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Litauische Liebeslieder
Unterm Ahorn fließt die Quelle,
Wo die Gottessöhne
In dem Mondschein tanzen gehen
Mit den Gottestöchtern.
Zu der Quelle unterm Ahorn
Ging ich mich zu waschen,
Als ich wusch gar weiß mein Antlitz,
Fiel der Ring hinunter.
Kommen wohl die Gottessöhne
Mit den seid'nen Netzen,
Fischen mir mein theures Ringlein
Aus des Wassers Tiefe?
Kam herbei ein junger Bursche
Hoch auf braunem Rosse,
Und das Roß, das braune, hatte
Gold'ne Hufbeschläge.
Komm hieher, mein Mädchen,
Komm hieher, du junges,
Komm, laß uns ein Wörtchen kosen,
Laß uns träumen süße Träume,
Wo die Quell' am tiefsten,
Wo die Lieb' am liebsten.
Ach, ich kann nicht, Knabe,
Kann nicht, holder Jüngling,
Schelten würde mich die Mutter,
Schelten würde sie, die Alte,
Spät käm' ich nach Hause,
Spät käm' ich nach Hause.
Sage doch, mein Mädchen,
Sage doch, du junges:
Kamen Enten angeflogen,
Und die trübten mir das Wasser,
Darum mußt' ich warten,
Bis es sich gekläret.
Nicht so, meine Tochter,
Nicht so, meine junge.
Ei, du sprachst ja mit dem Knaben,
Ei, du kostest mit dem jungen
Unter'm grünen Ahorn
Zarte Liebeswörtchen.
Aus: Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch
bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 3-4)
_____
Im grünen Grase
Stehn Majorane,
Da blüht die Lilie.
Es sitzt der Knabe
An meiner Seite,
Den Kopf im Schooße
Schläft er so ruhig.
Es pfeift die Meise,
Es schrillt die Schirke,
Es bläst die Flöte
Der Hirtenknabe.
Die Trommel wirbelt,
Das Kriegshorn schmettert
Und weckt den Knaben.
Das Rößlein sattle,
Setz' auf den Hut dir,
Den dreigespitzten;
Schnall' an die Sporen,
Flicht dir das Zopfband,
Das Schwert dir gürte
Und ziehe mit aus.
Süß hatt' geruht ich,
Ich zäumte's Rößlein,
Vom Mädchen ging ich,
Und Thränen flossen;
Die Lilie welket,
Der Majoran auch;
Das Kriegshorn tönet.
In Welau's Städtchen
Stehn viele tausend
Von unsern Feinden.
Wie grüne Wälder
Die Lagerplätze;
Den Kopf am Sattel,
Hab' ich geschlafen.
Bei Tagesanbruch
Zur Schlacht wir ritten.
Ach, Schlacht, Gemetzel!
Rauch nur und Kugeln!
Die Köpfe flogen,
Als wären's Kohlköpf';
Blut tränkt die Aecker.
Wohl unterm Rasen
Da schläft der Knabe;
Wo seine Füße,
Blüh'n Majorane,
Und wo sein Kopf liegt,
Da blüht 'ne Lilie,
Thauthränen weinend.
[Schirke: preuss.
Grille]
Aus: Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 20-21)
_____
Wo geh' ich? Wo bleib' ich?
Wo werd' ich's schauen?
Womit soll mein Herz ich,
Das arme, stillen?
Gedenk ihrer Liebe
Werd' ich, ach, ich weinen,
Bis ganz ich mein Herze
Von ihr abwende.
Den Steg trat ich nieder,
Sie oft besuchend,
Das Flüßchen schöpft' aus ich
Hinüberschreitend.
Das Mädchen, das Herzchen,
Werd' ich besuchen,
Gedenk ihrer Liebe,
Kehr' oft ich wieder.
Aus: Littauische
Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 79)
_____
Komm her, o Mädchen,
Im schönen Frühling,
Wann Wunder blühen
In Mutter's Garten.
Rings um die Beete
Stehn grüne Rauten,
Und in der Mitte
Rings Lilienblüthen.
Dann will ich pflücken
Ein buntes Sträußchen
Und will es senden
Dem lieben Knaben.
Nicht selber bring' ich's,
Geb's keiner Andern.
Vom Nordwind lass' ich's
Hinüberwehen.
***
Komm her, o Knabe,
Im schönen Frühling,
Wann Wunder blühen
In Vaters Garten.
Rings um den Garten
Stehn grüne Stämmchen,
Und in der Mitte
Rings Apfelbäume.
Ich will mir pflücken
Zwei schöne Äpfel
Und will sie senden
Dem lieben Mädchen.
Nicht selber bring ich's,
Geb's keinem Andern,
Der Südwind soll sie
Hinüberwehen.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 80)
_____
Ach, das
schöne, holde Mädchen,
Wie des Blumensträußchens Kern!
Ach, die süßen, schönen Lippen,
Wie ein Apfel zart und süß.
Seh' ich sie vor Augen nicht,
Weiß nicht, wo ich bleiben soll,
Kann nicht essen, kann nicht trinken,
Leide, wie ein Kranker, Schmerz.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 80)
_____
Ich möchte bitten
Von früh bis Abend,
Daß Gott bescheerte
Ein heitres Tagchen,
Ein heitres Tagchen,
Und helle Sonne.
Könnt' ich dann sehen,
Mein liebes Mädchen,
Wenn sie am Teiche
Die Wäsche spühlet,
Ich würd' ihr bieten
Ein Morgengrüßchen.
Ich würd' ihr bieten
Ein Morgengrüßchen,
Ein Morgengrüßchen,
Ein goldnes Ringlein,
Ein goldnes Ringlein
Auf ihren Finger.
Mein liebes Mädchen
Hat schwarze Augen.
Wenn in den Keller
Sie niedersteiget,
Dann braucht kein Licht sie
Und keinen Leuchter.
Denn helle leuchten
Die schwarzen Augen,
Die schwarzen Augen
Des lieben Mädchens,
Und Flammen sprühet
Das goldne Ringlein.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 81-82)
_____
Als ich durch das Dörfchen
ging,
Wasser mir nach Hause trug,
Sah ich, ach, mein liebes Mädchen
In der Kammer weinen.
Mädchen, warum weinest du?
Warum trübest du dein Herz?
Dem der Vater dich versprochen,
Wird er dich nicht geben.
Sind im Dorf der Kammern viel,
In den Kammern Mägdelein.
Die die feinste, die die schönste,
Die will fest ich halten.
Apfelbäum' im Garten stehn,
Auf den Bäumen Äpfel viel.
Der der schönste, der der roth'ste,
Den will ich mir pflücken.
Apfelbaum blüht weiß und zart,
Die Päonie feuerroth,
So auch blühet meines Mädchens
Strahlendes Gesichtchen.
Apfelblüthe welkt und fällt,
Der Päonie Blätter auch,
So wird deines lieben Mädchens
Strahlend Antlitz schwinden.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 82-83)
_____
So oft nicht
ritt ich
Auf diesen Pfaden,
Vorbei bei meinem Mädchen,
Vorbei am Rautengarten,
So oft nicht ritt ich
Und schaute rückwärts,
Ob da nicht wär' mein Mädchen,
Ob sie nicht schaut' durch's Fenster,
Als durch das Fenster
Ihr Aug' mir folgte.
O Mädchen, liebes Mädchen,
Hältst du mich auch im Herzen?
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 83)
_____
Ich weiß, ich
weiß wohl
Doch sag' ich's nimmer,
Wo mein Geliebter wohnet.
Und ich erkenne
Auch meinen Knaben
Wohl unter hundert Pflügern.
Neu ist der Pflug sein,
Grau sind die Ochsen,
Und stählern seine Pflugschaar.
Und ich erkenne
Auch meinen Knaben
Wohl unter hundert Mähern.
Blank ist die Sense
Des lieben Knaben,
Und neu der Stiel der Sense.
***
Ich weiß, ich weiß wohl,
Doch sag' ich's nimmer,
Wo wohnt mein trautes Mägdlein.
Und ich erkenne
Mein trautes Mädchen
Aus hundert Weberinnen.
Neu ist ihr Webstuhl,
Fein das Gewebe,
Von Silber ist das Schifflein.
Und ich erkenne
Mein trautes Mädchen
Aus hundert Harkerinnen.
Neu ist die Harke,
Und weiß ihr Kleidchen,
Von Silber ist ihr Ringlein.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 83-84)
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In dem
Bächlein fließet
Reines klares Wasser.
An dem Bache,
An der Quelle,
Warum klagst du, Mädchen?
Wie soll ich nicht trauern?
Wie soll ich nicht klagen?
Nichts von Dem
Sah' ich, ach,
Den ich trag' im Herzen.
Nachts, da mich der Schlaf floh,
Da sprach ich das Wörtchen:
Ewiglich
Nun und nie
Mich von ihm zu trennen.
Ach viel lieber ließ' ich
Seel' und Leib sich trennen,
Als daß ich
Ließe je
Von dem holden Knaben.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 84)
_____
Ach Gott verhüte,
Daß so sich's füge,
Daß hier im Dorfe
Mein Mädchen wohne.
Nichts hätt' zu thun ich,
Als Rößlein füttern,
All' liebe Tage
Parade reiten.
O gebe Gott nur,
Daß so sich's füge,
Daß fern ein Meilchen
Mein Mädchen wohne.
Könnt' dann mit Muße
Das Rößlein füttern,
Jedweden Sonntag
Parade reiten.
***
O Gott verhüte,
Daß so sich's füge,
Daß hier im Dorfe
Mein Liebster wohne.
Nichts hätt' zu thun ich.
Als Weißzeug waschen,
All' liebe Tage
Geputzt einhergehn.
O gebe Gott nur,
Daß so sich's füge,
Daß fern ein Meilchen
Mein Liebster wohne.
Könnt' dann mit Muße
Das Weißzeug waschen,
Jedweden Sonntag
Geputzt einhergehn.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 85)
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Es wächst, es
sprosset
Das Fichtenwäldchen
Auf kahlem freien Felde.
Durch dieses Wäldchen
Da fließt ein Bächlein,
Nach süßem Honig duftend.
Gern fällt' den Baum ich,
Baut' selbst ein Schiffchen,
Setzt' über selbst das Mägdlein.
Setzt' über selbst sie,
Führt' sie ans Ufer,
Setzt' an den bunten Tisch sie.
Wenn ich nur wüßte,
Ob mein sie würde,
Setzt' ich mich ihr zur Seite.
Ich möcht' mich hängen
An ihren Nacken
Und Liebesworte reden.
Da ist die Stelle,
Wo sie gesessen,
Wo sie die Schuhe anzog.
Da ist der Spiegel,
Wo sie gestanden,
Wo sie den Kranz geordnet.
Da ist das Plätzchen,
Wo sie gestanden,
Wo sie wusch ihr Gesichtchen.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 85-86)
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Ich möchte gehen
In Tilsit's Städtchen,
In Tilsit's Städtchen
Zu den Dragonen.
Da ritten Viele,
Und gingen Andre,
Doch nirgend, nirgend
War mein Geliebter.
Ich möchte gehen
Nach Königsberg hin,
Nach Königsberg hin
Zu schmucken Herren.
Da wallten Viele
Und gingen Andre,
Doch nirgend, nirgend
War mein Geliebter.
Ich möchte gehen
Bis nach Berlin hin,
Wohl zu den Garden
Des lieben Königs.
Da gingen Viele
und gingen Andre,
Doch nirgend, nirgend'
War mein Geliebter.
Ich möchte gehen
Zur grünen Wiese,
Zur grünen Wiese
Wohl zu den Schnittern.
Ich seh' auf Einen,
Seh' auf den Andern,
Doch nirgend, nirgend
Ist mein Geliebter.
Ich möchte gehen
Wohl auf den Hügel,
Wohl auf den Hügel
Hin zu den Pflügern.
Ich seh' auf Einen,
Seh' auf den Andern,
Und da erblick' ich
Auch den Geliebten.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 86-87)
_____
O Schlummer,
Schlummer,
O Schlummer wünsch' ich!
Könnt' ich einschlafen
Nur auf ein Weilchen.
Könnt' ich einschlafen
Nur auf ein Weilchen,
Vielleicht dann würd' ich
Ein bunter Kukuck.
Vielleicht dann würd' ich
Ein bunter Kukuck,
Und riefe frühe
Und spät am Abend.
Da geht der Knabe
Wohl über'n Hof hin,
Konnt' nicht errathen,
Was für ein Vogel.
Die Stimme wäre
Wie seines Mädchens,
Die bunten Federn
Wie eines Kukucks.
Komm, komm, mein Mädchen,
Komm, komm, du junge,
Erkaltet sind dir
Ja Händ' und Füße.
Erbleicht auch ist ja
Dein schönes Antlitz;
Auf geht die Sonne,
Hell ist der Morgen.
Ich will erwärmen
Dir Händ' und Füße,
Will neu beleben
Dein schönes Antlitz.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 87-88)
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Hier die Päonie
Mit hundert Blättern,
Sie duftet nicht so lieblich,
Als schön sie prangt in Blüthe.
Hier dieser Knabe,
Der junge Reiter,
Ist nicht so schön von Antlitz,
Als lieblich seine Worte.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 89)
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Laß gehn, laß gehn uns
In die Mahlstube,
Wo in der Stube
Die Mädchen mahlen.
Da sind, da sind wohl
Drei Müllerinnen,
Da ist, da ist nicht
Mein liebes Herzchen.
Von Stahl die Mühle,
Von Erz die Kurbel,
Da ist, da ist nicht
Mein liebes Herzchen.
Laß gehn, laß gehn uns
In die Spinnstube,
Wo in der Stube
Die Mädchen spinnen.
Da sind, da sind wohl
Drei Spinnerinnen,
Da ist, da ist nicht
Mein liebes Herzchen.
Weiß ist der Flachs wohl,
Jung sind die Mädchen,
Da ist, da ist nicht
Mein liebes Herzchen.
Laß gehn, laß gehn uns
In das Gebäude,
Wo im Gebäude
Die Mädchen weben.
Da sind, da sind wohl
Drei Weberinnen,
Da ist, da ist nicht
Mein liebes Herzchen.
Das Zeug von Seide,
Von Erz der Webstuhl,
Da ist, da ist nicht
Mein liebes Herzchen.
Laß gehn, laß gehn uns
An Flusses Ufer,
Wo an dem Ufer
Die Mädchen waschen.
Da sind, da sind ja
Drei Wäscherinnen,
Da ist, da ist auch
Mein liebes Herzchen.
Fein sind die Zeuge,
Von Erz der Waschpflock,
Da ist, da ist ja
Mein liebes Herzchen.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 89-90)
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Hähne fangen an zu krähen,
Hausgenossen sich zu rühren,
Stehe auf, o Knabe,
Schlafzeit ist vorüber.
Schon gesattelt steht das Rößlein,
Aufgezäumt mit schönem Zaume,
An dem neuen Zaune,
An dem Rautengarten.
Geh doch, Knabe, warum säumst du?
Warum hältst du fest den Braunen?
Wartet doch das Mägdlein,
Wartet dein die junge.
Reiche mir dein weißes Häubchen!
Mag sonst Niemand dich besuchen,
Ich komm' zu dir wieder
Noch in diesem Herbste.
Als ich ging entlang die Wiese
Durch das grüne Birkenwäldchen,
Sah ich meinen Knaben
Auf der Wiese mähen.
Unter buntem Kamisolchen,
Unter feinem, blanken Hute
Wohl ein schmucker Knabe,
Der mir wohl behaget.
Als ich ritt entlang die Wiese
Durch das grüne Birkenwäldchen,
Da sah ich mein Mädchen
Auf der Wiese harken.
Unter buntem Miederschnürchen,
Unter grünem Rautenkranze
Wohl ein schmuckes Mädchen,
Das mir wohl behaget.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 90-91)
_____
Als ich wohl hundert
Feldweg's geritten,
Ohn' Zaum, ohne Sattel
Und ohne Bügel,
Kam ich geritten
In's grüne Wäldchen,
Im Wäldchen, dem grünen,
Stand schlank 'ne Birke.
Im Walde möchte
Die Birk' ich biegen,
Im Thaue der Birke
Mein Antlitz waschen,
Daß weiß ich würde
Und roth von Antlitz,
Gleichwie meines Vaters
Liebrose blühet.
Und da begegnet'
Ich meinem Mädchen
Im Garten der Rauten
Bei Majoranen.
O du, mein Mädchen,
Du meine zarte,
Was wirst du mir wählen
Als Liebesgabe?
Ich habe Gold nicht
Noch blankes Silber,
Ich werde dir pflücken
Ein Rautensträußchen.
Und ist's gering auch,
Auch das geringste,
Ist's doch eine Gabe
Der reinsten Liebe.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 91-92)
_____
Du mein liebes
Mädchen,
Meine junge, zarte,
Du versprachest ja aus Liebe
Mir zu näh'n ein Hemdchen.
Du mein lieber Knabe,
Du mein junger, zarter,
Zugeschnitten ist's, genäht auch,
Nur noch nicht gesticket.
Du mein liebes Mädchen,
Meine junge, zarte
Wenn du hütest bunte Rinder,
Treib' sie auf den Landweg.
Da wirst du mich finden,
Da will dein ich warten,
Auf der grünen Wies' am Flusse,
Auf dem weißen Kleefeld.
Du mein lieber Knabe,
Du mein junger, zarter,
Wenn du hütest braune Rosse,
Treib' sie auf den Feldweg.
Da wirst du mich finden,
Da will dein ich warten,
An dem reinen, frischen Wasser,
Unter'm Weidenbaume.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 92)
_____
Als ich hinging über'n Hof,
Wasser tragend für das Haus,
In dem Stall den Braunen da
Hörte laut ich wiehern.
Und die Trage setz' ich weg,
Mache leis' die Stallthür auf,
Finde meinen lieben Knaben
In dem Stalle weinend.
Warum weinst du, Junge mein?
Hab' dir längst doch zugesagt,
Meine Liebe nimmermehr
Von dir abzuwenden.
Laß das Pferd im Stalle stehn,
Gieb mir nur dein liebes Herz,
Ich will gerne für dich sprechen
Ja bei deinem Vater.
Reines, klares Wasser fließt
In dem reinen Bach dahin:
Ist doch auch die Liebe treu
In dem treuen Herzen.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 92-93)
_____
Ausgeht, heimkehrt der geliebte Jüngling.
Besuche mich, mein Mädchen,
Besuche mich, mein Schätzchen,
Heute, heute Abend.
Gern möcht' ich, Geliebter, dich besuchen,
Allein mich schmerzt mein Köpfchen,
Mich schmerzt, mich schmerzt mein Herzchen,
Wenn ich dich besuche.
Von der Raute träuft, es träuft vom Kranze,
Es träuft von meinem Antlitz,
Es träuft vom glänzend klaren
Manche bittre Thräne.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 93)
_____
Wo denn warst
du, liebes Mädchen?
Wo hast du gejubelt?
In dem Rautengarten war ich,
Da hab' ich gejubelt.
Rauten pflückte ich zum Sträußchen,
Wand mir draus ein Kränzchen.
Als den Kranz ich mir gewunden,
Setzt' ich auf den Kopf ihn.
Als ich ihn gesetzt auf's Köpfchen,
Auf die blonden Zöpfe,
Ging hinaus ich auf die Straße
An dem grünen Thore.
Und da traf ich meinen Knaben,
Meinen wackern Reiter,
Und er gab mir, und er schenkte
Mit das gold'ne Ringlein.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 99)
_____
Laß gehn uns
beide selbander
In's Wäldchen, in's grüne, selbander.
Wir fällen beide selbander
Die grünenden Linden selbander.
Wir schneiden beide selbander
Uns draus neue Brettchen selbander.
Wir machen beide selbander
Ein neues Bettstellchen selbander.
Wir breiten beide selbander
Hinein neue Pfühle selbander.
Wir legen beide selbander
Hinein uns in's Bettchen selbander.
Wir machen beide selbander
Von Zweigen 'ne Wiege selbander.
Wir legen beide selbander
Hinein ein klein Kindchen selbander.
Wir wiegen beide selbander
Das niedliche Kindchen selbander.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 110-111)
_____
In die Ferne
reitet fort der Knabe,
Läßt allein zurück das junge Mädchen.
Ach, mein Knabe, meine süße Taube,
Wohin reitest du, mein lieber Knabe?
Ach, mein Mädchen, meine zarte Lilie,
In die Fremde reit' ich, in die Ferne.
Ach, mein Knabe, meine süße Taube,
Laß mich nicht allein, dein armes Mädchen.
Nimm mich mit dir, nimm auch mich von dannen,
Laß uns beide in die Ferne reiten.
Ach, mein Mädchen, meine zarte Lilie,
Klein ist nur mein Pferd, mein dunkelbraunes.
Klein ist nur mein Pferd, und weit der Weg hin,
Trägt uns beide nicht in ferne Gegend.
Über eb'ne Flächen gehn zu Fuß wir,
Durch der Duna Fluthen laß uns schwimmen.
Langen schwimmend einen weißen Stein wir,
Ruhen wir uns mitten in der Duna.
Kurze Ruhe werden wir da finden,
Mit einander süße Worte wechseln.
Und wenn wir zur Heimath wiederkehren,
Legen wir uns in das bunte Bettchen.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 111)
_____
Wenn in
düstrer, stiller Nacht
Schlafen alle Müden,
Dann schleich' ich mich heimlich fort
Hin zu meinem Mädchen.
Sternlein an dem Himmel ziehn,
Große und auch kleine,
Leuchten mir auf meinem Pfad,
Hin zu meinem Mädchen.
Eine gute Nacht wünsch' ich
Dir, mein trautes Mädchen,
Dir, mein Liebchen, gute Nacht,
Schlafe süß und ruhig.
Ich will sagen: Liebes Kind,
Meine Heißgeliebte,
Schmiegen möcht' in Liebe ich
Mich an deine Seite.
Möcht' dich küssen tausendmal,
Wenn ich dich nur hätte.
Mädchen, ach, ich schwöre dir,
Keine Andre frei' ich.
Nimm nicht übel, Liebster mein,
Daß ich dich nicht einlass';
In der Kammer neben mir
Schläft die liebe Mutter.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 111-112)
_____
Lauf, lauf,
mein Pferdchen,
Mein lieber Brauner,
Bis zu der grünen Wiese.
Bist du gelaufen
Zur grünen Wiese,
Dann werd' ich dort dich weiden.
Lauf, lauf, mein Pferdchen,
Mein lieber Brauner,
Bis zu des Flusses Strömung.
Bist du gelaufen
Bis an das Flüßchen,
Dann werd' ich dort dich tränken.
Lauf, lauf, mein Pferdchen,
Mein lieber Brauner,
Zum Hof des Schwiegervaters.
Bist du gelaufen
Bis an das Höfchen,
Dann sollst du Ruhe haben.
Es kommt das Mägdlein
Vom Rautengarten
Heraus, ihr Kränzchen flechtend.
Schau her, o sieh doch,
Mein liebes Mädchen,
Sieh, wie mein Brauner zittert.
So wirst du zittern,
Wenn du im Brautkranz
Zu mir geführt wirst werden.
Und wenn du gehn wirst
An meiner Seite,
Wirst du wie Wachs zerschmelzen.
Aus:
Littauische Volkslieder gesammelt, kritisch bearbeitet
und metrisch übersetzt von G. H. F. Nesselmann
[Georg Heinrich Ferdinand Nesselmann 1811-1881]
Berlin 1853 (S. 171-172)
_____
Sonne und Mond
Vor vielen tausend Jahren
Im Himmel Hochzeit war;
Da wurde aus dem Monde
Und aus Sonn' ein Paar.
Bei diesem Hochzeitsfeste
Der erste Lenz entstand,
Da sich Zemyna anzog *
Ihr bestes Blüthengewand.
Den Tag darauf ihr Brautbett
Die Sonne früh verließ;
Der Mond, noch gar zu schläfrig,
Allein sie gehen hieß.
Und als er später nachzog,
Gewann er den Morgenstern lieb;
Perkun, darob ergrimmet,
Ihn mit dem Schwert zerhieb. **
Als diese Mähr die Sonne
Aus Vaters Mund vernahm,
Vergoß sie heiße Thränen
Und wob, um ihren Gram
Durch Arbeit zu zerstreuen,
Mit kunstgeübter Hand
Aus Strahlen und aus Thränen
Des Regenbogens Band.
Getrennt vom Monde wandelt
Sie jetzt den langen Tag;
Nur wenn sie sinket, blickt sie
Ihm doch noch einmal nach.
Wenn er dann bleich von Osten
Zu ihr herübersieht,
Denkt sie der alten Zeiten:
Ihr Strahlenantlitz glüht
Vor Liebe und vor Wehmuth
In dunkelrothem Schein,
Und trauernd taucht sie wieder
In's Waldesgrün hinein.
* Zemyna Göttin der
Erde
** Nach einem alten littauischen Mythus ist vom Monde
nur noch eine Hälfte
vorhanden;
die andre, von Perkun mit dem Schwerdte abgetrennt,
ist in's
Meer gefallen.
Aus: Littauische Volkslieder
und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 3-4)
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Liebeswehmuth
Eile Schifflein, eile fort
Auf dem schnellen Niemen,
Lande bei dem Hofe dort,
Wo drei Mädchen wohnen.
Eines von den Mägdelein
Webet weiße Leinwand,
Und zu Fäden, gelb und fein
Spinnt den Flachs die Zweite.
Dritte, mit dem braunen Haar
Und den weißen Händen
Und dem blauen Augenpaar
Stickt mit grüner Seide.
Die mit grüner Seide stickt
Mit den weißen Händen
Und so wunderfreundlich blickt
Aus den blauen Augen,
Die soll meine Liebste sein,
Die mein Herz erwählet.
Aber wird nicht diese mein,
Will ich lieber sterben.
Will dann wieder eilen fort
Auf dem schnellen Niemen,
Landen an dem Hügel dort,
Wo die Eiche grünet
Und umplätschert von der Fluth
In dem kühlen Grabe
Mein geliebter Vater ruht;
Will ihm Alles klagen.
Klagen will ich, bis ich nicht
Mehr vermag zu klagen,
Bis mein Herz im Tode bricht
Und ich Ruhe habe.
Wo des Südwinds linder Hauch
Dort im Blumengarten
Küßt die Knosp' am Rosenstrauch,
Sollt ihr mich begraben.
Und dann kommt die liebe Maid
Jeden Sonntagsmorgen,
Schmückt mit einem Strauß ihr Kleid
Aus dem Blumengarten.
Pflücke, Mädchen, was nur blüht
In dem Blumengarten,
Nur nicht Röslein, das da glüht
An dem Rosenstrauche.
Doch es kommt die Maid und bückt
Sich zum Strauch hernieder,
Von dem grünen Stengel pflückt
Sie die schönste Knospe.
"Mutter, liebe Mutter mein,
Herrlich duftet's Röslein!"
"Wehe, wehe Töchterlein!"
Spricht die alte Mutter,
"Das ist ja die Rose nicht!
Ist des Jünglings Seele,
Welchem brach sein Augenlicht
Durch den Gram der Liebe."
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 9-11)
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Der Liebende
Wo soll ich hin, was fang' ich an,
Wo soll, wo soll ich bleiben,
Aus meiner Brust, so arm und reich,
Die Unruh auszutreiben?
Es wird mir warm und wieder kalt,
So oft ich Dein gedenke;
Mein Herz, das lacht und weint zugleich,
Als wenn es etwas kränke.
Ich trat das Gras am Fußsteg ab,
Ging alle Tage lieber;
Das Bächlein hab' ich ausgeschöpft,
So oft schritt ich hinüber.
O Mägdelein, o Herzchen mein,
Ich kann nicht von Dir lassen!
Ich komme wieder jeden Tag,
Bis ich Dich darf umfassen.
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 12)
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Der Liebende
Wasser, rein und helle
In dem Bächlein rinnt.
Sprich, was weinst Du, liebes Kind,
Warme Thränen in die kalte Welle?
"Ziemt mir nicht die Klage,
Da ich längst nicht sah
Was mir ewig, ewig nah,
Was ich tief in meinem Herzen trage?
Ach, den Sommer kennen
Meine Augen kaum!
Wachend sprech' ich wie im Traum:
Ewig soll von ihm mich Niemand trennen!
Ach, von ihm geschieden
Wünsch' ich fast, mir wär
Erd' aufs Herz geschüttet schwer!
Nur das Grab und er hat meinen Frieden."
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 13)
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Das Mädchen bei der Handmühle
Rauschet, rauschet, Mühlensteine;
Ist mir doch, als mahl' ich nicht alleine!
Durft' allein mein Lied einst singen
Und allein herum die Steine schwingen.
Rauschet, rauschet, Mühlensteine;
Bin allein und dennoch nicht alleine.
Wie die Steine um die Mitte gehen,
Muß mein Denken sich um Einen drehen.
Mußte, Schönster Du von Allen,
In mein armes Herz Dein Gluthblick fallen?
Rauschet, rauschet, Mühlensteine;
Bin allein und nicht allein und weine!
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 14)
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Der Ring
(Ein Mädchen spricht)
Unterm Ahorn fließt die Quelle
Rein und spiegelklar,
Drin die Sonne jeden Morgen
Wäscht ihr goldnes Haar.
Als zur Quelle unterm Ahorn
Ich am Morgen ging,
Auch mir wusch mein weißes Antlitz,
Fiel hinein mein Ring.
Da ertönte aus der Ferne
Eines Hufes Schlag
Und ein Jüngling kam geritten,
Schöner als der Tag.
Dieser zog mein gülden Ringlein
Aus dem tiefen Quell;
Aber an den eignen Finger
Steckt' es der Gesell;
Zog darauf ein ander Ringlein
Ab von seiner Hand,
Zeigt es blinkend, sagte freundlich,
Da ich schämig stand:
"Komm' und nimm den Ring! Wir denken
Beide dann dabei:
Wo der Quelle Tiefstes, was der
Liebe Liebstes sei."
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 15-16)
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Des Traumes Erfüllung
Nun lege mir, Knabe, aufs braune Roß
Den Zaum mit der silbernen Spange,
Dieweil ich nach jenem Dörflein hin
Von Herzen zu reiten verlange,
Wo Buchen zwischen den Häusern stehn,
Die freundliche Gärtchen umkränzen,
Und wo, mit rothen Laden geziert,
Die Fenster sonnig erglänzen.
Da tritt aus dem Garten ein Mädchen heraus,
So freudig zugleich und erschrocken,
Will schämig ordnen mit weißer Hand
Die gelösten goldenen Locken.
"Nicht ordne die Locken, schön Mägdelein,
Doch sage, Du hast wohl geschlafen?"
"Dort unter den Lilien hab' ich geträumt,
Wo flüsternde Winde mich trafen.
Es senkten die Kelche der Lilien sich
Und wurden zu Engelsgestalten
Und schienen mir einen Rautenkranz
In ihren Händen zu halten.
Sie spielten mit meinem gelösten Haar
Und setzten den Kranz auf die Stirne;
Da kam - doch nein, Du hörtest genug!"
"Ei liebe, einzige Dirne,
Was meinst Du? Schaue dies Ringelein;
Am Finger beginnt mir's zu glühen!
Willst Du mir nicht helfen, vom Schmerz mich befrein?
Dort scheinen auch Rauten zu blühen!"
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 17-18)
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Der Schlaf unter der Eiche
O rausche nur sanft und leise,
Du schattiger Eichenbaum,
Daß du die arme Waise
Nicht weckest aus ihrem Traum!
Ihre Ältern sind schlafen gegangen
Ins letzte Kämmerlein;
Mit stummer Liebe Verlangen
Ist sie auf Erden allein.
Empor aus dem Todtenreiche
Ihr alter Vater wallt;
Der Traum verwandelt die Eiche
In seine liebe Gestalt.
Mit seinen Armen vertauschen
Die Äste sich, streicheln das Kind;
Als Wörtlein der Liebe rauschen
Die grünen Blätter im Wind.
Noch schlafend giebt sie ihm Antwort:
"Ach, mache den Heinrich mir gut,
Sonst nimm mich in's Todtenland fort,
Weil so weh mein Herze mir thut!"
Was knistert da? geht doch leiser,
Sonst wird ihr Schlummer gestört.
Heinrich schleicht über die Reiser;
Der hat wohl Alles gehört?
Er beugt sich behutsam nieder
Auf seinen köstlichen Fund
Und drückt auf die Augenlieder
Ihr sanft den glühenden Mund.
"O Heinrich!" - Rausche nur, Eiche!
Sie schweigen stille vor Lust:
Sind offen die Himmelreiche,
Versiegt ja das Wort in der Brust.
Aus: Littauische
Volkslieder und Sagen bearbeitet von
Wilhelm Jordan [1819-1904]
Berlin 1844 (S. 19-20)
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Die kranke Braut
Durchs Birkenwäldchen,
Durchs Fichtenwäldchen,
Trug mich mein Hengst, mein Brauner,
Zu Schwiegervaters Höfchen.
Schön Tag! Schön Abend!
Frau Schwieger, liebe,
Was macht mein liebes Mädchen?
Was macht mein junges Mädchen?
Krank ist dein Mädchen,
O! krank von Herzen,
Dort in der neuen Tenne,
In ihrem grünen Bettchen.
Da übern Hof ich,
Und herzlich weint' ich,
Und vor der Thüre
Wischt' ich die Thränen.
Ich drückt' ihr Händchen,
Streift' ihr den Ring auf:
Wirds dir nicht besser, Mädchen?
Nicht besser, junges Mädchen?
Mir wird nicht besser,
Nicht deine Braut mehr!
Du wirst mich nicht betrauren,
Nach andern wirst du gaffen.
Durch diese Thüre
Wirst du mich tragen;
Durch jene reiten Gäste.
Gefällt dir jenes Mädchen?
Gefällt dir's junge Mädchen?
Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807 (S. 127-128)
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Brautlied
Ich habs gesaget schon meiner Mutter,
Schon aufgesaget von Sommers Mitte.
Such, liebe Mutter, dir nur ein Mädchen,
Ein Spinnermädchen, ein Webermädchen.
Ich hab gesponnen, gnug weisses Flächschen,
Hab gnug gewirket das feine Linnchen.
Hab gnug gescheuert die weissen Tischchen,
Hab gnug gefeget die grünen Höfchen.
Hab gnug gehorchet der lieben Mutter,
Muß nun auch horchen der lieben Schwieger.
Hab gnug geharket das Gras der Auen,
Hab gnug getragen den weissen Harken.
O du mein Kränzchen von grüner Raute,
Wirst nicht lang grünen auf meinem Haupte!
Ihr meine Flechtchen von grüner Seide,
Sollt nicht mehr funkeln im Sonnenscheine.
O du mein Härlein, mein gelbes Härlein,
Wirst nicht mehr flattern im wehnden Winde.
Besuchen werd' ich die liebe Mutter,
Nicht mehr im Kranze, sondern im Häubchen.
O du mein Häubchen, mein feines Häubchen,
Du wirst noch schallen im wehnden Winde.
Und du mein Nähzeug, mein buntes Nähzeug,
Du wirst noch schimmern im Mondenscheine.
Ihr meine Flechtchen von grüner Seide,
Ihr werdet hangen, mir Thränen machen.
Ihr meine Ringchen, ihr goldne Ringchen,
Ihr werdet liegen, im Kasten rosten.
Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807 (S. 129-130)
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Abschiedslied eines Mädchens
Dort im Garten blühten Majorane,
Hier im Garten blühten Tymiane,
Und wo unser Schwesterchen sich lehnte,
Da die allerbesten Blümlein blühten.
Warum liegst du hingelehnt, mein Mädchen?
Warum hingelehnt, mein junges Mädchen?
Ist nicht Jugend noch dein liebes Leben?
Und noch leicht und frisch dein junges Herzchen?
Ist gleich Jugend noch mein liebes Leben,
Und noch frisch und leicht mein junges Herzchen,
Dennoch fühl' ich junges Mädchen Schmerzen,
Heute geht zu Ende meine Jugend.
Durch die grüne Hofflur geht das Mädchen,
Ihren Brautkranz in dem weissen Händchen,
O mein Kränzel! o mein schwarzes Kränzel,
Weit von hinnen wirst du mit mir gehen!
Lebe wohl nun, Mutter, liebe Mutter!
Lebe wohl nun, Vater, lieber Vater!
Lebt wohl, liebe Brüder!
Lebt wohl, liebe Schwestern!
Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807 (S. 131)
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Die erste Bekanntschaft
Tief in Nacht, im Dunkel,
Tief im dicken Walde,
Ferne war mein liebes Mädchen,
Eh ich sie noch kannte.
Ohne sie zu kennen,
Ritt ich ungefähr hin,
Sazte mich in'n Winkel,
Hinterm weissen Tische.
Saß mit vollem Herzen,
Weint' mich ab und schluchzte;
Da, da sah das liebe Mädchen
Seitwärts auf mich nieder.
Und nun kommt ein Gläschen,
Rundum weiß im Schaume,
Hui! das war für mich ein Leben!
Wem sey's zugetrunken?
Ihr sey's zugetrunken!
Ihr, dem frischen Mädchen!
Vor, wie weit von mir entfernet!
Jezund meine Liebe!
Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807 (S. 132)
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Der versunkne Brautring
Zum Fischer reit' ich,
Den Fischer besuch' ich,
Sein Eidam wär' ich gerne!
Am Hafestrande
Spült' ich die Neze,
Rein wusch ich mir die Hände.
Weh! da entfiel mir
Vom Mittelfinger
Mein Bräutgamring zu Grunde.
Erfleh dir, Liebster,
Den Wind, den Nordwind,
Auf vierzehn lange Tage!
Vielleicht er würf ihn,
Den Ring, vom Grunde
Auf deiner Liebsten Wiese.
Da kömmt das Mädchen
Dort über Feld her
Am Rautengarten.
Verruhe dich, mein Liebster,
Leg ab die Sense
Hier in die Schwade,
Und deinen Schleifstein
Auf diese Schwade!
Verruhe dich, mein Liebster!
Dank dir, mein Mädchen,
Dank für dein Kommen,
Und für dein Mitleid,
Für deine süsse Rede! - - -
Schön Tag, schön Abend,
O gute Mutter!
Kann ich Nachtlager haben?
Nachtlager will ich
Dir nicht versagen,
Doch gut werd' ich dir nimmer.
Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807 (S. 133-134)
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Lied des Mädchens um ihren Garten
Auf, singe, Mädchen,
Nicht! O, warum nicht?
O, warum aufgestützet?
Dein Arm wird dir ersterben.
Wie kann ich singen,
Und frölich werden?
Mein Gärtlein ist verwüstet,
Ach, jämmerlich verwüstet!
Rauten zertreten,
Rosen geraubet,
Die Liljen weiß, zerknicket,
Der Thau gar abgewischet!
O weh, da konnt' ich
Mich selbst kaum halten,
Sank hin im Rautengärtlein
Mit meinem braunen Kranze.
Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807 (S. 135)
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