|
Neugriechische Liebeslieder
Das Ständchen
Am Thor von Saloniki
Ein tapfrer Jüngling sass;
Sein Haar war aufgeflochten,
Er trug in seiner Hand
Ein Lautenspiel von Golde
Und sang und sprach dazu:
Ihr goldnen Fensterrahmen,
Ihr Silberladen ihr,
O saget eurer Herrin,
Nach mir heraus zu schau'n.
Ich bin kein Drach' und Löwe,
Will sie verschlingen nicht.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss
(S. 29)
_____
Dimos
O Dimos, deiner schönen Augen Paar,
Die Brauen, die gemalten,
Sie machen, Dimos, dass ich werde krank,
Sie machen, dass ich sterbe.
Zieh', Dimos, aus der Scheide deinen Stahl,
Zerschneide mir die Kehle,
Und fange, Dimos, auf mein rothes Blut
In einem goldnen Tuche.
Durch die neuen Dörfer, Dimos, trage das,
Und durch die zehn Kantone,
Und wenn sie fragen, Dimos, was das sey -
Das Blut von meiner Lieben.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss
(S. 33)
_____
Der Abschied
O du, mein rothes Nägelein, du blaue Hyazinthe,
Neig' dich zu mir, dass ich dich grüss' und dass ich süss dich küsse!
Ich will aus diesem Lande ziehn, mein Vater heisst mich gehen.
O du, mein rothes Nägelein, du blaue Hyazinthe,
Neig' dich zu mir, dass ich dich grüss' und dass ich süss dich küsse!
Ich will aus diesem Lande ziehn, meine Mutter heisst mich gehen.
Gekommen ist die Zeit und Stund', in der wir sollen scheiden;
Wir werden uns nicht wiedersehn, und ach, mein Herze blutet,
Dass wir uns sollen scheiden hier und nimmer wiedersehen.
Die Augen schwimmen in Thränen mir und drehen sich wie Räder,
Dass wir uns sollen scheiden hier und nimmer wiedersehen.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss
(S. 39)
_____
Die Verwünschung
Mein lieber, goldner, heller Mond, der du zur Ruh' dich senkest,
Bring' meinem Liebsten einen Gruss, dem Räuber meines Herzens.
Er küsste mich und sprach zu mir: Ich will dich nie verlassen!
Und jetzt hat er verlassen mich wie Stroh auf leerem Felde,
Wie ein gebanntes Gotteshaus, wie ein zerstörtes Städtchen.
Ich möcht' ihn wohl verwünschen gern, doch fühl' ich Mitleid wieder;
So quälet sich mein Innerstes, so quält sich meine Seele.
Doch besser, ich verwünsche den! Gott mache, was er wolle,
Mit meinen Seufzern, meinem Schmerz, mit Flammen und mit Flüchen!
Ersteigt er den Zypressenbaum, zu pflücken seine Blüthe,
Von oben stürz' er dann herab, zu Boden fall' er nieder!
Er breche wie ein Glas entzwei, er schmelze, gleich dem Wachse!
Er fall' in Türkensäbel erst und dann in Frankendolche -
Fünft Aerzte, dass sie halten ihn, zehn Aerzte, die ihn heilen!
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 43)
_____
Die Aufsagung
Die Zagoriner Schiffe, sie segelten dahin,
Er segelte, mein Lieber, dahin in's fremde Land,
Er sendet keine Briefe, er sendet Antwort nicht,
Und jetzo nach zehn Jahren, jetzt schickt er einen Brief,
Dabei zwölf Golddukaten in einem goldnen Tuch:
(Und schreibt dazu die Worte mit rabenschwarzer Schrift:)
Willst freyen, Kind, so freye, willst nicht, in's Kloster geh'!
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 45)
_____
Die Aufträge des sterbenden Liebenden
Wann du vernimmst, Geliebte mein, dass ich sey krank geworden,
So eile schnell zu mir daher, sonst wirst du todt mich finden.
Und wann du kommst und wann du gehst durch unsre grosse Thüre,
Dann, meine Vielgeliebte, dann lös' auf des Hauptes Flechten,
Und frage meine Mutter erst: Wo ist dein Sohn, o Herrin? -
Mein Sohn ist in der Kammer dort allein auf seinem Lager. -
(Dann öffne meine Kammerthür und tritt zu meinem Lager)
Leg's Pfühl mir unterm Kopf zurecht, damit ich auf mich richte,
Und halte mir den Kopf so lang', bis meine Seel' entfliehet.
Und siehst du, dass der Priester sich die Stola überhänget,
Dann, meine Vielgeliebte du, dann küsse meine Lippen.
Und wann auf ihre Schultern mich vier starke Bursche heben,
Dann, meine Vielgeliebte du, dann wirf auf sie mit Steinen.
Und wann die vier mich tragen fort, hinweg aus deiner Nähe,
Dann, meine Vielgeliebte, dann schneid' ab dir deine Flechten.
Und setzen sie mich wieder ab wohl vor der Kirchenthüre,
Dann, meine Vielgeliebte, dann zerrauf' dich gleich der Henne.
Und ist mein Todtenpsalm zu End', und löschen sie die Kerzen,
Auch dann, du Vielgeliebte mein, hab' ich dich noch im Herzen.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 55)
_____
Die Verwünschung eines Liebenden
Ich ging vorbei an deiner Thür und sahe dich entrüstet:
Es lag dein Kopf herabgesenkt auf deiner rechten Wange.
Da schlug mein Herz mir hoch empor, dass ich dich musste fragen,
Was du für Leid im Herzen hast, dass ich dich trösten möchte. -
Was frägst du, Ungetreuer, mich? Du musst es ja wohl wissen,
Dieweil du mich verlassen hast und gehst nach einer Andern. -
Mein Täubchen, wer hat das gesagt? Wer, meine kühle Quelle?
Mein Liebchen, wer es hat gesagt, er sterb' in dieser Woche!
Sagt' es die Sonn', erlösche sie, ein Stern, er fall' herunter,
Und sagt' ein junges Mädchen es, das finde keinen Freier.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 69)
_____
Die Liebenden
Es liegt ein schönes Mägdlein krank um einen Mann in Liebe,
Um einen Mann mit blondem Haar, und hat ein grosses Leiden.
Da kommen drei Gespielinnen, die Traurige zu trösten,
Die eine trägt Basilikum, die andre eine Birne,
Die, welche sie am besten liebt, ein Tüchlein feucht von Thränen.
Die eine Freundin klagt sie an, die andre sie verspottet:
Wie? Haben wir denn nicht geliebt so gut wie du, wir beide?
Doch haben wir ein eisern Herz und eine trockne Leber. -
Die, welche sie am besten liebt, entgegnet ihnen eilig:
Ihr beide, wenn ihr habt geliebt, so war's ein hässlich Schwarzer,
Doch jener, welchen diese liebt, er hat zwei Engelsaugen. -
O Mädchen, die du so ihn lobst, geh auch, ihn mir zu holen. -
Mach' Wasser heiss und bade mich und kämme mich mit Kämmen,
Und flicht mir meine Haare dann, so geh' ich, ihn zu holen. -
Ich bade dich, ich kämme dich, - doch nimm ihn mir nicht selber. -
So wahr ich lebe, Freundin, nein; ich bin ja nicht von jenen. -
Geh, lass die Berge hinter dir, und vor dir lass die Hügel;
Wo du ein grünes Fähnlein siehst, da ist sein Vatererbe. -
Sie lässt die Berge hinter sich, sie lässt vor sich die Hügel,
Bis sie ein grünes Fähnlein sieht, und trifft sein Vatererbe.
Sie sieht ihn, wie er isst und trinkt mit Nachbarn und Archonten,
Er hat viel Schönen hier zur Seit', und viele dort zur Seite;
Doch Alles das genügt ihm nicht, und fragen thut er jene:
Sag', Schöne mir, bei deinem Heil, wohin dein Weg? Von wannen? -
Du hast viel Schönen hier zur Seit', und viele dort zur Seite,
Doch Alle das genügt dir nicht, und mich auch thust du fragen.
Doch die, mit der du bist verlobt, der du den Kranz gegeben,
Sie, die die Allerschönste war, wie kannst du sie vergessen? -
Und welche meinst du, schönes Kind? Von welcher thust du sprechen?
Von meiner blonden, schlanken Braut mit den gesenkten Blicken,
Die, wenn sie lacht, die Rosen lässt in ihre Schürze fallen? -
So sag' denn, wenn du so sie lobst, wie kannst du sie vergessen? -
Ich habe dir ihr Lob gesagt, ich sag' auch ihren Tadel.
Wenn ich sie küsse, schreit sie auf, sie weint, wenn ich sie necke,
Und fass' ich sie an ihre Brust, so sagt sie es der Mutter. -
Wohlan, komm mit mir, holder Freund! Ich steh für sie als Bürgin. -
Ja, wann der Rabe zeugt den Aar, das Rebhuhn trägt den Sperber,
Jasmin wächst aus dem Weinbeerkern, dann wollen wir uns lieben. -
Sie geht und kehrt zurück und sagt ihr diese bittern Worte.
Da jammert sie, dem Rebhuhn gleich, und seufzet wie die Taube.
Ganz still, ganz still erhebt sie sich und geht nach ihrem Fenster,
Sie sieht ihn, und er kömmt daher quer über's Feld geritten.
Mit Golde von Venedig ist sein schwarzes Wamms gesticket,
Und wie um einen starken Thurm schlägt sich sein Purpurmantel.
Es leuchtet also sein Gewand, als ob's von Blitzen wäre,
Und gleich dem hellen Sonnenschein sind seine blonden Locken.
Nenn' ich ihn meine Rebe wohl? Die Rebe, sie hat Knoten.
Nenn' ich ihn wohl mein hohes Rohr? Es ist nur Schilf und beugt sich.
Nenn' ich ihn mein Basilikum? Es pflegt aus Koth zu spriessen.
Nenn' ich ihn wohl der Witwe Sohn? Er nimmt vielleicht es übel.
Ich nenn' ihn lieber nach Gebühr, wie es für ihn sich ziemet:
Sey mir gegrüsst, mein Silberrohr! Mein Diamantensäbel!
Mein Adler, grüngeflügelter, wo gehst du hin zu jagen? -
Sie schicken zur Vermählung mich dort unten nach der Ecke.
Und wenn du willst und nimmst es an, komm mit mir zu dem Feste;
Da halte meiner Braut den Kranz und sey uns eine Pathin. -
Wohin du gehst, und wo du schläfst und wohnst bei einer Andern,
Da denk' an meine Schönheit auch, sag' ihr von meinen Reizen,
Doch meinen grossen Unverstand, den woll' ihr nicht entdecken,
Nicht, dass mein Mund ein Springquell war und meine Lippen Wasser,
Und du in meinen Garten fielst und darin Blumen pflücktest. -
Lass dort die Nüsse werfen aus! Lass hin die Hochzeit fahren!
Wohlan, komm du, mein Täubchen, her, lass uns der Liebe pflegen!
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 77-81)
_____
Die schöne Sängerin
Dort unten an dem Ufer, dort unten an dem Strande,
Dort unten wusch ein Mädchen das Tüchlein ihres Liebsten,
Und dazu sang sie Lieder von ihren schweren Leiden.
Es kam ein sanftes Lüftchen und wehte über's Ufer,
Und hob ein kleines wenig ihr Röcklein in die Höhe,
Und liess ein kleines wenig den einen Knöchel sehen,
Da leuchtete das Ufer, die ganze Welt erglänzte,
Vorüber fuhren Schiffe, Galeeren, Galeoten,
Und diese alle wurden von ihrem Reiz geblendet.
Im Augenblicke hörte das Mädchen auf zu singen.
Da bot ihr seine Grüsse der Kapitän des Schiffes,
Und bat sie, dass sie möchte ihr Liedchen weiter führen.
Und zu ihm sprach die Schöne: Ich habe nicht gesungen,
Ich habe nur mit Schmerzen geklagt um meinen Liebsten,
Der hat mich hier verlassen, um's Vaterlandes willen.
Er eilte zu dem Kampfe, mit Hoffnung in dem Herzen,
Dereinst zurückzukehren, zurück in meine Arme,
Und dass ich mit dem Kranze ihn dann bekränzen sollte.
Zehn Jahre sind verflossen, und keine Kunde hab' ich,
Es hat mir keine Seele von ihm ein Wort verkündet.
Und noch zwei Jahre wart' ich, dass er mir wiederkehre,
Und ist die Zeit verflossen, so will ich Nonne werden.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 83)
_____
Der zerbrochene Krug
Maria, wenn du Wasser holst,
So sage mir zu welcher Zeit,
Damit ich geh' und warte dein.
Dann brech' ich dir den Krug entzwei,
Und leer kömmst du zur Mutter heim. -
Mein Töchterchen, wo ist der Krug? -
Ich stolperte, mein Mütterchen,
Und fiel und brach den Krug entzwei. -
Es war kein Stolpern sicherlich,
Dich hat ein Mann zu eng umarmt.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 85)
_____
Der junge Priester
Ein Mädchen an dem Fensterlein, ein Priester in der Zelle;
Er wirft mit Stückchen Zucker sie und trifft sie in den Busen.
Sey artig, kleines Priesterlein, dass es kein Nachbar sehe,
Und sag' es an den Erzbischof, der liess das Haar dir scheeren. -
Und lässt er scheeren auch mein Haar, so trag' ich meine Mütze.
Das Mädchen, das mein Herze liebt, will ich als Braut bekränzen.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 87)
_____
Die entdeckte Liebe
O Mädchen, als wir uns geküsst, da war es Nacht. Wer sah' uns? -
Uns sah' die Nacht, das Morgenroth, der Mond und auch die Sterne.
Und von dem Himmel fiel ein Stern, der sagte das dem Meere,
Das Meer sagt' es dem Ruder dann, das Ruder an den Schiffer,
Und dieser Schiffer singt es nun vor seiner Schönen Thüre.
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss (S. 89)
_____
Lieder in Distichen
1.
Durch Berg' und Felder schweif' ich hin, die wilden Thiere fragend,
Ob sie kein Mittel finden mir, auf dass ich dich vergesse.
Da spricht zu mir das grüne Feld: Flieh'! Hab' ich dich gekränket,
Dass du dafür mich so betrübst und mir den Schmuck verleidest?
(S. 131)
2.
Ein Haar aus deinen Locken nur, mir zuzunäh'n die Augen -
Und nie, ich schwör' es dir bei Gott, blick' ich nach einer Andern.
(S. 131)
3.
Wenn ich an dich im Herzen denk', erstarrt mein Blut zu Eise,
Und die Gedanken flattern hin, wie Spreu auf einer Tenne.
(S. 131)
4.
Im Morgendunkel steh' ich auf, um frische Luft zu schöpfen
Da seh' ich deine offne Brust, und meine, dass es tage.
(S. 131)
5.
Die Lieder, sie sind Worte nur, die Liebenden sie sagen,
Um zu verscheuchen ihren Schmerz; der Schmerz will doch nicht gehen.
(S. 133)
6.
Um Mitternacht bin ich erwacht, und Stern auf Stern ich frage:
Schnell! Schnell! Was macht mein Lieber jetzt, jetzt und in allen Stunden?
(S. 133)
7.
Wer Liebe trägt, der ähnelt bald dem Gras, bald der Zitrone,
Der Arme! seine Händ' und Füss', er kann sie nicht regieren.
(S. 133)
8.
Die süssen Augen wend' auf mich, die rollenden Gestirne,
Die alles Bittre machen süss und alles Wilde zähmen.
(S. 133)
9.
O dass doch meine Hände nur zwei goldne Schlüssel wären,
Damit ich öffnete dein Herz, das jetzt mir ist geschlossen.
(S. 133)
10.
Wer hat ein also eisern Herz, um diese Qual zu tragen,
Einmal im Monat dich zu sehn, einmal im ganzen Jahre?
(S. 133)
11.
Dank deinem Kusse ganz allein, nun flieg' ich in die Himmel,
Und sitze bei den Engeln dort in traulichem Gespräche.
(S. 135)
12.
O möcht' ich auf den Bergen seyn und bei den Hirschen liegen,
Um nie an deinen schönen Leib im Herzen mehr zu denke! (S. 135)
13.
O hätt' ich eine Brust von Glas, damit mein Herz du sähest,
Wie es so finster ist, so bleich, um deinetwegen, Herrin!
(S. 135)
15.
Mein Augenpaar zum Herzen sprach: O Herz, warum so traurig? -
Wie blind ihr seyd! Ihr seht es nicht, dass euch eur Freund verlassen?
(S. 135)
18.
Geh', Arzt, geh' in dein Haus zurück, nimm mit dir deine Mittel.
Von meines Herzens Leiden steht kein Wort in deinen Büchern.
Es ist ein scharfer Dolchstich nicht, den man mit Balsam heilet,
Dies Leiden steckt im Herzen tief und will mich rasend machen.
(S. 137)
19.
Du hast ein blaues Augenpaar, blau, wie des Himmels Farbe,
Wie die Plejaden in der Früh' glänzt eines und das andre.
(S. 137)
21.
Die Pfeil', o Liebe, die du führst, du musst sie wohl vergolden,
Da nicht ein Herz du fibrig lässt, dass du es nicht verwundest.
(S. 139)
22.
Den schwarzen Augen ziemt es nicht, im Morgenroth zu schlafen;
Da müssen sie gekoset seyn mit süssen Liebesküssen.
(S. 139)
24.
Sie haben mir es schön gesagt, du wärest ein Tyrannchen,
Und liebt' ich dich mit aller Macht, du liessest doch mich sterben.
(S. 139)
25.
Ich bitte dich, o Liebesgott, zu thun ein Werk der Liebe,
Zwei Herzen zu vereinigen und eins daraus zu machen.
(S. 139)
26.
Mein vielgeliebter Vogel du, mein wunderschöner Falke,
Das fremde Land erfreut sich dein, und ich muss Gift hier trinken.
(S. 141)
27.
Es ist verreiset mein Jasmin, es wandert die Zypresse,
Und ich hab' keinen Herzensfreund, der ihn zurück mir führe.
(S. 141)
28.
Es riecht mir nach Basilikum,
Und seh' kein Gärtchen hier.
So hat ihn Ein' im Busen wohl
Und giebt so süssen Duft.
(S. 141)
29.
O du mein wunderheller Mond, mein Herz beneidet dich:
Du kannst ihn, den ich liebe, sehn, und er ist fern von mir.
(S. 141)
30.
Du küsstest mich, da ward ich krank. Noch einen Kuss zur Heilung,
Und einen dritten auch dazu, sonst werd' ich sterben müssen.
(S. 141)
31.
O Mond, o lieber Mondenschein, woll' mir hinüberleuchten!
Denn hier in dieser Nachbarschaft verlier' ich meine Sinne.
(S. 143)
32.
Ich bitte dich, mein theures Herz, mit einer grossen Bitte,
Dass über unsre Lieb' hinaus du nimmer wieder liebest.
(S. 143)
33.
Nie sollst du lieben einen Mann, dafern er dich nicht liebet,
Und du nicht seine Augen siehst wie die Fontänen laufen.
(S. 143)
37.
Ach, und du grämst dich nicht um mich und fühlest kein Erbarmen;
Ich bin daran, zu sterben schon, und du kannst dich noch putzen!
(S. 145)
38.
Bist du es nicht, die zu mir sprach: Seh' ich dich nicht, so sterb' ich?
Jetzt siehst du mich, ich geh' vorbei, du willst nicht mit mir reden.
(S. 145)
39.
Ich geh' in einen Garten, find' einen Apfelbaum,
Mit Aepfeln reich beladen, ein Mädchen oben drauf,
Ich sag' ihr: Komm herunter! Wir wollen Freunde seyn.
Sie aber pflücket Aepfel und steinigt mich damit.
(S. 145)
42.
Die Liebe will Ergebenheit, will weise Einsicht haben,
Sie will des Hasen leichten Lauf, den schnellen Flug des Adlers.
(S. 147)
43.
Es brennen deine Küsse mich gleich wie des Pfeffers Feuer,
Und durch die Berge schweift mein Geist allein um deinetwegen.
(S. 147)
44.
An jenem Fenster, wo du bist, da braucht es keiner Nelke,
Du selber bist die Nelke ja, wer Augen hat, der sieht es.
(S. 147)
46.
Und sey es Nacht, und sey es Tag, ich kann doch anders nicht,
Als dass ich seufz' aus tiefer Brust und sage Ach und Oh.
(S. 149)
47.
Den Himmel nehm' ich als Papier, das Meer zu meiner Tinte,
Um aufzuschreiben all mein Leid, und es will doch nicht reichen.
(S. 149)
48.
Du meinst vielleicht, verlässt du mich, so werd' ich gleich ergelben,
Der falben Nelkenblüthe gleich, um dich als Geist zu quälen.
(S. 149)
49.
Hohe Zypresse, neige dich, damit ich zu dir spreche.
Zwei Worte nur hab' ich für dich, nach diesen will ich sterben.
(S. 149)
50.
Wer hat je einen Kampf gesehn, in dem die Augen kämpfen
Wo ohne Dolch und ohne Schwert die schweren Wunden fallen?
(S. 149)
51.
Ich liebte dich als Kleine schon, gross willst du mich nicht haben;
Vielleicht kommt doch einmal die Zeit, dass ich dich nehm' als Witwe.
(S. 151)
52.
Vier Blätter machen aus das Herz, zwei hast du mir genommen,
Und zwei hast du gelassen mir verwelket und versenget.
(S. 151)
54.
Was mach' ich mit dem Herzen nur in seiner bittern Trauer?
Es freuet sich im Winter nicht, und nicht im schönen Sommer.
(S. 151)
55.
Sag's deiner Mutter, Kind, sie soll zur Welt noch eine bringen,
Damit es gebe noch ein Herz, das wie das meine brenne.
(S. 151)
58.
Mit Seufzern wird es immerfort mir Abend und mir Morgen.
Um deinetwegen weint mein Herz und kann nicht Ruhe finden.
(S. 153)
59.
Ihr Mädchen, kommt zum Reihentanz und singet uns ein Liedchen
Zu unsrer Leierspielers Lob, der ist ein schmuckes Bürschchen.
(S. 153)
60.
Ich sahe hohe Berge stehn, bestieg sie und erzählte
Die Leiden meines Herzens dort, dass alle Mitleid fühlten.
(S. 153)
61.
O wäre doch das Meer von Glas, drauf die Zitrone rollte,
Damit ich meiner Liebe könnt' ein goldnes Ringlein schicken!
(S. 153)
62.
Nur eine ist die Liebe mein, zu einem Gott ich bete;
Wenn ich mit andren scherz' und lach', ist's nur, um sie zu prüfen.
(S. 155)
63.
O dass ich eine Schwalbe würd' und säss' auf deinen Lippen,
Dass ich dir ein paar Küsse gäb' und dann von hinnen flöge!
(S. 155)
64.
O dass ich eine Schwalbe würd' und käm' in deine Kammer,
Und könnte da mein Nest mir baun auf deines Hauptes Kissen!
(S. 155)
65.
Wer dir in deine Augen sieht und nicht wird seufzen müssen,
Erschlagen soll der Blitz den Mann, das Feuer ihn verzehren!
(S. 155)
66.
Die Augen dieser Zauberin, sie sind nicht von den grossen;
Klein sind sie und von süssem Reiz, wie Milch mit Honigseime.
(S. 155)
67.
Es schossen deine Augen mich mit ihren Silberpfeilen,
Die drangen in das Herz mir ein, und blutig aus dem Herzen.
(S. 155)
68.
Pflück' einen Zweig Basilikum und zähle seine Blätter,
Da rechnest du die Zeit heraus, die du mich quälest, Arge!
(S. 157)
69.
Wie viele Stern' am Himmel sind, so viele Dolche, Herrin,
Die sollen treffen dieses Herz, dafern ich dich nicht liebe.
(S. 157)
70.
Die Sonne hat verdunkelt sich von meinen Thränen allen,
Und du, mein Licht, bist noch nicht satt von meinen Herzensquelen.
(S. 157)
71.
Durch deine Strasse geh' ich hin, und kann mit dir nicht reden,
Und die Gedanken folgen mir, bis ich in Ohnmacht falle.
(S. 157)
Aus: Neugriechische
Volkslieder
Gesammelt und herausgegeben von C. Fauriel
[Claude Charles Fauriel 1772-1844]
Übersetzt und mit des französischen Herausgebers
und eigenen Erläuterungen versehen
von Wilhelm Müller [1794-1827]
Zweiter Theil Romantische und häusliche Lieder nebst Anhang
Leipzig 1825 bei Leopold Voss
_____
Lied vom Kyrkos
Als ich da sass und flocht ein Band, ein Band für meinen Kyrkos,
Für Kyrkos, meinen theuren Herrn, für den Herzliebsten Kyrkos,
Da setzt' ein golden Vöglein sich auf meinen Kamm von Schnitzholz.
Es sang nicht wie ein Vögelein, wie Nachtigallen singen,
Nein, nein, das Vöglein sang und sprach, so wie die Menschen reden:
"Du flichst ein Band für Kyrkos dein, und Kyrkos wird getrauet,
Er wird getraut, gelobt sich an und nimmt ein andres Weibchen!" -
Den Knäuel, den ich wickelte, den warf ich in die Ecke.
Ich öffne schnell das Fenster mein, das fest und eng verschloss'ne;
Ich schaue ihn, er reitet stolz hernieder in's Gefilde.
"Wie nenn' ich ihn? ob Rebenzweig? der Rebenstock hat Knoten,
Doch, nenn' ich ihn Basilienkraut, das wächset aus dem Schutte.
Wohl besser ist's, ich sage das, was ziemt für ihn und wahr ist:
"Willkommen, Moschusblumen-Zweig, du Blumenbinsen-Knospe!
Wohin des Weges ziehest du, gehüllt in Gold und Silber?" -
""Lieb Mägdlein, ich vermähle mich, und nehm' ein andres Weibchen,
Und so du willst und Lust du hast, bemühe dich zur Hochzeit,
Auf dass du hältst die Kränze dort und du die Braut mir führest."" -
(Sie geht zu ihrer Trauten schnell, die Traute spricht zum Mägdlein:)
"Ein grosses Unglück traf dich wohl? du redest irre, Mägdlein." -
""Nein, nein, nicht traf ein Unglück mich, nein, nein, nicht red' ich
irre,
Herzliebster mein vermählet sich und nimmt ein andres Weibchen,
Er sagte mir, so Lust ich hätt', ich möcht' zur Hochzeit kommen,
Auf dass ich hielt' die Kränze dort und ich die Braut ihm führte."" -
"So nimm die Sonne zum Gesicht, den weissen Mond zum Busen,
Des Raben schwarzen Flügelglanz nimm zur gewölbten Braue." -
So wie die Eine sagte es, so that es flugs die Andre.
Der Priester sah schön Mägdelein, und irrte bei der Trauung,
Der Messner sah schön Mägdelein, und seiner selbst vergass er,
Ja, ja, die kleinen Messner gar verloren ihre Bücher.
"O Priester, singe, wie du sangst! fahr' fort im Amte, Messner!
Und ihr, ihr kleinen Messner, hört, sucht eure Bücher wieder!
O Priester, wenn ein Christ du bist, und so du bist getaufet,
Dann wechsle schnell den Hochzeitkranz, nimm ihn der Braut vom Haupte,
Und setze ihn dem Mägdlein auf, das mir die Braut geführet!"
(S. 115-117)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Lied vom Bezauberten
Die Schiffe gingen in die See, die Schiffe von Zagora,
Mit ihnen schied Treuliebster mein, er zog in fremde Lande.
Nicht schickte er ein Brieflein mir, noch sandt' er mir den Abschied.
Es waren zehn der Jahre fast, da sandt' er mir ein Schreiben,
Er schickte mir zwölf Goldstück' auch in einem goldnen Tuche:
"Nimm, Liebchen, die zwölf Goldstück' hier, nimm dieses Tuch, das goldne!
Ich habe mir verdienet sie in öden fremden Landen.
Und so du willst, lieb Mägdlein mein, so nimm dir einen Gatten,
Und so du willst, lieb Mägdlein mein, so werde, Liebchen, Nonne.
Erwarte, Liebchen, mich nicht mehr, nicht wirst mich wiedersehen.
Es hält mich eine Zauberin bezaubert hier zurücke,
Drei-, dreimal wollte scheiden ich, drei-, dreimal schifft' ich ein mich,
So oftmals aber tauchte auch, wenn auf der See wir waren,
Das Schiff in's tiefe Meer hinab und fuhr da unter'm Wasser,
So oftmals tauchte unter es, und fuhr zurück zum Hafen,
Zum Hafen fuhr das Schiff zurück tief unten durch die Wellen.
Erwarte, Liebchen, mich nicht mehr, nicht wirst mich wiedersehen!"
(S. 127)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Lied von der schönen Sängerin
Da unten an dem Meer,
Da unten am Gestade,
Da wusch ein junges Weib
Das Tuch des fernen Gatten,
Und sang in traur'gem Lied
Den Kummer ihres Herzens.
Es wehte kühl vom Meer
Ein leises, sanftes Lüftchen,
Das Lüftchen hob ihr leicht
Das runde Unterröckchen,
Dass eben kam hervor
Der Knöchel ihres Fusses.
Es strahlte rings das Meer,
Die ganze Welt erglänzte.
Galeeren zieh'n vorbei,
Auch eine Kriegsgaliote,
Die alle blendete
Des jungen Weibleins Schönheit.
Sie sieht's, und alsogleich
Hört's Weiblein auf zu singen.
Da grüsset zweimal sie
Der Steuermann des Schiffes,
Und sagt, sie möge doch
Ihr Liedlein weiter singen.
Das Weiblein spricht zu ihm:
"Nicht sang ich mir ein Liedlein,
Nein, meinen theuren Mann
Hab' bitter ich bejammert,
Für unser Vaterland
Hat ja er mich verlassen.
Er eilte in den Kampf,
Die Hoffnung in dem Herzen,
Dass in die Arme mein
Er lebend wiederkehre,
Und ich mit einem Kranz
Ihn einstens würde kränzen.
Doch ach! der Jahre zehn
Sind jetzo schon vorüber,
Und Niemand brachte je
Vom theuren Mann mir Kunde.
Zwei Jahre will ich noch
Auf seine Rückkunft warten,
Und dann, wenn er nicht kommt,
Dann gehe ich in's Kloster."
Der Steu'rmann spricht zu ihr:
"Sag' an, wie hiess dein Gatte?
Vielleicht dass ich ihn selbst
Gekannt in seinem Heere.
- - - - - - - - -
- - - - - - - - -
- - - - - - - - -
--- (S.
127-131)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Lied vom Manolis und dem Janitscharen
"He, Manolis, he, mein Tapf'rer,
Sag', o guter Bursch,
Hast ein gar so schönes Weibchen,
Und du bist nicht froh!" -
""Janitschar, wo sahst sie? sage!
Woher kennst du sie?"" -
"Ja, ich sah sie, ja, sie kenn' ich,
Und ich liebe sie." -
""Wenn du sahst sie, wenn du kennst sie,
Und wenn du sie liebst,
Sprich, was trug sie denn für Kleider,
Was auf ihrem Kopf?"" -
"Hör', sie trug ein weisses Röckchen,
Und ein Häubchen roth." -
Und Manolis, der berauschet,
Geht und tödtet sie.
Morgens, als der Rausch vorüber,
Da beweint er sie:
"Auf, o Herrin, meine Schöne,
Auf, und kleid' dich um!
Wasche, schmücke dich, mein Weibchen,
Komm, und geh' zum Tanz!
Dass dich seh'n die Pallikaren,
Schmachtend hin vor Lieb',
Dass ich Armer auch dich schaue,
Ich mich freue dein!"
(S. 141)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Lied vom Dimos
Mein Dimos, deiner schönen Augen Glut,
Die schwarzgemalten Brauen, -
Dir, meine Liebe, Heil und Glück! -
Sie machen, dass ich sterbe.
Du bist's, um den mein Auge weint.
Sie machen, Dimos, krank mein armes Herz,
Sie machen, dass ich sterbe;
Du bist's, um den mein Auge weint,
Sie machen, dass ich sterbe,
Dir, meine Liebe, Heil und Glück!
Zieh, Dimos, doch dein scharfes Schwert hervor,
Und bohr's in meine Kehle!
Dir, meine Liebe, Heil und Glück!
Und bohr's in meine Kehle,
Du bist's, um den mein Auge weint.
Und sammle dann mein Blut, o Dimos, dir
In einem goldnen Tuche.
Du bist's, um den mein Auge weint,
Sie machen, dass ich sterbe,
Dir, meine Liebe, Heil und Glück!
In den neun Dörfern, Dimos, trag's umher,
Und in den fünfzehn Städten,
Dir, meine Liebe, Heil und Glück!
Bohr's Schwert mir in die Kehle,
Du bist's, um den mein Auge weint.
Und fragt man, Dimos, dich: was ist denn dies?
So sprich: "Das Blut der Liebe!"
Du bist's, um den mein Auge weint,
Sie machen, dass ich sterbe,
Dir, meine Liebe, Heil und Glück!
(S. 147-149)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Lied von den Aufträgen des sterbenden Liebenden
Wann, trautes Mädchen mein, du hörst, dass krank ich ach! da liege,
Dann komme, komm so schnell du kannst, sonst findest du schon todt mich;
Und wann du kommst und gehst hinein in's Thor, in unser grosses,
Dann, o geliebtes Mädchen mein, dann löse dir das Haupthaar!
Und frage die lieb Mutter mein: "Wo ist dein Sohn, o Herrin?" -
""Mein Sohn, mein Sohn ist ach! allein, im Zimmer, auf dem Lager.""
Dann, o geliebtes Mädchen mein, dann komme in mein Zimmer!
Mein Kissen lege sanft zurecht, dass g'rade liegt mein Körper,
Und halte mir das Haupt so lang' bis meine Seel' entflohen.
Und wann du ihn, den Priester, siehst, dass er die Stola leget,
Dann, o geliebtes Mädchen mein, dann küsse mir die Lippen!
Und wann der rüst'gen Bursche vier mich ach! von hinnen heben,
Dann, o geliebtes Mädchen mein, wirf zornig sie mit Steinen!
Und wann in deiner Nachbarschaft vorüber sie mich tragen,
Dann, o geliebtes Mädchen mein, dann schneide dir das Haar ab!
Und wann sie lehnen mich alsdann da an der Kirche Thüre,
Dann, o geliebtes Mädchen mein, dann rupf' dich wie die Henne!
Und wann das Seelenamt für mich die Priester ausgesungen,
Und wann die Todtenkerzen mein sie alle ausgelöschet,
Auch dann, auch dann, Geliebte mein, hab' ich dich noch im Herzen!
(S. 151-153)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Hochzeitlied
Von jenen Bergen mit drei Gipfeln,
Da sprach ein Falk, so sprach der Falk:
"Still, Winde, lasst das Weh'n, ihr Lüfte,
Heut Nacht und morgen Abend auch!
Denn Hochzeit macht ein Jüngling heute,
Ein blondes Mägdelein wird Frau."
(S. 153)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Hochzeitlied
Die Mägdlein all', von Antlitz braun, und die mit schwarzen Augen,
Voll schöner Mutterfleckchen,
Sie gaben einen Kuss mir All', nur Eine giebt mir keinen,
Und lässt mir grossen Kummer.
Auf einen Berg will steigen ich, zu bauen einen Garten,
Will bau'n dort einen Garten,
Und auch ein Nebengärtchen noch und einen schönen Weinberg,
Ein Pförtlein auch als Eingang.
Die Schönen mögen kommen dann, um Trauben dort zu essen,
Mit Küssen auf den Lippen.
Sieh da, die Mägdlein kommen all', mit feurig schwarzen Augen,
Dass Alle sie der Kuckuck!
Denn schau, den Gärtner rufen sie: "Gieb Trauben uns, o Theurer,
Und küss' uns auf die Lippen!" -
""So zieht euch die Pantöfflein aus und kommt herein, ihr Mägdlein,
Kommt weiter in den Garten!
Willst einen Apfel? nimm ihn dir! willst eine Quitte, Mägdlein?
Nimm, niemand wird's euch wehren.
Willst Muskatellertrauben du? willst lange Trauben? nimm nur,
Für deine süsse Liebe!""
(S. 155)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Hochzeitlied
O du, mein Mond, geh' unter doch, steig' weiter doch hinunter,
Dass Finsterniss die Berge hüllt, die Strassen dunkel werden,
Auf dass der Jüngling, er, der liebt, zu seiner Schönen gehe.
Der Wächter vierzig halten Wacht, in einer Reihe vierzig,
Bei Allen schleicht vorüber er und geht zu seiner Schönen.
"Sei mir gegrüsst, Schönliebchen mein!" - "Willkommen mir, Gebieter!" -
"Kommt, füllen wir die Becher jetzt, auf dass beim Mahl wir trinken,
Und später geh'n zur Ruhe wir, und küssen süss uns, Liebchen,
Bis dass der goldne Morgenstern am Himmel dort erscheinet,
Und sie, die Gluckhenn' oben hoch, ihr Mittagsbrod geht essen.
Der Jüngling ging zur Ruhe dann mit seinem schönen Liebchen.
Die Hühner gackern dreimal schon, die Pfauen schreien fünfmal,
Da ruft und weckt die Mutter sie, die Mutter spricht zu ihnen:
"Ihr Kinder, steht auch wieder auf, nicht müsst so fest ihr schlafen,
Am Himmel ging ja unter schon die Gluckhenn' mit den Küchlein!"
(S. 155-157)
Gluckhenne = das Siebengestirn
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
Kleine Lieder
Zum Himmel fliege ich empor
Auf deines Kusses Schwingen,
Ich weil' im Chor der Engel traut
Bei süsser Worte Klingen.
(S. 176)
Die Lieder auch sind Worte nur,
Gesagt von Liebeskranken,
Das Weh zu scheuchen müh'n sie sich,
Doch's Weh, es will nicht wanken.
(S. 176)
O wären Schlüssel meine Händ',
Aus schwerem Gold gegossen,
Auf dass ich öffne mir dein Herz,
Das ach! für mich verschlossen.
(S. 177)
O wäre meine Brust von Glas,
Auf dass du sähst mein Herze,
Wie traurig, stumm es, Herrin, ist,
Und nur für dich im Schmerze.
(S. 177)
Das Lachen wie der Thränen Flut,
Das Leid so wie die Freude,
Zur selben Stund' sind sie gezeugt,
Zugleich geboren Beide.
(S. 177)
Du hast zwei Aeuglein strahlend blau
So wie des Himmels Schimmer,
Sie leuchten wie beim Morgenroth
Der Gluckhenn' goldner Glimmer.
(S. 177)
Gluckhenn'=Siebengestirn
Beim Morgenroth zu schlafen noch,
Das ziemt nicht schwarzen Augen,
Zart kosen und süss küssen sie,
Das will dann besser taugen.
(S. 178)
Die Pfeile dein musst, Liebe, du
Vergolden, kostbar fassen,
Denn unverwundet hast du ja
Kein einzig Herz gelassen.
(S. 178)
Die Liebe heischet klugen Sinn
Und demuthvolles Schmiegen,
Rasch laufen musst du wie ein Has',
Dem Aar gleich, blitzschnell fliegen.
(S. 178-179)
Geliebter, schöner Vogel mein,
Mein Falk, dess Augen blinken,
Es freut sich dein das fremde Land,
Das Gift muss Ich hier trinken.
(S. 179)
O hellster Mond, mein Herz es ist
Von Eifersucht erfüllet,
Dieweil du schaust den Liebsten mein,
Und Mir er fern, verhüllet.
(S. 179)
O leuchte, Mond, mein trauter Mond,
Hinüber mir, von hinnen,
Denn hier in ihrer Nachbarschaft,
Da komm' ich noch von Sinnen.
(S. 180)
Ein Härchen von den Locken dein,
Die Augen zu vernähen,
Ich schwöre dir, nie will ich mehr
Ein andres Mägdlein sehen.
(S. 180)
Am Fenster, wo du bist, da braucht
Kein Nelkenstock zu stehen,
Denn du, du bist die Nelke ja,
Wer Augen hat, mag's sehen.
(S. 180)
O neig' dich, Hochcypresse mein,
Dass ich mit dir kann sprechen,
Zwei Wörtchen möcht' ich sagen dir,
Dann mag das Herz mir brechen.
(S. 180)
Vier Blätter hat das arme Herz,
Zwei nahmst du unter Scherzen,
Du liessest mir die andern zwei,
Verbrannt, verwelkt von Schmerzen.
(S. 181)
Ach, ach! Möcht' Niemand Leiden je
Erfahren wie die Meinen,
Auch selbst kein Schiff am Meergestad',
Kein Vogel in den Hainen!
(S. 181)
Schön Mägdlein, sag' der Mutter dein,
Sie möcht' noch Eins gebären,
Dass Gluten eines Andern Herz,
Wie ach! mein Herz verzehren.
(S. 181)
Ich geh' dem Abend wie dem Tag
Mit Seufzern stets entgegen,
Mein Herz giebt nicht zur Ruhe sich,
Stets weint es deinetwegen.
(S. 181-182)
Ein Mägdlein ist's, das liebe ich,
Ein Gott ist, den ich lobe;
Mit Andern spiel' und lache ich,
Auf dass ich sie erprobe.
(S. 182)
Was mach' ich mit dem Herzen mein,
Das ach! so tief im Leide?
Die schöne Jahrszeit macht ihm nicht
Noch auch der Winter Freude.
(S. 182)
Ich wollt', es frör' das Meer zu Glas,
Dass die Citron' rollt drüber,
'ne goldne Quitte schickt' ich dann
Dem Liebchen mein hinüber.
(S. 182)
Der Schelmin Augen sind nicht gross,
Nicht so gar gross sind Beide,
Nein, klein sind sie, doch lieblich süss,
Sind Honig, Milch und Freude.
(S. 183)
Du warfst mir Silberpfeile zu
Mit deiner Augen Blicke,
Sie gingen mir in's Herz hinein,
Doch blutgefärbt zurücke.
(S. 183)
Die Sonne selbst ging unter ja
Durch meine Thränen, Klagen;
Bist du, mein Liebchen, noch nicht müd',
Mich so zu quälen, plagen?
(S. 183)
Geh' ich vorbei und kann dann nicht
Dir sagen meine Schmerzen,
Dann weicht, fall' nicht in Ohnmacht ich,
Der Gram nicht aus dem Herzen.
(S. 184)
Ich möchte auf den Bergen sein,
Mit Hirschen lagern immer,
Dass ach! an deinen Engelsleib
Ich denke nimmer, nimmer.
(S. 184)
Die schwarzen Augen tödten mich,
Ich sterb', wenn blaue blinken,
Vor zaubrisch krummgebognen gar
Muss in die Erd' ich sinken.
(S. 184)
Aus: Neugriechische
Volksgesänge zweiter Theil
Urtext und Übersetzung
von Johannes Matthias Firmenich-Richartz [1808-1889]
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz 1867
_____
|