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Mesopotamische Liebeslieder
I. 'Atabat
Heimliche Liebe
O du, der verstohlen kommt zu mir geschlichen,
Dess' Liebe im Herzen verstohlen mir brennt,
Lass' beten zu Gott uns, dass nimmer es ende,
Dass niemand das süsse Geheimnis erkennt.
(S. 305)
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Hangen und Bangen
Es ruhen in Frieden die Menschen. Mein Lager,
Die Lippen zernagend, zerwühl ich bei Nacht.
Das eine Mal sorg' ich mich; einmal dann weise
Dem Freund ich die Schwelle, der Trost mir gebracht.
(S. 305)
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Vorbei!
O du, der die Locken die Schultern umwallen,
O Thräne des Aug's, die die Wange benetzt!
O Monat des Unglücks, wärst nie du erschienen,
In dir ward dem Lieben ein Ende gesetzt.
(S. 305)
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Der Geliebten Schönheit
O du, der die Locken die Schultern umwallen,
Du strahlst wie das silberne Mondlicht so hell.
Wärst du nicht, was hätte das Welthaus für Reize,
Und niemals betrat dann mein Fuss seine Schwell'.
(S. 305)
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Sie ging zu lustwandeln am Feste des Höchsten,
Melonengleich wuchs die jungfräuliche Brust.
Ich fürchte ich alt're, die Haare erbleichen,
Ich sterbe beraubt der erwarteten Lust.
(S. 306)
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Liebesketten
Gleich Ketten ist schön ihrer Arm' Tätowierung;
Die Liebe zu ihr hat erschüttert mich ganz.
O Goldschmied, nun schmiede mir Ketten der Schönen,
Umzirke ihr Haupt mit bebändertem Kranz.
(S. 306)
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Der Vogelsteller
Geliebte, du legst dir das Schwarz auf die Augen,
Ins Herz mir da legtest du feurigen Brand.
Und wirst du ein Vogel, o goldiges Mädchen,
Dann fang' ich im Netz dich mit sicherer Hand.
(S. 306)
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Ich gehe hinaus auf den Singar-Berg steigend
Und send' mit dem Morgenhauch dir einen Brief.
Wenn einmal auf Harz werden Briefe geschrieben,
Dann wird sie erscheinen, die bittend ich rief.
(S. 306)
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Mawawil
Weil du lieblos mich verlassen
Schlugst du mir die Seele wund,
Seit ich einsam, sind zu enge
Steppe mir und Weidegrund.
Süss dein Mund und deine Rede,
Süss die Lippe und dein Kuss,
Dass ich leidenschaftlich immer
Heisser noch dich küssen muss.
Doch du schwankst in der Entscheidung
Liebst du oder hasst du mich?
Wohin immer du dich neigest -
Dir ein Bruder bleibe ich.
(S. 306-307)
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Liebesglück
Viel verlangt und sehnt mein Herz sich
Dich, Geliebte, ach, zu seh'n.
Möge dem, der dich nicht lieb hat
Alle Lebenskraft vergeh'n.
Zu der Stunde, da du bei mir,
Schwindet aller Sorgen Qual,
Mond verblasst vor deinem Antlitz,
Dem entquillt des Lichtes Strahl.
Gleich den Rosen auf der Wiese
Köstlich ist der Wangen Duft;
Schmiegsam bist du, wie die Weide,
Spielt mit ihr der Hauch der Luft.
(S. 307)
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Wer ist's, der den Pfeil der Liebe
Mir ins Herz geschleudert hat?
Alles Glück hat mich verlassen,
Öd' ist meiner Heimat Stadt.
Feile Liebe und Gemeines
Hasst mein Herz. O lasse mich
Einsam nicht der Trübsal Becher
Trinken, ich beschwöre dich!
Bin berauscht von deiner Liebe,
Dich verleugnen liegt mir fern -
Schwändest du nur eine Stunde
Meinem Blick ich stürbe gern.
(S. 307)
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Liebeslust und Lästerzungen
Süssen Hauch der Liebe strömst du,
Liebe, dem Geliebten aus.
Bin bei dir ich, wähnt mein Herz sich
Froh wie in der Heimat Haus.
Lass uns schöpfen volle Becher
Aus der süssen Freude Born.
Lass die andern lästernd schelten,
Wir verlachen ihren Zorn.
Wen das Schwert traf, kann gesunden,
Pflaster giebts und Arzenei,
Doch für böser Zungen Wunden
Bringt man keinen Arzt herbei.
(S. 308)
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Schöner Freund, die Trennung hat mir
Lebensüberdruss verschafft;
Eingeschrumpft ist jetzt mein Körper,
Sonst ein Turm an Lebenskraft.
Wahrlich bei dem schwör' ich, der das
Ew'ge Leben uns gebracht,
Deiner hab' ich nie vergessen,
Deiner hab' ich stets gedacht.
Seit du mich verlassen, wünsche
Ich mir nichts als nur den Tod.
Thränen werd' ich um dich weinen,
Bis ich eingeh' einst zu Gott.
(S. 308-309)
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Vor der Liebsten Thüre lagern
Die Kamele der Geduld.
Viele Teiche hab' mit Thränen
Ich gefüllt durch deine Schuld.
Warum hat der Neider falsches
Reden dich getrennt von mir?
Warum liessest du mich elend
In die Wüste geh'n von dir?
Deine Schönheit zu vergessen
Mit dem Male schwarz und rund
Suchte ich umsonst. Krank blieb ich. -
Dich mach' Gott der Herr gesund.
(S. 309)
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Wer hat dich entführt, o Schöne,
Mir, und wer behütet dich?
Hast du andere Hüter? Spröde
Bleibst du immer, sorg' ich mich.
Schämst du dich nicht, dass du täglich
Triebst mit andern tändelnd Scherz?
Zehn verborgne Dornen wuchsen
Deinetwegen in mein Herz.
Tändelnd, ohne Scheu zu fühlen
Vor den Freunden in der Stadt,
Wie du jetzt bist, gleichst dem Schäfchen
Du, das tausend Hirten hat.
(S. 309-310)
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Trennungsschmerz
Deines Freundes Leib vergehet,
Weil du hart dich abgewandt;
Und aus Sehnsucht nach dir netzen
Blut'ge Thränen mein Gewand.
Sängerin des frohen Liedes,
Sag', wonach steht jetzt dein Sinn?
Um dich zu besitzen, gebe
Habe ich und Leben hin.
Meine Liebe kann nur leben
Deinem Wesen oder stirbt.
Dir zu Liebe trag' ich alles -
Du weisst nicht, wer um dich wirbt.
(S. 310)
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Vergebliches Hoffen
Der Gazellen Wangen schmücken
Nicht, wie dich, ein Liebesmal.
Bittern Schicksalskelch zu trinken
Gab mir uns'rer Trennung Qual.
Deine Liebe mir gewähre,
Mädchen mit dem Liebesmal.
Es giebt niemand, der an Schönheit
Gleich dir ist im Frauensaal.
Mond am Himmel strahlt vom Lichte
Deines holden Angesichts.
Edel ist dein Stamm, doch geizig;
Mit der Liebe ist es nichts.
(S. 310)
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Nicht mit Menschen will ich hadern,
Da die Trennung ich gewollt;
Eigne Thorheit hat's verschuldet
Dass mein Leben kurz verrollt.
Du bist meines Lebens Unglück,
Deine Hand gab Todessturm -
Doch ich halte still, wenn Liebe
Mir das Herz nagt wie ein Wurm.
In dem Süssholzbecher hast du
Bittre Trübsal mir kredenzt.
Doch ich lebe, wird auch einmal
Meiner Sehnsucht Ziel bekränzt?
(S. 311)
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Treue Liebe
Niemals unter den Gazellen
Deinesgleichen ich ersah;
O du Paradieses-Mädchen,
Nur von dir ist Hilfe nah.
Wehe über meine Augen,
Diese liebten dich zuerst,
Und mein Herz ruft laut nach Liebe,
Doch du schweigst, obwohl du hörst.
Bei dem Gott, der dich geschaffen,
Schwöre ich: Ich geh' zunicht!
Beim Propheten, nie vergess' ich
Dich, du meiner Augen Licht.
(S. 311)
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übersetzt von M. Brose
Aus: Beiträge zur Volks- und Völkerkunde
Siebenter Band: Anthologie aus der
asiatischen Volkslitteratur
Herausgegeben von August Seidel
Weimar Verlag von Emil Felber 1898
(Anmerkung von August Seidel: Aus Sachau: Arabische Volkslieder aus
Mesopotamien.
Berlin 1889. "Atabe bezeichnet eine bisher unbekannte Art kleiner Lieder,
deren Heimat die Wüste ist. Wenig verbreitet unter Bauern und Städtern,
herrschen sie
vor im Gesang, der wie es scheint, an Liedern armen, selbstverständlich
jeder Bildung
ermangelnden Beduinen Mesopotamiens. Durch die Einfachheit und
Übersichtlichkeit
des Inhalts stehen sie dem Verständnis des gemeinen Mannes sehr nahe
und prägen sich infolge ihrer Kürze und des Reimes sehr schnell dem
Gedächtnis ein.
Itab heisst Vorwurf und ist als eine Art Kunstausdruck zur
Bezeichnung einer grossen
Gattung von Gedichten in der Litteratur, wie z. B. im Divan des Abu-Nu'as
gebräuchlich.
Das einzelne Liedchen heisst Atabe, neuarabisch für Itabe und dürfte
ursprünglich
so genannt sein, weil Vorwürfe gegen die Geliebte über ihre
Unbeständigkeit,
Lieblosigkeit und Ähnliches den Hauptinhalt bilden. Es sind meist
Liebeslieder;
ausser den Tönen der Liebe erklingen aber auch elegische Klagen über den
Wechsel
der Dinge, Laute der Sehnsucht nach der Heimat und ähnliches mehr" (Sachau).
Die metrische Übersetzung der Lieder ist meinem Freunde, Herrn Hauptmann
Brose,
der in rebus poeticis besondern begabt ist, zu verdanken.
Ein Teil der Lieder sind auch von ihm komponiert worden (Berlin 1897))
[Anmerkung: Die oben genannten Arabischen Lieder aus
Mesopotamien
von Eduard Sachau (1845-1930) finden sich in:
Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1889 S.
1-96]
siehe aber auch:
www.deutsche-liebeslyrik.de/volkslieder/volkslieder_mesopotamische_1.htm
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