Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Liebeslieder aus Krain


Täubchen

Daß voll Tau die Schuhe dein,
Wo magst du gegangen sein
Bei der Nacht?

War im grünen Walde drin,
Wo die schönen Täubchen sind
Bei der Nacht.

Haben rote Wängelein,
Schöne rote Schnäbelein,
Bei der Nacht.

Nur die Täubchen liebt' ich fein,
Doch ein einzig's fing ich ein,
Bei der Nacht.

Hat das schönste Schnäbelein,
Hat die röthsten Wängelein,
Bei der Nacht;

Liebt dies Täubchen mich allein,
Wollen leben schön zu Zwein,
Bei der Nacht.
(S. 12)
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Liebesbangen

"Was ist dir, mein Vöglein,
Weißes Turteltäubchen,
Daß so bleich geworden
Dir das rote Wänglein?"

Wie soll nicht erbleichen
Mir das rothe Wänglein,
Da vom Liebsten trennen
Mich die Leute wollen!

Wenn die Leute trennen
Mich vom Liebsten werden,
Wird zu Tode traurig
Auf der Welt mein Leben.

Und wenn meine Thränen
Auf die Steine fallen,
Wird der Stein sich spalten
In zwei morsche Theile.

Wermuth, Wermuthstaude,
Mit der scharfen Blüthe,
Werde ich dann pflücken
Und um's Herz mir legen.

Wo mein Liebster gehe,
Rosmarin erstehe,
Daß von Rosmarine
Rings um ihn es grüne!
(S. 13-14)
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Ständchen

Gar so schön kukukt der Kukuk
Dort im grünen Buchenhain,
Und es schlägt gar schön die Wachtel
Dort am grünen Wiesenrain;
Seine Sense wetzt mein Liebster
Dort am grünen Wiesenrain.
Kühler Thau und scharfe Sense,
Und das Gras sinkt lustig ein!
Trockner Ostwind, warme Sonne,
Und das Heu wohl trocknet fein!
Weiches Bettlein, schönes Liebchen,
Kurze Nächte werden's sein!
(S. 15)
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Zuruf

Trinket, fresset,
Meines Bruders Rößlein!
Dann heißt's laufen
Bis zum neunten Lande,
Dort zu finden
Meines Bruders Liebste.
Wie ihr Kopfputz?
Bunte Bänder flattern.
Was am Mieder?
Blanke Nadeln schimmern.
Was am Händchen?
Helle Ringe glänzen.
Was am Füßchen?
Schmucke Schuhe flimmern.
Was am Leibe?
Reiches, feines Röcklein.
Goldne Sichel
Schwingt sie, Klee zu mähen;
Was beginnt sie?
Gibt dem Rößlein alles.
(S. 16)
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Fragen

Wozu ist mein langes Haar mir dann,
Wenn ich kein Band drein flechten kann?

Wozu ist mein Füßchen mir flink und fein,
Darf tanzen ich nicht mit dem Liebsten mein?

Wozu ist mir nur die weiße Hand,
Darf sie nicht halten den Liebsten umspannt?

Wozu ist mein Aug' mir so schwarz und scharf,
Wenn's nicht mehr den Liebsten erspähen darf?

Wozu sind mir die Gedanken mein?
Zu denken, mein Liebster, allimmer dein!
(S. 18)
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Minka

"Geh doch, Minka, jetzt nach Haus!"
""Will nicht, will nicht, darf nicht gehn.""

"Wer nur, Minka, verwehrt es dir?"
""Thut es der Liebste, der Liebste mein.""

"Was gibt, Minka, der Liebste dir?"
""Thaler, Thaler, Thalerlein zwei.""

"Was dann, Minka, thust du damit?"
""Kauf' ein Wieglein, ein Wieglein mir.""

"Wozu, Minka, das Wiegelein?"
""Söhnlein, mein Söhnlein wiegen drein.""

"Was wirst, Minka, singen dabei?"
""Eja popei, Gott geb' bald zwei!"
(S. 19)
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Wohin damit?

Kommt zu Roß geritten
Aus dem Schloß mein Liebster,
Auf dem Pferde trägt er
Einen weißen Falken.

Auf dem Hute trägt er
Rosmarins ein Sträußlein,
Und das Rößlein wiehert,
Rosmarin erblühet.

"Meine süße Liebste,
Sprich, wohin das Rößlein?"
""O mein süßer Liebster,
Nach dem weißen Stalle!""

"Meine süße Liebste,
Sprich, wohin den Falken?"
""O mein süßer Liebster,
In mein lichtes Zimmer!""

"Meine süße Liebste,
Sprich, wohin das Sträußlein?"
""O mein süßer Liebster,
An mein blankes Mieder!""
(S. 22-23)
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Trost der Verlassenen

Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?«

"Werden's thun die kleinen Vöglein,
Die in Lüften fliegen hin,
Und erheitern meinen Sinn."

Neue Flinte werd' ich kaufen,
All die Vöglein schießen ab. -
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werden's thun, die kleinen Fischlein,
Die im Meere schwimmen hin
Und erheitern meinen Sinn."

Neue Netze werd' ich kaufen
All die Fischlein fangen ab. -
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werden's thun die kleinen Röslein,
Die am Felde blühen hin,
Und erheitern meinen Sinn."

Neue Sense werd' ich kaufen,
All die Röslein mähen ab. -
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werden's thun die jungen Bürschlein,
Die am Felde pfeifen hin
Und erheitern meinen Sinn."

Großen Krieg werd' ich beginnen,
All die Bürschlein fangen ab. -
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?
(S. 34-35)
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Der Scheintodte

"O baut ein Kirchlein, Mütterchen,
Daß Messe höre, wer da sei,
Vielleicht mein Liebchen auch dabei."

Das Kirchlein baute Mütterchen,
Da kam zur Messe, wer da war,
Doch Liebchen war nicht in der Schaar.

"O grabt ein Brünnlein, Mütterchen,
Daß Wasser hole, wer da sei,
Vielleicht mein Liebchen auch dabei."

Es grub das Brünnlein Mütterchen,
Da kam um Wasser, wer da war,
Doch Liebchen war nicht in der Schaar.

"Sagt, daß ich todt sei, Mütterchen,
Daß beten komme, wer da sei,
Vielleicht mein Liebchen auch dabei."

Daß todt ihr Sohn sagt Mütterchen,
Da kam zu beten, wer da war,
Sein Liebchen eilt voran der Schaar:

""Was ist das für ein Todter mir,
Der durch die Fensterladen guckt
Und mit dem Fuß zum Tanze zuckt!

Was ist das für ein Todter mir,
Der Hände zum Umarmen regt
Und seinen Mund zum Kusse trägt!""
(S. 36-37)
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Bestrafte Untreue

Wer schläfrig ist mag schlafen gehn,
Bin schläfrig nicht, geh' schlafen nicht;
Jung Schreiber kommt noch heut zu mir.

Da stellt sie aus der Wächter drei,
Ob ihr Gemahl im Kommen sei:

Der erste draußen steht im Feld,
Der zweite Wach' im Hofraum hält,
Der dritte vor dem Kämmerlein.

Sie hört den ersten Wächter schrein:
Holla, holla, jung Frauchen mein,
Ivankowitsch schon reitet heim!

Wir sahn ihn zwar mit Augen nicht,
Doch hörten wiehern wir sein Roß,
Sein blanker Säbel Blitze schoß.

Ist nichts, ist nichts, jung Schreiber lieb,
Der Wächter weiß nicht, was er spricht. -

Sie hört den zweiten Wächter schrein:
Holla, holla jung Frauchen mein,
Ivankowitsch schon reitet heim.

Wir sahn ihn zwar mit Augen nicht,
Doch hörten wiehern wir sein Roß,
Sein blanker Säbel Blitze schoß.

Ist nichts, ist nichts, jung Schreiber lieb,
Der Wächter weiß nicht, was er spricht.

Sie hört den dritten Wächter schrein:
Holla, holla, jung Frauchen mein,
Ivankowitsch ist schon daheim.

"Holla, holla, jung Frauchen mein,
Nun schließt mir auf das Kämmerlein."

Die Frau schließt auf das Kämmerlein,
Jung Schreiber springt durch's Fensterlein
Und stößt dabei die Scheiben ein.

"Holla, holla, jung Frauchen mein,
Wer stieß die Fensterscheiben ein?"

Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr,
Die Katze sprang dem Mäuslein nach.

"Holla, holla, jung Frauchen mein,
Was mag so wirr das Haar euch sein?"

Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr,
Die Hand der Magd kämmt mich so schlecht.

"Holla, holla, jung Frauchen mein,
Was mag zerstört das Bettlein sein?"

Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr,
Die Schlüssel suchte d'rin die Magd.

"Holla, holla, jung Frauchen mein,
Was mag eur' Mieder offen sein?"

Ist nichts, ist nichts, gestrenger Herr,
Dem Söhnchen gab ich erst die Brust.

Der Herr zieht seinen Säbel blank,
Der Herrin Haupt zu Boden sank.
(S. 41-43)
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Der Page

Der Pag' entschuht den alten Grafen,
Da fällt ihm aus der Brust ein Kettlein,
Von Gold und Silber war das Kettlein.
Der alte Graf den Pagen fragte:
"Wo, Page, stahlst du diese Kette?"
""Die Kett' ich nicht gestohlen habe,
Von meinem Lieb' ist's eine Gabe.""
"Dies Liebchen, Page, sollst du nennen,
Sonst mußt für sie den Kopf du geben!"
""Viel lieber will den Kopf ich geben,
Als nennen der Geliebten Namen.""
Drauf hurtig sie den Pagen fassen,
In dunklen Thurm hinab ihn lassen.

Der Monde sechs blieb er darinnen,
Ein neu Verhör sie dann beginnen:
"Dein Liebchen, Page, sollst du nennen,
Sonst mußt für sie den Kopf du geben!"
""Viel lieber will den Kopf ich geben,
Als nennen der Geliebten Namen.""

Sie führen ihn hinaus zum Felde,
Wo aufragt der bemalte Bildstock;
Zum Richtplatz wandern alle Leute,
Des Grafen Tochter auch mit ihnen. -
Des Pagen Haupt rollt auf die Wiese,
Des Grafen Tochter, was tat diese?
Zur Leiche stürzt sie bleich mit Beben,
Da hat den Geist sie aufgegeben.
(S. 72-73)
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Von der Königstochter

Königssohn tränkt seine Pferde,
Daß der See erbebt zur Erde,
Königssohn pfeift mit dem Munde,
Daß der See erdröhnt im Grunde.
Königstochter am Fensterhange,
Flieht zurück in schnellem Gange,
Wird vorm Königssohn ihr bange.
Ruft zu sich das junge Mägdlein:
"Komme, komme, junges Mägdlein,
In die Kammer geh' ich schlummern,
Lass' in deiner Hand den Schlüssel.
Kommt der Königssöhne erster,
Der einst meine erste Liebe,
Und er frägt dich, junges Mägdlein:
Wo ist hin die Königstochter?
Gib ihm diese Antwort, Mägdlein:
Masken, Mummen sind gekommen,
Die zum Tanz sie mitgenommen. -
Kommt der Königssöhne zweiter,
Wehe, der nun mein Verlobter,
Und er frägt dich, junges Mägdlein:
Wo ist hin die Königstochter?
Gib ihm diese Antwort, Mägdlein:
In die Kammer ging sie schlummern,
Ließ in meiner Hand die Schlüssel.

Kam der Königssöhne erster,
Der einst ihre erste Liebe,
Und er frug das junge Mägdlein:
Wo ist hin die Königstochter?
"Masken, Mummen sind gekommen,
Die zum Tanz sie mitgenommen."
"Nein! Zur Kammer ging sie schlummern,
Ließ in deiner Hand den Schlüssel.
Gib in meine Hand den Schlüssel,
Will ihn mit Zechinen lösen,
Tun kein Leid der Königstochter,
Wollen im Gespräch uns laben,
Wie wir einst geliebt uns haben."

Und er schritt zur hellen Kammer,
Wo sie lag in Bettes Flaume,
Eben süß erfaßt vom Traume.
Durch die Kammer hin er wallet,
In Gedanken tief versunken.
"Traun ein Weib voll Reiz und Schönheit!
Schade wär's, sollst du erblassen,
Will dich Andern doch nicht lassen!"
Greift in sein Gewand von Seide,
Zieht hervor ein blankes Messer,
Taucht es tief ihr in das Herze,
Setzt dann an den Tisch die Leiche,
Legt vor sie ein Buch, ein schwarzes,
Und verläßt die lichte Kammer.
Gibt die Schlüssel drauf dem Mägdlein:
"That kein Leid der Königstochter,
Thäten im Gespräch uns laben,
Wie wir einst geliebt uns haben."

Kam der Königssöhne zweiter,
Jener, der nun ihr Verlobter:
"Auf, wohlauf, du junges Mägdlein,
Wo ist hin die Königstochter?"
"In die Kammer ging sie schlummern,
Ließ in meiner Hand den Schlüssel."
Und er geht zur hellen Kammer,
Frägt ein Wort die Königstochter,
Doch sie gibt kein Wort, kein Zeichen,
Längst schon war sie von den Leichen.
Und er frägt zum andern Male,
Doch sie gibt kein Wort, kein Zeichen,
Längst schon war sie von den Leichen.
Königssohn im Zornesdrange
Schlägt der Königstochter Wange,
Nieder stürzt sie von dem Streiche,
Längst schon war sie eine Leiche.
Königssohn schreit auf im Schmerze:
"Wer war bei der Königstochter,
War der Königstochter Mörder?"
Und aufschreit im Schmerz das Mägdlein:
"Hol der Teufel die Zechinen,
Büße nun den Kopf ob ihnen.
(S. 83-86)
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Aus: Volkslieder aus Krain
Übersetzt von Anastasius Grün
Leipzig Weidmann'sche Buchhandlung 1850




 


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