|
Norwegische Liebeslieder
Der Tanz im Berge
Sie saßen über Tafel, da schwor er ihr frei,
So gewaltsam -
Er käme zu ihr vor dem Hahnenschrei.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Sie saßen über Tafel mit Worten so hold,
So gewaltsam -
Er schwor, daß er balde kommen wollt'.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
"Erst folgt' ich meinem Herrn in's Gemach,
So gewaltsam -
Und meinen Renner besorgt' ich danach.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Erst folgt' ich zum Lager dem Herren mein,
So gewaltsam -
Dann sattelt' ich mein Graurösselein.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Und wie ich kam hinaus zu der Hall,
So gewaltsam -
Da war Kerzenschimmer und Harfenschall.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Ich griff an die Pforte und schaute hinein,
So gewaltsam -
Da tanzte mein Lieb im Graupelz so fein.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Da schwebte Einer mit ihr im Kreis,
So gewaltsam -
Die schön wie ein Röslein und schmal wie ein Reis.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Da tanzte Einer mit ihr im Zug,
So gewaltsam -
In Händen Jedes die Silberkann' trug ..... "
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Er hielt so lange den Pfortenring,
So gewaltsam -
Bis an jeglichem Finger ein Eistropfen hing.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Er hielt so lang am Pfortenring,
So gewaltsam -
Bis das sein Herz in Stücke sprang.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
Und als die Pforte fiel zu mit Gedröhn,
So gewaltsam -
Nie mocht' er sein Herzlieb wiedersehn.
Der Jungfrau vergess' ich nimmer.
(S. 22-24)
_____
Bendik und Arolilia
Bendik reitet nach Seeland,
Zu freien ein Bräutlein roth:
Ihm war nicht bescheert, daß er wiederkehrt',
Drum ging er in seinen Tod.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Bendik reitet nach Seeland,
Zu freien ein schönes Weib:
Ihm war nicht bescheert, daß er wiederkehrt',
Drum ließ er Leben und Leib.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Er war nicht länger im Königshof,
Als zwei der Monde bloß,
Da war zum Königstöchterlein
Sein Lieben gar so groß.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Der König bauet die Goldburg,
War beides, hoch und lang:
"Wer's wagt, die Burg zu beschreiten,
Der sucht seinen Untergang!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Der König bauet die Goldburg,
War beides, hoch und breit:
"Wer's wagt, die Burg zu beschreiten,
Dem ist das Verderben nicht weit."
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Gab er Antwort, jung Bendik,
Er stand nicht gar zu fern:
"Ich wag' es, die Burg zu beschreiten,
Und sonder Urlaub vom Herrn!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Tags reitet Bendik zum Jagen,
Und fällt die Thier' im Hain,
Spricht Nachts mit seiner Jungfrau
In ihrem Kämmerlein.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
"Sitz' ich bei dir, bedünkt's mich,
Ich säß' im Sonnenschein,
Wenn ich von dir soll scheiden,
Verzagt das Herze mein.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Sitz' ich bei dir, bedünkt's mich,
Ich säß' im Sonnenschein,
Wenn ich dich wiederfinde,
Dann jauchzt das Herze mein.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
So lieblich dünkt mich dein goldiges Haar,
Wie der Apfel, der's Zweigelein ziert -
Selig ist, wer dich fachen mag,
Gott gnad' ihm, der dich verliert!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Tags reitet Bendik zum Jagen,
Und fällt die Thier' im Hag,
Spricht Nachts mit seiner Jungfrau,
Das gilt sein Leben hernach! -
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Herein kam des Königs Diener klein,
Er brächt' die Kunde von fern:
"Bendik beschreitet die Goldburg,
Und sonder Urlaub vom Herrn!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Das war der Dänenkönig,
Er schlägt auf die Tafel schwer:
"Bendik entrinnt mit dem Leben nicht,
Gewänn' ich so Land' als Meer!
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Die Kirche zu Lund in Schonen
Ist ganz gedeckt mit Blei,
Bendik entrinnt mit dem Leben nicht
Und wär' sie dreimal neu!
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Die Kirche zu Lund in Schonen
Ist ganz gedeckt mit Gold,
Bendik entrinnt mit dem Leben nicht,
Ob er dreimal sie füllen wollt'!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Fürbitte thät für jung Bendik,
Wem immer Rede verliehn:
Der Vogel auf wilden Zweigen,
Das Wild im Hag so grün.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Fürbitte thät für jung Bendik,
Wem immer Leben bescheert:
Der Baum aus dem wilden Walde,
Die Blum' in blühendster Erd'.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Fürbitte thät für jung Bendik,
Wer immer zu bitten verstand:
Der Fisch im Meeresgrunde,
Der Mensch aus Mannheim's Land.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Einging sie, Arolilia,
Fiel vor ihrem Vater auf's Knie:
"Hör' du's, mein herzlieber Vater,
Den Gefangenen gib du mir hie!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
"Hinweg, hinweg, Arolilia!
Zornig ist mein Muth!
Und übel ziemt's meinem guten Schwert,
Zu wühlen in Weiberblut!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Einging die Dänenkönigin,
Ihr rann auf die Wange die Zähr':
"Ich bitte dich, lieber Herre mein,
Erfülle mein Begehr!
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Du nahmst mich aus meines Vaters Hof
Wol wider seinen Willen,
Was ich immer erbäte von dir,
Wolltest du mir erfüllen!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
"Was du immer erbittest von mir,
Soll dir beschieden sein,
Nur nicht, daß Bendik lebend entrinnt,
Das weiger' ich dir allein!" -
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Südwärts von der Kirchen
Litte jung Bendik den Tod,
Droben mitten im Hochgemach
Starb sie, sein Mägdelein roth.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Südwärts von der Kirchen
Ließ Bendik Leben und Leid,
Droben mitten im Hochgemach
Starb sie, sein herrliches Weib.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
So legten sie Bendik gen Süden
Und Arolilia gen Nord,
Da wuchsen auf ihrem Grabe
Zwei Lilienblumen am Ort.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Es wuchsen auf ihrem Grabe
Zwei Lilienblumen so fein,
Sie verschlangen sich über'm Kirchendach,
Da stehn sie dem König zur Pein.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Es wuchsen auf ihrem Grabe
Zwei Lilienblumen so licht,
Sie verschlangen sich über'm Kirchendach,
Da stehn sie dem Herrn zum Gericht.
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
"Und wäre solches mir gestern kund,
Daß Liebe so theuer wär',
Nicht hätte Bendik sein Leben gelassen
Für alle Lande umher!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
Gab Antwort die Dänenkönigin
Mit strömender Thränenfluth:
"Gott verzeihe dir, Herre mein!
Hernach, da bist du gut!"
Arolilia!
Aber was säumst du so lange?
(S. 93-100)
_____
aus: Norwegische, Isländische, Färöische
Volkslieder der Vorzeit
In den Versmaßen der Originale übertragen
von Rosa Warrens [1821-1878]
Nebst Anhang: Niederländische und Deutsche Volkslieder
Hamburg Hoffmann und Campe 1866
|