Umrauschen
in ausgewählten Gedichten deutscher Dichter und Dichterinnen
Ludwig Anzengruber
(1839-1889)
Die Lieb ein Traum
Tief im Walde sitzen zwei,
Leis
umrauschet von den Bäumen,
Und es sprudelt hell der Quell
Und sie flüstern, kosen, träumen.
Weh, du süßer Liebestraum,
Wenn wir dein erwachen,
Wie es auch geschah - o weh -
Ob mit Weinen oder Lachen!
Aus: Ludwig Anzengrubers sämtliche Werke
Unter Mitwirkung von Karl Anzengruber
herausgegeben von Rudolf Latzke und Otto Rommel
Kritisch durchgesehene
Gesamtausgabe in 15 Bänden (1. Band)
Kunstverlag Anton Schroll & Co Wien (1921) (S. 102)
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Cathinka Serafina
Bergmayr
(1814-1843)
Angedenken
Träumen von Glück -
aufsteh'n zu Sorgen
Ist Jedes Loos, der lebt und liebt - -
Byron
Wenn die reinen Abendlüfte
Mich geheimnißvoll
umrauschen,
Und die tiefsten Seelenkräfte
Ihrer Geisterstimme lauschen,
Wenn ein süßes leises Klingen
Mir nur hörbar - mir allein,
Meinem Ohr' vorüber ziehet:
Denk' ich - Freund! - ich denke dein!
Wenn sich der ital'sche Himmel
Im azurnen lichten Bogen
Über deinem Haupte wölbet,
Wenn dein Geist sich angezogen
Fühlt, von hoher Schönheit Formen -
Tadellos und mängelrein -
Sprich! denkst du in der Umgebung
So, wie du versprachst, noch mein?
Wenn im einfach schönen Liede
Tönen inn'ger Freundschaft Worte,
Die ergriff'nen Saiten beben
Vom melodischen Accorde,
Liebliche Erinnerungen
Wieder meinen Geist erfreu'n,
Mich wie Genien, mild umschweben:
Denk' auch ich, ich denke dein!
Wenn du zum Cypressenhange
Sinnend deine Schritte lenkest,
Und den weitentfernten Theuren
Dann ein freundlich Grüßen schenkest,
Wirst du wohl von diesen Blüthen,
Auch mir wieder eine weih'n,
Werd' ich deinen Gruß empfangen,
Oder denkst du nimmer mein?
Glühend sinkt der Sonnenwagen
In den Ocean, den fernen,
Und die Himmels-Bilder tauchen
Auf, mit ihren goldnen Sternen;
Auch sie bleichen und verlöschen
Durch Auroras Purpurschein -
Doch in diesem ew'gen Wechsel
Bleibt mein Angedenken dein!
Aus: Stimmen der Einsamkeit
Gesammelte Gedichte von
Cathinka Serafina Bergmayr geb. Rüdel
Erlangen bei Ferdinand Enke 1841
(S. 133-135)
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Carl Dallago
(1869-1949)
Lyrisches Intermezzo
Wieder die Liebe!
(Aus den Aufzeichnungen
eines Vereinsamten)
14.
Immer wieder such ich dich
auf,
Meine Wildheit zu zügeln.
Oft treiben so mächtig
Die trüben Wogen meiner Begierden,
Daß meine Seele Gefahr läuft
Zu ertrinken.
Da eil ich zu dir,
umrauscht von den wilden Bächen:
An deiner Schönheit müssen sich die Wogen brechen -
Dein lichtes Wesen
Schwebt als Gott der Seele
Über mir.
Aus: Gedichte von Carl
Dallago
Dresden und Leipzig
E. Pierson's Verlag 1900 (S. 62-79)
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Demeter Dudumi
(um 1856)
XXVI.
Blumen keimen und erblühen
Aus dem Schoße der Natur,
Schlingen weit sich hin und senden
Süßen Duft durch Wald und Flur.
Und die Liebsten dieser Kleinen
Sind am blauen Himmelszelt
All die Sterne, zärtlich blickend
In das Herz der Blumenwelt.
Auch das Herz hat seine Blumen,
Sprießend, wenn die Liebe ruft;
Diese Blumen sind Gefühle,
Kuß und Schmeichelwort ihr Duft.
Und am Himmel der Gefühle
Bebt das Lied wie Sternenschein,
Zittert mild und zittert tröstend
In ein liebend Herz hinein!
So auch mögen meine Lieder -
Du die Blume, sie der Stern -
Wenn es dämmert, wenn es nachtet,
Dich
umrauschen
nah und fern!
Aus: Immortellen der Liebe
von Demeter Dudumi
Zweite Auflage
Pesth Verlag von H. Geibel 1854 (S. 38-39)
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Joseph Freiherr von Eichendorff
(1788-1857)
Erinnerung
Und wie, in ird'scher Schwäche Nacht gehüllt,
Der Gottheit Bild im Strom der reinen Liebe spielt,
So schaukelte in seinem Silberschoß
Der See des Sternenhimmels zitternd Bild,
Und traulich flüsterten die Abendwinde
Durch uns're Laube ihre Geisterlieder,
Und leise, leise säuselte die Linde
Aus gold'nem Wipfel süße Schauer nieder.
Süßdrängend fühlte ich an meiner Brust
Sanft deines Busens schwellend Wallen,
Harmonisch schlug dein Herz an meinem,
Daß leis' das meinige dem Schlage lauscht',
Und ach! so süß, so himmlisch süß
umrauscht'
Mich deines Purpurmundes Odemzug.
Umsonst nun lachte mir des Mondes Blick,
Umsonst des Mondtals Goldgewand,
Dich nur erblickt' ich in der Schöpfung Ferne,
Du fülltest meiner Seele tiefsten Raum,
Und wie der Morgendämm'rung falbe Sterne
Schnell in des jungen Tages Purpur flammen,
So schmolz Vergangenheit und Zukunftstraum
In dieses Kusses Wollust mir zusammen.
O kehrt, o kehrt zurück, ihr sel'gen Stunden!
Schnell wie, von der Erfüllung Kranz umwunden,
Dem Liebenden sein holder Rosentraum,
Seid ihr mit scheuem Flug hinabgeschwunden
In des Gewes'nen dunkles Dämmerreich.
Noch taucht in eures Abends Rosensaum
Mein trunk'ner Blick aus seinem Dunkel sich,
Noch glimmt das sanfte Rot in meiner Träne -
Und helle Fluten nie versuchter Töne
Strömt trauernd aus mein armes Saitenspiel.
Euch, und euch seufzt jeder Ton zurück!
Doch ach! umsonst, ihr lauschet nicht, ihr flieht!
Umsonst durchströmt die Saiten mein Gefühl,
Die Nacht verschlingt mein innig Herzenslied.
Aus: Joseph von
Eichendorff
Sämtliche Gedichte und Versepen
Herausgegeben von Hartwig Schultz
Insel Verlag 2001
(S. 520-521)
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Johann Georg
Fischer
(1816-1897)
Mit meiner Königin
Ich gieng mit meiner Königin
Die duftigen Höhen des Waldes hin.
Vergessen hatt' ich Stund' und Zeit,
War Alles nur Eine Ewigkeit,
Die aus des Himmels wärmstem Grunde
Herabsank auf die schönste Stunde;
Streiften die Blätter uns nicht sacht,
Ich hätte selbst des Maien kaum gedacht.
Fühlt' ich mir doch zur Seite gehn
Ihres Lebens geheimstes Wehn,
Der Augen wunderbaren Zug,
Wie er die Seele mir hob und trug,
Und all die schweigende Gewalt
Der ruhig schwebenden Gestalt.
Ja, haltet mich, ihr Blätter alle,
Daß ich ihr nicht zu Füßen falle!
Wie eilten Schatten und Licht vorbei!
Dem Tage gab der Wald uns frei;
Und als ich umher das Laub ihr zeigte,
Ihr Haupt sich vor zu meinem neigte
Und mich berührt ihres Odems Seele -
Wo ist der Mund, der's nacherzähle?
Im Baume sang ein Vögelein:
"Ich hab' ein Nestchen im Busch am Rain;
Ach, brütet's drin so wonnesam,
Weil die Königin zu Besuche kam?"
Ich hob sie empor, sie sah hinein,
Wie glänzte ihr Auge von Wonneschein,
Wie quoll ihr Mund von des Vögleins Lob!
Glückseliger Arm, der empor sie hob!
Ja, Himmel über mir und ihr,
Laß mir die Königin, laß sie mir,
Und ich erfülle mein Leben lang
Ihr Leben mit einem Lobgesang.
Die Sonne sank, der Abend kühlte,
Wie süß
umrauschte mich ihr Gewand,
Als ich mit Zittern gleiten fühlte
Eine Blume aus ihrer in meine Hand.
Nur diese Stunde nimm mir nicht,
Du Güte droben im Himmelslicht,
Die das Seligste, was die Welt erfüllt,
In eines Weibes Gestalt verhüllt.
***
Bald geh ich allein den Weg dahin.
Das Nestchen im Busch ist ausgeflogen
Und alle Freude weggezogen;
Wo bist du, meine Königin?
O du selige Stunde, wo bist du hin? -
Nun weiß ich, daß ich alleine bin.
Ist's möglich, daß an einem Tag
Eine einzige Seele unter der Sonne
Die Erde mit so viel Glanz und Wonne
Erfüllen - und wieder entvölkern mag?
Wie ausgestorben der Himmelsraum!
Ein einsam Vöglein singt im Baum:
Du Armer, sie ist fort, ist fort,
Nur einmal steigt vom Himmel nieder
Ein höchstes Glück und dann nicht wieder;
Vergessen heißt das Losungswort.
Aus: Gedichte von J. G.
Fischer
Dritte vermehrte und aus verschiedenen Sammlungen
vervollständigte Auflage
Stuttgart Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (S. 41-43)
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Heinrich Hart
(1855-1906)
Liebesfülle
Die Sonne hat mein Herz geküßt,
Und tausend Knospen sind erblüht;
Das ist ein Weben, das ein Wehn,
Das ist ein Brausen im Gemüt.
Mein Mund ist lauter Lerchenschlag,
Mein Auge lauter Lenzestag,
Mein Blut wallt auf, mein Atem glüht,
Wie Sturm
umrauscht mich Liebe.
Hin durch der Straßen Schwall und Lärm,
Hin durch des Parkes grünen Glanz
Ging ich dir nach, die Drossel schlug,
Goldschimmernd lag der Beete Kranz.
Doch nicht der Rosen leuchtende Glut,
Und nicht des rieselnden Springquells Flut -
Ich sah nur dich in all dem Glanz,
Du meiner Seele Frühling.
Nun liegt am Boden meine Kraft,
Vergessen hab' ich Kampf und Pein,
Nicht sinn' ich mehr auf Ruhm und Heil,
Mein Herz ist trunken wie vom Wein.
Ich hab' gestrebt, - wie lang ist's her!
Ich bin ein Kahn auf schwankem Meer -
Wie lange soll ich harren dein,
Reich' mir die Hand, ich sinke.
Aus: Heinrich Hart Gesammelte Werke
Herausgegeben von Julius Hart
Erster Band: Gedichte / Das Lied der Menschheit
Egon Fleischel & Co Berlin 1907 (S. 18-19)
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Eleonore Kalkowska
(1883-1937)
Die Liebende spricht:
O mein Geliebter, wie ein edles Wild,
Das seinen Herrn erkannt — leg ich mich leis
Zu Füßen dir — und wart auf dein Geheiß.
Denn in der Seele heiligstem Gefild
Ruht mir dein Antlitz, und — ein roter Schild —
umrauschts mein Blut, und blühend Reis um Reis
Steigt draus empor, umgibt dich wie der Kreis
Von Lilien auf Botticellis Bild.
O Liebster, sieh, wie hoch die Blumen ragen!
Wie soll ich all die Seligkeit nur tragen?
Könnt ich doch, Liebster, etwas für dich wagen,
O, etwas tun, mein Glück mir zu erwerben,
Könnt ich vergehen, könnte ich verderben
Für dich — o mein Geliebter, könnt ich sterben. ...
Aus: Die Oktave
Gedichte von Eleonore Kalkowska
Egon Fleischel & Co. Berlin 1912 (S. 7)
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Erich von Mendelssohn
(1887-1913)
Tanz
So laß mich ewig, ewig weiterschweben,
In deinem Arme fühl ich mich geborgen.
umrauscht, betäubt von wildem, heißem Leben
Versinken in den Staub die schweren Sorgen.
Nur diese Nacht noch, die so schwer und schwül!
Fern zucken Blitze, und der Donner grollt.
O schlüge doch der Strahl in dies Gewühl,
Daß Dach und Pfeiler krachend niederrollt.
Wenn morgen dann die bleiche Sonne scheint,
Wird sie an deine Brust geschmiegt mich finden.
Im starren Tode selbst sind wir vereint,
Das wirre Haar geschmückt mit Blumenwinden.
Aus: Erich von Mendelssohn Bilder und Farben
Privatdruck in 150 Exemplaren
Erschienen Weihnachten 1911
Geschrieben in den Jahren 1904-11 (S. 42)
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Hermione von Preuschen
(1854-1918)
Golfstrom
Im Weltenmeer der Golfstrom treibt,
und wo er treibt wird warm die Flut
und jeder Strand, den er umspült,
blüht farbig auf in Pracht und Glut.
So treibt in meiner Seele Meer
der Golfstrom deiner Liebesglut,
der mich umhüllt, umschwillt,
umrauscht,
und weich umwogt mit warmer Flut.
Und wo ein Tropfen ihrer Kraft
sich meiner Seele heiß vermengt,
wird neu in junger Leidenschaft
ein Blütenschwall ans Licht gedrängt.
Im Seelenmeer der Golfstrom treibt,
und wo er treibt wird warm die Flut
und jeder Strand, den er umspült,
blüht auf in nie geahnter Glut.
Aus: Flammenmal von
Hermione von Preuschen
Zweite Auflage Verlag Continent Theo Gutmann
Berlin-Charlottenburg [1903] (S. 75)
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Georg Scherer
(1828-1909)
Du schläfst, und die goldenen Träume
Die gehn bei dir ein und aus;
Mein Lied und die blühenden Bäume
umrauschen im Dunkel dein Haus.
Du hebest das Haupt erschrocken
Und lauschest und regst dich nicht
Es wallen die duftigen Locken
Dir über das Angesicht.
Da senkest du sinnend die Lider
Und denkest: Es war wohl der Wind. -
Schlaf ruhig und träume nur wieder,
Du einsames, schüchternes Kind!
Aus: Gedichte von Georg
Scherer
Mit Illustrationen von Paul Thumann Vierte, vermehrte Auflage
Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien 1894 (S. 142)
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Amanda Ullmann
(1860-1895)
Es stand ein junger Blütenbaum ...
Es stand ein junger Blütenbaum
Umspielt vom lauen Weste,
Der träumte süßen Morgentraum,
Und wiegte seine Äste!
Wir träumten wunderholden Traum
Im morgenklaren Maien,
Belauscht,
umrauscht vom Blütenbaum,
Zu zweien dort, zu zweien!
Er stand im Morgensonnenglanz
Und wiegte seine Äste,
Da fiel ein reicher Blütenkranz
Verweht vom lauen Weste!
Da fiel uns reicher Blütenschnee
Auf Brust und Stirn und Locken,
In Sonnennäh', in Sonnenhöh',
Umtönt von Morgenglocken!
Gegrüßt! gegrüßt! Lenzsonnenglanz,
Im morgenklaren Maien.
Du traumumperlter Blütenkranz,
Gegrüßt! gegrüßt zu zweien!
Aus: Unsere Frauen in einer
Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 443)
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Heinrich Zirndorf
(1829-1893)
O wär' ich Luft, die dich umweht,
Wie wollt' ich dich
umrauschen,
Wie wollt' ich in der Glieder Glanz
Mich immerdar berauschen.
Wie spielt' ich froh mit deinem Haar
In mitternächt'ger Stunde,
Wie küßt' ich von der Lippe dir
Des Traums verborgne Kunde.
Wie dürft' ich aus der Schönheit Meer
Mein innerst Wesen füllen
Und inniger als Kleid und Flor
Den Busen dir umhüllen.
Wie wärst du ganz zu eigen mir
Im Wachen und im Träumen,
Ich brauchte keinen Augenblick
Dich anzuschaun versäumen.
Ich dürfte küssen deinen Mund
Mit wonnigem Behagen,
Und dürfte dir stets unverwehrt,
Wie ich dich liebe, sagen.
Aus: Gedichte von Heinrich
Zirndorf
Leipzig Arnoldische Buchhandlung 1860 (S. 113-114)
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