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Englische Liebeslieder
Heinrich und Kathrine
Vor Zeiten war in Engelland
Lord Heinrich weltgepriesen;
Kein Ritter, der mehr Heldenthum
Und Freudigkeit bewiesen.
Nach Ruhm hinan ging stets sein Sinn,
Von Liebe nicht verführet;
Das schönste Fräulein hatte nie
Sein männlich Herz gerühret.
Wohin in aller Schönen Kreis
Kathrine trat, trat Wonne,
Blüht' auf, als wie die Rose süß,
Ging auf, als wie die Sonne.
Ob immer war ihr Stand gering,
Gewann doch sie nur Herzen;
Kein Jüngling sahe sie und sank
Nicht schon in Liebesschmerzen.
Doch bald verlor ihr Auge Schein
Und Klarheit. Ihre Wangen
Erblaßten. Ihrem Angesicht
War aller Reiz entgangen.
Sie siechte lang und nie vertraut
Sie Jemand ihren Kummer;
In Thränen floß ihr Tag dahin,
Die Nacht in kurzem Schlummer.
Einmal im Traume rief sie laut:
"Ach Heinrich, sieh mich leiden!
O hart Geschick! ich armes Kind
Muß liebeschmachtend scheiden.
Doch ach - ein armes Mädchen muß
Muß Wahrheit schon verstecken.
Viel lieber todt zehntausendmal,
Als meine Lieb' entdecken!"
Das hört die treue Wächterin;
Sie eilt zum jungen Helden,
"Ach, Herr! nun kann ich dir die Noth
Der kranken Freundin melden.
Ein Traum, ein Traum hat's offenbart,
Was sie so tief betrübet.
Ach! Katharine liegt und stirbt,
Stirbt nun - weil sie - dich liebet."
Das traf des edlen Heinrichs Herz;
Schnell schlug es auf in Flammen!
"Ach armes unglückseligs Kind! -
Doch wer kann mich verdammen?
Wust' ich, zu zu Bescheidene,
Was dir den Tod bereite?
Wohlan ich komm'!" Und wie der Wind
Flog er an ihre Seite.
"Erwach', erwach' Holdselige!
Erwache, meine Schöne!
Ach hätte mir's geahndet je -
Nicht Eine, Eine Thräne
Hätt'st du verweinet - Heinrich ruft!
Mistraue nicht, erwarme!
Blüh' auf, wach' auf, vom Tode. Komm
Zurück in meine Arme!"
Da kam die Holdentschlafne noch
Einmal zurück ins Leben.
Hub matt ihr Haupt und lächelt sanft
Und wirft mit Freudebeben
Um ihren Langgeliebten sich
Entzückungsvoll! umfaßte
Den Jüngling. "Liebst du? liebst mich? mich?" -
Sank nieder und erblaßte.
(S. 327-329)
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Die schöne Rosemunde
Einst herrscht' ein König, in der Zahl
Heinrich der zweit' er hieß,
Der liebte, nebst der Königin,
Ein Fräulein hold und süß.
Ihrs gleichen war auf Erden nicht
An Liebreiz und Gestalt;
Kein süsser Kind war auf der Welt
In eines Mannes Gewalt.
Ihr Lockenhaar, für feines Gold
Hätt's jedermann erkannt;
Ihr Auge strahlte Himmelsglanz,
Wie Perl' aus Morgenland.
Das Blut in ihren Wangen zart
Trieb solch ein Roth und Weiß,
Als ob da Ros' und Lilie
Stritt um den Wettepreis.
Ja Rose, schöne Rosemund'
Hieß recht das Engelskind,
Der aber Königin Lenor'
War Todesfeind gesinnt.
Darum der König, ihr zum Schuz,
(Der Feindin zu entgehn)
Zu Woodstock baut' ein' solche Burg,
Als nimmer war gesehn.
Gar künstlich war die Burg erbaut
Von vestem Holz und Stein;
Nach hundertfunfzig Thüren erst
Kam man zur Burg hinein.
Und alle Gänge schlangen sich
So durch und durch ins Haus,
Daß sonder eines Leitgarnsbund
Niemand kam ein und aus.
Und ob des Königs Lieb und Gunst
Zu seiner holden Braut
Ward nur dem treusten Rittersmann
Die Wacht der Burg vertraut.
Doch ach! das Glück, das oft ergrimmt,
Wo es zuvor gelacht,
Beneidet bald des Königs Lust
Und Röschens Liebespracht.
Des Königs undankbarer Sohn,
Den er selbst hoch erhöht,
Empörte sich in Frankreich stolz
Nach Vaters Majestät.
Doch eh noch unser König hold
Sein Engelland verließ,
Da nahm er noch dies Lebewohl
Von seiner Buhle süß:
"O Rosemunde, Rose mein,
Du meiner Augen Lust,
Die schönste Blum' in aller Welt
An deines Königs Brust.
Die Blume, die mein Herz erquickt
Mit süssem Wonnestrahl,
O meine Königsrose, leb',
Leb' wohl zu tausendmal!
Denn, meine schönste Rose, nun
Werd' ich dich lang nicht sehn,
Muß über's Meer, muß Aufruhrsstolz
In Frankreich bändigen.
Doch meine Rose - ja gewiß!
Sollt' bald mich wiedersehn!
Und mir im Herzen - o, da sollt
Du immer mit mir gehn!"
Als Rosemund', das holde Kind
Kaum Königs Wort gehört,
Da brach mit Macht der Kummer aus,
Der tief ihr Herz verzehrt.
Im Himmel ihrer Augen schwamm
Thrän' über Thrän' hinan,
Bis, wie ein Silber, Perlenthau
Von ihren Wangen rann.
Der Lippen zart Korallenroth
Ermattet' und erblich;
Für Kummer starrt ihr schönes Blut,
Und all ihr Geist entwich.
Sie sank, in Ohnmacht sank sie hin
Zu ihres Königs Knie,
Der oft denn seinen Königsarm
Voll Liebe schlang um sie.
Wohl zwanzig, zwanzigmale küßt
Er sie mit nassem Blick,
Bis endlich noch ihr sanfter Geist
Ins Leben kam zurück:
"Was ist dir Rose, Rose mein,
Was dir so Kummer macht?" -
"Ach, seufzt sie, ach, mein König zeucht
Ja fern in Todesschlacht!
Und da mein Herr in fremdes Land,
Vor wilder Feinde Heer,
Hinzeucht, und Leib und Leben wagt,
Was soll denn ich hier mehr?
Dein Waffenknabe laß mich seyn,
Gib Tartsche mir und Schwert,
Daß meine Brust dem Streiche steh,
Der dich zu tödten fährt.
Wie oder laß im Königszelt
Mich betten dir zur Nacht,
Und kühlen dich mit Bädern frisch,
Wenn du kommst aus der Schlacht.
So bin ich doch bei dir, und will
Nicht Arbeit scheun, noch Noth!
Ab'r ohne dich - ach, leb' ich nicht,
Da ist mein Leben Tod!"
"Besänft'ge dich, mein Liebchen, sieh,
Du bleibest heim in Ruh,
Im lieblich schönen Engelland;
Kein Feldziehn kommt dir zu!
Nicht blut'ger Krieg, der Friede sanft
Ist für dein sanft Geschlecht;
Auf schöner Burg ein Freudenfest,
Nicht Lager und Gefecht!
Mein Röschen soll hier sicher seyn
In Lust und Saitenspiel,
Indeß ich unter scharfem Speer
Den Feind aufsuchen will.
Mein Röschen glänzt in Perl' und Gold,
Indeß mich Stahl umhüllt!
Mein Liebchen tanzt hier Freudentanz,
Wenn dort mich Schlacht umbrüllt."
"Und, Edler, den ich auserkannt
Zu meiner Liebe Wacht,
Hab', wenn ich weit entfernet bin,
Hab auf mein Röschen Acht!"
Und nun erseufzte tief der Held,
Als bräch' ihm ganz sein Herz,
Und Rosemund' ach! sprach nicht mehr,
Kein Wort nicht mehr für Schmerz.
Und freilich konnt' ihr Scheiden seyn
Für beider Herz so schwer,
Denn seit der Zeit sah Rosemund
Nie ihren König mehr.
Kaum daß der Held fern über Meer
In Frankreich Krieg begann,
Kam Königin Lenore schon
Erboßt zu Woodstock an.
Schaft schnell den Ritter zu sich her,
Ach unglücksel'ge Stund'!
Er kam von seiner Burg herab,
Und hatt' das Fadenbund.
Und als er hart verwundet war,
Gewann sie das Gebund,
Und kam, wo wie ein Engel schön
Saß Fräulein Rosemund'.
Und da sie nun mit starrem Blick
Sah selbst der Schönen Glanz;
Ob aller Reize Treflichkeit
Stand sie versteinert ganz.
"Wirf ab, schrie sie, wirf ab das Kleid
So köstlich und voll Pracht,
Und trink hier diesen Todestrank,
Den ich für dich gebracht."
Auf ihre Kniee fiel alsbald
Die schöne Rosemund',
Fleht tiefgebeugt ihr alles ab,
Was sie ihr Leids begunt.
"Erbarm' dich, rief das holde Kind,
Doch meiner Jugend zart!
Mit solchem strengen Todesgift
Straf', ach! mich nicht so hart.
Ich will aus dieser Sündenwelt
Wo in ein Kloster fliehn,
Will, wenn du's foderst, fern verbannt
Die weite Welt durchziehn.
Und für die Schuld, die ich verbrach,
Ob nur aus Zwang verbrach,
Straf' ach! mich wie du willt, nur laß
Die Todesstrafe nach."
Und mit den Worten rang sie oft
Und viel die Lilienhand,
Und längs das schöne Angesicht
Kam Thränenstrom gerannt.
Doch nichts, ach nichts! besänftigte
Die Wuth der Mörderin;
Sie stieß, noch kniend stieß sie ihr
Den Becher Gift dahin,
Zu trinken aus das Todesgift
Nahm sie es in die Hand,
Erhob ihr tiefgebeugtes Knie
Noch zitternd auf, und stand;
Und schlug die Augen himmelwärts,
Und fleht' um Gnade - ach!
Da trank sie aus das strenge Gift,
Das bald das Herz ihr brach.
Und als der Tod nun voller Wuth
Durch ihre Glieder wallt,
Da pries noch ihre Mörd'rin selbst
Die schöne Tod'sgestalt.
Und als ihr lezter Hauch entfloh,
Begrub man ihr Gebein
Zu Godstow nah nach Oxfort zu,
Wie's noch zu sehn soll seyn.
(S. 330-337)
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Das Mädchen am Ufer
Die See war wild im Heulen
Der Sturm, er stöhnt mit Müh,
Da saß das Mädchen weinend,
Am harten Fels saß sie,
Weit über Meeres Brüllen
Warf Seufzer sie und Blick,
Nicht konnt's ihr Seufzer stillen,
Der matt ihr kam zurück.
"Ein Jahr nun hin und drüber!
Ein Jahr voll bitterm Weh!
O warum gingst du, Lieber,
Und trautest dich der See?
Hör' auf, hör' auf zu toben,
O Sturm, und gönn' ihm Ruh!
Hier in der Brust das Toben,
Ach! wütet mehr als du.
Der Kaufmann schäzegierig,
Verzweifelnd flucht er dir;
Was ist Verlieren Schäze,
Zu dem, was ich verlier'?
Und würf'st du ihn auf Küsten
Von Gold und Demant schwer;
Ein' Reich're kann er finden,
Ein' Treu're nimmermehr."
So seufzend, weinend lag sie,
Erharrend ihn zu sehn.
In jeden Sturm floß Seufzen,
In jede Wog' eine Thrän';
Als schnell auf weissen Wellen
Ein blasser Leichnam schwamm,
Todt sank auf ihn das Mädchen,
Es war - ihr Bräutigam.
(S. 357-358)
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Weg der Liebe
Erster Theil
Ueber die Berge,
Ueber die Wellen,
Unter den Gräbern,
Unter den Quellen,
Ueber Fluthen und Seen,
In der Abgründe Steg,
Ueber Felsen, über Höhen,
Find't Liebe den Weg!
In Ritzen, in Falten,
Wo der Feu'rwurm nicht liegt,
In Höhlen, in Spalten,
Wo die Fliege nicht kriecht,
Wo Mücken nicht fliegen
Und schlüpfen hinweg;
Kommt Liebe, sie wird siegen
Und finden den Weg!
Sprecht, Amor sey nimmer
Zu fürchten, das Kind!
Lacht über ihn immer,
Als Flüchtling, als blind,
Und schließt ihn durch Riegel
Vom Taglicht hinweg;
Durch Schlösser und Siegel
Find't Liebe den Weg.
Wenn Phönix und Adler
Sich unter euch beugt,
Wenn Drache, wenn Tyger
Gefällig sich neigt,
Die Löwin läßt kriegen
Den Raub sich hinweg;
Kommt Liebe, sie wird siegen
Und finden den Weg.
Zweiter Theil
Den Gordischen Knoten,
Den Liebe sich band,
Kann brechen, kann lösen
Ihn sterbliche Hand?
Was müht ihr, was sinnet
Ihr listigen Zweck?
Durch was ihr beginnet,
Find't Liebe den Weg.
Und wär' Er verriegelt,
Und wär' Er verkannt,
Sein Name versiegelt,
Und nimmer genannt;
Mitleidige Winde,
Ihr schlüpftet zu mir,
Und brächtet mir Zeitung
Und brächtet ihn mir.
Wärst fern über Bergen,
Wärst weit über'm Meer:
Ich wandert' durch Berge,
Ich schwämme durchs Meer:
Wär'st, Liebchen, ein' Schwalbe,
Und schlüpftest am Bach,
Ich Liebchen wär' Schwalbe,
Und schlüpfte dir nach.
(S. 359-361)
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Alkanzor und Zaida
Eine Maurische
Geschichte
Säuselnd wehn die Abendwinde,
Säuselnd fället kühler Thau,
Und schon kommt der Mohr Alkanzor
Lichtscheu dort auf dunkler Au.
In dem Pallast wohnet Zaida,
Die, so treu, er sich erkohr,
Sie, die schönste junge Mohrin,
Er, ein edler junger Mohr.
Sehnlich harrt er nun der Stunde,
Die sie, ihn zu sehn, versprach,
Wanket hin und her; nun steht er,
Horchet, schleichet, lauschet nach.
Furcht und Hoffen faßt ihn wechselnd,
Seufzet tief. - O tritt herfür,
Guter Jüngling, sieh, am Fenster,
Dort erscheint dein Mädchen dir.
Lieblich auf geht Mondes-Schimmer,
Dem verirrten Schäfersmann,
Wenn wie Silberglanz es aufsteigt
Berg und Thale güldend an.
Lieblich lacht die Pracht der Sonne
Den verzagten Seemann an,
Wenn sie grausen Sturm zertreibend
Glättet auf der Wogen Bahn.
Aber tausendmal so lieblich
Stielt dem Liebelauscher hier
Halbgesehn das schöne Mädchen
Durch die Dämmrung sich herfür.
Auf den Zehn steht er beklommen,
Flüstert Seufzer sanft ihr zu:
"Alla mit dir, liebstes Mädchen!
Gibst du Tod mir oder Ruh?
Ist sie wahr, die Schreckgeschichte,
Die mein Knabe jezt erfährt,
Daß man einem alten kargen
Reichen dich zur Braut gewährt?
Daß ihn jezt dein grimmer Vater
Bringt von Antiquera schon,
Ist, o untreu' falsche Zaida,
Ist das meiner Liebe Lohn?
Ist es wahr, so sprich mir's immer,
Täusche länger nicht mein Ach,
Schweige mir nicht, was ja jeder
Weiß und andern lispelt nach!"
Tief erseufzt das schuld'ge Mädchen,
Thränen strömen sanft ihr ab:
"Leider wahr, zu wahr, mein Lieber;
Hier ist unsrer Liebe Grab!
Unsre Freundschaft ist verrathen,
Unser Bund ist schon bekannt;
Alle meine Freunde wüthen,
All das Haus ist Sturm und Brand.
Drohen, Schelten, Fluch ist um mich,
Vaters Strenge bricht mein Herz.
Ich muß fort, o edler Jüngling,
Alla weiß mit welchem Schmerz!
Alte Feindes-Wunden trennten
Lange dein und unser Haus;
Wie denn, daß dein' edle Tugend
Allen Haß mir löschte aus.
Wohl ach! weißt du, wie ich zärtlich,
Frei von jener Stolz und Groll,
Liebte dich, ob ich vom Vater
Gleich dich nimmer hofte wohl.
Wohl ach! weißt du, wie so grausam
Meine Mutter mir verfuhr,
Was ich ausstand, dich zu sehen
Abend und Frühmorgens nur.
Länger kann ich nun nicht streiten;
Alle zwingen sie mir ab
Diese schwache Hand, und morgen
Muß ich in mein Ehegrab.
Aber denke nicht, daß deine
Treue Zaida das verlebt.
Ach! schon sagt mein brechend Herz mir,
Daß es nicht mehr lange bebt.
Lebe wohl denn, süsser Jüngling,
Zu sehr leb' ich nur um dich!
Diese Schärp', ein Abschiedszeichen,
Wenn du's trägest, denk' an mich!
Bald, Geliebter, wird ein werther
Mädchen lohnen deine Treu;
Sag' ihr denn, daß deine Zaida
Um dich früh gestorben sey!"
So betäubt, verworren goß sie
Aus vor ihm der Liebe Schmerz.
Tief erseufzt er, rief: "O Zaida,
Brich, o brich nicht so mein Herz!
Kannst du's denken, dich verlieren
Soll ich, und so seyn in Ruh?
Lieber todt zu tausendmalen,
Und der Alte todt dazu!
Und kannst du dich denn so schimpflich
Ihnen lassen? Fleuch zu mir!
Dieses Herz soll für dich bluten,
Dieser Arm soll dienen dir!"
"All umsonst, umsonst, Alkanzor,
Mauern, Wachen sind da vor,
Kaum erstahl ich diesen Blick noch,
Wo mein Mädchen steht am Thor.
Horch, ich hör den Vater stürmen,
Horch, die Mutter tobt auf mich;
Ich muß fort! Leb wohl auf ewig!
Güt'ger Alla leite dich!" -
(S. 362-365)
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Das Thal der Liebe
O selig, selig Thal,
Thal der Liebe mir einmal!
O heilger, heilger Baum,
Unsrer ersten Schwüre Raum.
Wo erröthend
Und erblödend
Süß ihr Herz zerfloß,
Und in Wort und Blicken welche Liebe goß!
Korinna's süsser Schwur,
War ach! war ein Zephir nur!
Sie kennt nicht mehr den Baum,
Unsrer ersten Liebe Raum!
Schmeicheleien,
Tändeleien
Lockten sie von mir,
Zogen ach! das leichte Mädchen weg von hier.
Ihr Blümchen in dem Thal,
Trauert, trauert allzumal!
Du Nachtigall im Baum,
Klage meines Lebens Traum -
Girrt, ihr treuen
Turteltäubchen,
Seufzer in mein Ach,
Daß die Falsche hier so süß das Herz mir brach.
(S. 366)
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Wider das Liebeschmachten
Wie glücklich, wie selig, wer selbst sich besitzt,
Und borgt nicht von andern, was liebt ihm und nützt,
Und leiht nicht dem Zauber der Liebe sein Ohr,
Und wird nicht durch Aechzen und Lechzen ein Thor.
Er hangt nicht an jedem verlangenden Blick,
Und zieht sich dem Hangen und Bangen zurück;
Ein Herzchen das immer nur wandert umher,
Wird endlich gefangen, dann fliegt es nicht mehr.
Wer mit den Gefahren nur scherzet und spielt,
Der seufzet am Ende, wenn Ketten er fühlt,
Und fluchet dem Schicksal, und windet die Hand
Sich wund an der Kette, die Thorheit ihm band.
Ein luft'ger Chamäleon lebt er von Luft,
Ein Vögelchen flog er, wo's Pfeifchen ihm ruft;
Ein Schmetterling flog er um's Lichtlein umher
Und fiel in die Flammen; nun fliegt er nicht mehr.
Ihr rühmet, Gott Amor sey mächtig und groß!
Wohl ist er's, denn kam ein Gefangner ihm los?
Sich Freiheit erhalten ist Thoren nur schwer,
Sie wieder erhalten, ist Weisen gefähr.
(S. 380)
_____
Glückseligkeit der Ehe
Auf, Liebe! Laß kein Mißbehagen
Uns nehmen unsre Himmelsruh;
Was soll uns Thorensorge plagen
Und Gottes Eden schliessen zu?
Daß etwa Fürsten nicht verklären
Mit Adeltiteln unser Blut?
So glänzen wir in bessern Ehren,
Sind warlich edel - denn sind gut!
Wer unsern Namen nur wird nennen,
Dem soll er klingen süß und hold:
Und mancher Grosse soll bekennen,
Der Ruhm sei etwas mehr als Gold.
Und wenn uns Glückes Eigenwille
Auch keine schwere Schätze leiht;
So finden wir in Armuth Fülle,
In Mäßigung Zufriedenheit.
So oft das Jahr wird wiederkehren,
Wird es uns Segen gnug verleihn;
Für wenig Wünsche viel gewähren,
Für wenig Mühe hoch erfreun.
So lieben wir mit frohem Schritte
Uns Hand in Hand durchs Leben wett.
Die süsse Ruh krönt unsre Hütte,
Und süsse Kinder unser Bett.
Wie wird es dich, wie mich vergnügen,
Wenn um mein Knie sich jedes schlingt,
Und dich mir in den zarten Zügen
Im Lallen dich mir wiederbringt.
So schleichet uns, wie ferne Lieder,
Des Lebens Abend sanft herbei:
Du liebst in deinen Mädchen wieder,
Ich blüh' in meinen Buben neu.
(S. 385-386)
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Das Unvergleichbare
Du kleines Sternenheer der Nacht,
Das unserm forschenden Gesicht,
Mehr Zahl, als Schimmer, sichtbar macht,
Ihr Schaaren, denen Raum gebricht;
Was seyd ihr an der Sonne Licht?
Ihr frühen Veilchen auf der Flur,
Die ihr in schöner Purpurtracht
Als Erstgebohrne der Natur
So stolz, so spröde um euch lacht;
Was seyd ihr, wenn die Ros' erwacht?
Ihr kleinen Vögel in dem Hain,
Die mit so reichem, regem Schall,
Die Sänger der Natur zu seyn,
Ihr Seelchen wirbeln. Allzumal
Was seyd ihr zu der Nachtigal?
So tritt mein Mädchen in den Kreis
Der Schönen, eine Königin.
Die Schönste gibt ihr gern den Preis
An Lieblichkeit und frohem Sinn;
Die Liebe schuf sie Königin.
(S. 387)
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Lied eines wahnsinnigen Mädchen
Frühmorgens, als ich gestern
Im Felde ging entlang,
Da hört' ich, wie im Thurme
Ein Mädchen lieblich sang;
Die Ketten rasselnd an der Hand,
Und sang so fröhliglich:
Mein Liebchen lieb' ich, denn ich weiß,
Mein Liebchen liebet mich.
O harter, harter Vater,
Der riß ihn ab von mir!
Grausam, grausamer Schiffer,
Der fort ihn nahm von hier!
Seitdem bin ich so stille nun,
So still aus Lieb' um dich,
Und lieb' mein Liebchen, denn ich weiß,
Mein Liebchen liebet mich.
O wär' ich eine Schwalbe,
Wie schlüpft' ich zu ihm heim!
Oder wär' ich eine Nachtigall,
Ich säng' in Schlaf ihn ein.
Könnt' ich ihn an, nur an ihn sehn,
Vergnügt und froh wär' ich!
Ich lieb' mein Liebchen, denn ich weiß,
Mein Liebchen liebet mich.
Kann ich den Tag vergessen,
Als ich am Ufer stand!
Und sah ihn nun zum leztenmal,
Den nie ich wieder fand.
Er kehrt' auf mich sein Auge noch,
Ach, wie sprach das in mich! -
Mein Liebchen lieb' ich, denn ich weiß,
Mein Liebchen liebet mich.
Ich flecht' dir dieses Kränzchen,
Mein Lieb', und flecht' es fein,
Von Lilien und von Rosen,
Und binde Thymjan drein.
Einst geb' ich's denn, mein Liebster, dir,
Wenn ich seh' wieder dich,
Mein Liebchen lieb' ich, denn ich weiß,
Mein Liebchen liebet mich.
(S. 390-391)
_____
Die Wiese
Ich ging einst einen Frühlingstag,
Wo alles schön und lustig lag,
Kam an ein einsam Sommerhaus,
Ein liebes Mädchen trat heraus,
Und weint' und ging und sang betrübt:
"Ach, wer hat je, wie ich, geliebt!"
Sie gieng die Wiese still umher,
Und rang die Hand und seufzte schwer;
Dann pflückte sie ein Blümchen ab,
Wie's hie und da die Wiese gab,
Maasliebchen, klein' Vergiß mein nicht,
Und seufzte: "ach er liebt mich nicht!"
Sie band die Blumen in ein Bund,
Weint' noch einmal aus Herzensgrund:
"Vergiß mein nicht! hier bind' ich dich,
Für wen? - Maasliebchen, schaust auf mich,
Weinst um mich! - Ja, ich bin betrübt;
Er hat mich nicht, wie ich ihn g'liebt."
Nun hatt' sie Busen voll und Schoos,
Und ach! nun ward ihr Schmerz zu groß;
Sie goß die liebe Bürd' hinab;
"Liegt, sprach sie, seyd mein sanftes Grab!"
Und sank dahin - ein stilles Ach!
Voll Lieb' und Leid ihr Herz zerbrach.
(S. 392-393)
_____
Das traurende Mädchen
Im säuselnden Winde, am murmelnden Bach
Saß Lila auf Blumen und weinet' und sprach:
"Was blüht ihr, ihr Blumen? was säuselst du, West?
Was murmelst du Strom, der mich murmelnd verläßt?
Mein Lieber, er blühte am Herzen mir hier,
War frisch wie die Welle, war lieblicher mir
Als Zephyr; o Zephyr, wo flohest du hin?
O Blume der Liebe, du mußtest verblühn!"
Vom Busen, vom Herzen riß ab sie den Straus,
Und seufzet und weinet die Seele sich aus.
Was weinst in die Welle? Was seufzest in Wind?
O Mädchen, Wind, Welle und Leben zerrinnt.
Der Strom kommt nicht wieder, der Westwind verweht,
Die Blume verwelket, die Jugend vergeht,
Gib, Mädchen, die Blume dem Strome, dem West;
Es ist ja nicht Liebe, wenn Liebe verläßt.
(S. 394)
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Röschen und Kolin
Habt ihr gesehn eine Lilie,
Die sinkt in Regenzeit?
Ach so schwand Röschen hin, sie schwand
Vor Liebesherzeleid.
Als dreimal in der dunkeln Nacht
Die Todtenglocke klang,
Dreimal die Eul' ans Fenster schlug,
Und: "Mit! Komm mit!" ihr sang.
Das liebe Mädchen wußte wohl,
Zu wohl, daß ihr das gilt;
Die Schwestern sassen ringsumher,
Und graus'ten eingehüllt.
"Ich hör' ein' Stimm', ihr hört sie nicht,
Die spricht: Komm mit mir fort!
Ich seh ein' Hand, ihr seht sie nicht,
Die winkt mir, winkt mir dort!
So wißt es denn, ein treulos Herz,
Ein Bräut'gam tödtet mich,
Kann ich dafür, daß seine Braut
Hat dreimal mehr als ich?
O Kolin, gib ihr nicht dein Ja!
Dies Ja ist längst schon mein.
Und du, o Braut, nimm nicht den Kuß!
Der Kuß, er ist nicht dein.
Ihr schickt euch an zum Hochzeitfest,
Geht morgen zum Altar;
Du armes Mädchen, falscher Mann,
Auch Röschen ist alldar!
Ihr Brüder, morgen tragt ihr mich,
Tragt mich an seiner Seit';
Er zieht, geschmückt als Bräutigam,
Mich schmückt ein Leichenkleid."
Sie sprach's und starb. Man trug den Sarg,
Trug ihn an seiner Seit';
Er zog, geschmückt als Bräutigam,
Sie schmückt' ein Leichenkleid.
Ach Bräutigam, wie war dir da?
Wie war dir da, o Braut?
Der Brautreihn flog um Röschens Sarg,
Das ganze Dorf weint laut.
Verwirrung, Angst den Bräut'gam faßt,
Verzweiflung fasset ihn;
Schon dunkelt Tod auf seiner Stirn,
Er ächzt und sinket hin.
Und ach! du Braut, nun Braut nicht mehr,
Wo ist dein Hochzeitroth?
Sieh seine erste Liebe da,
Sieh deinen Bräut'gam todt!
Die Nachbarn-Schäfer legten ihn
In seines Röschens Gruft;
Da liegt er nun, Ein Staub mit ihr,
Bis Gottes Stimme ruft.
Und oft geht noch ans heil'ge Grab
Ein treuverlobtes Paar,
Und binden Liebesknoten sich,
Und bringen Kränze dar.
Du aber, Falscher, sey gewarnt,
Und nah' dich nicht herzu,
Gedenk' an Kolin, fleuch und stör'
Ihn nicht aus seiner Ruh.
(S. 395-397)
_____
Die Todtenglocke
So, Liebste, lebe wohl!
Auf ewig lebe wohl!
Auf immer ich dich lassen,
Nun immer weinen soll!
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Für meine Phyllis stand
Ihr Brautbett schon so schön,
Ach! statt ins Brautgemach,
Muß sie zu Grabe gehn.
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Ihren Leichnam soll begleiten
Ein schöner Jungfraunreihn,
Bis sie in's Grab wird gleiten,
Und man wirft Erd' hinein.
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Ihre Bahre sollen tragen
Jünglinge, jung und schön,
Die, wenn sie sie begraben,
Traurig von dannen gehn.
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Auf ihrem Sarg soll prangen
Ein Brautkranz, frisch und roth,
Der wird so traurig hangen,
"Ach! unsre Braut ist todt."
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Ihren Leichnam will ich zieren
Mit Bändern, reich und schön,
Ich aber, schwarz und dunkel
Muß ich von dannen gehn.
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Ihr Grabmal will ich decken
Mit Blumen überhin,
Und meine Thränen werden
Sie immer pflegen grün.
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Statt Bildes schöner Farben
Gemahlt mit Kunst und fein,
Will ich ihr Bildniß mahlen
Tief in mein Herz hinein.
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
Ins Herz, da will ich graben
Tief ihre Leichenschrift:
"Hier liegt das liebste Mädchen,
Das je ein Schäfer liebt."
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt ihr pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
In Schwarz will ich mich kleiden,
Schwarz sey mein Festkleid nun.
Weh mir! ich bin verlassen!
Wo sie ruht, will ich ruhn!
Die Todtenglocke mit Trauerschall
Ruft: sie ist todt! sie ist nun todt!
So will ich auf's Haupt dir pflanzen noch
Ein Blümchen rosenroth.
(S. 398-400)
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Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807
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