Und neigtest dich nach deiner holden Weise,
Verschämt und kaum vom ersten Schlummer wach,
Und blicktest schüchtern auf, uns mit den süßen
Schlaftrunknen Äuglein halb im Traum zu grüßen.

Ist das der Blick, der aus der Locken Kranze
So stolz hervorgeleuchtet und gesiegt?
Ist das die Brust, die sonst bei Fest und Tanze
In weicher Seide schwellend sich gewiegt?
O wie sie nun sich, frei von allem Glanze,
So fromm in die bescheidnen Tücher schmiegt!
Wie schmückt das Haar so schlicht der Stirne Bogen,
Wie hat der Blick sich scheu zurückgezogen!

O dürft ich als die Meine dich begrüßen
In dieser keuschen, stillen Morgentracht,
Wo nur der Sonne Lichter dich
umfließen,
Nicht eitler Lampenschein und falsche Pracht.
O dürft ich diesen milden Reiz umschließen,
Nach jeder einsam durchgehofften Nacht
Dir liebend in dein Morgenantlitz blicken,
Ans Herz dich, den verhüllten Himmel, drücken!

Aus: Gustav Schwabs Gedichte
Gesichtete und neuvermehrte Ausgabe
mit einer biographischen Einleitung von Gotthold Klee
Gütersloh Druck und Verlag von C. Bertelsmann 1882 (S. 68-69)

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Christian Martin Winterling
(1800-1884)


Wenn seine Lalage Horaz erhebt,
Der reichbegabteste der Phöbussöhne,
Wenn Delien besingt Tibulls Camöne,
Properz durch Cynthia's Reiz sein Blatt belebt:

Was zu verewigen ihr Lied gestrebt,
Es war ein Schatten nur von jener Schöne,
Die dich
umfließt, und Worte nicht noch Töne
Beschreiben jenen Reiz, der dich umschwebt.

Die Einfalt, die den Himmelsweg dir bahnt,
Der Kindessinn, der deine Unschuld schützt,
Die holde Schaam und Demuth, die dir eigen -

Sie hat kein alter Sänger je geahnt;
Und hätt' er's auch, was hätt' es ihm genützt? -
Verwundrungsvoll muß hier die Muse schweigen.

Aus: Poetische Mittheilungen in vier Büchern
von C. M. Winterling
Nürnberg Druck und Verlag von Friedrich Campe 1837 (S. 9)

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