Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Neuarabische Liebeslieder
aus Zentralarabien


 


1.

1 Ein Neumond hat zu strahlen begonnen; sein Glanz ist aufgegangen, so dass er die Menschen ausser sich brachte; er ist erschienen, hat aufgeleuchtet und ist am Horizonte hell geworden.
2 und das Dunkel der Nacht ist vor ihm gewichen, und ein Glanz [ist aufgegangen], der unter den Lichtern auf Erden auch den Kristall überstrahlt.
3 Heller als eine Lampe im Vorraum, heller als ein Blitzstrahl, heller als eine Sonne oder ein Mond, <dessen überwältigende Schönheit sich weit verbreitet>.
4 Heller als ein <Diamant> oder ein Hyazinth, oder <überhaupt> ein Edelstein, heller als eine Perle oder ein Türkis; wer Solches sich <anhängt> sticht ja sonst hervor.
5 Sie imponiert mittelst einer Wange, <auf welcher die Mühe Jemandes sichtbar wird, der auf ihre Flächen mit verschiedenartigen Farben Tättowierung aufgetragen hat>.
6 Sie lässt ihren Schleier [über sich] herunterfallen, nachdem sie vorher <unverhüllt> einhergegangen war; sie strahlt wie der Vollmond, auch wenn <Stücke des Schleiers> sie verhüllen.
7 Ich sagte zu ihr: O du, deren Blicke eine Blutschuld auf sich geladen haben, es war nicht Recht, mich zu töten, da ich doch in dich, o du Langhalsige, heftig verliebt bin.
8 Wenn es ein Recht giebt, so wirst du nach Recht handeln, mit einem Manne, der dir entgegenkam und dir Vertrauen entgegenbrachte.
9 Wenn du lieber nach Gewalt als nach Recht verfährst, so sei doch gütig und gnädig mit einem Manne, der vom Liebesrausch noch nicht zu sich selber gekommen ist!
10 O über die, zwischen der und dem Monde ein gewaltiger Abstand ist und ob deren allerhöchster Schönheit die Sonne Sehnsucht <Neid> empfindet!
11 Sie gleicht einer jungen Gazelle mit einer Schönheit, wie es innerhalb des Gebirges Kaf nicht ähnliches mehr giebt. Nein, beim Allgütigen, - ihre hohe Schönheit <geht durch alle Welt>!
12 Wenn sie des Weges kommt, indem sie ihre schönen Kleider nachschleppt, mit einem am Halse hängenden Schmuck - sowohl von Smaragden als von Perlen trägt sie Halsketten -,
13 dann laufen die Verliebten aus ihrer Nähe <nach allen Seiten> hin davon; denn die Verliebten dürfen auf keine Schonung von ihr hoffen.
14 Sie versengt die Herzen der Liebhaber, - ihre Wangen sind in Schweiss <wie die Franken mit den Feuer verursachenden Brenngläsern>.
15 Auf ihren Lippen ist heilkräftiger Honig, der dem Kranken Heilung bringt; <ihr Speichel ist ein herrlicher Trunk,> besser als Wein und Süsstrank.
16 Im Blick, wenn er Einen trifft, liegt Zaubermacht; es wird dadurch die Leidenschaft eines Jeden, der der Liebe fähig ist, erregt und entflammt.
17 Sie raubt Einem die Ruhe, und das Herz wird tief verwundet; der Fuss wird das Spiel der Schicksalsschläge und kann sich nicht mehr regen.
18 Ich bin in einen Zustand versetzt, dass ich Rechts und Links nicht mehr unterscheiden kann. Sprich: O wie hart geht es einem Herzen, das in dieses Geschick getrieben wurde!
19 Ich bin tief versunken in Liebe, in ein Meer hinabgestürzt, das hochflutet und habe der Geliebten darin Strassen gebaut; so sehr sehne ich mich nach ihr.
20 Unter allen Menschen ist noch Niemand so unglücklich geworden, wie ich unglücklich geworden bin, und nie ist ein Herz so bedrückt worden, wie mein Herz bedrückt wurde.
(S. 1-2)
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5.

Muhammed el-Ali war in eine Frau verliebt; die aber hatte einen Mann und gestattete ihm nicht, dass er sie heiratete, noch dass er verbotenen Umgang mit ihr pflegte; da dichtete er über sie folgende Kaside:

1 Welch Unglück, o Freund, hat ein Herz befallen, das gleichsam die Zielscheibe einer herrlichen Frau wurde!
2 Verzweiflung brach bei mir aus, und meine innersten Geheimnisse kamen an den Tag. O weh mir! Mein Herz ist mehrmals gebrochen.
3 O Ambra, der aus den Landstrichen Indiens stammt! O Perle, welche die Händler noch nicht in ihren Händen gehabt haben!
4 O Schöne, versetze uns in Freude und Wonne! Wir wollen uns freuen an dieser Welt; denn <am Ende> ist Alles hohles Geschwätz.
5 Drücke mich an deine Brüste, an deinen Leib und zwischen deine Arme; vielleicht genese ich dann, und du dienst mir gleichsam als Arznei.
6 Wenn nicht an ihrem Halse Halsbänder von Perlen wären, so würde ich denken, dass ihre Erscheinung der der <Herrin des Paradieses> entspricht.
(S. 5)
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6.

Die Erzählung dazu. Jemand verliebte sich in eine Frau, die er gesehen hatte; da bestach er die Leute mit vielem Gelde und pflog mit ihr verbotenen Umgang. Eine Sklavin steckte ihn in der Nacht in ihre Kleider und brachte ihn zu dem Mädchen hinein; dort verweilte er bei dem Mädchen vierzig Tage in einem Zimmer, ohne dass Jemand Etwas davon erfuhr. Nach Verlauf von vierzig Tagen aber merkten sie es. Als er nun das Gemach verliess, fragten sie ihn nach dem Mädchen; da antwortete er ihnen: <Sie ist bei den Beduinen>. Sie erwiderten: <Nein, sie ist nicht bei den Beduinen; sie befindet sich in der Ortschaft, und du lügst uns an>. Da dichtete er folgende Kaside:

1 Meine Wimpern floh der Schlaf, und die von meiner unglücklichen Lage herrührenden Wunden waren tief; beständig zählte ich die Tage und Stunden meines Lebens.
2 Und es ergraute mein schwarzes Kopfhaar ob des Verlustes einer <Hochbusigen>; ohne sie kann ich es, o Ali, keine sechs Stunden aushalten!
3 Darre, sie, die so lustig spielte, die Leuchte aller Schönen, sie hatte so feine Kleider an, aus Shawlstoff und Kattun!
4 Ich blieb, o Ali, vierzig Tage und Nächte unter dem Dache der Leute, heiss habend zur kältesten Winterzeit.
5 Wenn ich sie bat: <Hole mir Etwas aus dem Hause!> und sie mir den Rücken kehrte, so bedeckten sie Strähnen von blondem Haar.
6 Sie hat Wangen, die glänzen, o Ali, wie ich es noch nie gesehen habe; sie leuchten, als ob daran Kerzen angezündet wären.
7 Und zwei Hinterbacken, die bewirken, dass ihre Kleider hinten sich verschieben; wenn ich sie ansehe, so bringen sie mich, o Ali, ganz ausser Fassung.
8 Und zwei stramme Brüste, die noch kein Säugling berührt hat; sie ähneln Kaffeetässchen, die auf ihrer Brust umgekehrt aufgestellt sind.
9 Ich sang mit Tauben um die Wette, die nach verschiedenen Melodieen girrten; da vermehrte meine Liebessehnsucht nur meine Schmerzen.
10 Und meine Wimper floh der Schlaf; mein Inneres mochte Nichts wissen vom Essen, und Schlangen bissen mich.
11 [Dies Alles], weil ich eine Schöne in frischer Jugendblüte verloren hatte. Sie nimmt vom Jedem, der nach ihrer Liebe begehrt, ihren Tribut.
12 Meine Pein, mein Höllenfeuer, meine Prüfung und meine Krankheit, - die Trennung von ihr ist mein Unglück und die Vereinigung mit ihr [wären für mich] heute Paradiesesfreuden.
13 Meine Freundin hat eine dünne Taille, aber hohe Hinterbacken; meine Blicke sind auf keine Andere gerichtet, als auf sie, die Anführerin der Gazellenherde.
14 Sicher gab es vor mir keinen Liebenden, dem der vierte Teil dessen zugestossen wäre, was mir zustiess in Folge der Liebe der Allererlauchtesten.
15 Wenn sie mir auch von ihren acht [Vorderzähnen] in vergangener Zeit ein Labsal reichte, so stillt ja doch den Durst eines Verdurstenden nicht, dass er früher einmal getrunken hat.
16 Dir klage ich es, o Ali, zwischen den [und mich] Sandhügel einer Wüste, wasserlose Steppen, getreten sind, die selbst den Wolf verscheuchen.
17 In dem Futter der daselbst wachsenden Kräuterstengel schweifen die [Gazellen, die] so viel Durst ertragen können, frei herum und weiden lustig und unbekümmert um den Wolf und den Jäger.
(S. 5-6)
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7.

Jemand erblickte eine Frau, und sie gefiel ihm. Da sprang er des Nachts [über die Gartenmauer] zu ihr und pflegte verbotenen Umgang mit ihr. Aber die Leute verliessen die Gegend und wanderten nach einem anderen Platze; da wurde er ihretwegen wie verrückt und dichtete über sie eine Kaside, indem er seine Klage an seinen Freund Abdallah richtete.

1 Die Wimpern flieht der süsse Schlaf, o Freund; und die Thränen fliessen fortwährend über die Wangen hinab, o Abdallah!
2 Und mein Inneres will von Speise und Trank Nichts wissen; ja, die Augenwimpern sind ob der Grösse meines Elends ergraut.
3 Ob des Verlustes einer Freundin, die von ihrem Wohnplatz weggezogen ist, und zwar ohne dass ihr ihrerseits das Wegreisen zusagte.
4 Sie ist mir fern gerückt, und die Entfernung wuchs in Folge des Scheidens und Meidens; seit ihrem Wegzuge hat sie, o Freund, nie mehr nach mir sich erkundigt.
5 Sie mit ihren dunkeln Lippen, die Leuchte unter den Schönen, setzt [Alles] in Erstaunen mit ihrer Wange, die in tiefdunkler Nacht wie eine Fackel leuchtet.
6 Und sie hat vorn zwei stramme Brüste, die Granatäpfeln gleichen; die eine berührt die andere, aber noch kein kleines Kind hat an ihnen gesogen.
7 Sie hat eine dünne Taille, aber hohe Hinterbacken; nicht hat unter allen ihresgleichen je eine ihr <an Gestalt> Gleichkommende, o Freund, die sieben Schichten der Erde betreten.
8 Ob der Trennung von der mit strahlenden Wangen haben mich schwere Sorgen betroffen, und es ergeht mir nicht so gut wie euch.
9 Wenn es nur die Wüste wäre mit ihren nahen und fernen Strecken, so würde ich wohl die wasserlose Steppe durchmessen, in der Hoffnung, dass die Wüste mir kurz vorkommen werde.
10 Dann würde ich mich bei meiner Freundin erlustigen und meine Sorge verscheuchen und würde in ihren Locken wühlen, wie es mir gefiele.
11 Zu meinem Unglücke aber stehen zwischen [mir und] meiner Geliebten tapfere, schwer bezwingbare Burschen, die mich abhalten mit meiner teuern Freundin der Liebe zu pflegen.
12 O Gott, lass wiederkehren, was mir zu Teil wurde in vergangenen Zeiten, nämlich die Vereinigung mit der Liebsten, für die ich keinen Ersatz gesucht habe!
13 Damit genug! Und nun o du, der du des Weges ziehest auf dem Rücken einer starken, einem männlichen Kamel gleichenden mit breiter Brust versehenen, schnell dahineilenden [Kamelin]!
14 . . . . . . wenn der Weg, den sie zurückzulegen hat, übermässig gross ist; welche die Zügel zerreisst, selbst bei lang dauernder Reise.
15 Nach ihrem Willen weidet sie ab in den einsamen Steppen, was ihr von Kräutern zusagt; niemals hat ein Kameltreiber sie herbeigeholt, damit sie Lasten trage.
16 So habe ich für sie nun, als die Abreise herankam, einen Reitsattel, ein Polster und eine Satteldecke herbeigeschafft, sowie eine Satteldecke und einen Brustschmuck.
17 Auf, mein Bote! Lass [die Kamelin] vom <Grunde> von Faihan aufbrechen und steig auf und lass das Futter durch ihre Sprünge verdauen.
18 Dann wirst du bei dem einkehren, der der Wohlthäter der Ausgehungerten ist, wenn die Leute bei ihm einkehren; bei ihm, der der Schutz des Gastes ist, bei Abu Othman, dem tapfersten der Helden.
(S. 6-7)
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9.

Ein Gewisser erblickte einmal eine verschleierte Frau, er erblickte sie in Gesellschaft von anderen Weibern auf der Gasse und verliebte sich in sie. Er bat sie, ihm ihre Gunst zu gewähren, aber sie weigerte sich dessen. Da klagte er es einem seiner Freunde, Namens Ghanim el-Masjed in Anese und verfasste darüber eine Kaside:

1 Es singt der, welcher neue seltene Weisen von Versen erfindet, die angereihten Perlen an den Halsbändern einer Schönen gleichen.
2 Er dichtet sie über diejenige, welche ihm den Schlaf verscheucht hat, und vertraut sie Einem an, der Nichts davon weiss, damit er <darüber> nachdenke.
3 O Freund! Am vergangenen Montag trat sie mir entgegen; das Licht ihrer Wangen strahlte durch ihren Schleier hindurch.
4 Ich erblickte meine Freundin; sie hatte ein Hemd aus Seide von Subeihan an, das schönste, was je auf den Markt von <Akilije> gekommen war.
5 Ich sagte: "Schönen Gruss!" Sie antwortete mir: "Geh deines Weges! Ich habe zu thun. Dort ist dein Weg, und ich habe ein bestimmtes Geschäft."
6 O weh! Welcher Kummer! Sie brachte mich ausser mir, so dass ich meine Rechte mit der Linken schlug.
7 Ihr Feldzeichen, o Freund, war ein Armband aus Korallen; sie winkte damit und feuerte ihre Krieger an.
8 Da machte ich mich daran meine Genossen, die hochherzigen, aufzurufen: "Drauf los, ihr, die ihr das Gewehr tragt!"
9 Sie antworteten: "Schliesse doch Frieden mit ihnen; das Leben geht ja so rasch vorbei; ein Thor ist der, welcher einen Regenbach mit Mänteln aufhalten will."
10 O du, der du auf falschem Wege bist, sei doch nicht blind! Sieh doch zu, wie auf ihrer Wange das Zelt des Siegers aufgeschlagen ist!
11 So machten meine Leute schändlich und feige kehrt, da sie mit Flinten und Dolchen Nichts ausrichten konnten.
(S. 8-9)
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10.

Jemand bekam ein Mädchen zu Gesicht; da begehrte er sie von seinen Angehörigen zur Ehe; aber diese weigerten sich, sie an ihn zu verheiraten. Er hatte einen Freund Namens Hamed; Dem gegenüber führte er Klage. Da nahm Dieser zweihundert Thaler um damit seinen Freund zu unterstützen; die bot er den Angehörigen des Mädchens an; aber sie weigerten sich, das Geld anzunehmen; da brachte er das Geld wieder. Sein Freund aber dichtete darüber folgende Kaside:

1 O Hamed! Meine Wimpern sind verhindert, Ruhe zu finden, und mein Auge [schmerzt], als ob Harz hineingeträufelt wäre.
2 O Hamed! Die Nacht, die dem Tage folgt, bringe ich wachend zu; wehe mir! Ich verpasse alle Gebetszeiten.
3 O Hamed! Ihre Brüste sind stramm und zierlich, die Haut derselben ritzt der Hemdstoff, indem er sie berührt.
4 O Hamed! Ihr Hinterteil, das Sandhäufchen gleicht, bewirkt bei dem Betreffenden Krankheit; wer es erblickt, stirbt.
(S. 9)
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11.

Jemand bekam eine Frau zu Gesicht und begehrte sie von ihren Angehörigen zur Ehe; aber sie weigerten sich, sie ihm zur Frau zu geben. Da dichtete er über sie eine Kaside und hierauf gaben sie sie ihm.

1 Gestern Nacht schloss ich aus Herzenskummer kein Auge; ich stöhnte innerlich, und Thränen beengten mir die Brust.
2 Tinte und Papier holte ich mir, o Freund, und schrieb die Verse auf eine Seite von weissem Papier.
3 Richtig gebaut verfasste ich sie, nachdem ich etwas zu mir selbst gekommen war, während meine Augen brannten; so sehr weinte ich.
4 Wegen ihr, deren Haar herabwallt, der Leuchte des Hauses, ihr, welche die schönen Paradiesesjungfrauen übertrifft, verpasste ich alle Gebetszeiten.
5 Ich benenne sie nach dem Zahlwert der Buchstaben: sie ist gleich vierzig und sieben, fünfzig und fünf; so sind wir es gewohnt.
6 [Sie ist] Cairo und ein Kaffeetässchen, in das ich gestossenen Cardamomen gethan habe, und ein Sternbild und ein Sklave, welcher die Reitkamele einholt, wenn sie davon eilen.
7 Hernach aber holte ich mir vom Boden der Steppe eine rotbraune, <wie man sie sich zur Reise wünscht,> eine von edler Abstammung.
8 Und holte einen Brustschmuck und einen Reitsattel und schnallte ihn auf eine kräftige, welche <mit lustigen Sprüngen> die Wüste durchzieht.
9 Darüber legte ich die Packtasche und das Sattelpolster und als Gegengewicht . . . . . .
10 Und ich liess von ihren übrigen Ausrüstungsgegenständen keinen aus; dann bestieg ich sie um zu dem Schech zu reiten, der seinen Edelsinn rasch zeigt.
11 Abdallah, der nur mit Ruhm genannt wird, meine ich, den Löwen Abu 'Ode, den Beschützer im Kampf,
12 O du, auf den ich hoffe, o du Hort dessen, der in Bedrängnis geraten ist! Möge doch meine Freundin kommen und meiner Seele, die beinahe schon von mir gewichen ist, den Labetrank reichen!
(S. 9-10)
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12.

Ein Mann aus Anese, ein Dichter, Namens Muhammad ibn Abdallah der Richter, bekam eine Frau zu Gesicht; da wurde er von Liebe toll. Er wollte sie heiraten, aber sie willigte nicht ein. Da dichtete er über sie eine Kaside und schickte dieselbe an den Dichter Muhammad ibn Ali in Brede; er machte ein Kamel beritten und bat ihn, den Angehörigen jener Frau zuzureden.

1 O welch ein Unglück für ein Herz, das nach frohem Beieinandersein von Sehnsucht befallen wurde, und das die Trennung der Liebenden nicht aushalten kann.
2 Eine Wunde ist tief im Innern des Behälters meiner Seele verborgen; Entfremdung griff mir das Herz an, und das Geschick traf es.
3 Tiefe Beklemmung hat im Innern gegriffen; ein anhaltender Schmerz brennt im Busen wie Feuer.
4 Und das Herz zwischen den Rippen ist in Zittern geraten; der Verstand ist weg und in meinem Innern wird [gleichsam] ein Tamburin geschlagen.
5 Ob dessen, was vorgefallen ist, will meine Wimper vom Schlaf Nichts wissen; ob der Schicksalsschläge steht das Werk der Gedanken in mir still.
6 Und ich dachte nach, indem ich wieder zu mir selbst kam, ohne eigentlich geschlafen zu haben, über eine Welt, in der die Trennung der Liebenden so drückend ist.
7 Aus Liebesweh ist meine Kraft heute erloschen; ich band mit einer Freundin an, <die sich von mir losmachte, ohne sich zu entschuldigen.>
8 Sie hat, o Freund, acht feine Vorderzähne, die Kamillen gleichen, wenn sie ein starker Regen befeuchtet hat.
9 Und die Wange besteht aus reinem Silber; . . . . . . . über mich wurde sie Herr und schlug mir Nägel ins Herz.
10 Und mein Herz stöhnte und wich von seiner Stelle und grollte heimlich über die Vorübergehende, deren Wange so blühend war.
11 Als das Schwert der Blicke ihres Auges aus der Scheide fuhr und [mich] anschaute, drang Gift in mich ein, das meine Knochen zermalmte.
12 Sie, deren Rede so süss ist, raubt Jedem, der [ihr] begegnet, die Ruhe; an ihr ist Licht, das in der dunkelsten Nacht hell strahlt.
13 Eine Elegante, Zierliche; es kam [über mich] die Liebe <wie durch Zauber>; eine Lustige, und im Herzen des Unglücklichen erbaute sie sich eine Wohnstätte.
14 Sie hat strahlende herrliche Reize; Reize, über die derjenige ausser sich geräth, der sieht, was ich von ihr gesehen habe.
15 Von der Schönheit Sarahs umhüllt sie eine Decke, und die Schönheit des Sohnes Jakobs . . . . .
16 Wenn ein Büsser sie erblickt, so kommt über ihn eine Veränderung; er weicht vom Wege ab und vertauscht die Andachtsübungen mit Unglauben.
17 Auch wenn die Verstandeskräfte, o du Erfüller meiner Wünsche, so ganz in Ordnung wären, würden sie doch bei dem, der sie erblickt, entweichen, und er könnte es nicht ertragen. -
18 O du, der du reitest auf einer rotbraunen, gezähmten [Kamelin], welche die Bodenerhebungen der <Felsenkessel> der Steppen hinter sich lässt,
19 einer kräftigen, die, wenn auch das Durchmessen der Wüsten noch so lange dauert, auf dem Sandboden dem Kahne eines Matrosen gleicht,
20 oder einem Strausse, wenn er Etwas erblickt hat und vor den menschlichen Wesen in Aufregung durch die Wüste entflieht.
21 Sie hat nichts Anderes an sich, als einen Reitsattel mit abstehenden Hölzern, eine Packtasche, einen Brustschmuck auf den Oberschenkeln und einen Zaum.
22 Der Platz, wo du einkehren sollst, ist bei Abu Sed, dem Beschützer der Furchtsamen, bei dem, der die Flamme des Kampfes erlöschen macht, wenn das Pulver [überall] kracht.
23 O du Wohlthäter der Kamelreisenden, die ermattet einkehren, der du aber den Feinden Viperngift und Galle darbietest!
24 Sage ihm: "Sieh über mein Herz ist Liebeszauber gekommen, und aus Verliebtheit thut mir Verstimmung im Innern weh!"
25 Und mein Verstand wurde schwach und kam insgeheim in Furcht und Zittern; ich möchte gerne, dass meine leidenschaftliche Liebe durch die Vereinigung mit ihr geheilt würde.
26 Ob der, die mir seit langer Zeit gute Freundin war, ob ihr verlor ich alles Schämen, o du Beschützer der Fremden!
27 Wenn mein Herz wieder ihrem Herzen in treuer Liebe vereint wird, so stehen meine Angelegenheiten besser, als die aller übrigen Geschöpfe.
28 O [Gott,] du, dessen Wille, wenn er geschehen soll, durch das Wort "Sei!" geschieht, - o du, der du alle geheimen Dinge kennst und die Geschicke lenkst!
29 Ich bitte dich, du mögest unsere Herzen wieder in Eintracht zusammenbringen, damit wir ein Freudeleben geniessen nach der Zeit der Entfremdung. -
30 So antwortete nun rasch auf die mit Reimen geschmückten Verse, da doch ein Redestrom von mir ausging wie ein wildbrausender Fluss!
(S. 10-12)
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13.

Jemand in Brede bekam ein Weib zu Gesicht, während er selbst mit seinem Bruder - ihre Angehörigen waren in Gseba - dort als Gast sich aufhielt. Er war aber Sklave und das Weib eine Freie; daher konnte er sie nicht zur Frau erhalten; aus Liebe zu ihr wurde er jedoch wie verrückt und dichtete über sie folgende Kaside:

1 Letzte Nacht zeigten sich schon die Anzeichen der Morgenröte, während meine Wimpern noch über das Fehlen des Schlafes zu klagen hatten.
2 Nun habe ich seit achtzehn Nächten keine Ruhe mehr genossen, mich abarbeitend, ohne Ergebnis.
3 O Ali! Ich erblickte die Schöne mit ihren gefärbten Handflächen; du wirst mich tadeln, wenn ich behaupte, sie sei aus Noahs Geschlecht.
4 Durch mein Herz drangen samharische Lanzen; ich rief: "Lass ab davon, zuzustossen!" Sie erwiderte: "Du bist schon tot."
5 Sie sagte: "Nimm dir ein Beispiel an denen, <die vor dir dahingegangen sind!>" "Aber es ist ja, o du Inbegriff der Schönheit, kein Profit, uns umzubringen!"
6 Ich sagte: "Wer Sünde begeht, darf auf kein Glück hoffen. Du wirst nicht erst heute dadurch berühmt, dass du mich umbringest."
7 Ich sagte: "Lass ab von mir, wenn du auch sonst den Lebensfaden abschneidest! Mit Allem, was du thust, bin ich einverstanden."
8 Wenn sie schwankenden Schrittes einher geht, so denke ich, sie muss fallen; aber sie geht sorglos weiter, und . . . . .
9 Sie würde den jungen Antilopen, welche die Steppe Dahi beweiden, gleich sein, wäre nicht das Klirren ihrer Fussspangen und ein Täfelchen auf ihrer Brust.
10 Ihre Brüste sind zwei Brüderchen; kein schreiendes [Kind] ist an ihnen. Eine berührt die andere; möge sie vor dem bösen Blicke bewahrt bleiben!
(S. 12-13)
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17.

Einer hatte eine Geliebte und pflegte mit ihr längere Zeit Umgang. Hernach aber erfuhren es Freunde von ihm und hielten ihn von ihr ab, und auch mit ihr redeten sie, und sie entsagte ihm, so dass sie ihn nicht mehr besuchen konnte. Da dichtete er über sie folgende Kaside, indem er sich bei einem Freunde in Silfi beklagte:

1 Ach wie unglücklich ist einer, dessen Wimpern der Schlaf der Gerechten flieht und dessen Körper die Liebe und die Sehnsucht angegriffen haben!
2 O weh! Im Innersten meines Busens wird ein Tamburin geschlagen, und das Herz ist beinahe gebrochen, während es früher gesund war,
3 ob der Trennung von einer [Geliebten], die durch ihre Schönheit die Antilope überragte; über sie vergiesse ich so viele Thränen, dass damit Durstige getränkt werden könnten.
4 Eine junge Gazelle, welche meine Verstörtheit mittels ihrer Lippen aufhebt; aber sie, die vom Geschlecht der Paradiesesjungfrauen Stammende ist nicht geneigt, den verbotenen Weg, der zum Unheil führt, zu betreten.
5 Sie hat geflochtene Locken, die so lang sind, dass sie mit den Füssen darauf tritt; sie <gleichen> den unteren Flügelfedern männlicher Strausse.
6 Und sie hat grosse schwarze zauberische Augen, und auf ihren Wangen liegt stets Mondlicht; durch welches wir, wenn es finster ist, den richtigen Weg finden.
7 Und am Busen stramme, Porzellantässchen gleichende Brüste, an denen noch kein Kind gesogen hat und entwöhnt worden ist.
8 Noch steht sie in ihrer ersten Jugendfrische: sie zählt neun Jahre. Ihre Erscheinung macht [mich] alle übrigen Menschen vergessen.
9 Gegenüber der Wunde, die mir die Schöne geschlagen hat, sind die Ärzte ratlos und alle Bemühungen der besorgten Verwandten erfolglos.
10 Daher habe ich meine Sache in die Hand Dessen gelegt, der alles Geheime kennt, und habe herbeigeholt von den krummhalsigen, behenden
11 eine kräftige [Kamelin], deren Gestalt [an Magerkeit] in Folge des beständigen Antreibens dem [Buchstaben] Dschim gleicht, eine, welcher das Durchwandern der rauhen Wüstenstriche hart zugesetzt hat.
12 Ihre Hufe sind <abgenutzt>, ihre Brustschwiele ist wie ein kleines Brenneisen und berührt die Oberschenkel nicht; ihre Beine stehen weit auseinander.
13 Auf ihr ist Nichts als der Reitsattel, die Sitzdecke und ein junger Diener, der Freund eines ins Unglück Geratenen; er überbringt meinen Gruss
14 dem, der der Ernährer der abgemagerten Reitkamele ist; dem, der die Zornesglut derer, die uns Schaden zufügen, löscht; dem, der stets der Schrecken der Feinde und der Inbegriff der Freigebigkeit ist.
15 Er ist tapfer in der Schlacht; er macht die <Ungerechtigkeit> vergessen; er ist der rührigste der Menschen, wenn er die Kette am indischen Schwert lockert.
16 Über wie manchem Kadaver kreiste schon, nachdem Jener Drohungen ausgestossen hatte, der mit den Flügeln schlagende [Aasgeier], dem er Futter verschaffte!
17 Er hält sich fern von allem Tadelnswerten, allem Schmutz und allem Bösen; er ist ein junger Löwe, der alle angesehenen Leute überragt.
18 Richte ihm von mir Grüsse aus, sovielmal als Mensch im heiligen Bezirke die Kaba betreten oder das Pilgerlaufen mitmachen oder die Stätte [Abrahams] umziehen;
19 oder sovielmal als Winde durch heftiges Wehen die Spreu forttragen, oder als Wolkenschauer regnen und sich ergiessen.
20 Oder so viel als Menschen von Adam her in den Mutterleibern entstanden sind, oder sovielmal als das Pulver aufblitzt, wenn die Leute schiessen.
21 Sprich: Wie denkst du, o Mohammed, über die, welche mich darob tadeln, dass ich über sie Nachrichten einzuziehen suche?
22 Sie gab ihre <Verpflichtungen> auf und entsagte dem Umgang mit mir; die schlechten Leute hielten sie davon ab, mit mir Vereinigung zu suchen.
23 Wenn das, was mir begegnet ist, dem harten Fels zustiesse, so würde er Schaden leiden, und die Gewalt der Winde würde den Stein in kleine Teile zerstieben machen.
24 Ob der Trennung von ihr bin ich im Innern [voll Wehmuth] wie . . . . . , und Würmer nagen an meinen abgemagerten Knochen.
25 Antworte mir bald bald auf mein Gedicht! Denn das Ende der Dinge ist ein Stück Leinenzeug; aber der, an den meine Worte gerichtet sind, versteht [<die Zeit>] zu benutzen.
(S. 16-18)
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18.

Einer bekam ein Weib zu Gesicht; sie gefiel ihm, aber er war nicht im Stande, sie zu gewinnen, weder sie zu heiraten noch sie zu verführen; da dichtete er über sie eine Kaside, indem er einen seiner Freunde gegenüber Klage führte:

1 O wie unglücklich ist einer, von dessen Wimpern die Sorgen den Schlaf verscheuchen, und <eine Lage>, in der schwere Prüfung eingetreten ist!
2 Und der Leber, o Beschützer der üppigen [Frauen], thut eine Krankheit weh, die tief sitzt und herrührt von jenem, der sie heilen könnte.
3 [Meine Geliebte ist] ein Gazellenjunges, wie es selten in der Welt vorkommt, eines, dessen Eigentum [hohe] Schönheit ist, das an Eleganz die Paradiesesjungfrauen übertrifft, mit schlankem Leibe.
4 Beklagt doch einen Mann, welchem Krankheit ins Herz gedrungen ist! Denn sie, die in der Finsternis der tiefsten Nacht leuchtet, hat sich nun abgewendet.
5 Eine verzärtelte Schöne hat mir hart zugesetzt und mich unglücklich gemacht, und ihr böses Spiel hat die zarten Kräuter meines Herzens versengt.
6 In ihrem Munde sind gleichsam die reinsten Perlen an einander gereiht, und den kostbarsten geläuterten [Honig] bergen ihre Lippen.
7 Und schwarze grosse [Augen], in welchen der Todespfeil . . . . . . ; ich vergehe, wenn ich aus ihrem zu Boden gesenkten Blick den Zorn herausfühle.
8 Und ihre Wange ist wie ein Sommerblitz, der strahlt an dem Orte, wo er auftaucht; sie leuchtet, wenn ihr Schleier gehoben wird, hell wie jener.
9 Und ihre Brüste hat sie, an denen noch kein kleines Kind gesogen hat, dass sie sie dadurch verunstaltet hätte, und einen Hals, womit sie einem jeden, der sie sieht, die Ruhe raubt.
10 Sie ist schlank am Leib, aber mit hohen Hinterbacken. Gnade! Möchte ich vor ihr bewahrt bleiben! Die Schönheit Marias ruht auf ihr.
11 Und lange Locken hat sie, als ob die Nacht sie bedeckte; dieselben gleichen dicken Seilen und ermüden die, welche dieselben flechten.
12 Meine Sorgen, meine Krankheit, mein Kummer rühren alle von der Trennung von ihr her; mein Streben und mein Wunsch ist, mich an ihren Leib zu schmiegen.
13 O Abu Schehab! Prüfe meine Lage und bedaure sie! Dem Auge bekommt es nicht gut, dass es weint.
14 Ich weine ob der Liebe zu einer jungen Gazelle, nach deren Umgang ich mich sehne; aber das viele Weinen bringt dem Auge nur Blindheit.
(S. 18-19)
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19.

Einer der Einwohner von Brede hatte einen Freund in el-Gese; dieser Letztere bekam ein Weib zu Gesicht und verliebte sich in dasselbe. Da schickte er an seinen Freund in Brede eine Kaside, und sein Freund in Brede antwortete ihm mit einer Kaside.

1 O ihr Reiter, o die ihr sitzt auf den edeln Tieren, ihr Kamelreiter! Haltet die Köpfe der Tiere zurück, um auf mich zu warten!
2 Vernehmt von mir seltsame Gesänge, hübsche, die tief aus meinem Innern geschöpft <vorgetragen> werden!
3 Verse wie Edelsteine auf der Tafel eines Aufsehers; die aus aneinandergefügten Reimstrophen bestehen, <ein prächtiges Futter, wenn Jemand verliebt ist>.
4 Gedichtet von einem der Liebe Ergebenem, dessen Thränen stromweise wie Regen aus einer sich unter Blitzen entladenden Wolke herabrinnen.
5 Es hat sie einer gedichtet, der längst vom Dichten zurückgekommen war; aber ohne Zweifel ist dem Menschen beschieden, was ihm bestimmt ist.
6 Was beschlossen ist, wird durchgeführt, und Alles hat seine Gründe. Was auf der [himmlischen] Tafel geschrieben steht, wird [dem Menschen] zugeteilt.
7 Es spricht sie ein Herz aus, welches getroffen ist von der Liebe, die heisser brennt, als die Kohle des Ghadastrauches auf durchglühtem Boden.
8 Veranlasst von zierlichen zahmen Gazellen, [besonders] einer jungen, die mir hart zusetzte, wenn sie mit den Augen zwinkerte.
9 Ob der Trennung von ihnen vergeht wahrlich mein Leib, und wegen des Verlustes der geliebten Wesen <weicht meine Leber von ihrer Stelle>.
10 Überbringt meine Botschaft dem, der wie ein Freudenfest für abgemagerte Reittiere ist, dem Helden im Kampf, wenn die Vorhut des Heeres <wirren Lärm macht>!
11 Der [mit Blut] die Spitze der langen mit Straussenfedern gezierten [Lanze] tränkt. Gott gewähre ihm in der Welt Glück!
12 Er wird ja dem, den von den Schönen ein Missgeschick betraf, dem, den der Zahn der Trennung biss, helfen
13 und ihn mit staunenswerten enggereihten [Versen] überraschen und damit bei dem Schwergeprüften ein heftig flammendes Feuer löschen.
14 Was mich so sehr angegriffen hat, ist die Trennung von der Geliebten; so sind nun meine Glieder in Folge der Trennung von ihr ganz zerschlagen.
15 O Abu Fahad! Beeile dich die Reitkamele zurückzuschicken und die Verse, die bei dir mit dem Reime da eingegangen sind, zu erwidern!
(S. 19-20)
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21.

Einer liebte eine Frau; dieselbe war seine Geliebte, und fünf Jahre hindurch schlief er regelmäßig bei ihr vom Abend bis zum Morgen. Nach Verlauf von fünf Jahren aber verheiratete sie sich; sie nahm einen Vetter und sagte sich von ihrem Liebhaber los, indem sie Nichts mehr von ihm wissen wollte. Da dichtete er über sie folgende Kaside:

1 Gestern Abend stöhnte ich, indem meine Stimmung sehr trübe war, so, wie ein Tapferer stöhnt, wenn er sieht, wie er von einem Gefährten schlecht behandelt wird.
2 Oder wie derjenige stöhnt, der eine tiefe Wunde erlitten hat, indem eine Flintenkugel beim Beginn der Schlacht ihm Schenkel zerschmetterte.
3 Ich weine, indem meine Thränen wie die eines Trauernden rinnen, und mein Herz ist durch die harte Behandlung, die ihm das Geschick angethan hat, versengt.
4 Wegen einer Freundin, die mich in die Prüfung der Liebe gebracht hat, einer lustigen, die mich mit süssem Kosen [sonst] unterhielt.
5 O wie <herrlich> wurde ich durch die Süssigkeiten, die sie mir bot, gelabt, und griff mit der Hand - die wohl einmal dafür wird zur Rechenschaft gezogen werden - ihre Haarlocken.
6 Und wir brachten Nachts uns vergnügend die Stunden der Lust zu, bis das Licht der Morgenröte sichtbar erschien.
7 Und wenn ich dann fortgehen wollte, sagte die Traute: "Komm bald wieder! Ich kann ja die Trennung von dir nicht aushalten."
8 Heute aber will die Geliebte Nichts mehr von mir wissen, indem sie aus ihren Verwandten einen unnützen Menschen zum vertrauten Umgang wählt.
9 Wenn <sie> dich über mich befragt, so sage ihr, ich sei in den Staub getreten und sei nicht so viel wert, als ein Feuerstahl in seinem Säckchen!
10 Mir bleibt Nichts übrig als zu weinen und zu seufzen; ich schleiche am Stocke einher; nachdem jene Lust nun vorüber ist.
(S. 21)
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25.

Einem Manne, der in Brede wohnte, schickte einer seiner Freunde, der in Sbach zu Hause war, eine Kaside zu in Betreff eines Mädchens, das er zu sehen bekommen hatte; dann hatten sie einander geliebt; aber später war sie fortgezogen und hatte ihn im Stiche gelassen. Darüber schickte er nun an seinen Freund eine Kaside, und sein Freund antwortete ihm mit einer Kaside:

1 Willkommen, sovielmal als ein Regenguss fällt, durch welchen die Pflanzen gedeihen, oder sovielmal als die Tauben aus Fröhlichkeit den Wechselgesang anstimmen!
2 Oder als Pilger den heiligen Lauf machen und die Kaba umkreisen und dann hingehen nach Arafat, um das Schlachtopfer zu bringen.
3 Oder als Vögel mit den Flügeln schlagen, oder als Winde <die hochgehenden Wellen, die regelmäßig wiederkehren, vorwärts treiben>.
4 [Willkommen also bringe ich] einem Schreiben, das bei mir eingegangen ist, und in welchem herrliche Verse eines gewandten Dichters stehen, der in seinem Sange wohlgefügte Strophen gebaut hat.
5 O Abu Fahad! Du beklagst dich darin über den Verlust einer Hochbusigen, Schlanken, an deren weisser Stirne gleichsam Kerzen strahlen.
6 Eine Kokette, Fröhliche [ist sie], die mit den Gazellen Eigenschaften teilt; Hals und . . . . . ., o Muhammed und Bewegungen.
7 Und [sie hat] am Busen zwei, Granatäpfeln ähnliche Brüste, die das bunt gefärbte mit Aufschlägen verzierte Hemd emporheben.
8 Und eine Taille, die der Spule . . . . . . gleicht, und braunes herabhängendes [Haar], das über die hohen Hinterbacken <herabwallt>.
9 Wenn Dies, o Muhammed, sich bei deiner Geliebten findet, so bist du nicht zu tadeln, dass du Freudenmelodien anstimmst.
10 Ich will dir nur sagen: auch an mir hat sich vor dir eine Verwundung gezeigt, und ich klage es dem Herrn der Geschöpfe, der die geheimen Dinge kennt.
11 Er möge eine Vereinigung mit der zu Stande bringen, welche mich durch ihre Abkehr schwer traf, während sie früher in Bezug auf ihre Freundschaft so treu war.
12 Und die Verbindung mit ihr ersetzte mir alle anderen üppigen [Weiber], und in der Vereinigung mit ihr, o Freund, habe ich Wonnen genossen.
13 Und wenn dir nun einmal zugestossen ist, wovon du mir berichtest, so freue dich, dass du schlanke und rasche [Pferde] hast, welche die Geliebte entführen können,
14 und tapfere Freunde, die <rasch sind>, wenn sie einen Zug unternehmen; die dir deine Geliebte bringen können, wäre sie auch jenseits des Meeres von Sehat.
15 Selbst wenn zwischen ihr [und euch] das Reich des grossen Dammes und der Perser wäre, so könnten sie sie doch mit starker Gewalt und mittelst ihrer Anschläge herbeiholen.
16 O Abu Fahad, wir müssen deine Geliebte notwendig herbeischaffen mit Hilfe des Allvermögenden, der die sieben Himmel über uns erschaffen hat.
(S. 25-26)
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27.

Einer gelangte nach Hit; da erblickte er am Flusse eine Anzahl Weiber und bat sie um Wasser, indem er zu ihnen sagte: "Ich bin durstig und hier fremd; reicht mir zu trinken!" Da forderten sie eine Frau, die sich unter ihnen befand, auf: "Gieb doch diesem Fremdling zu trinken!" Die Frau aber sagte zu ihm: "Mit Ausnahme des Unerlaubten sei dir Alles gewährt, dessen du bedarfst!" Da dichtete er über sie folgende Kaside:

1 Am Flusse bei Hit stiess ich auf Gazellen, die Antilopen glichen; vom [Ansehen] ihrer Brüste werden Alle krank, die Anlage zur Liebe haben.
2 Sie fragten: "Wohin? Da antwortete ich den Schönen: "Ich bin durstig; mein Herz sowohl als mein Auge hoffen auf Wohlthaten von euch."
3 Nun forderten sie Chesna, die Tochter dessen, der die Spitze der Lanze [mit Blut] tränkt, auf: "Reiche doch einem Fremdling, dessen Augen von der Liebe hart geplagt sind, zu trinken!"
4 Da sprach die Schmachtende, die mit langen Flechten und grossen Augensternen: "Mit Ausnahme dessen, was vom Propheten verboten worden ist, sei dir Alles gewährt, dessen du bedarfst!"
5 Sie begrüsste mich, indem sie mir dabei die Besinnung raubte, und gab mir zu kosten Wasser aus dem Paradiesesbrunnen, das hellpolierten [Zähnen] entströmte, perlengleichen.
6 Lob sei dem, der ihr, der Paradiesesjungfrau, auf dem Busen granatenähnliche Brüste geschaffen hat, an denen noch kein kleines Kind gesogen hat!
7 Ihre Taille ist schlank; das Licht ihrer Wangen wie weisses Papier; mein Herz ist ganz von ihr gefangen; ich habe keinen andern Gedanken als an sie.
8 O wie oft hat sie mich Speise und Trank vergessen machen! Dann legten wir uns auf die Matratzen und Kopfkissen unter einem leichten Mantel zum Schlafe nieder.
9 Wenn sie sich vor mir das Gesicht entblösst und [sich] in die [langen] Ärmel hüllt und den dünnen Schleier von der kristallähnlichen Wange entfernt,
10 beginne ich unruhig mich nach allen Seiten zu wenden ob der Empfindung, die mich überkommt, als ob ich ein Gebissener wäre, in den der Zahn der Schlange sich tief eingehakt hat.
(S. 27-28)
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28.

Einer bekam eine Anzahl Frauen zu Gesicht und verliebte sich in eine derselben, ein unverheiratetes Mädchen. Da pflogen sie längere Zeit mit einander Umgang; dann sandte er einem seiner Freunde eine Kaside, um ihn zu benachrichtigen, wie es mit ihm stehe:

1 O Ibn Umaijan, an den meine Klage gerichtet ist, mit meinem Verstand ist's aus! Ich betete eine mit blanker Stirne an und liess [alle anderen] Begierden fahren.
2 Mein Herz ist zwischen den Mädchen in ihrer frischen Jugend geteilt; sie haben mich durch ihr Zuwinken unterjocht, und ich liess mich gefangen nehmen.
3 Ein Feuer ist in mein Innerstes gedrungen; wenn es eine <Bergkette> träfe, würde sie schmelzen. Ich aber suche mich zu fassen gegenüber den Herrlichen.
4 Sie sind hochbusig, sittsam; an ihren Halsgruben prangen Kerzen; an ihrem Leittiere schimmert strahlendes Licht.
5 Sie hat alle Antilopen sich zu ihren Dienerinnen gemacht; sie ist über sie Meister, dem willfahrt und gehorcht wird.
6 Ihr Name ist zweiundachtzig; sie ist der Glanz der Erde, Milch der edlen Kamelinnen und ein Chrysolith am Finger.
7 Das ist <ihr> Name; Niemandem als mir hat sie in Liebe willfahrt, und noch kein Reiter hat, bevor ich kam, ihr ein Gebiss angelegt.
(S. 28-29)
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32.

Einer bekam zwei Weiber zu Gesicht und verliebte sich in dieselben; da blieben sie längere Zeit mit einander in Liebe verbunden, wobei ihm [stets] die eine lieber war als die andere. Ihre Angehörigen wohnten in Brede; später aber brachen sie von Brede auf und zogen fort, ohne dass er erfahren konnte, in welcher Ortschaft sie sich niedergelassen hatten. Da dichtete er über die beiden folgende Kaside, indem er sich klagend an seinen Freund wandte:

1 Es singt derjenige, der mit seltenen Redwendungen wohlvertraut ist und Verse in noch nicht dagewesener Art zu machen versteht.
2 Er handelt in seinem Sang von dem, was er sah und liebte, und schreibt seine Verse auf gerade Zeilen nieder.
3 Bei ihm finden sich <die besten Sorten> der Poesie; er braucht nicht darnach zu suchen: einem Verliebten werden die Schwierigkeiten der Dichtkunst leicht.
4 Dazu, dass ich meinem Liebesschmerz Ausdruck gebe, brachten mich zwei Antilopen, die nun in die Ferne gezogen sind, unbeschreibliche, zwischen welchen zu wählen mir schwer wird.
5 Eine jede von ihnen übertrifft alle andern wohlgehüteten [Mädchen]; die Blicke bleiben erstaunt hängen an ihnen, deren Lippen so süss sind.
6 Ohne Zweifel nimmt eine von ihnen in meinem Herzen einen Rang ein, durch den sie alle anderen jungfräulichen Schönen in meinen Augen überragt.
7 Ihre Hinterbacken sind hoch; wenn ich, der ich von Liebe zu ihr hart mitgenommen bin, an sie denke, so bleibt mein Fuss mitten im Schreiten stehen.
8 [Diese Weiber] sind nun aufgebrochen und fortgezogen, ohne dass ich weiss, wohin sie sich gewandt haben; das Verborgene kennt ja nur der Eine, der Schöpfer.
9 Und in Verzweiflung darüber, dass ich meine Geliebten nicht mehr hier finde, habe ich mir eine wilde [Kamelin], eine . . . . .  aus der Wüste geholt,
10 an deren Weidplatz niemals eine menschliche Gestalt gekommen, <um zu wehren, dass ihre Jungen an ihr saugen>; eine, welche ganz nach ihrem Belieben die <zuträglichen> Wüstenkräuter abweidet.
11 Sie ist gewohnt, in den weiten Strecken der Steppe zu laufen; wenn sie zum <Laufe> angetrieben wird, ist sie wie ein Zauberstock.
12 Es findet sich Nichts an ihr als zwei Brustschmuckbänder, die sie in schwingende Bewegung versetzt, und ein kleines Sättelchen und eine Fessel für die Füsse.
13 Und ein Beredter, der zuverlässigste unter allen Menschen, gewohnt die Wüste auf Kamelen zu durchreiten, ein Waghalsiger.
14 Lass sie vor Sonnenaufgang aus dem Thalgrunde von Fehan aufbrechen und begieb dich zu meinem Freunde; dort wirst du [gastliches] Feuer antreffen!
15 Du wirst finden, dass er, der Löwe, alle Kaffeegerätschaften hübsch in Ordnung gestellt hat und dass seine Kännchen, die von Christen verfertigten, [zur Klärung vom Feuer] abgerückt sind.
16 Wenn er einen Boten erblickt, wird er sich ganz erheben; was für ein trefflicher Freund ist er, wenn alle Quellen der Tiefe versiegen!
17 Er ist ausserordentlich freigebig, er, Abu Hamed von edler Ahnenreihe; umgänglich gegenüber seinem Nächsten, aber ein Haudegen gegenüber seinen Feinden.
18 Sage ihm: O Feredsch, habe ein Auge auf meine schlimme Lage; nach vier Tagen wirst <du> sonst mein Grab besuchen!
19 Sei darauf bedacht, die Schöne zu suchen und gieb mir Kunde, damit ich sie zu sehen bekomme und meinen Gedanken eine andere Richtung gebe!
20 Ihr Name ist Damascus, und ihre Brust ist ein Tässchen, und der Canopus ihr Licht, und in mich ist das Gift der Schlange gedrungen.
21 Das ist <ihr Name>. Die Wege des Hässlichen hat sie nie betreten, und seit sie geboren wurde, hat sie den Schöpfer niemals erzürnt.
(S. 34-35)
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33.

Einst ging Jemand in Brede gegen Abend die Strasse hinab; da erblickte er auf einer Dachterrasse ein Weib, das auf ihn hinabschaute; diese brachte ihn ausser sich und er dichtete über sie eine Kaside, indem er einem Freunde gegenüber seine Klage aussprach:

1 Meine Wimper flieht der Schlaf, meine Brust ist beengt, und ich glaube nicht, dass vor mir ein Verliebter durch die Liebe [so] in Not kam.
2 Um derentwillen, die ich erblickte, wie sie von der Terrasse hinabschaute, zur Abendzeit, als leichte Wölkchen die Sonne bedeckten.
3 Die Liebesschmachtende steckte Alles, was in meinem Herzen sprosste, in Brand, und feuerte von der Dachterrasse Treffschüsse auf mich ab.
4 Sie, die mein Denken beschäftigt, hinderte mich daran, meinen Weg zu verfolgen, - sie, die Gebieterin der Antilopen, die Zarte, mit schönem <Gürtel>.
5 Ihre kristallähnliche Wange gefällt in ihrem Glanze denen, die Liebe suchen, und packt die Herzen derer, die ein weiches Gemüt haben.
6 Und das Haar fällt in Flechten hinten über ihre Schulter hinab; fortwährend wird Moschus in Menge darüber ausgegossen.
7 Sie ist von schlanker Taille; ihre Hinterbacken sind wie Sandhäufchen; ich habe unter allen Geschöpfen nie ihresgleichen gesehen.
8 Gepriesen sei Gott, der seine Geschöpfe verschiedenartig erschaffen hat und unter die Menschen seine Gaben [verschieden] verteilt.
9 Meine Geliebte ist von den andern wohlbehüteten [Mädchen] in Betreff der Schönheit so verschieden wie Gold, für das Kupfermünzen eingewechselt werden.
10 Und nun habe ich mir einen [Kamelhengst] mit weit von einander abstehenden Kniegelenken, der zwei Jahre lang in Tajasi die Stengel abweidete, geholt;
11 einen mit hohem Rücken; der Sattel sitzt ihm wegen seines Fettes eng an; auf ihm ist eine Packtasche, ein Zügel und Troddelschmuck,
12 und ein Beredter, der mit mir in Bezug auf seine Ansichten übereinstimmt. Von mir weg brach er auf und kehrte ein bei dem, der die Not lindert.
13 Obu Alewi, <in den das mit kostbaren Steinen geschmückte Mädchen verliebt ist>, Ibn Hamed, <der tapferer ist als alle Helden>.
14 Und wenn auf die schmächtigen [Pferde] die schönen Sättel gelegt werden und der Staub die Sonne verdunkelt und der Platz zu enge wird,
15 und die Scharen in Kampfpreis gestellt und die Fahnen entfaltet werden, und die Einen gegen die Anderen marschieren und Diese gegen Jene getrieben werden, -
16 dann trennt er den Geliebten von seiner Geliebten und spaltet den Feinden, er, der [sonst] der Inbegriff der Freigebigkeit ist, die Bäuche.
17 Dir spreche ich meine Klage aus über eine Geliebte, die wie der Vollmond strahlt; wenn meine Geliebte sich von mir eine Weile fern hält, ertrage ich es nicht.
18 Das Schreiben ist nun bei dir angelangt, so säume nicht, sondern antworte bald und wünsche mir gute Schickung von oben!
(S. 35-36)
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34.

Einer besass eine Geliebte; da wurde er krank und konnte längere Zeit nicht zu ihr kommen. Hierauf schickte sie ihm ein Schreiben, enthaltend einen Gruss und eine Kaside, und er schickte ihr folgende Kaside:

1 Ich begrüsse das Schreiben und begrüsse die, welche das Gedicht verfasst hat; ich begrüsse sie, sovielmal als Menschen ihren Gott anflehen.
2 Oder als Asrael ein Geschlecht nach dem andern hinwegrafft, oder als Michael einen Regenguss zumisst, dessen Wasser er überall hin sich ergiessen lässt.
3 Oder sovielmal als der Ochse der sieben Erdschichten Geschöpfe trägt, oder als man nach den Gebeten Gott preisend nennt.
4 Oder als Menschengeschlechter sich ablösen, von Adam und Abel an gerechnet, bis Israfil in die <Trompete> stösst.
5 Oder als Kräuter wachsen, nachdem der Regen sie getränkt hat, oder als es Stunden giebt im Verlaufe der Zeit, oder Worte geredet werden.
6 [Ich bringe ihm entgegen] einen ausserordentlich schönen Willkommensgruss, der herrlicher duftet als Ambra . . . . . . ,
7 und süsser ist, als Nectar mit Honigtrank gemischt; und in ihrem Speichel ist Rauschtrank und in ihrem Blick Zauber.
8 Eine Stirne hat sie, auf welcher Kerzen leuchten; und wenn der Strahl des Blitzes sich zeigt, so ist ihre Wange sein Ausgangspunkt.
9 Ihre Locken und ihre Wangen gleichen dem Lichte der Morgenröte, die über die Nacht Herr wird, und ihr Hals und ihre Augen sind <die des Führers einer Antilopenherde>.
10 O du glänzender Stern, o du Kerze unseres Geschlechts! Ein Gedicht ist mir von dir zugekommen, über welches ich klagen muss.
11 Sie sagt: Du vergissest mich, da ich nicht nach dir frage. Welch Unrecht! Wie könnte ich - bei Gott sei's geschworen - dich vergessen!
12 Wahrlich, es vergeht keine Stunde, da ich mir nicht einbilde, dich vor mir mit Augen zu sehen und mit dem Munde deinen Labetrank zu kosten.
13 O wie oft habe ich mich mit allen Kräften nach der Vereinigung mit dir gesehnt, mit derselben Sehnsucht, die der Sohn Jakobs in seinem Kerker nach seinem Vater empfand!
14 Und wie oft hat gleichsam eine Kette mich im Innern fast erstickt; und wie oft rufe ich: Ach wie schlimm steht's mit einem, dessen Krankheit im Heilmittel selbst besteht!
15 Und wie oft weinte und seufzte ich, wie die Nachtigallen klagen! Deinetwegen setzten Thränen die Wange in Glut und machten sie bluten.
16 Ich bin von der Liebe tief ergriffen und wie besessen; auch wenn gesagt wird, was die Tadler sagen, so höre ich es und beachte es nicht.
17 O Gott, ich beschwöre dich, so wahr "das Licht" und so wahr die Offenbarung und so wahr die Geschichte des Jonas ist, als er in die Prüfung geriet, -
18 du mögest meine Leidenschaft und Liebe zu einem guten Abschluss bringen, [nämlich] dass ich eine Gazelle gewinne, auf deren Lippen meine Arznei, meine Krankheit sowohl als mein Heiltrank ruhen!
(S. 36-37)
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38.

Einer hatte eine Geliebte in Brede; aber er kam längere Zeit nicht zu ihr, sodass sie ihn nicht zu sehen bekam. Da schickte sie ihm einen Gruss, und er dichtete über sie folgende Kaside:

1 Willkommen dem Gruss, der von meiner Geliebten mir zukam; Willkommen, sovielmal als Abendrotwolken zusammen aufziehen!
2 Oder sovielmal als Wolken Regen fallen lassen, oder als Blitze an ihren Rändern aufleuchten.
3 Oder als verschiedene Blumenstengel emporsprossen, oder als Pilger ihren Geleitsmännern Tribut zahlen.
4 Ich bringe ihm ein Willkommen entgegen, das süsser ist, als Kamelsmilch, wenn Zucker und Wein aus Mesopotamien ihr beigemischt ist.
5 Und nun, o der du reitest auf einem behenden Kamele, mit hohem Rücken, einem, dem der Sattel ob des Fettes zu eng ist.
6 Nichts liegt auf ihm, als eine Packtasche und ein Troddelzierrat; es ist von edler Rasse und verlangt keinen Treiber.
7 Mache dich auf den Weg, mein Freund! Mögest du vor Schaden bewahrt bleiben! Überbringe die schönen Verse auf diesen Blättern
8 an den Beschützer seiner Verwandten, ihn, der die spitze [Lanze mit Blut] tränkt; ihn, der für die Leute, deren Kamele verschmachten, ein . . . . . Tränkplatz ist!
(S. 39-40)
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45.

Abdallah er-Rebi liebte eine Frau, die im Nedschd, in der Ortschaft Ibn Seuds wohnte, er selbst aber war in Suk. Er war sehr stark verliebt; daher dichtete er folgende Kaside:

1 Von mir einen Gruss an sie, welche die Trennung beschloss! Überbringt ihn in einem Schreiben, o ihr, die ihr von dannen zieht!
2 Einen Gruss von einem Verlassenen, den der Liebesschmerz stark angriff, den seine Leidenschaft zum Spotte seiner Angehörigen und der Fremden machte.
3 O wie herrlich ist für euch, die ihr schlafen könnt, die finstere Nacht, während meinem Auge der süsse Schlummer verwehrt ist!
4 Wenn ich [früh Morgens] die girrenden Tauben höre, so schlägt die Leidenschaft zwischen mir und der Scham das Thor zu.
5 Ich trage Kälte zur Schau, während doch meine Thränen sich ergiessen ob einer Feuerlohe, die so stark ist, dass der härteste Felsen, wäre er von ihr getroffen, schmelzen würde.
6 Aus Nedschd kam Niemand, der mir Nachrichten brächte, oder mit mir redete, wäre es auch ein Lügner.
7 Brecht auf, o ihr Reiter, die ihr sitzt auf edlen, raschen, gut trabenden, gleich Brunnenrädern, eiligen!
8 Sie gleichen einem Rudel aufgescheuchter Strausse, wenn sie schwankend in der Ferne . . . . . . ihres Weges ziehen.
9 Wenn der Nichtsnutzige sich an süssem Schlafe ergötzt, so bezeuge ich, dass auch das . . . .  auf ihren Sätteln angenehm ist.
10 O ihr Reiter! Wenn ihr zu den Wohnstätten Dehamas kommt und sich euch von Seiten der schläfrig blickenden [Frau] Jemand, der <euch bewillkommt>, zeigt,
11 und wenn [die Leute] sich nach mir erkundigen, und Tadel laut wird, - so entschuldigt mich, o ihr Leute von edler Abstammung!
12 Sagt: "Heute hat er ein fruchtbares Jahr; aber <wenn seine Zeit um ist, wird er unter dem Boden vor dir verborgen sein!>"
13 Es fragte mich der Arzt: "Wozu hast du Lust?" Ich antwortete: "Nach Vereinigung mit einer hübschen, Liebesspiel Pflegenden, die jenseits der Höhen der Hügel wohnt."
14 Er besann sich; dann sprach er: "Ja freilich, Arznei für dich läge unter dem Gesichtsschleier." Ich sagte: "Jawohl; sie bestände im Speichel einer Frau mit honigsüssen Zähnen."
15 Sie ist eine Labe für mein Herz; fern von ihr kann ich es nicht aushalten, wäre nicht der Mann von edlen Ahnen, er, der die Köpfe abschneidet.
16 Wenn man sich über ihn erkundigt, so sage ich: er ist einer der vollen Schutz gewährt. Ein Schech, der [grosse] Lasten auf sich nahm, als seine Zähne noch nicht durchgebrochen waren.
17 Ein sicherer Hafen, wenn der Hintergurt dem Vordergurt nahe gerückt ist; der Beschützer aller wohlbehüteten [Weiber] in ihren Sänften.
18 Ein Falke; wenn er seine Schwingen entfaltet und Kreise zieht, habe ich meine Lust daran, zu sehen, wie er seine Tatze und Klaue einschlägt.
19 Hoher Ruhm ist etwas Bleibendes, auch der <Leib> zerfällt. Es möge keiner am Leben bleiben, der an andere Thüren klopft, als an die ihrigen!
(S. 48-49)
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46.

Muhammed es-Salih el-Kadi aus Anese war ein hervorragender Dichter seiner Zeit. Einst geriet er in Liebe zu einer Frau, . . . . .; viele Tage und Jahre hindurch besuchte er sie, und sie besuchte ihn. Aber eines Tages nahm seine Freundin ihm Etwas übel und schmollte ein ganzes Jahr; er schickte ihr freundliche Worte; er schickte ihr Geld, kostbare Kleider und seidene Hemden. Da merkte der Gatte der Frau das Verhältnis zwischen Muhammed el-Kadi und seiner Frau und gab ihr die Scheidung. Ihre Angehörigen aber wohnten in einer andern Ortschaft, Namens Schakra. Da dichtete Muhammed über die Frau folgende Verse:

1 Die Trennung trat ein und brachte das Geheimnis, das verborgen gewesen war, an den Tag, und mein Herz konnten die geschickten Ärzte nicht heilen.
2 Mein Herz ist wie starr, mit Ketten gefesselt, im Gefängnis Josephs . . . . . obwohl es noch jung war.
3 Mir haftet die Krankheit Hiobs und das Unglück, das Jonas befiel, an; ich vergiesse die Thränen des Traurigen; ich habe begangen, was er beging.
4 Eine Krankheit hat mich befallen, wovon alle Menschen zusammen nicht den zehnten Teil ertragen können; wenn dieselbe einen der härtesten Felsen befiele, würde er schmelzen.
5 Ein Zauber hat mich so angegriffen, indem das Geschick ihm die Erlaubnis dazu gab. O weh! Mein Haar wurde grau, während ich doch noch jung bin.
6 Ich habe eine Geliebte, die . . . . .; <sie überragt an Schönheit> alle Andern mit schlanken Hälsen.
7 Eine junge Gazelle, an deren Locke ein Lichtglanz erstrahlt, und ihre Brauen sind eine in der Kaba von einem Anzünder angesteckte Kerze.
8 Und ihre Blicke sind ein indisches Schwert, ein geschärftes, und <Lanzen, mit welchen gestossen wird, und sie bewirft [die Leute] mit Pfeilen>.
9 Und zwischen ihren Lippen steckt Etwas von edelsten Perlen, Edelsteinen und Chrysolithen, womit die Herzen verzaubert werden.
10 In ihr ist der Zauber von Harut und Marut verbunden, und <Liebeslust> wird gekostet und geholt von ihrer Stirne.
11 Eine in Bezug auf alle Schönheit Vollkommene, Herrliche; ich bin von ihr getroffen mit einem Pfeil, welcher die Seele [mir aus dem Leibe] zieht wie ein Haspel.
12 Meine Seele wird zum Verkauf ausgeboten, wie es bei einem Verschuldeten geschieht. O wie kann sich einer, welcher auf sie bietet, ein Verdienst erwerben!
13 Ich habe das Hemde der Erinnerung ausgebreitet und Verborgenes hervorgezogen, . . . .; es ist bloss Klage an den Tag gekommen, und die Thränen rinnen.
14 Der Thränenerguss lässt Blut eines Unglücklichen herabströmen. Mein Herz und Auge sind durch die <Geliebte> ganz eingenommen.
15 Ich lasse es über mich ergehen, wenn die Leute sagen: er ist verrückt; ich bin taub und unempfindlich gegenüber ihrem Gerede.
16 Es würde mich Niemand tadeln, wenn man meinen Zustand kennte; wer mich tadelt, möge durch eine Rosenwangige ebenso ins Unglück gestürzt werden!
17 Mögen ihn die zu den Dschinnen gehörigen Satane forttragen und mit ihm durch die sieben [Erden] hinabfahren, so dass sieben Jahre Niemand von ihm redet!
18 In Folge der Liebe zu einer Herrlichen, welche meinen Körper, es sei geschworen, so dahinschwinden machte, wie ein Schreibrohr, das in der Hand eines Geschickten und Schreibkundigen ist, zugespitzt wird.
19 O Ali! Ist denn, dass man einen Menschen töten darf, gesetzlich festgestellt? Gebt mir doch ein Gutachten, in welcher Sekte und nach welchem Offenbarungsbuch Das erlaubt ist!
20 Es kamen gute Ratgeber aus der Zahl meiner Verwandten zu mir, um mich zur Entsagung aufzufordern; sie riefen: O welch trauriger Zustand! O wie schade um den Unglücklichen!
21 Ich wies sie zurück, indem ich sie beschwor: O schwatzt doch nicht mit mir, ihr Leute! Das viele Schwatzen und Zureden hat noch niemals genützt, -
22 wenn ihr <das Gefallen dessen hervorrufen> wollt, dem ihr dient, des Herrn aller Herren, der die zerfallenen Knochen wieder beleben kann!
23 Bei Gott! Ich mag euer Schwatzen nicht hören, wenn ihr auch noch so laut in mich dringt und Alte und Junge unter euch mir zusetzen.
24 Ausser so, wie Pharao auf das hörte, was Aaron sprach, oder ein Toter die Stimme des Klagenden vernimmt.
25 Ich befinde mich im Wadi et-Tih, während ihr schwatzt; zwischen mir und eurem Schwatzen ist ein grosser Zwischenraum und eine Scheidewand.
26 Die Vernunft hat sie mir entführt und den Verstand mir genommen, sodass er [jetzt bei ihr] in Versatz ist; und meine Seele ist wie zwischen Bohrer und Zange.
27 O Ali! Das Ende des Lebens . . . . . ; so rechne nicht darauf, dass ich weiterhin noch unter den Lebenden bin!
(S. 49-50)
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47.

Nimr ibn Adwan, Schech der Adwan, hatte eine Frau, eine Gattin; dieselbe lebte zwölf Jahre bei ihm. Er liebte sie sehr; auch gebar sie ihm einen Sohn. Der Sohn hiess Akab, die Frau Wadha. Aber Gott fügte es, dass sie starb. Als sie starb, befiel ihn beinahe Wahnsinn, und er heiratete nach ihrem Tode achtzig Weiber, Töchter von Beduinenschechen; aber allen gab er wieder die Scheidung und wollte Nichts von ihnen wissen, weil er eine ihresgleichen suchte, aber keine fand. Er dichtete über sie viele Kasiden.

1 Das Schreibrohr tauchte in die Tiefe der Tinte, es tauchte unter; über das Blatt Papier, o mein Herz, schweifte es,
2 und beschrieb einen Liebeskummer, der im Innern ein Feuer entfesselte, welchem das Feuer Nimrods an Gluth nicht gleicht.
3 Ich heule wie ein Wolf, Tag und Nacht, und stöhne wie ein altes Kamel, das sich im Stall aufhalten muss.
4 In Folge davon, dass ich sie verlor, o Akab, sind meine Augen ohne Schlaf, und ist es, als ob eine Säge die Spitze meines Herzens abschnitte.
5 O Akab! Nein, schwöre ich bei Gott, der <die Tage> kreisen lässt, der die Arche Noahs über die Tiefen der Meere fahren liess,
6 und der Alles, was auf der weiten Welt ist <und läuft>, erschaffen hat, oder was an Pilgern und Wallfahrern zum heiligen Tempel hinzieht:
7 wenn die Töchter der Beduinen in einer Reihe hintereinander daher kämen, auf ihren Sänften, entblössten Gesichtes, jede auf einem Kamel,
8 und wenn die Töchter der Ansässigen, alle die von hochangesehenen Leuten abstammen, daher kämen, . . . . wie Blumen,
9 und wenn sie zu mir kämen bei Tagesanbruch und man mich aufforderte: Auf, Nimr! Sieh zu und triff eine Wahl!, -
10 so würde ich keine andere Wahl treffen als die, an welche ich stets denke, die Genossin, mit welcher . . . . .  meines Geistes entfloh.
11 Der Duft ihres Atems war wie der von . . . . ., und zwischen ihren Lippen war Süsstrank, wie der in der Hand eines Schenken.
12 Ihre Farbe war braun, sowie weiss und rot, und ihr Hals war wie der [der Gazelle], welche die Kräuter der Steppen abweidet.
13 In ihr war die Naturanlage von Geparden und die <Störrigkeit> von Tigern, und die Schönheit Josephs überragte sie an Glanz.
14 Wenn Jemand mich tadelt, ist er entweder ein Stier oder ein Esel. Der Stier ist aber ein Stier, wenn ihm geheissen wird: Gehe im Kreise!, - so dreht er sich.
(S. 51)
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50.

Muhsin, Schech von el-Harik - el-Harik gehört zum südlichen Teile des Wadi Dowasir, vier Tagereisen entfernt - Muhsin war ein verliebter Mensch, der seine Freude an schönen Mädchen hatte. Da bekam er einmal ein gewisses, schönes, prächtiges Mädchen zu Gesicht und dichtete über sie folgende Kaside in Vierzeilern:

1 Gestern Vormittag traf ich die Gazelle von Afasch, eine Gazelle, deren Augen geschminkt waren, die mein Inneres erregte. Ihre Wange glich einem Blitz, der des Nachts . . . . . . dahinfährt an den Rändern schwerer Wolken, die Regen entsenden.
2 Ich fuhr aus dem Schlafe auf, als ich vermeinte, den Duft, der von ihr ausgeht, zu riechen; ich sprang auf und bewillkommte sie, die mit mir vertraulich reden kam, und sagte ihr insgeheim, bevor es allen Leuten offenbar ward: "Auf, labe mich mit einem Trank von deinen scharfen [Zähnen]; sonst will ich Nichts!"
3 Sie sprach: "Ich fürchte, du könntest die . . . . . benachrichtigen." Ich schwur ihr: "Ich will Niemand Etwas von uns sagen, nur Gott blickt auf uns und er verzeiht es, wenn man <etwas an den Locken zieht>.
4 Sie sprach zu mir: "Begieb dich zum Sohne des Geistlichen; frage ihn, ob das Ziehen an ihnen erlaubt oder nicht eher zu vermeiden sei!" Ich antwortete: "Ich habe den Sohn des Geistlichen bereits um ein Gutachten gebeten; er sagte, das Ziehen an den Locken sei nichts Schlimmes."
5 Sie sagte: "Wir wollen das Gesetz befolgen in Bezug auf das, was es gebietet, wenn auch sonst die Mädchen mit massiven Spangen keusch sind, so lange ich am Leben bin, bevor mein Leben aufhört. Wenn du aber dein Liebesverlangen gestillt hast, so sei bussfertig und thu' es nicht wieder!"
6 Denk an den Ort des Rendezvous, wo wir gestern sassen; als zum Gebet gerufen wurde, warf ich mich nieder auf ihr Hemd! Während die Leute ihr Gebet verrichteten, warf ich mich einigermal zwischen ihren Brüsten nieder, bevor wir zusammen redeten.
7 Ich schwor: "Es soll Niemand von uns Etwas erfahren, ausser den [neben uns stehenden] Schuhen." Leider aber riss sich beim Liebesspiel eine Schmuckkugel los. Sie sprach: "Ich verbot dir doch, mir in die Haare zu greifen; ich möchte nicht, dass man erführe, ich hätte Etwas verloren."
8 Sie ging ihren Ring suchen, <am Orte wo wir gewesen waren>; und wirklich war eine Schmuckkugel in Folge der Umarmung losgerissen. <Sie, welche, was im Herzen aufgegangen war, erntete und dann niedertrat>, sie fachte die Liebe an, o ihr, die ihr die Enden der Haarflechten auflöst!
9 Wenn meine Geliebte des Weges geht, so werde ja nicht ungeduldig! Blickt doch hin, wie da, wo sie hintritt, Cardamomen aufgehen! Sie würde auch auf frischer Butter keinen Eindruck hinterlassen, wenn sie darauf träte. Sie, die mit hohen Hinterbacken, ist leichter als eine Feder.
10 Ich nahm ihre Locke fest in die Hand und schüttelte ihre Haare; dann entfernte ich von ihr, der mit strahlender Stirne, den Schleier. Hierauf kämpften die Ritter meines Heeres und ihre Soldaten mit einander. Aber ich marschierte gegen ihre Truppen, indem ich ein Siegeslied sang.
11 Ihr Name, o ihr, die ihr die Geliebte nicht kennt, ist eine Taube, und der Geruch von in der Nähe befindlichen Kaffeebohnen, und ein Granatstrauch, an welchem überall Früchte hangen, und ein lautloses [Kamel], wie es sich der wünscht, dessen Reiseziele weit entfernt sind.
(S. 53-54)
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68.

Es war einmal einer, Namens Ibn Dschelek, er stammte aus dem Nedschd und war in es-Suber ansässig; einmal, als er sich in Suk esch-schijüch befand, träumte er, seine Cousine [seine Frau] sei gestorben. Da dichtete Ibn Dschelek über sie folgendes Gedicht:

1 Es besuchte mich am späten Abend ein Traumbild, das sprach: Wach auf, du <Böser>! Einer wie du sollte nicht schlafen.
2 Wenn du wüsstest, welche schrecklichen Dinge sich ereignet haben, würdest du auf zwanzig Jahre hinaus der Schläfrigkeit entsagen.
3 Ich sagte: He da, o du Feiner, ich beschwöre dich beim Propheten! O <Böser>, was hat sich denn von schlimmen Dingen ereignet?
4 Jener sprach: Gestorben ist die Schmachtende, die mit so vielem Liebreiz! Sie hat einen Becher ausgetrunken, in welchem ihr ein Todestrank bereitet war.
5 Ich sagte: Mögen schreckliche Unglücke dich <bedrohen>! Wer sagt es? Wer bürgt für diese <umgehende> Kunde über sie?
6 Er sprach: Ich traf am Sonnabend einen grossen Haufen Leute; an ihrer Haustüre war ein Gedränge von zarten Frauen.
7 Es fasste mich ein Schreck und ich schickte einen Boten, um Erkundigung einzuziehen, um mir Gewissheit zu bringen.
8 Er sagte: Deine Freundin ist dahin; darüber ist nicht zu reden; Gott im Himmel hat ihr ein schönes Ende gewährt.
9 Als die Geliebte zur Waschung hingebracht wurde und man ihr die Leichentücher zur Bekleidung zuschnitt, -
10 da hörte ich, als man ihr die Fussspangen, die Ohrringe, die Neumonde und den Nasenring abzog, ihre Mutter
11 dich laut rufen und hörte sie sagen: O möchte doch Abu Wadha [noch einmal] ihr das Tuch vom Munde heben!
12 Man rüstete sie zu; dann luden sie angesehene Männer aus ihrer Verwandtschaft, teils mütterlicher, teils väterlicher Seite auf [ihre Schultern].
13 Es <fuhren> die wohlgehüteten [Weiber] wie von Sinnen <auseinander>, indem sie mit lautem Geschrei ihr Lebewohl und ihre [letzten] Grüsse darbrachten.
14 Und sie trugen sie nordwärts zum Betplatze, und die Angesehenen stellten sich alle mit gekreuzten Armen hinter den Vorbeter hin,
15 um Gott zu bitten, <dass ihr durch sein freundliches Entgegenkommen ein schöner Garten im Paradies als Aufenthaltsort zu teil werden möge>.
16 Und sie trugen die Geliebte südlich von . . . . .  zu der Stätte südlich von Hasan el-Basri.
17 Und sie machten für sie im Boden eine Grube so lang als ein Körper ist und gerade zwei Spannen breit.
18 Und es senkten sie hinab fünf tapfere hochherzige Männer, die für den hohen Abwesenden einstanden.
19 Als Kopfkissen gaben sie ihr statt des früheren weichen Seidenstoffes einen Backstein auf dem Boden eines <im lockeren Sande ausgemauerten [Grabes]>.
20 Über sie warfen sie <Steine von den> Erdhügeln und stellten die Leichensteine als Kennzeichen für sie auf.
21 Hierauf kehrten sie rasch wieder um in die Stadt hinein; die Liebesschmachtende aber liessen sie dort östlich von jenem Heiligengrabe
22 auf einem herrlichen weiten Gartenplatze, wo die Giessbäche <anprallen>, zwischen Ibn Sirin und den hochedlen Gefährten [Muhammeds].
23 Wie ich selbst sah, kamen rasch die Gazellen, die in der Umgegend sich herumtrieben, zu ihrem Grabe, aus Zuneigung, um einen Besuch abzustatten.
24 Und die sonst so flüchtigen wilden Thiere <aus jeder Steppe verweilten> bei ihrem Grab, um sich daran zu <ergötzen>.
25 Und die Turteltauben girren von nun an klagend, wie Tauben girren.
26 Und die [in der Luft] kreisenden Vögel aller Art beschatten es, dort verweilend, ebenso wie die Wolken.
27 Es giebt Keinen, den in unserer Zeit so Schreckliches betroffen hätte; wie könnten ihm die Augen zufallen, und wie könnte er süssen Schlaf geniessen? -
28 Da stand ich erschreckt auf und fiel ihm in die Rede: Halt inne, du Verfluchter, weiter zu reden!
29 O wie schade ist es um die Liebesschmachtende! O wie schade um die Gazelle der <Felshöhlungen>, um die mit hohen Hüften, aber am Gürtel Schlanke!
30 O wie schade ist es um die Liebesschmachtende, die einem schwankend einhergehenden wilden Kamele gleicht, mit geschmeidigen Schultern und gedrungener Statur!
31 O wie schade um meine Geliebte! Ich kann niemals auf Ersatz für sie hoffen! Von allen Weibern ausser ihr will meinesgleichen Nichts wissen!
32 Entschwunden ist die Hellglänzende, die Anmutreiche, ihrem Freunde und ruht nun in einer finsteren Grabhöhle.
33 Ich glaubte nicht, dass das Licht des Mondes aufhören könnte zu scheinen, und dass der Vollmond dann sogar in der Erde begraben werden könnte.
34 Wenn den Todesboten grosse Gaben von der Anmutreichen hätten zurückhalten können, so hätten wir, wenn es uns noch so viel gekostet hätte,
35 ihm ausgiebige Geschenke, bestehend aus vielem Vieh gebracht und keinen Preis für zu hoch erachtet.
36 O ihr, die ihr mich tadelt, lasst euer Schelten auf mich! Mit Allen, die mich tadeln, will ich brechen.
37 Wenn ihr, die ihr mich scheltet, Verstand hättet, so würdet ihr einsehen, dass bei einem Zustand, wie der meinige ist, kein Tadel am Platze ist.
38 Ich kann, da ich abgemagert und wie eine dünne Rute bin, kaum mehr aufrecht stehen; es sind nur noch mein Körper und meine Knochen übrig.
39 In Folge der Trennung von der Zarten zeigen sich an mir grosse Schäden; mein Körper ist abgemagert und ich bin wie vergiftet.
40 Wie kann Einer sein ganzes Leben lang mit Vorwürfen oder <guten Lehren, was er zu thun habe>, überschüttet werden, der so schwer erkrankt ist?
41 Ich habe keine Energie und keine Kraft mehr dazu, ein weiteres Jahr zu leben, als durch Gott, der bei solchen Verlusten meine Stütze ist,
42 Der Mitleid fühlt, wenn sich Jemand zu beklagen hat, und dessen Güte sich rasch zeigt; ich habe Niemand als Gott, er hilft den Geschädigten.
43 Gott rufe ich an, ihn beschwörend beim Propheten und der heiligen Jungfrau, bei der Sure der Weiber und des Sinai und beim heiligen Tempel.
44 Ich will mich in Geduld fassen, und dann wird dieses Leiden aufhören. Gedankt sei einem Allgütigen, der seinesgleichen nicht hat!
(S. 81-83)
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74.

Muhsin el-Hassani dichtete Folgendes:

1 Hole mir rasch einen Schreiber und rücke ein Tinterfass in meine Nähe, lieber Freund! Sodann gieb
2 mir Papier und schneide mir die Feder spitz zu! Ich möchte, ohne dass die Neider Etwas davon erfahren,
3 Verse niederschreiben, welche glänzend sind, welche die Sänger sich stets aufs Neue von mir merken.
4 [Verse], die Perlen und Smaragden gleichen, welche die Weiber auf Halsbänder nahe aneinandergefasst aufreihen.
5 Und <holt> mir . . . . . [Kamele], die gekrümmten Bogen oder schön gebogenen Palmzweigen gleichen,
6 <starke>, welche jede Wüste durchziehen können, gesunde, gut trabende, eilige;
7 <breitmäulige, bewegliche Dromedare>, welche Einem das Entfernteste in den Wüsten nahe rücken;
8 welche bei . . . . . brüllen, und Einen nahebringen und ferne tragen;
9 welche auf die Weide geschickt worden sind, und seit vier Jahren zwischen Damch und Nijufi
10 die <noch unberührten> Kräuter abweiden, die auf den Fluren sprossen, hervorgetrieben durch den Regen, der aus den hinteren Teilen der Wolken gefallen ist!
11 Indem sie die Steppen eilig <im Wettlauf> durchmessen und in der Ferne verschwinden,
12 gleichen sie einem Rudel von Straussen, die, nachdem sie ruhig geweidet hatten, auseinanderstoben, weil sie scheu wurden und <Netze> erblickten.
13 Oder einem Fluge von Katavögeln, die, bedrückt von der Hitze des Glutwindes, <zur Mittagszeit> rasch nach einem Wassertümpel hinfliegen.
14 O ihr Reiter, die ihr die trefflichen, Straussen ähnlichen, bei der nächtlichen Reise hinundherschwankenden Kamele gesattelt habt, -
15 reitet nun weg von den Hügeln der Wohnstätte von Harik, zieht mit ihnen weg [und wartet mir] auf dem Gipfel der <Sandhügel>,
16 so lange, bis ein Tässchen [Kaffee] getrunken ist! Dann wird euch ein Schreiben von mir zukommen, welches Grüsse enthält, sovielmal als Pflanzen emporblühen,
17 [ein Gruss], der an Wohlgeruch das Aroma des Zibeth übertrifft, oder dessen Geschmack die Süssigkeit des Candiszuckers überragt.
18 Früh morgens brechen sie auf von Dschara Naam und gegen die Vesperzeit hin lassen sie Misolat zur Seite liegen;
19 und in der Nacht am dritten Tage trinken sie ungefährdet das <faulige> Wasser, -
20 mit einem Willkommen, sovielmal als Thränen aus überfliessenden Augen auf den Busen niederfallen;
21 aus [meinem] innersten Herzen gerichtet an Saad, der von Jugend auf nie den Weg ehrloser Handlungen bestritten hat;
22 der in seinem Herzen mich liebt, wie seit langer Zeit in meinem Innern Liebe zu ihm vorhanden war!
23 Trotz der Länge der Zeit bleiben in meinem Busen die Gärten der Liebe zu ihm blühend, -
24 blühend in Folge des Regens der Wolken der Zuneigung, grünend durch Bezeugung des Wohlwollens und der Freundschaft.
25 O du Ziel meiner Wünsche! Du, an den gerichtet ist, was ich singe, - der du meinem Auge lebenslang ein Labsal bist, -
26 ich möchte bei dir Klage führen in Betreff meiner Liebe zu Langhalsigen, Joseph an Schönheit Gleichenden Rotlippigen, -
27 solchen, die die Menschen berauben, mit ihren dunkelschwarzen Augen, - Schamhaftigen, in festen Häusern Wohlbewahrten;
28 die den Blick nicht weit hinlenken; solche, hinter denen die Vollmonde, auch wenn sie in der dunkeln Nacht ihre höchste Stelle erreichen, zurückbleiben;
29 ganz mit ambragleichem Dufte; solche, die ihre Schönheit sitzend und stehend behalten;
30 die im Herankommen und Weggehen, wenn du sie siehst, in allen Schönheiten und Vorzügen erstrahlen;
31 die mit den Augen und dem süssen Munde berücken, indem sie Augenspiel treiben und lächeln.
32 Ihre Locken, ihre Backen, ihre Wangenflächen sind lang herunterhängend, schimmernd und zart.
33 Ihre Locken, ihre Brüste, ihre Fussspangen sind wallend, rund und <unbeweglich>.
34 Ihre Hinterbacken, ihre Brustbeine, ihre Unterleiber sind hoch, fein und mager.
35 In Bezug auf Liebesvereinigung, Versprechungen und Lügen sind sie trügerisch, geizig und reich.
36 Es beglückten mich die Herrlichen zur Zeit, da <meine Jugend noch frisch> war, mit Liebesvereinigung und Liebesgetändel.
37 Aber sie verleugneten mich, als sich an mir graue Haare zeigten; möge Gott den Schönen nicht mit Gutem vergelten!
38 Noch niemals haben sie einem Liebhaber Gutes erwiesen, sie, die <reich an> Versprechungen und Täuschungen sind.
39 Ein zehnfaches Unheil, o Freund, - ja, ein Unheil ist jegliche Liebe zu einer, die wie Antilopen einen langen Hals hat!
40 Sie haben mich bald mit Biegsamkeit, bald mit Gradheit gepeinigt, und mit einem Lächeln, das funkelnden Blitzen glich.
41 Bald durch Annäherung, bald durch Entfernung, und durch Zublinzeln und Schütteln ihrer flatternden Locken.
42 Bald durch Weggehen, bald durch Erscheinen, durch <Schöpfen eines Trunks> und durch Gewährung, an ihren honigsüssen herrlichen [Lippen] sich zu letzen.
43 Bald durch Vereinigung und Ansichziehen, bald durch Sprödigkeit; und bald durch Erzählen ergötzlicher Anecdoten.
44 Bald durch Dienstbeflissenheit und Freundlichkeit, bald durch <Verstrickung in Schuld>; bald dadurch, dass sie Einen mit ihren herrlichen Wohlgerüchen berauschten.
45 Was die Jungfrauen wünschten, ging ich herbeischaffen; wenn ich aber Etwas von den Jungfrauen wollte, hiess es: Gieb her!
46 Wenn ich um vertrauliches Zusammensein bat, so sagten sie: Ja, wenn die Nacht angebrochen ist! Wenn ich dann Etwas für heute Nacht wünschte, so sagten sie: Morgen!
47 Und wenn ich an den Jungfrauen durch Kälte Vergeltung üben wollte, so setzten sie mir, o Freund, Schweigen entgegen.
48 Wenn ich mich dann - um zuzusehen, was es geben würde, - stellte, als ob ich mir sie aus dem Sinne schlüge, so kamen sie mir mit strömenden Thränen zuvor.
49 Vielleicht geschieht es entweder, oder es <steht bevor>, dass die vergangenen Zeiten, da ich mit ihnen zusammen war, für mich wiederkehren.
50 Nun also wirst du, - o du, der du dem Gegner unheilvoll, aber dem <Verbannten> eine Zuflucht, und den wohlbewahrten [Frauen] eine Schutzwehr bist,
51 wohl denken, dass ich über die Liebe zu ihnen hinweg sei. Nein, - beim Amma, beim Duha und bei den Mursalat sei's geschworen, -
52 sie schweben mir noch immer vor, ob ich wache oder schlafe, wenn auch ihre Wohnstätten noch so fern und weit weg sind!
53 Du wirst wohl denken, dass ich darüber hinaus sei, wenn ich in weiter Entfernung weilte. Nein, so ist es nicht! Ich schwöre es bei Dem, der die festgewurzelten Gebirge erschaffen hat!
(S. 97-99)
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78.

Muhsin, Schech von el-Harik, hatte einen älteren Bruder; derselbe hiess Meschari. Ihr Vater Othman besass ein Grundstück mit vielen Dattelpalmen, zu welchen man, wenn es geregnet hatte, Wasser leitete. Einmal in der Nacht war der Himmel mit Wolken überzogen; als nun der Regen aus den Wolken herabströmte und die Bachbetten voll waren, befahl Othman: "Muhsin, geh hin und leite heute Nacht das Wasser zu den Dattelpalmen!" Da machte sich Muhsin auf den Weg, um das Wasser zu den Dattelpalmen zu leiten. Als er aber im Begriff war, die Ortschaft zu verlassen, stand dort ein Mädchen unter der Thüre ihrer Angehörigen und fragte ihn: "Wohin, Muhsin, willst du heute Nacht?" Er antwortete: "Ich will das Wasser zu den Dattelpalmen leiten." Sie aber sagte: "Bleibe bei mir! Ich will mit dir heute Nacht kosen." Da verweilte Muhsin bei ihr bis zum Tagesgrauen. Als dieses sich zeigte, nahm er von ihr Abschied; dann begab er sich zu seinem Bruder; Dieser fragte ihn: "Warum hast du das Wasser nicht zu den Palmen geleitet?" Er erwiderte: "Ich habe mich irgendwo hingelegt, und der Schlaf hat mich übernommen!" Da versetzte ihm sein Bruder einen Schlag; nun beklagte sich Muhsin über seinen Bruder Sed durch folgendes Gedicht:

1 In der Nacht, als zu uns der Regenbach kam, o Sed, begab ich mich zu der mit blanken Zähnen, der Gebieterin der langhalsigen [Gazellen].
2 Ich bog ihren Hals mittelst der Locken zurück und drückte einen Kuss auf Zähne, die noch kein Anderer geküsst hatte.
3 Ich berauschte mich an dem Duft ihrer Locken und küsste Rosen auf ihrer papierweissen Wange.
4 Ich sass bei ihr im Innenwinkel des Hauses, indem wir uns der Reihe nach wechselseitig den Wein des Speichels zu kosten gaben.
5 Sie gab mir lauteren Wein zu trinken, so dass ich wie berauscht wurde; ich aber spendete ihr Milch mit Süsstrank.
6 Als meine Geliebte sich wieder <erholte>, und ich mich wieder <erholte>, und ein Jedes von uns wieder nüchtern wurde vom Rausche der Leidenschaft,
7 erhob ich mein Haupt zu den Sternen und bemerkte, dass das Licht der Morgenröte sich schon am Horizont zeigte.
8 Da wollte ich aufbrechen; sie aber fasste mich am Ärmel, und ich fasste sie an den Locken und küsste sie achtmal hinter einander.
9 Sie beschwor mich: "Du darfst nicht von hier und dich von mir trennen, ohne dass du mir feste Versprechungen und Zusicherung giebst,
10 dass du wieder Vereinigung mit mir erstreben willst, wenn ich von dir fern bin, und dass du dich in keine andere von den Schönen verlieben wirst.
11 Da schwor ich bei den Versen von Amma, bei der Kaba, beim allgemeinen Betplatze und bei Dem, welcher die sieben Schichten [der Welt] erschaffen hat:
12 seit meiner Jugend habe ich nie Liebessehnsucht nach einer Anderen empfunden, - ja, meinem Auge hat ausser dir nie Eine gefallen!
13 O Sed, nun sind es zwei <Jahre> her, seit ich meine Geliebte nicht zu sehen bekam; ich frage aber stets nach ihr, und mein Herz ist voll Sehnsucht [nach ihr].
14 Und meine Sinne sind leidenschaftlich entbrannt, sie zu erblicken; daher ging ich an ihrer Hausthüre vorbei, und es traf sich gerade, dass sie herausschaute.
15 Ich winkte ihr mit den fünf [Fingern], o Sed, und wandte mich ab. Ich sagte ihr einen Gruss, und sie erwiderte ihn ohne Zögern.
16 Sie sprach: O Gott! O Gott! <Als ob du nicht hörtest>, bist du weggegangen, nachdem wir so teuere Freundschaft geschlossen und uns mit Küssen gelabt hatten.
17 . . . . . Genug! Du begehrtest mich und wolltest Etwas von mir; dann aber standst du davon ab, o du, dessen Liebe dem Bedürfnis meines Herzens entsprach!
18 Ich sprach zu ihr: Damals als du lange nicht mehr mit mir zusammenkamst, fühlte ich mich hart bedrückt; alle weichen Teile meines Innern wurden versengt.
19 Ich bin es, der in Folge der langen Trennung von dir sich fortwährend wie ein Verrückter auf allen Gassen herumtrieb.
20 Nun aber, da meine Thränen etwas nachlassen, suche ich Hilfe bei [Tauben] mit buntem Gefieder und zierlichen Halsstreifen,
21 welche alle zusammen ob der Trennung weinen, <o gäbe es doch Einen>, der die Trennung von der Schwarzlippigen nicht gekostet hätte!
22 O Tod, hättest du doch nicht Vierzig dahingerafft und meine Geliebte verschont, nach welcher meinen Augen Keine mehr zusagt!
23 Wenn die Seele des Lebenden auf den Toten übergehen kann, so bin ich . . . . . . . . .
24 O wie oft hat meine Seele des Nachts <an Kuwet> einen herrlichen Gruss geschickt, der mit Wohlgeruch alle Landstriche erfüllte!
25 Es giebt keine Stunde, in der ich während der finsteren Nacht mein Gebet verrichtet hätte, ohne dass ich dabei Gott, den Spender aller Gaben, angefleht hätte!
26 Er möge meiner Geliebten in den obersten Paradiesesgärten eine Wohnung bereiten, wo sie von allen <Sträuchern> die Früchte, die ihr zusagen, pflücken kann!
(S. 104-106)
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Aus: Abhandlungen der philologisch-historischen Classe der Königlichen Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften
Neunzehnter Band:
Diwan aus Centralarabien
Gesammelt, übersetzt und erläutert von Albert Socin [1844-1899]
Herausgegeben von Hans Stumme
Leipzig bei B. G. Teubner 1901 Teil II. Übersetzung


 



 


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