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Kambodschanische Liebeslieder
Sehnsucht
Dichter Nebel verhüllt den Himmel.
Graues Gewölk an der Berge Hang
Wehrt mir den Blick, der die Liebste sucht
Weit in der Ferne schon Monde lang.
O hätt' ich die Macht, mit dieser Hand
Riss ich den Wolkenschleier fort,
Der mir meine Liebste verbirgt
Monde lang schon am fernen Ort.
(S. 251-252)
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Erwartung
Sieh die Maid mit der schlanken Gestalt,
Zierlich von bläulicher Schärpe umflossen!
Wasser zu schöpfen kam sie heraus:
Kaum geschöpft, ist's wieder vergossen.
Und so schöpft und vergiesst sie aufs neu.
Welch ein wunderliches Gehaben! -
Nicht doch, sie treibt absichtlich ihr Spiel,
Weil wir zu treffen das Wort uns gaben.
(S. 252)
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übersetzt von August Seidel (1863-1916)
Aus: Beiträge zur Volks- und Völkerkunde
Siebenter Band: Anthologie aus der
asiatischen Volkslitteratur
Herausgegeben von August Seidel
Weimar Verlag von Emil Felber 1898
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