Umwehen
 

in ausgewählten Gedichten deutscher Dichter und Dichterinnen

 








Rosa Maria Assing
(1783-1840)


An Assing
Den 6 April 1825

Veilchen, zarte Frühlingskinder,
Hast du heute mir gebracht,
Mir gepflückt zur Frühlingsgabe,
Liebend mein dabei gedacht.

Wie der Veilchen zarte Düfte,
Wie der Frühlingslüfte Wehn
Fühl' ich deiner Liebe Walten
Zart und innig mich
umwehn.

Frühling wird es! Frühling ist es
Stets in unserm Glück und Sinn!
Also nehm' ich deine Veilchen
Still in froher Deutung hin!

Aus: Rosa Maria's poetischer Nachlaß
Herausgegeben von D. A.  Assing
Altona Verlag von Joh. Friedrich Hammerich 1841 (S. 51)
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Clara Blüthgen
(1856-1934)


Brautlied

Komm her zu mir! Im wallenden Gewande,
umweht vom Nelkendufte harr ich Dein.
Komm her zu mir! Wir sind im Zauberlande,
der Mittag brütet rings - wir sind allein.

An meinen Busen lehne Deine Wangen -
so sanft ward nie Dein Dichterhaupt gewiegt;
so haben keine Arme Dich umfangen,
so hat kein Herz an Deines sich geschmiegt.

Belausche dieses Herzens mildes Regen
und seine Wünsche sprich sie hold zur Ruh.
Sieh! Meine Lippen blühen Dir entgegen
und meine Seele duftet Deiner zu.

Nicht traure um die Jahre, die entschwunden:
Jung wie das erste Weib im Paradies,
von Liliths Zauber bin auch ich umwunden,
wie jener Küsse sind die meinen süß.

Sprich nicht von Herbst. Nimm atmend warmes Leben,
Erneute Jugend saug aus meinem Kuß.
Komm her zu mir! Noch hab ich reich zu geben -
erschauert's Dich in diesem Überfluß? - -

Aus: Liebeslieder moderner Frauen
Eine Sammlung von Paul Grabein
Gedruckt und verlegt bei Hermann Costenoble Berlin 1902 (S. 43-44)
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Peter Cornelius
(1824-1874)


Eh' ich dich sah

Eh' ich dich sah,
Hab' ich dein Bild schon freundlich gehegt,
Vertraulich Gespräch mit dir gepflegt,
War schon zu deinen Gunsten bewegt,
Eh' ich dich sah.

Als ich dich sah,
Wie du so inniglich froh gelaunt,
Mir hat mein Innerstes erstaunt
Viel holde Lieder zugeraunt,
Als ich dich sah.

Seit ich dich sah,
Wohl jeder Tag wie sonst vergeht,
Nur daß, von Liebeshauch
umweht,
Dein Name mir im Herzen steht,
Seit ich dich sah.


Aus: Peter Cornelius Literarische Werke
Erste Gesamtausgabe IV. Band: Gedichte
gesammelt und herausgegeben von Adolf Stern
Leipzig 1905  (S. 86)
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Else Galen-Gube
(1869-1922)


Mir ist, als wärst du so ganz bei mir

Ich kann mich heut aus meinem Traum nicht ringen,
aus meinem Traum von Liebe und von dir,
ich kann die Phantasie nicht niederzwingen,
mir ist, als wärest du so ganz bei mir …

Ich fühle deinen Atem mich
umwehen,
wie in der Dämmerstunde, wonnigtraut;
im Arm könnt ich dir liebestoll vergehen
bei deiner Stimme süßem Schmeichellaut.

Jetzt hältst du mich mit Leidenschaft umschlungen,
jetzt werd ich dein, dein eigen ganz – und dann …
besiegt, von deiner jungen Kraft bezwungen,
stammle ich selig nur: "Du lieber Mann …"

Aus: Im Bann der Sünde Gedichte von Else Galen-Gube
Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann 1905 (S. 32)
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Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)


Du bist mein See Genezareth ...

Du bist Gott meinem greisen Gebet.
Du bist mein See Genezareth.
Legst du deine schmale, braune Hand
auf meinen Arm,
blüht heimatwarm
um mein Herz das Morgenland.

Du bist ein Wald, in dem sich mein wehes Verlangen
wie ein Echo fängt.
Du bist Asphalt, darüber mein Liebesbangen
als Bogenlicht hängt.

Meine Finger krümmen sich vor Lust
wie Schlangen,
träumen sie von deiner braunen Brust
und deinen seidenen Wangen.

Die Haarnadeln, die du auf meinem Spiegel vergißt,
sind mir ein seliges Segenssiegel aus Amethyst.

Die Briefe und Karten
und das Stück von deinem allerheiligsten Strumpfenband,
o Sancta Christ!,
sind mir ewiges Glück und ein Duften von Morgenland
und ein grüßender Garten,
darin ich alles leuchten fand,
kehrt ich zurück, von irrenden Fahrten,
zerzaust, im Pilgergewand - -
O deiner Augen Blaublumen Brand!
O berückendes Rund
deiner Knie!
So zart blüht dein Mund, wie
von Mozart eine Melodie ...

Deine duftenden Röcke sind wie eine lockende Laube!

O, die Sehnsucht nach dir
umweht
immer und immer meinen verirrten Geist,
wie der Wind um das Gebet
segelnder Luftpiloten kreist.

Sonne meinen weißen Boten!
Du mein See Genezareth!
Meine Inbrunst schwebt über dir als silberne Taube ...
An deinen Ufern kniet im Staube
schluchzend dein Prophet.

Aus: Max Herrmann-Neiße Gesammelte Werke
Herausgegeben von Klaus Völker
bei Zweitausendeins 1986/87
Band 3: Gedichte 3 Schattenhafte Lockung (S. 101-102)
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Karl Ludwig Kannegießer
(1781-1861)


Liebeslied

Versenkt in süße Träume,
Von Abendschein umwebt,
Durchwandl' ich diese Räume,
Die sie so oft durchschwebt,
Betrete diesen Boden,
Auf dem ihr Füßchen geht,
Von selben Windes Odem
umweht, der sie umweht.

Wenn ich ein Lüftchen wäre,
Begleitet' ich sie leis,
Und wärmte, wenn es fröre,
Und kühlte, wär' es heiß.
Dürft' ich hinein nicht schweben,
Wohnt' ich doch an der Thür;
Ich würde mit ihr leben,
Und einst verwehn mit ihr.

Dann fing' ich ihre Seele
Aus ihren Lippen auf,
Und in des Himmels Säle
Trüg' ich sie hoch hinauf.
Doch kehrt ich schnell zurücke,
Und in die Brust geschwebt,
So würd' im Augenblicke
Die Liebliche belebt.

Aus: Gedichte von Karl Ludwig Kannegießer
Breslau 1824
Reinhard Friedrich Schoene's Buchhandlung (S. 20-21)

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Amalie Krafft
(1778-1852)


Wünsche

Ich möchte wohl ein Röschen seyn,
In meines Liebsten Garten:
Er würde dann in Liebe mein
Mit treuer Pflege warten.
Und bräch' er auch vom Stamm' mich ab,
Um seine Brust zu schmücken;
Dort fänd' ich ja ein selig Grab,
Ich stürbe mit Entzücken.

Ach! daß ich doch kein Täubchen bin,
Auf süßer Liebe Schwingen
Eilt' ich zu dem Geliebten hin,
Ihm meinen Gruß zu bringen.
Ich setzte mich auf seine Brust,
Ihn tausendmal zu küssen;
Dann dürft' ich wohl, o Himmelslust!
Den Theuern nimmer missen.

Oft möcht' ich wohl ein Lüftchen seyn,
Die Stirne ihm zu kühlen,
Dann könnt' ich auch im Abendschein
Mit seinen Locken spielen.
Mein Schmeichelhauch sollt' ihn
umweh'n,
An seine Brust sich schmiegen,
Und würde er dann schlafen geh'n,
In süße Ruh' ihn wiegen.

Aus: Sechs Erzählungen nebst einem Anhange
von Gedichten von Amalie Krafft
Neue Ausgabe Aschaffenburg Verlag von Theodor Pergay 1834 (S. 72)

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Hermann Löns
(1866-1914)


Du ruhst in meinem Schoße ...

Die grünen Buchenblätter
Schatten so schwer und dicht,
Auf rotem Vorjahrslaube
Spielt blau das Sonnenlicht.

Du ruhst in meinem Schoße,
Dein Atem geht so leis,
Es fiel aus deinen Händen
Der Strauß von Ehrenpreis.

Der Duft aus deinem Blondenhaar
Berauschend mich
umweht,
Um meine seligen Lippen
Ein stilles Lächeln geht.

Aus: Hermann Löns Sämtliche Werke
in acht Bänden. Hrsg. von Friedrich Castelle 
Hesse & Becker Verlag Leipzig 1923
(Band 1 S. 198)
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Hermann Löns
(1866-1914)

Die mich liebt

Sie, die mich liebt, wo finde
Ich sie, die träumt von mir,
Bußopfer oder Sünde,
Was führt mich hin zu ihr?

Sie, die mich liebt, ich gehe
Vielleicht an ihr vorbei,
Träum’ von ihr und verstehe
Nicht ihren Hungerschrei?

Sie, die mich liebt – wir werden
Vielleicht uns niemals sehn,
Mein letzter Hauch auf Erden
Wird sie vielleicht
umwehn?

Sie, die mich liebt – am Ende
Ein Traum, der bald zerstiebt,
Eine selbsterfundene Legende
Von jener, die mich liebt.

Aus: Hermann Löns Sämtliche Werke
in acht Bänden. Hrsg. von Friedrich Castelle 
Hesse & Becker Verlag Leipzig 1923
(Band 1 S. 152-153)
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Albert Möser
(1835-1900)


Helena

9.
Gieb deine Seele mir! o hör mich flehen,
Und nimm die meine ganz dafür zu eigen,
Inbrünstigen Drangs laß Brust an Brust sich neigen,
Und weich laß deinen Athem mich
umwehen.

Laß tief, ganz tief mich dir in's Auge sehen,
Gebrochen sei der Scheuheit feiges Schweigen,
Das Herz laß auf zum Lippenrande steigen
Und trautes Wort von Mund zu Munde gehen.

Laß lesen mich in deiner Seele Gründen,
Mein tiefstes Sein laß ganz mich dir erschließen
Und heiß um süßes Einverständniß werben;

Wie Ströme zwei selbstlos in Eines münden,
Laß Seel' in Seele still hinüberfließen,
Und lustverzehrt der Zweiheit Qual ersterben.

Aus: Nacht und Sterne
Neue Gedichte von Albert Möser
Halle Verlag von G. Emil Barthel 1872 (S. 179)

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Christian Ludwig Neuffer
(1769-1839)


Abendgenuß im Frühling
An Iduna

In deiner Jugend herrlichen Blüthe, sey
In deiner Schönheit prächtigem Schmuck gegrüßt,
Mit fesselloser Brust und frohen,
Festlichen Liedern, du holder Frühling!

Du Lieblingskind der Mutter Natur! Zerstreut
Sind alle Wolken; lächelnd und heiter wallt
Der blaue Aether, und der Sonne
Flammendes Auge durchwärmt die Lüfte.

Ein grüner Teppich breitet im Felde sich
Mit bunten Farben lebend und schimmernd aus;
Die Bäume senken dichtbelaubte
Aeste zur Erde mit weißen Blüthen;

Vertraute Dämm'rung webt in dem Eichenwald;
Die Tanne düftet würzigen Wohlgeruch;
Die Rebe schlingt um die erhöhten
Stäbe den zärtlichen Arm mit Liebe;

Der muntre Hirt treibt singend die Heerden heim;
Die Schaafe blöcken weidend am Hügelsteg,
Das Lustgebrüll der muntern Stiere
Schallt in dem Thal und der Rosse Wiehern;

Die Lerche steigt süßtrillernd zum Himmel auf;
Im dunkeln Schatten flötet die Nachtigall.
Wohin mein Ohr, mein Auge reichet,
Lebet und webt die Natur in ihren

Erfreuten Kindern herrlich und neuverjüngt.
Von hoher Wonne schlägt mir das volle Herz;
Der Lebensströhme reges Rauschen
Weckt mir das tiefste Gefühl im Busen.

Hier will ich weilen unter dem Laubgewölb
Des zweigeschweren, schattenden Apfelbaums;
Auf diesem Hügel mein entzücktes
Aug' an der prächtigen Gegend weiden,

Die weitumher mit fruchtbarn Gefilden, mit
Volkreichen Dörfern, schimmernden Städten, mit
Dem schönen See, und fern im Grunde
Sich mit dem blauen Gebirg eröffnet.

Hier will ich noch die Abendbeleuchtung seh'n,
Der hohen Sonne freundlichen Scheideblick,
Bis stiller nun die Welt und stiller
Sinkt in den nächtlichen Arm des Schlummers,

Und, sanft
umweht vom Flügel der Liebe, dein,
Iduna! dein du himmlische Seele, die
Mir ferne weilt und doch so nahe,
Süßer Erinnerung voll gedenken,

Und ahnend mich der festlichen Stunde freu'n,
Wo ich, von deinen Armen umschlungen, bald
Den Frühling schöner blühen sehe,
Prangend im Kranze beglückter Liebe.

Aus: Gedichte von Christian Ludwig Neuffer
Stuttgart bei J. F. Steinkopf 1805 (S. 232-234)

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Hermann Oelschläger
(1839-1908)


Lied

Wenn du dein Haupt
Zur Brust mir neigst
Und die Hände mir fassest
Und stehst und schweigst -

Wenn mir dein Hauch
Die Stirn
umweht,
Dann überkommt es mich
Wie Gebet.

Mir ist, der Himmel
Sehe darein
Und es müsse sein Segen
Mit uns sein.


Aus: Gedichte von Hermann Oelschläger
München Carl Merhoff's Verlag 1869 (S. 7)

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Hermann Oelschläger
(1839-1908)


X.
Das ist der Schönheit zauberreichster Segen,
Daß, wo sie strahlend sich den Blicken beut,
Sie alle Herzen wundersam erfreut
Und Licht und Lichtglanz weiß um uns zu legen.

Wir bringen ihr die Huldigung entgegen,
Die nur das Volk den Königinnen streut -
Denn Königinn ist: die sich stets erneut,
Die Schönheit nur uns jetzt und allerwegen.

Die Schönheit sehen ist: ein Glück gewinnen;
Es ist, wie Gottes Nähe uns
umweht
Und uns durchschauert in den tiefsten Sinnen.

Sie stumm anstaunen ist wie ein Gebet
Und ruhig bleiben wir, zieht sie von hinnen,
Da ewig schön ihr Abbild in uns steht.


Aus: Gedichte von Hermann Oelschläger
München Carl Merhoff's Verlag 1869 (S. 124)
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Luise von Ploennies
(1803-1872)


Dein Bild

In's Allerheiligste von meinem Herzen,
Hab' ich dein Bild gerettet vor der Welt;
Dort hab' ich es in wundersel'gen Schmerzen,
umweht von süßen Schauern, aufgestellt;
Dort brennen hell der Liebe ew'ge Kerzen,
D'ran jeder meiner Tage sich erhellt,
Und meiner Sehnsucht Thränen, klar und rein,
Erglänzen drauf statt Perl' und Edelstein.

Und die Gedanken meiner Seele fliehen,
Wie Pilger, die zum Gnadenbilde ziehen,
In heißer Sehnsucht hin zum heil'gen Ort;
Und wie die Pilger betend niederknieen,
So rasten sie in stillem Glauben dort,
Und stammeln in Entzückung leises Wort.

In diesem Heiligthume wirst du leben,
So lang den schwachen Bau die Erde trägt;
Und sinkt auch bald der Tempel ein mit Beben,
Weil die Zerstörung dran die Hand gelegt,
So wird dein Bild empor zum Himmel schweben,
Mit meinem Geist, der sanft die Flügel schlägt,
Und der, befreit, in einer schöner'n Welt
Sich einen Tempel sucht, der ewig hält.

Aus: Gedichte von Louise von Ploennies
Darmstadt Druck und Verlag von Carl Wilhelm Leske 1844 (S. 5)
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Richard Pohl
(1826-1896)


Tönende Liebes-Grüße

Wie ich dich liebe,
Heiß, ohne Schranken,
Kann ich in Worten
Nimmer gestehn:
All' meine seligsten
Liebes-Gedanken
Mögen in Klängen
Hold dich
umwehn!

Schüchterne Lieder
Können's nicht sagen,
Töne nur, Töne
Send' ich zu dir!
Wenn dich die wogenden
Himmelwärts tragen,
Ist meine Seele
Immer bei dir.

Wie sich Accorde
Suchen, umschlingen,
Drängt es zu dir, zu
Dir mich allein.
Seliges Finden! - Auf
Tönenden Schwingen
Ziehen zum Himmel der
Liebe wir ein!


Aus: Gedichte von Richard Pohl
Weimar Landes-Industrie-Comptoir 1859 (S. 29-30)

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