Umranken
in ausgewählten Gedichten deutscher Dichter und Dichterinnen
Felix Dörmann
(1870-1928)
Madonna Lucia
I. Teil
3.
O laß mich, laß mich
umranken
Die schmiegsam volle Gestalt,
Laß Busen mich betten an Busen
Mit stürmischer Glutengewalt.
O laß mich in trunkener Liebe
Durchwühlen Dein flimmerndes Haar,
Wundküssen die zuckenden Lippen,
Der Lider kühles Paar.
Ich liebe Dich übermenschlich,
Du bleiches Medusengesicht,
Und weiß, daß Deine Seele
Schon für die meine spricht.
Was soll das törichte Weigern,
Das halberstickte "Nein",
Du wirst in meinen Armen
Noch todeszärtlich sein!
Aus: Felix Dörmann
Neurotica
München und Leipzig bei Georg Müller
1914 (S. 93-98)
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Wilhelm Gerhard
(1780-1858)
An ihre Schnürbrust
Wie beneid' ich dich, o Schnürbrust
Meines auserwählten Mädchens,
Die du gleich dem Zaubergürtel
Aphroditens an den zarten
Süßen Leib dich innig schmiegest,
Und mit sanften Liebesbanden
Schöngeformte Doppelhügel
Einer keuschen Brust
umrankest,
Die der Federkraft des Fischbeins
Trotzend, in der Jugendfülle
Eigner Kraft dem Druck' entquellen!
O, wie will ich, wenn mir Hymen
Einst erlaubt dich aufzuschnüren,
Alle die geheimen Reitze
Die du neidisch mir versteckest,
O, wie will ich sie mit glühend
Heißen Lippen in mich saugen,
Und, wie du, so fest und innig
An ihr liebend Herz mich schließen!
Aus: W. Gerhard's Gedichte Erster Band
Leipzig Verlag von Joh. Ambr. Barth 1826 (S. 32)
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Uffo Daniel Horn
(1817-1860)
Tagesträume
Wie wär' es schön, wenn all' die Blüthen,
Die uns im süßen Schlaf erfreun,
Im Rosenlicht des Morgens glühten,
Und flammten in der Sonne Schein!
Doch stürben sie auch mit den Nächten -
Wenn nur, die hold uns überwehn,
Die Tagesträume dauern möchten,
Dann wär' das Leben völlig schön!
Wir träumen auch mit off'nen Blicken,
Momente sind's, wo gnädig mild
In unser Leben Götter blicken,
Und eine Ahnung sich erfüllt!
Da ziehen säuselnd Liedertöne,
Und klingen süß von Freud und Weh',
Als stürben zwei verliebte Schwäne,
Auf einem mondbestrahlten See!
Da scheint zu uns herabzusteigen,
Ein Weib, so wie ein Märchen hold -
Und über uns sich hinzuneigen,
Mit Rosenmund, und Lockengold!
Wir halten sie, wie eine Rebe
umrankend hält den duft'gen Baum:
O wenn's doch kein Erwachen gäbe,
Aus solchem Glück, aus solchem Traum! (...)
Aus: Gedichte von Uffo Horn
Leipzig Friedrich Ludwig Herbig 1847 (S. 13-16)
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August Friedrich Ernst Langbein
(1757-1835)
An Minna
Wie lange, Minna, soll mein Lied
Zu deinen Füßen trostlos girren?
Wann wirst du den, der für dich glüht,
Mit Schmeichelwörtchen zu dir kirren?
Soll nimmer, schlagend Brust an Brust,
Dein Schwanenarm mich heiß
umranken,
Und ich für süße Liebeslust
Dir nie mit Flammenküssen danken?
O sprich, Geliebte, wann willst du
Ein Götterstündchen mir gewähren? -
Sprich! Und dann wach' und schlaf' in Ruh!
Bis dahin soll kein Laut dich stören.
In unbelauschter Einsamkeit
Mag nur der Sehnsucht Thräne quellen,
Und Seufzerhauch das Schiff der Zeit
Umwehn und seine Segel schwellen.
Aus: A. F. E. Langbein's sämmtliche Gedichte
Stuttgart Scheible, Rieger & Sattler 1843 (Band 1 S. 130)
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Wolfgang Müller von
Königswinter
(1816-1873)
Nachwehen
O nimmer vergess' ich den sonnigen Tag,
Als ich an deinem Busen gelacht;
Als ich dir am pochenden Herzen lag,
O nimmer vergess' ich die heiße Nacht!
Dein Auge strahlte so sicher und warm
Wie Sonnenlicht in den Nebeltraum,
Und es
umrankte mich fest dein Arm,
Wie liebende Reben den Ulmenbaum.
Dein Wort, es rauschte mächtig und wild
In meine junge begeisterte Brust:
Du schönes köstliches Menschenbild,
Du gabst mir die erste unendliche Lust!
Doch was du mir gabst, du hast es zerstört!
O daß ich gefallen in deine Haft!
Du hast mich zum wilden Wahnsinn bethört,
Du Weib, so mächtig und zauberhaft!
Und immer noch denk' ich an dich zurück,
Berauscht von Liebe, durchzuckt von Haß;
Du bist mein Unheil, du bist mein Glück!
So folgt mir dein Bild ohn' Unterlaß!
O nimmer vergess' ich den sonnigen Tag,
Da ich an deinem Busen gelacht;
Als ich dir am pochenden Herzen lag,
O nimmer vergess' ich die heiße Nacht!
Aus: Dichtungen eines
Rheinischen Poeten
von Wolfgang Müller von Königswinter
Erster Band Leipzig F. A. Brockhaus 1871 (S. 83)
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Ludwig Gottfried Neumann
(1813-1865)
Aus der Ferne
Die Stunden seh' ich entweichen,
Ich kann dich nimmer erreichen,
Mein Leben, o du, mein Stern;
Und Tage schwinden um Tage,
Und nimmer verstummt die Klage,
Daß ich dir ewig fern.
All meine Empfindungen eilen
Hinweg, um bei dir zu verweilen;
Sie wandern zu dir so gern.
Vom Epheu meiner Gedanken
Siehst du dich innig
umranken,
Und ich, ich bin dir so fern.
Aus: Neuere Gedichte
von Ludwig Gottfried Neumann
Wien 1850 Verlag von Carl Gerold (S. 35)
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Luise von Ploennies
(1803-1872)
Zwei Bäume
Zwei Bäume hab' ich einst im Wald gesehn,
Die wollten sich einander nahe stehn.
Sie schau'n sich an voll Sehnsucht, möchten gern
Sich fest umschlingen; doch sie stehn zu fern,
Denn andrer Grund ist Jedem angewiesen,
Darin des Lebens starke Wurzeln sprießen.
So neigt sich Jeder still zum Andern hin,
Der Eine scheint den Andern anzuzieh'n,
Bis es zuletzt gelingt den schlanken Zweigen,
Sich in den Kronen liebend zu erreichen.
Wie sie die Aeste in einander flechten,
Sind sie beschirmt von liebevollen Mächten;
In blauen Lüften, wo die Wolken jagen,
Da dürfen sie sich ihre Sehnsucht klagen.
Sie dürfen Blüth' um Blüthe selig tauschen,
An ihren Düften wonnig sich berauschen.
Sie stehn, vom Licht des Abendroths umglüht,
Gleich wie von tausend Rosen überblüht;
Verklärend weben aus der Himmelsferne
Ihr heilig Licht darum die ew'gen Sterne.
So möcht' ich mich mit dir zur Höhe schwingen,
Mit tausend Liebesarmen dich umschlingen,
Mit meines Herzens innigsten Gedanken
Dich unauflöslich fassen und
umranken.
So möcht' ich deinem höchsten Leben lauschen,
So möcht' ich Seel' um Seele mit dir tauschen,
Hoch über'm düstern Nebelreich der Erden,
Im Himmelblau mit dir vereinigt werden,
Wo keines Menschen Augen auf uns sehn,
Wo nur die Sterne auf und niedergehn.
Aus: Gedichte von Louise
von Ploennies
Darmstadt Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske 1844 (S. 6-7)
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Robert Prutz
(1816-1872)
Ungeküsste Küsse
(...) Laßt mich los, ihr holden Schatten!
Gebt mich frei, ihr süßen Träume!
Schwere Tage, bange Nächte
Bringt ihr flücht'gen mir getragen;
Ach ihr stört der Seele Frieden,
Meine Ruhe mordet ihr!
Aber nein, ich lieb' euch dennoch!
Bleibet bei mir, schmiegt euch dichter
An die Seele mir, die wunde,
Meiner Sehnsucht Traumgedanken,
Arme, ungeküßte Küsse!
Durch des Lebens Dornenwüste,
In des Marktes rohem Lärmen,
In des Stübchens trauter Stille,
Bleibt mein tröstendes Geleite!
Schmerzen schafft ihr mir und Qualen,
Doch ich liebe diese Schmerzen
Und ich segne diese Qualen.
Immer ist's ein Glück, zu lieben;
Kann ich nicht der Liebe Wonnen,
Will ich doch ihr Wehe kosten.
Harre nur, bald naht die Stunde!
Einmal öffnet sich die Knospe,
Einmal singt auch dir das Brautlied
Nachtigall aus duft'gen Zweigen!
Ja, schon dämmern leise Schatten,
Und wie Götter ungesehen
In der Menschen Kreise treten,
Also naht sich, still und heimlich
Naht die Stunde sich, die süße,
Der mein Herz entgegenschmachtet!
Treue Sterne führen sicher
An die Brust mich der Geliebten –
Ha, schon fühl' ich ihre Nähe,
Weiche Hände, schlanke Arme
Fühl' ich zärtlich mich
umranken,
Heißer duftet, wonnevoller
Mir der Liebsten Mund entgegen,
Und von all den Millionen,
Millionmal Millionen
Langer, heißer, sel'ger Küsse,
Die gleich halberschlossnen Knospen
Mir die durst'ge Lippe fächeln,
Sinnbethörend, herzverstrickend,
Bleibt nicht Einer ungeküßt!
Aus: Robert Prutz Buch der
Liebe
Leipzig Verlag von Ernst Keil 1869 (S. 217-223)
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Hermann Rollett
(1819-1904)
Liederfrühling
Ich durfte dich
umranken
Mit meines Lebens grünstem Trieb,
Und blühende Gedanken
Erweckte deine Lieb'.
Das ist nun ein Getriebe
In meines Herzens tiefstem Grund -
Die lenzgeküßte Liebe
Entklingt als Lied dem Mund.
Das ist ein Blüh'n und Drängen,
Das ist ein Frühling wundersam,
Der schallend in Gesängen
Uns lieblich überkam.
Ich will mich selig wiegen
Als Zweig um dein geliebtes Haupt,
Den Lieder hell durchfliegen,
Wenn er sich grün belaubt.
Aus: Gedichte von Hermann
Rollett
Auswahl. Mit dem Bildnis des Dichters
Leipzig Franz Wagner 1865 (S. 90-91)
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Adolf Friedrich von Schack
(1815-1894)
Strophen
Wenn du hinweggegangen,
Glaub' ich lange dich noch zu sehn;
Um die Schläfe und um die Wangen
Deinen Athem mir fühl' ich wehn.
Wenn von deinen Reden
Längst der Ton dem Ohre verklang,
Hört die entzückte Seele jeden
Laut, den du gesprochen, noch lang.
In der Stille der Nächte,
Wenn voll Bangen das Herz mir schlägt,
Fühl' ich, wie leise sich deine Rechte
Auf die Stirne, die Brust mir legt.
Arme, die weich mich
umranken,
Wiegen mich ein; ich athme kaum;
Deine Worte, deine Gedanken
Klingen und duften um mich im Traum.
Aus: Gedichte von Adolf
Friedrich von Schack
Berlin 1867 (S. 15)
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