Umschliessen
 

in ausgewählten Gedichten deutscher Dichter und Dichterinnen











Louise Brachmann
(1777-1822)


Liebe und Freundschaft

Lieb' und Freundschaft willst Du unterscheiden?
O, sie sind zwei Wesen, eng vereint,
Heil'ger Götterursprung wohnt in beiden,
Klein der Raum, der sie zu trennen scheint.

Freundschaft liebt, und Freundschaft ist die reine
Schöne Liebe, die sich selbst vergißt;
Die in des Geliebten Glück die Eine
Eigne stille Seeligkeit
umschließt.

Noch vom Ird'schen trägt die zarte Liebe
Eine Hüll' um ihre Lichtgestalt;
Ohne daß den süßen Glanz sie trübe,
Mehrt sie nur die rührende Gewalt.

Wenn der Jugend Rosen sich erschließen,
Trennt sie noch das brausende Gefühl,
Doch die gleich entsprungnen Wesen fließen
Bald in Eins zu ihrem großen Ziel.

Wenn im Morgenroth sich Wolken mahlen,
Nebel steigen aus dem Thal empor,
Brechen sie der Sonne goldne Strahlen,
Doch sie wölben ihr das Rosenthor.

Sie ja sind es, die die Purpurblüthen
Und die Rosenschimmer um sie streun,
Wenn die zarten Wolken dann verglühten,
Steigt die Sonne, licht und ätherrein!

Aus: Auserlesene Dichtungen von Louise Brachmann
Herausgegeben und mit einer Biographie und Charakteristik
der Dichterin begleitet vom Professor Schütz zu Halle
Erster Band neue wohlfeile Ausgabe Leipzig 1834 (S. 103)
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Johann Karl Braun von Braunthal
(1802-1866)


Ihr Bild

Ein Rosenband auf weißem Hut',
Ihr glaubet nicht, wie schön, wie gut
Ein Schmuck, ein solcher, ist;
Doch nur, wenn sich ein Augenpaar,
So menschlich warm, so himmlisch klar,
Mit diesem Schmuck
umschließt.

Um Hut und Rosenschleife schwebt
Ein Schleier, wie aus Luft gewebt;
Doch - ist's ein Schleier nur?
So haucht in einer Blumenau
Um eine Rose ihren Thau
Die holde Lenznatur.

Die tiefe Nacht der Locken trennt
Der Stirne lichtes Firmament
Auf der ein Himmel thront:
So sieht man zwischen Wolken stehn,
Durch dichtbelaubte Erlen gehn
Den vollen Silbermond.

Und wie man in den Himmel schaut,
Der über Wolken sich erbaut,
Und wie das Herz erglüht
Im Mondenlicht' und Sonnenschein',
So wunderbar bewegt sie mein
Beseligtes Gemüth.

Und wie vom Strahl des Sonnenlichts,
Der Mensch von Mond und Sternen nichts
Als ihren Anblick will:
So wird die Brust, wie sehr sie glüht,
Bei ihrem Anblick' das Gemüth,
So tief bewegt, doch still.

Aus: Morgen, Tag und Nacht
aus dem Leben eines Dichters
Gedichte vom Ritter Braun von Braunthal
In drei Abtheilungen
Leipzig bei Adolph Reimann 1834 (S. 109-110)

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Karoline von Fidler
(1801-1874)


Liebe

Die Lieb' ist Alles! Wer zu lieben weiß,
Der kennt des Daseins einzig werthen Preis;
In ihm ist Gott - er hat das Licht, die Kraft,
Er hat den Glauben und die Wissenschaft!

Wer liebt, der lebt, und giebt des Lebens Lust
All' dem, was er
umschließt mit warmer Brust;
Er theilet aus - sieht seinen Schatz nicht an,
Er weiß es, daß er endlos geben kann.

Die Liebe hat nicht Zweifel, hat nicht Noth,
Die Sünde kennt sie nicht, kennt nicht den Tod -
Die Lieb' ist ewig! - und darum allein,
Weil ich geliebt, werd' ich unsterblich sein!

Aus: Gedichte von Karoline Fidler
Als Handschrift [Berlin] 1844 (S. 110)

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Heinrich Heine
(1797-1856)


Du sollst mich liebend
umschließen,
Geliebtes, schönes Weib!
Umschling mich mit Armen und Füßen,
Und mit dem geschmeidigen Leib.
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Gewaltig hat umfangen,
Umwunden, umschlungen schon
Die allerschönste der Schlangen
Den glücklichsten Laokoon.

Aus: Heinrich Heine. Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge.
Hrsg. von Klaus Briegleb. Insel Taschenbuch Verlag 1997
(S. 132)
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Heinrich Heine
(1797-1856)


Lehn deine Wang an meine Wang,
Dann fließen die Tränen zusammen;
Und an mein Herz drück fest dein Herz,
Dann schlagen zusammen die Flammen!

Und wenn in die große Flamme fließt
Der Strom von unsern Tränen,
Und wenn dich mein Arm gewaltig
umschließt -
Sterb ich vor Liebessehnen!

Aus: Heinrich Heine. Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge.
Hrsg. von Klaus Briegleb. Insel Taschenbuch Verlag 1997 (S. 132)

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Andreas Ludwig Jeitteles
(1799-1878)


Schilt mir die Nacht nicht!

Schilt mir die Nacht nicht! - Ist sie nicht des Schönen
Getreue Freundin, ernste Pflegerin?
Die Lieder der Gesangskönigin,
Der holden Nachtigall, wie lieblich tönen
Sie in der Nacht durch's Waldesdickicht hin!

Schilt mir die Nacht nicht! - Manches zarte Köpfchen
Von einem allerliebsten Blumenkind
Erhebt, geweckt von seinem Buhlen Wind,
Sich aus den Beeten so wie aus den Töpfchen
Nur in der Nacht und duftet süß und lind.

Und eine Wunderblume, farbenprächtig -
Ein jeder Hauch von ihr ist Melodie -
Erblüht zur Nachtzeit; missen möcht' ich nie
Das edle Gut um Schlösser, groß und mächtig,
Es ist die Wunderblume Phantasie.

Schilt mir die Nacht nicht! - Mahnen deine Locken,
Und mahnt uns deiner Augenwimpern Kranz,
Ja deiner Augen so tiefdunkler Glanz,
Daß Jedem, den er trifft, die Sinne stocken,
Nicht an die schwärzeste der Nächte ganz?

Schilt mir die Nacht nicht! - O wie fest
umschließt mich,
Wie gluthvoll fest zur Nacht dein treuer Arm!
Wie schlägt dein Herz an meinem Nachts so warm!
Und welches Meer von Freude Nachts ergießt sich
Auf mich, der ich am Tag so freudenarm!

Schilt mir die Nacht nicht! - Sieh', von Sonnenfunken
Die Krone, die der Tag um's Haupt sich flicht,
Was ist sie als ein täuschendes Gedicht,
Da deine Gluth auch Nachts nicht ist versunken? -
Nein, meine Sonne, schilt die Nacht mir nicht!

Aus: Gesammelte Dichtungen von Justus Frey
[Ps. von Andreas Ludwig Jeitteles]
Herausgegeben von seinem Sohne Prag 1899
J. G. Calve'sche k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhandlung  (S. 70-71)

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Gottfried Keller
(1819-1890)


VIII.
O Leib meiner Dame, du köstlicher Schrein,
Wo Gott seine köstlichste Perl' legt' hinein,
Nun ruhst du und schläfst du, doch in dir erstrahlt
Die träumende Perle im sonnigsten Schein!
Den zartesten Liljengeist bergender Kelch,
Des reinsten Gedankens still blühendes Sein:
O wär' ich, du Kleinod, dein Schatzmeister nur,
Dürft' ich mich, du Blume, zum Gärtner dir weihn!
Mit Liebe
umschließen dich innig und fest,
Wie schützendes Gold den funkelnden Stein!
Dann trüg' ich die Erde, den Himmel, die Welt
Beisammen als Herzschmuck, geläutert und rein;
Dann tränk' ich die klareste Seele aus dir,
Du zierlicher Becher, wie perlenden Wein.
Schlaf' sanft und schlaf' selig, du köstlicher Leib!
Indessen ist träumend die Seele ja mein.

Aus: Gottfried Keller Sämtliche Werke
in sieben Bänden Herausgegeben von Thomas Böning,
Gerhard Kaiser, Kai Kaufmann, Dominik Müller und Peter Villwock
Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt am Main 1995
Band 1 Gedichte (S. 75)
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Karl Ernst Knodt
(1856-1917)


An .......

Ich fühle deine schöne Seele,
Die meiner Sinne Sehnsucht ist,
Mit allen Schauern liebster Liebe
Mein Sein
umschließen ...
Hör! So küßt
Die Gottheit ihre sel'gen Söhne
Beim Eintritt in das Himmelstor.
- - - - - - - - - - - - - - - -
Ich bin schon selig, seit die Seele
Sich in der deinen ganz verlor.

Aus: Ein Ton vom Tode und
Ein Lied vom Leben
Neue Verse von Karl Ernst Knodt
Verlag von Emil Roth in Gießen 1905 (S. 201)
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Amalie Krafft
(1778-1852)


An den Geliebten

Wenn an Deinen süßen Blicken
Sehnsuchtsvoll mein Auge hängt,
Und ein bebendes Entzücken
Mich mit heißer Gluth umfängt:
Dann erfüllet meine Brust
Ahnung reiner Himmelslust.

Wenn in unbelauschter Stunde
Liebend mich Dein Arm
umschließt,
Und ein Kuß von Deinem Munde
Glühend in die Seele fließt,
Dann trink' ich aus Deinem Blick
Meines Paradieses Glück.

Sehe ich in dunkle Ferne,
Steh' ich einsam in der Nacht,
Glänzen Millionen Sterne
Mir mit Silberglanzes Pracht;
Strahlt doch schöner mir Dein Bild,
Himmlisch leuchtend sanft und mild.

Hält der Schlummer mich umfangen,
Träumend ist mein Geist bei Dir,
Und es füllet süßes Bangen
Sehnend meine Seele mir.
Deiner Stimme sanfter Klang
Tönt mir zu wie Sphärensang.

Und so sehe ich entzücket
Stets allein, o Theu'rer, Dich!
Dein geliebtes Bild beglücket,
Ueberall umschwebt es mich.
Lange schon, mir kaum bewußt,
Trug ich es in meiner Brust.


Aus: Sechs Erzählungen nebst einem Anhange
von Gedichten von Amalie Krafft Neue Ausgabe
Aschaffenburg Verlag von Theodor Pergay 1834 (S. 78-79)

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Rudolf Marggraff
(1805-1880)


Der Liebe Unterthänigkeit

O zärtliches Umfangen
Von deinem Liebesarm;
Gefangen und gehangen
Ist nun mein böser Harm.

O wonniglich Empfinden
An deiner heißen Brust,
umschließe mich, den Blinden,
Mit deiner Liebeslust.

O seliges Vergessen
Von allem Leid und Glück!
Verwegen und vermessen
Empfang' ich mein Geschick.

Mein Wachen und mein Träumen,
Mein Aug' und Dichtermund,
Aus allen Seelenräumen,
Thut dich, du Holde, kund.

Mein Klagen, mein Entzücken,
Mein Hoffen, wie mein Schmerz,
Mein Hassen, mein Beglücken,
Dein ist mein ganzes Herz!

Aus: Gedichte von Rudolf und Hermann Marggraff
Zerbst 1830 Gedruckt und in Commission
bei Gustav Adolph Kummer (S. 47-48)

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Karl Mayer
(1786-1870)


Stille

Süße Todesstille, sei willkommen
In der Schattenberge liebem Thal!
Dir vertraut das Herz, geheim beklommen,
O so gern die ewig theure Qual.
Dir ergießet sich in volle Thränen
Sanft gelöset all dieß heiße Sehnen.

Also stille war's, wenn sich den Lieben
Hand in Hand und Seel um Seele schlang;
Also selig still ist's noch geblieben,
Als sie schmerzlich sich von hinnen rang.
Mög' auch drüben also still mich's grüßen,
Wenn einst neu wir selig uns
umschließen!

Aus: Lieder von Karl Mayer
Stuttgart und Tübingen
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1833 (S. 79)

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Albert Möser
(1835-1900)


Der Kuß
O komm, von meinem Arm laß dich umschließen,
Dein Lippenpaar woll' mir zum Kuß nicht wehren,
Mir gilts, in heil'gem Dienst den Gott zu ehren,
Durch den allein uns höchstes Glück kann sprießen.

Mir ist der Kuß nicht flüchtiges Genießen,
Zum Spiel ward er mir nie, zum kindisch-leeren,
Ich möcht' im Kuß mit brünstigem Begehren
Die Seele mein in deine ganz ergießen.

Was liebt, es möcht' im Tiefsten sich verbünden,
Drum tauscht es Blick um Blick und süße Worte,
Doch stillt sich nie der Seele glühndes Streben;

Im Kuß nur steigt sie aus des Busens Gründen
Und eint, entschlüpfend durch der Lippen Pforte,
Der Schwester sich mit süßem Wonneleben.

Aus: Gedichte von Albert Moeser
Erste Sammlung Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft 1890 (S. 17-18)

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Christian Morgenstern
(1871-1914)


So drängt sich uns ein Vogel
ins warme Nest der Hand
und läßt sich fest
umschließen,
voll Glauben und Verstand,

wie du, wenn dir in einem
wird schwach und stark der Mut
und du mir schreibst: ich bin dir
so ganz von Herzen gut.

Aus: Christian Morgenstern Werke und Briefe
Kommentierte Ausgabe,
Band I (Lyrik 1887-1905) und Band II (Lyrik 1906-1914).
Hrsg. von Martin Kießig Verlag Urachhaus Johannes M. Mayer GmbH,
Stuttgart Band I 1988, Band II 1992 (Band 2 S. 187)
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Albert H. Rausch
(1882-1949)


LIV.
Leb wohl, leb wohl, du teures Lippenpaar,
Wie wird mir Trennung schwer von deiner Süße!
Der Treue letzte Schenkung bring ich dar,
Eh ich mein Glück mit langem Abschied büße.

Nun wird dir nächtens oft, auf leeren Kissen,
Verwaister Traum die Liebesschuld abtragen,
O schöner Mund, wie muß ich dich vermissen,
O Trostes-Mund, wie muß ich dich beklagen!

O Mund der tausend süßen Eigenschaften,
Einziger Mund, der alles Glück
umschließt,
In deiner Gnade blieb mein Leben haften!

O Mund der ungezählten Pilgerzüge,
Stimm an den Ferngesang, der Linderung gießt
Durch Trennungsnot in Tages Weh und Lüge.

Aus: Sonette
Die toskanischen Sonette
Die hessischen Sonette
von Albert H. Rausch
Egon Fleischel & Co
Berlin MDCCCXII (1912) S. 55)

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Friedrich Rückert
(1788-1866)


Darf ich meinen Blicken traun?
Sie ist nah dran, aufzutaun.
Milder seh' ich die Gebärden,
Schmelzender die Stimme werden,
Und aus ihrem Auge bricht
Es wie Frühlingssonnenlicht.
Ja so zärtlich wird ihr Kuß,
Daß ich schon befürchten muß,
Nächstens, will ich sie
umschließen,
Wird sie mir im Arm zerfließen.

Aus: Friedrich Rückerts Werke
in sechs Bänden. Hrsg. von Dr. Conrad Beyer
Verlag Max Hesse 1900 Band 1 (S. 293-294)
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Josef Sutner
(1784-1835)


An Kloe

Wenn aus dem Busen reiner Liebe Feuer flammet,
Das uns aus dem Naturgesetze stammet;
Dann wollen wir des Herzens höchstes Gut genießen,
Wenn auch dem Schicksal' unsre Thränen fließen.

Hinauf zu jener Höhe wollen wir uns schwingen,
Wo Engelchöre Harmonieen singen,
Wo Sterbliche zur Gottheit lebend übergehen,
Und ihres Wesens reinste Grösse sehen:

Und wenn beglücket unsre Geister im Gefühle
Versunken sind in tiefe heil'ge Stille;
Dann dürfen auch die Formen liebend sich
umschliessen,
Und kein Verbot setzt Schranken unsern Küssen!


Aus: Vermischte Gedichte von J. Sutner
München 1824 in Commission bey E. A. Fleischmann (S. 236)

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Ludwig Uhland
(1787-1862)


Wanderlieder

2. Scheiden und Meiden
So soll ich nun dich meiden,
Du meines Lebens Lust!
Du küssest mich zum Scheiden,
Ich drücke dich an die Brust.

Ach Liebchen! heißt das meiden,
Wenn man sich herzt und küßt?
Ach Liebchen! heißt das scheiden,
Wenn man sich fest
umschließt?

Aus: Ludwig Uhland. Werke. 
Herausgegeben von Hartmut Fröschle und Walter Scheffler.
Band I: Sämtliche Gedichte Nach der Ausgabe letzter Hand,
den Erstdrucken und Handschriften mit Anmerkungen,
Zeittafel, Bibliographie und einem Nachwort zu Band I und II hrsg. von Walter Scheffler
Winkler Verlag München 1980 (S. 46-49)

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Wilhelm Weigand
(1862-1949)


Noch

Noch wollen deine Hände wehren
dem überströmenden Verlangen.
Noch trag' ich stumm ein scheu Begehren,
ein wundersam erzitternd Bangen.

Noch zagt mein Arm, dich zu
umschließen,
noch bin ich rein und unerfahren!
Vergessen hab' ich es seit Jahren,
daß ich schon - schwieg in Paradiesen.

Noch steh' ich scheu vor heil'gen Thoren
in unnennbaren Königsträumen.
O laß, in Dumpfheit so verloren,
laß mich nicht länger, länger säumen!

Aus: In der Frühe Neue Gedichte (1894-1901)
von Wilhelm Weigand Neue Ausgabe
München und Leipzig 1904
Verlag von Georg Müller (S. 31)

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Friedrich Gottlob Wetzel
(1779-1819)


Ewige Nähe

Wie so innig deine liebe Nähe!
Möchte schwören manchmal, daß du's bist,
Wenn ich leibhaft dich vor Augen sehe,
Und mein Traum das Meilenweit vergißt.

Hinter jedem Busche mußt du stehen,
Und ich eile thöricht auf ihn zu,
Mußt hervor um jede Ecke gehen,
Und so treibt mich's ohne Rast und Ruh.

Ob ich je auf Erden dich
umschließe?
Oder, deinem Auge unerkannt,
Wie ein fall'nder Stern vorüberschieße,
Wie ein Morgentraum, der kam und schwand?

Eines aber halt' ich fest vor allen,
Und das fährt vorbei nicht unerkannt
Wie die Lichter, die vom Himmel fallen,
Wie ein Dämmertraum, der kam und schwand.

Nur Erinn'rung ist zu dir dies Treiben,
Alte Liebe zieht mich wieder an;
Seit Jahrtausenden sind wir und bleiben
Wir Gefährten auf der blauen Bahn!

 

Aus: F. G. Wetzel's gesammelte Gedichte und Nachlaß
Herausgegeben von Z. Funck
Leipzig F. A. Brockhaus 1838 (S. 66)

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Heinrich Zirndorf
(1829-1893)


XXXI.
Deine Schönheit stets zu preisen,
Rechne mir's nicht an zur Schuld;
Mag ich in Myriaden Weisen,
Bis der Lyra Saiten reißen,
Feiern deine stille Huld,
Liebchen, rechn' es nicht zur Schuld.

Nicht vergaß ich deine Seele,
Die solch süßer Leib
umschließt,
Diese ist's, die ich erwähle,
Ob sich Huld'gung von dir stehle,
So nur Leben in dir fließt,
Das der süße Leib
umschließt.

Mag auch welken deine Schöne,
Ew'ge Liebe schwör' ich dir;
Ob der Wangen Farbentöne
Auch der Jahre Flucht verhöhne,
Bei der Seele ew'ger Zier
Ew'ge Liebe schwör' ich dir.

Ob von deiner Schönheit Fülle
Nur soviel dir übrig blieb,
Daß der Geist darein sich hülle,
Ewig bleibst du doch mein Lieb,
Ob von deiner Schönheit Fülle
Nur die schöne Seele blieb.

Aus: Gedichte von Heinrich Zirndorf
Leipzig Arnoldische Buchhandlung 1860 (S. 99)

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Vincenz Zusner
(1803-1874)


Fragen

Erblickt mein sehnend Auge Dich,
Da pocht mein Herz so wunderlich,
Als rührt' es leis' ein Zauberhauch.
- Pocht Deines auch?

Wenn dann mein Blick in Dich versinkt
Und stille Lust aus Deinem trinkt,
Da werd' ich stets so sanft und froh.
- Wirst Du auch so?

Ein Händedruck von Dir allein
Dringt schon in's tiefste Leben ein,
Mir ist's, als kocht' das Blut in mir.
- Wie ist's denn Dir?

Und wenn Dich dann mein Arm
umschließt,
Und Mund an Mund gefesselt ist,
Denk' ich, ich flieg' dem Himmel zu.
- Was denkst denn Du?

Und scheiden wir, umgaukelt mild
Mich fern von Dir Dein liebes Bild,
Mit Sehnsucht denk' ich immer Dein.
- Denkst Du auch mein?

Schließt endlich zur ersehnten Ruh'
der Schlummer mir die Augen zu,
dann seh' ich Dich im Traumgesicht.
- Siehst Du mich nicht?

Aus: Gedichte von Vincenz Zusner
Zweite Auflage Schaffhausen
Verlag der Fr. Hurter'schen Buchhandlung 1858 (S. 7-8)

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