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Portugiesische Romanzen
Romanze von Don Claros
"Topp, ich wette, und noch hab' ich
Wetten nie umsonst gemacht,
Mein soll Claralinda werden,
Ehe morgen kräht der Hahn." -
"Wette nur! allein gewinnen
Wirst du nicht so leicht fürwahr;
Nicht betrügt man Claralinda,
Claralinda hat Verstand."
Nichts erwiedert mehr Don Claros,
Hat der Reden nicht mehr Acht,
Wirft sich schnell in Mädchenkleider
Und begibt sich auf den Pfad.
Eben schaute Claralinda
Von dem Schloßbalkon herab.
"Welch ein niedlich Mädchen kommt dort?
Was bei mir sie suchen mag?" -
"Ei, das Webermädchen, Herrin,
Ist es ja vom Meeresstrand;
Mit dem Einschlag ist sie fertig
Und begehrt den Rest vom Garn." -
"Warte, Mädchen, wart' ein wenig!
Erst gesponnen wird der Flachs." -
"Herrin, es ist spät geworden,
Und nicht warten kann ich lang;
Auf den Straßen Nachts sich zeigen,
Bringt den Mädchen leicht Gefahr."
"Wohl, um deiner Ehre Willen,
Bleib' im Schlosse diese Nacht!" -
"Gar so dreist sind deine Pagen,
Und sie sehn so keck mich an." -
"Wohl, um deiner Ehre Willen
Bleib' in meinem Schlafgemach!"
So voll Freuden ist das Mädchen,
Daß sie nichts genießt vom Mahl.
"Laßt zu Bett mich gehen, sagt sie,
Mich bewältigt fast der Schlaf."
In der Nacht thut Claralinda
Einen Schrei mit einemmal.
"Schweige, Claralinda, bringe
Deinen Ruf nicht in Gefahr!
Mich mit dir vermählen will ich,
Denn ich bin von edlem Stamm,
Baue nur auf dies Versprechen
Von Don Claros d'Alem-mar."
Lange Zeit hat Claralinda
Tag und Nacht umsonst geharrt,
Nicht mehr kommt das Webermädchen,
Doch bereit liegt längst das Garn.
Nach acht Monden sprach der Vater,
Da er just bei Tische saß:
"Wie du aussiehst, Claralinda!
Ganz verdächtig scheint mir das!" -
"Redet doch nicht so, Herr Vater!
Hörte man nun, was ihr spracht!
Ich nicht bin an meinem Aussehn,
Nur mein Kleid ist Schuld daran."
Schneider ruft er, um zu wissen,
Ob die Tochter Wahrheit sagt,
Aber Einer spricht zum Andern:
"Nein, das Kleid ist gut gemacht!"
Weiter gibt es nichts zu reden,
Weiter nichts zu fragen da.
"Morgen wird man dich verbrennen:
Claralinda, sei gefaßt!" -
"Nicht um mich, wenn man mich tödtet,
Nur um Eines fühl' ich Harm,
Um den Sprößling meiner Liebe,
Denn er ist von Königsstamm!
Ist nicht hier vielleicht ein Page,
Den nach Lohn von mir verlangt?
Bringen soll er diesen Brief mir
An Don Claros d'Alem-mar."
Da erscheint ein kleiner Sklave,
Redefertig und gewandt:
"Bin zum Dienst erbötig, Herrin,
Was du auch gebieten magst." -
"Willst du Lohn von mir erlangen,
Eile, flieg, so schnell du kannst,
Daß dies Briefchen schnell gelange
An Don Claros d'Alem-mar."
"Hast an mich du eine Botschaft,
Page, und von welcher Art?" -
"Herr, ich bring' euch hier ein Brieflein,
Kunde voll von Weh und Gram.
Wißt, daß eure treue Freundin
Schwer bedroht ist von Gefahr.
Heute schichtet man den Holzstoß,
Morgen wird sie schon verbrannt."
Lesen will den Brief Don Claros,
Aber kaum noch fing er an,
Als ihm Thrän' an Thrän' entstürzte;
Blind vom Weinen ward er fast.
"Holla, holla, Knappen, daß ihr
Mir die Rosse wohl beschlagt!
Einen Ritt von vielen Tagen
Gilt's zu machen diese Nacht."
Halt an einem Kloster macht er,
Wo Geläut vom Thurme schallt.
"Was bedeutet dieses Läuten?
Guter Vater, sprich, wer starb?" -
"Der Infantin Claralinda
Naht der letzte Todeskampf;
Gestern ward das Holz geschichtet,
Heute wird sie schon verbrannt."
Fast schon war es heller Morgen;
Er verließ die Dienerschaar,
Warf sich schnell in eine Kutte,
Und, wie Mönche angethan,
Blieb er an dem Wege stehen,
Wo der Zug vorüberkam.
"Haltet ein mit der Vollstreckung!
Halt, Justiz, und nochmals Halt!
Denn erst beichten muß die Kleine,
Beichten, eh' sie sterben darf!"
Die Infantin lassen Jene,
Daß dem Mönch sie beichten kann.
Als die Beiden nun allein sind,
Hebt der Beicht'ger also an:
"Komm hieher, du hübsche Kleine,
Meine Beichtlection ist scharf;
Als das erste der Gebote
Heisch' ich einen Kuß alsbald." -
"Nicht erlaubt das Gott im Himmel,
Noch die Heil'gen des Altars;
Wo Don Claros' Mund geruht hat,
Küßt ein Mönch mich nimmerdar." -
"Komm hieher, du hübsche Kleine,
Meine Beichtlection ist scharf.
Als das zweite muß ich heischen,
Daß du ruhst in meinem Arm." -
"Gehe, Mönch, zur bösen Stunde!
Das gewähr' ich nimmerdar;
Wisse, eh' du solches forderst,
Daß mich noch berührt kein Mann,
Außer, mir zum großen Unglück,
Nur Don Claros d'Alem-mar.
Seinethalb und meiner Sünden
Wegen werd' ich nun verbrannt."
Kaum das Lachen hielt Don Claros,
Als er das von ihr vernahm.
"Wohl erkenn' ich's an dem Lachen,
Du bist Claros d'Alem-mar." -
"Schweige! um dich frei zu machen,
Claralinda, bin ich da.
Das Geweb ist angezettelt,
Legen wir an's Werk die Hand!"
Mit den Armen sie ergreifend
Führt er sie hinweg in Hast;
Gleich umringen sie die Pagen,
Wie sie sich dem Kloster nah'n,
Und vergebens lärmt den Beiden
Die Justiz beim Fliehen nach.
"Auf der Kruppe meines Rosses
Nimm, du Kleine, nun den Platz!"
So befreit ward Claralinda
Durch Don Claros d'Alem-mar.
(S. 83-89)
_____
Romanze von Claralinda
Mitternacht ist schon vorüber,
Krähen will alsbald der Hahn,
Und noch immer liegt Don Claros
Auf dem Lager ohne Schlaf.
Seinen Pagen, seinen Knappen
Ruft er: "Burschen, werdet wach!
Aufstehn will ich, bringt mir Kleider!
Schnallt dem Fuß die Sporen an!"
Schnell ein Hemd, so fein und glänzend,
Wie der König es nicht hat,
Legen sie, ein Kleid von Seide,
Einen goldnen Gurt ihm an;
Und nachdem sie goldne Sporen
An die Fersen ihm geschnallt,
Schwingt er sich auf einen Renner,
Sprengt hinweg so schnell er kann.
"Claralinda, ei, wie früh schon
Sitzest du beim Sticken da." -
"Gott zum Gruße, mein Graf Claros,
Wohin ziehst du auf die Fahrt?" -
"Große Kämpfe zu bestehen
Zieh' ich in das Mohrenland." -
"Stark und kräftig, wahrlich, bist du
Und für's Kriegswerk ganz gemacht." -
"Mehr gemacht noch, Herrin, bin ich,
Um zu ruhn in eurem Arm." -
Eben sprach er's, als ein Page
Seines Wegs vorüber kam.
"Melden werd' ich sie dem König
Diese Worte, die ihr spracht." -
"Page, nein, laß nicht verlauten,
Was ich eben hier gesagt!
Mehr an Gold und Silber sollst du
Haben, als du tragen kannst." -
"Gold und Silber nicht begehr' ich,
Besser ist's, daß ihr sie spart;
Jenem, dem ich Treue schulde,
Brech' ich nimmer sie fürwahr;
Und dem König muß ich melden
Was ihr zur Infantin spracht."
Weiter ging sodann der Page,
Weiter ging er seinen Pfad,
An den Tisch des Königs trat er
In den großen Arbeitssaal,
"Euch, Herr König, sammt der Kron
Schütze Gott für immerdar!
Wißt, den Grafen Claros sah ich
Ruhn in der Prinzessin Arm!" -
"Hätt'st du leis' es mir berichtet,
Lohn verdientest du und Dank,
Aber weil du's laut verkündet,
Sollst du sterben durch den Strang." -
Recht war's, daß den Zwischenträger
Strafe für sein Plaudern traf,
Doch Graf Claros ward, der arme,
Zur Enthauptung auch verdammt.
"Claralinda, kommt! ist's möglich,
Daß ich euch in Ruhe labt?
Kommt geschwind! von eurem Vater
Ward zum Tod verdammt der Graf!" -
"Mädchen, eilt herbei! Geleiten
Müßt ihr mich auf diesem Gang!
Mit dem Grafen will ich sterben,
Wenn er stirbt von Henkershand!
Euch, Herr König, sammt der Krone
Schütze Gott für immerdar;
Sterben, hör' ich, soll Don Claros,
Aber sprecht, was er verbrach!" -
Hätt' ich eine andre Erbin
Noch als dich für Reich und Land,
Wahrlich, Tochter, mit dem Grafen
Stürb'st du noch den heut'gen Tag;
Aber nimm ihn nun zum Gatten,
Ich nehm' ihn zum Tochtermann,
Und am Hof verbiet' ich jede
Zwischenträgerei fortan."
(S. 90-92)
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Romanze von Reginaldo
"Du des Königs liebster Page,
Reginaldo, sag' mir an:
Warum nennt man, Reginaldo,
Dich den Kecken überall?" -
"Weil der Sinn, o meine Herrin,
Keck mir nach Verbot'nem stand." -
"Wärst du nicht so feig, du hättest
Längst mich schon besucht bei Nacht." -
"Herrin, mich verhöhnen wollt ihr,
Nur eu'r Sklave bin ich ja!" -
"Nichts von Hohn! im vollen Ernste
Meint' ich, was ich dir gesagt." -
"Wohl Infantin, wann vergönnt ihr,
Daß ich euch besuchen darf?" -
"Zwischen zehn und elf am Abend,
Daß der König nichts gewahrt!" -
Noch vor Untergang der Sonne
Legt sich Reginald zum Schlaf,
Doch bevor es zehn geschlagen,
Ist er Abends wieder wach.
Um den König nicht zu wecken,
Zieht er Schuhe an von Sammt,
Schleicht bis vor der Fürstin Kammer,
Wo er, leise seufzend, harrt.
"Horch, wer seufzt vor meiner Thüre?
Wer nur ist's, der solches wagt?" -
"Reginaldo, Herrin, ist es,
Wie er dir voraus versprach." -
"Auf, ihr Mägde! und zum Lohne
Gebe Gott euch einen Mann,
Um den König nicht zu wecken,
Oeffnet diese Thüre sacht!"
Wach dann bleibt die ganze Nacht durch
Bei der Fürstin Reginald,
Aber als der Morgen dämmert,
Liegt er fest entschlummert da.
Mehrmals rief nach ihm der König:
"Meine Kleider! bring sie rasch!"
Und, umsonst auf Antwort harrend,
Sprach er staunend: "Was ist das?
Wohl gestorben ist mein Page,
Oder er beginnt Verrath."
Ihm erwiedern die Vasallen,
Denen, was geschehen, ahnt:
"Nicht gestorben ist dein Page,
Nein, er liegt in tiefem Schlaf."
Einen Dolch ergreift der König,
Wirft den Mantel um in Hast,
Schreitet, sanft die Thüren öffnend,
Schnell von Saal dahin zu Saal,
Und tritt unbemerkt am Ende
In der Tochter Schlafgemach.
Schlummernd lagen dort die Beiden,
Ganz wie ein vermähltes Paar,
Und gewahrten nicht den Alten,
Der an ihrem Lager stand.
Zum ergrimmten König eilten
Die Vasallen da heran:
"Tödt' ihn nicht im Schlaf, Gebieter!
Sei er wachend erst gestraft!"
Einen Dolch dann legt der König,
Auf das Lager mit Bedacht,
So daß er die Beiden scheidet.
Seine Spitze, blank und scharf,
Ist dem Pagen, und sein Griff ist
Der Infantin zugewandt.
Bald, im Schlaf sich wendend, ritzt sich
Reginaldo an dem Stahl,
"Auf! erwache, schöne Fürstin!
Schlimm ist dieser Schlaf fürwahr!
Zwischen uns liegt deines Vaters
Dolch hier auf der Lagerstatt!" -
"Schweige, schweige, Reginaldo!
Spare Schrecken dir und Angst!
Wirf dich zu des Königs Füßen,
Der sich sicher dein erbarmt!
Eine Art nur gibt es, wie er
Unsern Frevel strafen kann,
Doch, wenn du den Tod erlittest,
Stürb' auch ich denselben Tag."
"Woher kommst du, Reginaldo?" -
"Herr, ich komme von der Jagd." -
"Zeig' das Wild denn, kecker Page,
Das dein Pfeil getroffen hat!" -
"Häupter nicht von Reh'n und Hirschen,
Bring' ich dir, Gebieter, dar,
Denn im Königsforst zu jagen
Ist Vasallen untersagt,
Doch mein eignes Haupt dir bring' ich,
Daß du es bestrafen magst." -
"Wohl gefällt ist schon dein Urtheil,
Stirb für deine freche That!" -
Hin und her im Geiste lange
Sinnt der gute König nach:
"Wenn ich die Infantin tödte,
Trifft mein Reich der Untergang.
Und erzog ich Reginaldo
Denn für solchen Tod voll Schmach?
Nun denn! zum Beginn der Strafe
Bring' ich ihn in Kerkerhaft. -
Alles habt ihr doch vernommen,
Sagt, Vasallen, mir denn an,
Welche Strafe für den Pagen,
Der so arg gefrevelt, paßt!"
Sich nur kurz besinnend, geben
Ihm die Großen Antwort dann:
"Tod verdient der Page, welcher
An dem König das verbrach."
Im Verließ des Thurmes schmachtet
Reginaldo nun in Haft.
Jahr und Tag war schon vergangen
Und der Richtspruch noch nicht da,
Als die Mutter des Gefangnen
Zu ihm in den Kerker trat.
"Sohn, da ich zur Welt dich brachte
Unter Schmerz und bitt'rer Qual,
War's ein Tag wie heut; dein Vater
Lag darnieder sterbenskrank,
Und mit meinen Thränen wusch ich
Dir das Haupt in meinem Gram.
Also sprach dein greiser Vater
Da zu mir im Todeskampf:
"Unterweise diesen Sohn mir,
Daß er werde fromm und brav!
Einen guten milden Herren
Gib ihm, wenn er größer ward!"
Ach, ich Arme, ich Betrogne,
Schlecht erzog ich dich, fürwahr!
Keinen bessern Herren gibt es,
Als der Herr, dem ich dich gab!
Doch, mit seiner Tochter liebelnd,
Uebtest du an ihm Verrath.
Sohn, verwirkt hast du das Leben,
Und dein Haupt verlierst du bald;
Aber vor dem Sterben laß mich
Nochmals hören deinen Sang!" -
"Wie? ich sollte singen, Mutter,
Und bin schon dem Tode nah?" -
"Singe, o mein Söhnchen, singe!
Segnen will ich dich alsdann,
Denn an deinen Vater hab' ich
Diesen Augenblick gedacht.
Sing das Lied mir, das dein Vater
In der St. Johannisnacht
Oft gesungen und das vielmals
Du gehört, wie ich es sang!" -
"Ach, sie haben an dem Tage
Vor dem St. Johannistag
In dem Kerker mich verschlossen
Und ich sitze nun in Haft.
Ach, ich Unglücksel'ger, Armer,
Weiß und seh' es nicht einmal,
Wenn die Sonn' am Himmel aufgeht
Oder wenn sie untersank!"
Vom Balkone seines Schlosses
Hört der König diesen Sang,
Eilt dahin zu der Infantin
Und erfaßt sie bei der Hand.
"Höre, meine Tochter, höre!
Klingt doch das so wunderbar,
Wie der Engel Sang im Himmel,
Wie im Meer Sirenensang!" -
"Nicht die Engel singen also,
Die Sirenen nicht, fürwahr!
Reginaldo ist's, der Page,
Den zum Tode du verdammst!" -
"Wohl, den Richtspruch widerruf' ich,
Frei fortan ist Reginald,
Und als Gattin reiche, Tochter,
Ihm noch heute deine Hand!"
(S. 97-103)
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Graf Yanno
Die Infantin weinte, weinte,
Und sie hatte Grund dazu:
Daß sie unvermählt geblieben,
Schuf ihr Kummer und Verdruß.
Auf dem Bett erwacht der König,
Weil so sehr sie weint und schluchzt.
"Theure Tochter, sprich, was hast du?
Was ist deines Jammers Grund?" -
"Was ich habe? An dem Leben,
Vater, hab' ich Ueberdruß;
Unvermählt blieb von drei Schwestern
Ich nur, ich die Eine nur." -
"Und wie soll ich da dir helfen?
Schuld daran bist einzig du.
Normandie und Aquitanien
Sandten Werber ja genug,
Aber unhold warst du ihnen,
Hörtest nicht auf ihr Gesuch.
Keiner ist mir, ihn zum Manne
Dir zu geben, ganz nach Wunsch:
Nur Graf Yanno, wenn er ledig
Wäre, taugte wohl dazu." -
"Dieser ist, geliebter Vater,
Dieser meines Herzens Lust;
Kinder hat er jetzt und Gattin,
Doch verübte schwere Schuld,
Denn er brach den Eid der Treue,
Den er ehedem mir schwur." -
Schleunig, ohne noch zu wissen,
Was er sagen soll, was thun,
Heischt der König: "Ruft den Grafen,
Weil ich gleich ihn sprechen muß!"
Dem Befehl nach tritt Graf Yanno
In den Saal der Königsburg.
"Willst du, Herr, zum Kuß die Rechte
Mir zu reichen, wohl geruhn?" -
Finster giebt der König Antwort:
"Küsse sie für meine Huld!
Denn daß du mit meiner Tochter
Dich vermählst, ist mein Beschluß."
Fast zu Boden sinkt Graf Yanno,
Und erwiedert leis' und dumpf:
"Herr, es kann nicht sein, ich stehe
Schon in anderm Ehebund." -
"Tödten mußt du deine Gattin,
Und mein Eidam dann wirst du." -
"Herr und König! ich sie tödten,
Die sich keiner Schuld bewußt?" -
"Schweigt, Graf Yanno, niemals standet
Ihr bei mir in hoher Gunst;
Nicht mit Königstöchtern übt man,
Wie mit niedern Weibern, Trug." -
"Wenn du mich, Gebieter, tödtest,
So geschieht's mit Recht und Fug,
Da ich wieder dich, wohl glaub' ich's,
Manch Vergehen auf mich lud.
Doch ein Weib, das nie gesündigt,
Tödten, wäre, Herr, verrucht!
Nie vergäbe Gott auf Erden
Noch im Jenseit solche Schuld." -
"Sterben muß die Gräfin; Unheil
Stiftete sie ja genug;
Bringt in dieser goldnen Schüssel
Mir ihr Haupt getrennt vom Rumpf!" -
Aus dem Schlosse ging Graf Yanno,
Ging hinweg mit trübem Muth;
Neben ihm des Königs Page,
Der die Unheilschüssel trug.
Schwarz gekleidet war der Page,
Schwarz der Graf vom Haupt zum Fuß;
Doch noch schwärzer war der Jammer,
In des Unglücksel'gen Brust.
Seiner Heimkehr harrt die Gräfin
Und, da er sich nähert nun,
Fliegt von fern sie mit dem Knäblein
Rasch entgegen ihm zum Gruß.
"Sei willkommen, o mein Gatte,
Heil sei deiner Wiederkunft!"
Zu dem Haus empor die Treppen
Steigt er trauervoll und stumm,
Schließt im ganzen Haus die Thüren,
Was er nie gepflegt zu thun,
Läßt sodann das Nachtmahl bringen,
Gleich als hätt' er Essenslust.
Beide setzen sich, doch nehmen
Keinen Bissen in den Mund,
Stromweis' fließen ihre Thränen
Nieder auf das Tafeltuch.
Auf des holden Söhnleins Lippen
Drückt Graf Yanno Kuß auf Kuß,
Und das Kind lacht wie ein Engel
Ihm vom Mutterbusen zu.
Alles, was die Gräfin wahrnimmt,
Preßt ihr Herz mit schwerem Druck,
Und ihr Jammerruf, ihr Weinen
Schallt durch's ganze Haus hindurch.
"Sprich, was hast du, theurer Gatte,
Du mein Leben, meine Lust,
Reiße mich aus diesen Aengsten,
Was befiehlt der König uns?"
Immer stärker seufzt und schluchzt sie,
Er will sprechen, doch verstummt;
Zärtlich dann mit ihren Armen
Zieht sie ihn an ihre Brust.
"Oeffne mir dein Herz, Geliebter!
Was es peinigt, thu mir kund!
Deine Trauer will ich tragen,
Meine Fröhlichkeit nimm du!"
Drauf erhoben sich Graf Yanno
Und die Gräfin wiederum;
Als sie sich auf's Lager warfen,
Schloß kein Schlaf ihr Auge zu,
Und es flossen solche Worte
Von des armen Weibes Mund:
"Lieber als daß ich noch länger
Solchen Jammer sehen muß,
Tödte mich! Beim höchsten Gotte,
Bei der Jungfrau bitt' ich drum." -
"O wer solche That gebietet,
Der Tyrann sei schwer verflucht!" -
"Ich versteh' dich nicht, mein Gatte!
Sag' mir klar heraus und rund,
Welches schwere Unglück ist es,
Das sich eindrängt zwischen uns?" -
"O Geschick der Unglücksel'gen!
Schwer, ja schwer ist deine Wucht!
Tödten soll ich dich, ja tödten,
O mein Weib, mein Leben du,
Und dann die Infantin freien,
So befiehlt des Königs Spruch."
Kaum noch, daß er so gesprochen,
Kaum, daß ihm dies Wort entfuhr,
Als die Gräfin niederstürzte
Ihrer selbst nicht mehr bewußt.
Hätte doch die Unglücksel'ge
Gleich dort sterben nur gedurft,
Da ein größrer, als des Todes
Schmerz, sie neu in's Leben ruft.
"Schweige, Graf, noch ist ein Ausweg!
O vergieße nicht mein Blut!
Der Befehl läßt sich umgehen,
Höre meinen Rathschlag nur!
Sende mich zu meinem Vater,
Der so gütig und voll Huld!
Wie ein unvermähltes Mädchen,
Doch dir treu in strenger Zucht,
Keusch, wie immer ich gewesen,
Leb' ich dort in seiner Hut,
Und erziehe unsern Knaben;
Jene würd' es doch nicht thun." -
"Ach, den König so zu täuschen,
Ist vergeblicher Versuch;
Sehen will in dieser Schüssel
Er dein Haupt, getrennt vom Rumpf." -
"Schweige, schweige doch, Graf Yanno!
Einen Ausweg weiß ich nun;
Schick' mich in ein Nonnenkloster!
Dort von Brod und Wasser nur
Will ich leben, bis der Kummer
Mich hinabführt in die Gruft;
Bin ich todt dann, hat von Allem
Die Infantin nichts gewußt!" -
"Ach, den König so zu täuschen,
Ist vergeblicher Versuch;
Sehen will in dieser Schüssel
Er dein Haupt, getrennt vom Rumpf." -
"Wirf denn, fern vom Mond und Sonne,
Mich in einen finstern Thurm,
Wo nach Seufzern ich die Stunden
Meines Lebens zählen muß!" -
"Ach, den König so zu täuschen,
Ist vergeblicher Versuch;
Sehen will in dieser Schüssel
Er dein Haupt, getrennt vom Rumpf." -
Kaum noch spricht er's, als der König
Außen an der Thüre ruft:
"Hast du sie noch nicht getödtet,
Mußt du's augenblicklich thun!" -
"Gönne Frist mir, o mein Gatte,
Frist mir, um zu beten, nur!" -
"Wohl! doch bis zum Frühroth einzig
Hast du Zeit, drum bete kurz!" -
"O wer beten, beten könnte!
Hör' mich, heil'ge Jungfrau, du!
Nicht so sehr das Sterben grämt mich,
Wie der Treubruch weh mir thut;
Leid ist's mir um dich, mein Gatte,
Und um deine feige Furcht,
Denn du tödtest mich nur deshalb,
Weil der König that den Spruch.
Möge Gott dir einst vergeben,
Wenn er richtet deine Schuld!
Dem, was ich am meisten liebte,
Geb' ich nun den Abschiedsgruß:
Euch, ihr Blumen dieses Gartens,
Euch, ihr Wellen hier im Fluß!
Lebt, ihr Rosen, wohl, ihr Nelken,
Und erfüllt mir einen Wunsch,
Wenn mich Alle sonst vergessen,
Bleibt ihr freundlich mir und gut!
Reicht mir her den lieben Kleinen,
Reicht ihn her an meine Brust,
Saugen soll zum letztenmale
Er von meines Herzens Blut.
Sauge, o mein Knabe, sauge
Von der Milch des Jammers nun!
Eine gute Mutter, die dich
Innig liebte, hattest du;
Morgen hast du eine böse,
Sei sie auch von Königsblut." -
***
Horch, die Glocken läuten! Jesus!
Wessen Sterben thut das kund?
Antwort giebt darauf, o Wunder,
So der Säugling an der Brust:
"Die Infantin ist gestorben,
Wegen ihrer schweren Schuld:
Ein beglücktes Paar zu scheiden,
Solche That hat Gott verflucht."
(S. 325-333)
_____
Graf Nillo
Nillo treibt sein Roß zur Tränke,
Nillo, Nillo, jener Graf,
Und, indeß sein Rößlein trinket,
Hebt er hold zu singen an.
In der Dunkelheit des Abends
Nimmt der König ihn nicht wahr,
Doch die arme Königstochter,
Die ihn Augenblicks erkannt,
Weiß nicht, soll sie lachen oder
Weinen, beides ist ihr nah.
"Stille, meine Tochter, lausche!
Klingt doch das so wunderbar,
Wie der Engel Sang im Himmel,
Wie im Meer Sirenensang." -
"Nicht die Engel singen also,
Die Sirenen nicht, fürwahr!
Nein, Graf Nillo ist's, mein Vater,
Der zur Gattin mich verlangt." -
"Wer spricht hier vom Grafen Nillo?
Der rebellische Vasall,
Den ich aus dem Reich verwiesen,
Werde nie vor mir genannt!" -
"Herr, nur ich allein bin schuldig,
Ich allein auch sei bestraft;
Ich hab' ihn zurückgerufen,
Weil ich sonst nicht leben kann." -
"Schweig, verrätherische Tochter,
Nicht beflecke dich mit Schmach!
Sehen wirst du ihn enthauptet,
Eh der nächste Morgen tagt." -
"Wenn der Henker ihn enthauptet,
Treffe mich zugleich sein Schlag;
Wo man ihm ein Grab bereitet,
Sei auch meine Ruhestatt!"
Warum tönt die Todtenglocke?
Was bedeutet dieser Schall?
Todt ist Nillo, und dem Tode
Ist die Königstochter nah;
Schon gegraben sind die Gräber,
Um die Beiden zu empfahn,
Er soll ruhn am Kircheneingang,
Aber sie am Hochaltar.
Aus dem Grab des Grafen Nillo
Hob sich ein Cypressenstamm,
Ein Orangenbaum erhob sich
Aus der Königstochter Grab;
Beide wuchsen und mit Rosen
Küßten sich die Wipfel sanft.
"Haut mir ab die beiden Stämme!"
Rief der König; es geschah;
Edles Blut entfloß dem einen,
Königsblut dem andern Stamm,
Und geboren aus dem Blute
Ward ein kosend Taubenpaar.
Beide flogen auf die Tafel,
Dran der König Mittags saß.
"Sei verflucht so viele Liebe,
So viel Treue sei verdammt,
Daß man sie, gleich wie im Leben,
Auch im Tod nicht scheiden kann!"
(S. 339-341)
_____
Bernardo der Franzose
I.
"O wer klopft an meiner Thüre?
Wer heischt Einlaß? o wer ist's?"
"Bin Bernardo, der Franzose;
Oeffne, Liebchen, mir geschwind!"
"Ist es wirklich mein Bernardo?
Eintritt dann verstatt' ich ihm;
Aber jeder andre Ritter
Möge schleunig fliehn von hier."
Aus dem Bett so hurtig sprang sie,
Daß ihr Hemdchen sie zerriß;
Von dem Fuße fiel der Schuh ihr,
Da sie von der Treppe stieg;
Ausgelöscht beim Thürenöffnen
Ward auf einmal ihr das Licht.
Sie erfaßt die Hand des Ritters
Zieht ihn in den Garten mit,
Macht ihm dort ein Bett von Rosen
Und ein Kissen von Jasmin,
Wäscht ihn hold mit Rosenwasser,
Läßt ihn ruhen neben sich.
"Mitternacht ist schon vorüber
Und du bleibst so fremd, so still;
Sprich, was hast du, mein Geliebter?
Also sah ich dich noch nie.
Wenn du meine Diener fürchtest,
Hieher kommen jetzt sie nicht;
Wenn du meine Brüder fürchtest,
Wisse, hier nicht wohnen sie;
Wenn du meinen Gatten fürchtest,
Ferne zog er weg von mir;
Käme mir, daß ihn die Mohren
Umgebracht, doch bald Bericht!" -
"Deine Dienerschaft nicht fürcht' ich,
Da sie mehr als ich mich liebt;
Gar nicht fürcht' ich deine Brüder,
Da sie meine Schwäher sind,
Deinen Gatten auch nicht fürcht' ich,
Fürchtete mich nie vor ihm;
Aber du, Verräthrin, zittre,
Denn dein Gatte steht vor dir!" -
"Mein Gemahl, bist du es wirklich,
Der mir über alles gilt?
Welche bösen Träume hatten
Mir die Sinne ganz verwirrt!
Komm jetzt, Theurer! ich will aufstehn,
Meine Kleider anzuziehn!" -
"Schweig, nicht hintergehst du so mich!
Schweige, du Verrätherin;
Bis zum Morgen wart', dann geb' ich
Einen andern Anzug dir,
Dir ein rothgefärbtes Bußkleid,
Roth, als wär's mit Blut bespritzt,
Und für deinen Hals ein Richtbeil,
Denn du hast es so verdient!"
II.
"Nun vermummt in meinen Mantel
Laßt mich zu dem Schlosse hin!
Meine Dame will ich sehen,
Ob sie meiner nicht vergißt." -
"Todt, o Herr, ist deine Liebste,
Selber sterben sah ich sie.
Gieb wohl Acht, da ich die Zeichen,
Dran sie kennbar, nennen will!
Nur ein rothgefärbtes Bußkleid
Roth, als wär's mit Blut bespritzt,
Trug die schöne Unglücksel'ge,
Als zum Hochgericht sie ging,
Und ihr Haupt sank unterm Richtbeil,
Alles, weil sie dich geliebt.
Selber hab' ich ihre Bahre
Schwarz beschlagen, das vernimm,
Ich auch läutete die Glocken,
Als den Tod die Arme litt.
Ueber ihrer Grabestruhe
Lag ein Teppich, reich gestickt;
Das Geleit ihr gaben Mönche
Zu der Gruft, die sie umschließt:
Sieben Grafen, tausend Ritter
Folgten ihr noch überdies,
Weinend zogen ihre Mädchen,
Lachend ihre Pagen mit;
Also wurde sie bestattet,
In der Kirche von St. Gil."
Kaum vernahm der Ritter solches,
Als wie todt er niederfiel.
Stunden schwinden, viele Stunden
Bis er zu sich kommt, dahin;
Drauf zum Grab der Liebsten eilt er,
Nur nach Sterben steht sein Sinn.
"Oeffne, öffne, heil'ge Gruft, dich,
Laß mich ruhen neben ihr!"
Aus dem Grabe dann vernahm er
Solche Stimme, sanft und mild:
"Lebe, lebe du, o Ritter,
Lebe nun, da ich verschied!
Diese Augen, die dich ansahn,
Sind nun staubbedeckt und blind,
Und die Lippen, die dich küßten,
Ruhen abgewelkt und still;
Dürrer Knochen ist der Arm nun,
Der dich ehemals umfing,
Und die Locken sind vermodert,
Drin du scherzend oft gespielt.
Lebe, lebe du, o Ritter,
Lebe du, denn ich bin hin!
Nimmst du dir ein Weib zur Gattin,
Nenn' es Anna, so wie mich,
Und erzähl' ihr, mein gedenkend,
Wie wir Beiden uns geliebt,
Daß an meinem traur'gen Ende
Sie ein warnend Beispiel nimmt.
Schenkt sie Töchter dir, so suche
Sie zur Tugend zu erziehn,
Daß sie nicht durch Liebe fallen,
Wie durch dich ich unterging."
(S. 352-356)
_____
Die Wandrerin
Sieh die Wand'rerin, die junge!
Sie begiebt sich auf die Fahrt,
Einen Ritter aufzusuchen,
Welcher sie verlassen hat.
Vor den Wällen eines Schlosses
Kommt sie eines Abends an;
An den wohlbekannten Zeichen
Wird das Schloß von ihr erkannt.
"Hat der Ritter - also spricht sie -
Hier nicht seinen Aufenthalt?"
Ihr erwidert eine Dame,
Redefertig und gewandt:
"Ausgegangen ist der Ritter,
Aber kehrt zurück wohl bald;
Rufen werd' ich ihn zur Stelle,
Wenn ihr große Eile habt."
Kaum noch war dies Wort gesprochen,
Als der Ritter selbst schon kam:
"Was ist eures Kommens Anlaß?
Herrin, sprecht, was ihr verlangt." -
"Liebe, wißt, zu einem Ritter,
Trieb mich auf die Pilgerfahrt;
Bald'ge Rückkehr mir versprach er,
Doch blieb aus bis diesen Tag;
Vater da und Haus verlassend,
Zog ich über Meer und Land;
Den entfloh'nen Ritter sucht' ich,
Sucht' umsonst ihn überall." -
"Bös war das Geschick, o Herrin
Daß so spät ihr angelangt.
Hört! Ich floh vor eurem Vater,
Vor dem Tod von seiner Hand;
Ueber Meer' und Länder zog ich,
Bis zu diesem Schloß ich kam.
Ehe Jahr und Tag verschwunden
(Diesen Schwur nahmt ihr mir ab)
Sollt' ich keiner andren Dame
Mich verbinden als Gemahl.
Da nun Jahr und Tag verschwunden
Und ich nichts von euch vernahm,
Hab' ich mit der Schloßgebietrin
Mich vermählt die vor'ge Nacht." -
Kaum noch sprach er's, als die Jungfrau
Sterbend auf den Boden sank.
"O du Jammer meines Lebens,
O du Leben voll von Qual,
Klagt der Ritter, daß die Schöne
Hier in meinen Armen starb!"
Wüthend steht die Schloßgebietrin
Oben auf dem Zinnendach.
"Ritter, tragt sie fort und stürzt sie
In das tiefste Meer hinab." -
"Herrin, nein, das thu' ich nimmer,
Da von Königsblut sie stammt,
Und so innig den geliebt hat,
Welcher ihr die Treue brach!
Besser sollte niemals lieben,
Wer nicht standhaft treu beharrt."
Kaum noch sprach dies Wort der Ritter,
Als er sterbend niedersank.
Gleich befiehlt die Schloßgebietrin,
Daß die beiden Todten man
In zwei tiefe Gruben werfe
Nahe dort am Meeresstrand.
Siehe, auf dem Grab des Ritters
Wächst ein düstrer Fichtenwald,
Und es sprießt ein traurig Rohrfeld
Auf der Jungfrau frühem Grab.
Auf Befehl der Schloßgebietrin
Schnitt man all die Stengel ab,
Aber aus der Wurzel sproßten
Stets erneut sie himmelan,
Und die Castellanin hörte
Das Geseufz des Rohrs bei Nacht.
(S. 357-359)
_____
Helena
"Ach, nach meines Vaters Hause
Zieht mich Sehnsucht mit Gewalt;
Schmerzlich drängen mich die Wehen,
Und die Mutter ist nicht da." -
"Ist so heftig deine Sehnsucht,
Wohl, so folge ihrem Drang;
Allzu groß nicht wird der Schmerz sein,
Geh zum Vater hin alsbald!" -
"Aber wenn mein Gatte heimkehrt,
Wer bereitet ihm das Mahl?" -
"Ich will ihm ein Mahl bereiten
Von dem Wild, das er erjagt;
Und von meinem Brod und Weine
Nehm' er sich was ihm behagt." -
***
"Wo verweilt mein Weib Helene,
Daß sie nicht mir bringt das Mahl?" -
"Ach! verlassen hat Helene
Uns, mein Sohn, für immerdar,
Kehrte heim zu ihren Eltern,
Weil's bei uns ihr nicht behagt.
Wisse, eine Hündin schalt sie
Mich, und dich noch ärger fast!" -
"Schnell! mein Roß von Andalusien
Holt mir eilends aus dem Stall!
Und mein Weib, bei'm Himmel schwör' ich's,
Soll mir büßen für die Schmach!"
***
"Frohe Botschaft, lieber Eidam,
Ist's, die ich euch geben kann;
Einen Sohn gebar eu'r Weib euch,
Schön wie Engel des Altars." -
"Schlimm jedoch ist meine Botschaft,
Diesen Sohn, von dem ihr spracht,
Soll ein andres Weib erziehen,
Jene nicht, die ihn gebar. -
Auf, bereite dich, Helene,
Zu begleiten den Gemahl!" -
"Wie? Erst eine Stunde ist es,
Daß die Arme niederkam;
Und, sie soll schon jetzt, verlangt ihr,
Euch begleiten auf der Fahrt?" -
"Auf so kurzem, gutem Wege
Hat es nicht für sie Gefahr;
Und mein Roß aus Andalusien,
Schneller fliegt's als Mondesstrahl!" -
"Und wohin wollt ihr die Arme
Bringen denn mit solcher Hast?" -
"Fragt nicht, Mutter, sprach Helene;
Schweigen steht euch besser an.
Muß das Weib doch das vollführen,
Was der Mann ihr anbefahl.
Gebt mir meinen Reisemantel!
Der, ich hoffe, hält mich warm;
Um noch mehr mich einzuhüllen,
Reicht mir jenen Schleier dar,
Und nun gebt mir noch mein Söhnchen!
Laßt es ruhn in meinem Arm!
Ach, mein Sohn, wird dieser Küsse
Später wohl von dir gedacht?
Ruft sie, Mutter, in's Gedächtniß
Ihm, wenn einst er sprechen kann!" -
"Was sind das für Worte, Tochter?" -
"Mutter, sieh! ich bin gefaßt.
Auf so kurzem, gutem Wege
Hat es nicht für mich Gefahr,
Und das Roß von Andalusien,
Schneller fliegt's als Mondesstrahl."
***
Ja, das Roß von Andalusien,
Schneller fliegt's als Mondesstrahl,
Doch es strauchelt und will fallen,
Weil der Weg von Felsen starrt.
Eilends, eilends, aber schweigend
Ziehn sie vorwärts auf dem Pfad.
Schwer schon werden ihr die Glieder,
Ihre Hände werden kalt.
Auf des Berges Spitze ruft sie:
"Weh! ich bin zu Tode matt." -
"Warum seufzest du, Helene?
Sprich, warum du also klagst?" -
"Weil dahin mein Leben schwindet;
Ach, mein Ende fühl' ich nah;
Ist es doch erst eine Stunde,
Daß ich Arme niederkam." -
Auf die Erde sie zu legen,
Nimmt er sie vom Roß herab;
Schon mit eis'gem Schauer schüttelt
Sie der nahe Todeskrampf.
"Wem vermachst du deine Baarschaft
Und erwirbst dir seinen Dank?" -
"Ich vermache sie den Brüdern,
Wenn du nichts dawider hast." -
"Wem vermachst du dieses Kreuz hier?
Wem den Schmuck an deinem Hals?" -
"Dieses Kreuz sei meiner Mutter,
Die so sehr mich liebt, vermacht,
Daß vor ihm sie für mich Arme,
Wenn ich todt bin, beten mag!
Doch, den Halsschmuck, o mein Gatte,
Lass' ich dir; wenn eines Tags
Du ihn einer Andern schenkest,
Mag sie mehr sich freu'n daran!" -
"Und dein Landgut, wem vermachst du's,
Daß er wohl es nehm' in Acht?" -
"Dir, mein Gatte, geb' ich's; lasse
Gott es dich genießen lang!" -
"Und wem lässest du dein Söhnlein,
Daß er treu es pflegen mag?" -
"Deiner Mutter; stimme Gott sie
Hold für meinen kleinen Schatz!" -
"Nein, nicht ihr! sie würd' ihn morden,
Wie sie dich gemordet hat.
Laß ihn lieber deiner Mutter;
Die ist liebevoll und sanft.
Waschen wird sie ihren Enkel
Mit dem eignen Thränennaß,
Und vom Haupt das Tuch sich nehmen,
Daß er ruhe weich und warm." -
Neu in ihrem Busen fühlte
Sie die Lebenslust erwacht,
Als sie diese Worte hörte,
Doch die Zunge war schon starr.
Nur noch mit den Augen sagt sie,
Daß sie ihm vergeben hat.
"Nicht Vergebung mir, Helene!
Gott erhöht nicht was du sagst.
O voraus, voraus schon fühle
Ich der Hölle bittre Qual;
In den Himmel kehrend, wendet
Sich mein Schutzgeist von mir ab.
Der Verrätherzunge fluch' ich
Und dem Ohre, das sie fand!
Meinen Engel selbst zu morden,
Soweit hat mich das gebracht!
Sieben Jahr und einen Tag nun,
Will ich ziehn von Land zu Land,
Und an Roma's heil'ger Pforte
Knie'n in Reu' und Seelenangst.
Ein geweihtes Kloster will ich
Stiften hier an diesem Platz;
Sieben Seelenmessen soll man
Lesen drin an jedem Tag,
So daß Jeder, der hieher kommt,
Das Gebäude schauend, sagt:
"Dieses ist der Ort, die Stätte,
Welche seinen Frevel sah,
Dies die Stätte seiner Reue;
Gott vergeb' ihm, was er that!"
(S. 360-365)
_____
Guimar
Aller Jungfrau'n schönste ist sie,
Die in jenem Lande sind,
So voll Reizes und Verstandes,
Wie es keine zweite giebt.
Don Johann ist recht von Grund aus.
Ueber Maß in sie verliebt,
Und vor Liebe schließt der Schlummer
Keine Nacht sein Augenlied.
Er auch ist ein schmucker Jüngling,
Der vor Allen sie verdient;
Doch des Mädchens Vater, welchem
Reichthum über Alles gilt,
Schätzt die Lieb' und ihre Rechte
Sammt dem Adel so gering,
Daß mit einem reichen Kaufherrn
Er sein Kind vermählen will.
Don Johann wird fast bewußtlos,
Da die Kunde zu ihm dringt.
Fort von jenem Orte zieht er,
Aber Keiner weiß, wohin.
Vorwärts geht und immer vorwärts
So drei Monde lang sein Ritt:
Eine Bürde, nicht zu tragen,
Scheint das ganze Leben ihm.
Tag für Tag im Sattel sitzt er,
Nach dem Wege fragt er nicht;
Unbewußt, wohin er komme,
Folgt er jeder Straße blind;
Lenker ist das Pferd geworden,
Und den Reiter führt es mit.
Er erkennt der Orte keinen,
Wie er Land auf Land durchzieht.
So zurück zur Heimath kehrt er,
Aber weiß nicht, wo er ist.
Eines Maitags Morgen war es,
Alle Felder blühen rings,
Lächelnd winkt die grüne Wiese,
Und der Vögel Lied erklingt,
Aber aus der Stadt vernimmt man
Düstre Trauermelodie,
Grabgeläute dumpfer Glocken,
Und der Priester ernstes Lied:
Aus der Kirche kommend, drängen
Ritter sich und Bürger dicht.
Durch das Thor des Städtleins reitet
Don Johann betrübten Sinns,
Zieht von Gasse fort zu Gasse
Bis zu der des Liebchens hin,
Und am Hause und am Fenster,
Wo er sie so oft erblickt,
Sieht er Alles schwarz verhangen,
Schwarz wie es am tiefsten ist.
Rufen läßt er augenblicklich
Seiner Dame Dienerin.
"Gieb mir Auskunft, Weib, ich bitte,
Thu mir diesen Liebesdienst!
Laß mich wissen, wem die Trauer
Hier, die schwere, tiefe gilt." -
"Herr, für Guimar de Mexia,
Meine Herrin, trag' ich sie,
Denn bei Gott ist ihre Seele
Und ihr Leib im Grabe, wißt!
Nur für euch ist sie gestorben,
Weil sie euch so sehr geliebt."
Kaum daß Don Johann dies hörte,
Als wie todt er niederfiel;
Doch sein Schmerz war so gewaltig,
Daß er ihn nicht sterben ließ.
Leer von Thränen bleibt sein Auge,
Stumm der Mund zum Sprechen ihm.
Ringsum steht die Menge harrend,
Was er nun beginnen wird.
Schwarz vom Haupt zum Fuß sich kleidend,
Schwarz wie es am tiefsten ist,
Schreitet er dahin zur Kirche,
Wo im Grab sein Liebchen liegt.
"Guter Sakristan! ich bitte
Dich um Gottes Willen, hilf,
Hilf mir, diese Gruft zu öffnen,
Die das liebste mir umschließt!"
Dort in ganzer Schönheit lag sie,
Wie er vormals sie erblickt,
Selbst im Tode noch so reizend,
Daß ihr keine sich verglich.
Himmelswärts die Arme hebt er,
Erdwärts sinkt er mit dem Knie,
Schwört bei Gott, daß er sie nimmer,
Nimmermehr verlassen will.
Einen Dolch von Golde ziehend,
Den im Gürtel er verbirgt,
Will er sie im Tod begleiten,
Die von ihm das Leben schied.
Doch Erbarmen fühlt die Jungfrau,
Gottes Mutter, St. Marie;
Daß aus Liebe seine Seele
So verderbe, will sie nicht,
Und ein Wunder Gottes hindert,
Daß sich Don Johann ersticht;
Die Gestorbne reicht die Rechte
Ihrem Herzgeliebten hin,
Und, die holden Augen öffnend,
Lächelt sie ihm sanft und mild.
Mit der nie entwichnen Liebe
Kehrt das Leben, das entwich.
Nun den Vater, der vor Kummer
Fast gestorben, holen sie;
Freunde kommen und Verwandte,
Alle freudig heitern Sinns,
Und der heil'gen Jungfrau dankend,
Die ihm solches Glück verliehn,
Nimmt sich Don Johann die Gattin,
Die er sich so wohl verdient.
(S. 366-370)
_____
Die schöne Infantin
Die Infantin saß im Garten,
In dem Garten saß sie da,
Kämmte sich die Lockenhaare
Mit dem feinen, goldnen Kamm.
Auf das Meer die Blicke werfend,
Sah sie eine Flotte nah'n,
Deren Hauptmann nach der Landung
Zu ihr hintrat an den Strand.
"Sprich, ob du von meinem Gatten,
Hauptmann, Kunde für mich hast!
Sahst du ihn in jenem Lande,
Wo am Kreuz der Heiland starb?" -
"Viele wackre Ritter sah ich
Dort in jenem heil'gen Land.
Gieb mir, Herrin, deines Gatten
Zeichen drum und Waffen an!" -
"Silbern ganz war seines Schimmels
Sattel und mit Goldbesatz;
Eine kreuzgeschmückte Lanze
Trug er in der rechten Hand." -
"Den, auf den die Zeichen deuten,
Sah ich fallen in der Schlacht,
Fallen in beherzten Kampfe,
Und ich rächte seinen Fall." -
"Ach, ich Arme, nun verwittwet!
Fürder leb' ich nun in Gram;
Von drei Töchtern, die ich habe,
Ward noch keiner ein Gemahl." -
"Und was gäbst du, Herrin, brächt's ich
Dir den Gatten her alsbald?" -
"Silber gäb' ich viel und Gold dir,
Schätze dir von jeder Art." -
"Gold und Silber nicht gebrauch' ich,
Nicht für mich ist alles das!
Sprich, was gäbst du weiter, Herrin,
Brächt' ich jetzt dir den Gemahl?" -
"Drei der Mühlen, die ich habe,
Gäb' ich gern dir allgesammt;
Zimmt und Nelken malt die eine
Und die andere malet Hanf;
Was ich biete ist so stattlich,
Daß es selbst für Kön'ge paßt!" -
"Nicht gebrauch' ich deine Mühlen,
Nicht für mich ist alles das;
Sprich, was gäbst du weiter, Herrin,
Brächt' ich jetzt dir den Gemahl?" -
"Nun wohlan! die goldnen Ziegel
Böt' ich dir von meinem Dach!" -
"Deine Ziegel nicht begehr' ich,
Nicht für mich ist alles das;
Sprich, was gäbst du weiter, Herrin,
Brächt' ich jetzt dir den Gemahl!" -
"Wohl! die Töchter, die ich habe,
Biet' ich alle drei dir dar;
Eine reiche dir das Schuhzeug
Und die Andre das Gewand.
Und die dritte, schönste, ruhe
Als dein Weib in deinem Arm." -
"Deine Töchter nicht begehr' ich,
Nicht sind sie nach meiner Wahl;
Sprich, was gäbst du weiter, Herrin,
Brächt' ich jetzt dir den Gemahl?" -
"Weiter hab' ich nichts zu bieten,
Laß auch du vom Fordern ab!" -
"Gieb dich selber mir, o Herrin!
Das ist's, was mein Herz verlangt!" -
"Pfui des Ritters, der das Auge
Schnöd auf mich zu werfen wagt!
Auf! man binde meinem Rosse
An den Schweif ihn mit Gewalt!
Sei er um die Gartenmauer
Hingeschleift zu Hohn und Schmach!
Auf! ihr Diener, ihr Vasallen,
Daß ihr mir den Schurken packt!" -
"Denk' des Rings mit sieben Steinen!
Eine Hälfte halt' ich da,
Doch wo ist die andre Hälfte,
Die ich dir beim Abschied gab?" -
"O die langen Leidensjahre!
O die viele Pein und Angst,
Was ich deinethalb gelitten,
Gott verzeih' es dir, Gemahl!" -
(S. 371-374)
_____
Graf Johann
Von den Gränzen von Castilien
Trifft die Trauerbotschaft ein,
Daß erkrankt der Graf zurückkehrt;
Für sein Liebchen welches Leid!
Nach drei Aerzten wird gesendet,
Die man als die besten preis't;
Wer ihn rettet, läßt man künden,
Reicher Lohn wird dem zu Theil.
Die zwei jüngern Aerzte sagen,
Seine Krankheit sei nur leicht,
Doch der Aeltere von ihnen
Spricht die Wahrheit frank und frei:
"Nur drei Stunden währt eu'r Leben,
Graf, und nicht mehr volle drei!
Um eu'r Testament zu machen
Nutzt die erste denn sogleich!
In der zweiten mögt ihr beten,
Sorgend für der Seele Heil,
Und die dritte sei dem Abschied
Von der Liebsten dann geweiht!"
Während dieser Rede stürzte
Dona Isabel herein.
Aufwärts schaut zu ihr der Kranke,
Matten Blicks und todtenbleich:
"Sei willkommen mir, Geliebte!
Wie voll Sehnsucht harrt' ich dein,
Daß mir deine Nähe lindre
Dieser Stunde schwere Pein!" -
"Auf die heil'ge Jungfrau bau' ich,
Da mir das nur Trost verleiht,
Daß sie dir das Leben rettet
Und die Krankheit von dir weicht." -
"Meine vielgeliebte Rose!
Werd' ich wiederum geheilt,
Dann im Beete meines Herzens
Sollst du wachsen und gedeihn!
Durch das Band der Mutter Kirche,
Das der Erzbischof geweiht,
Und durch Sprengung heil'gen Wassers
Sei'st du dann mit mir vereint!"
Während so die Beiden sprachen,
Trat des Grafen Mutter ein.
"Sohn, wie ist dir? Ach, dein Siechthum
Schafft mir tiefes Herzeleid." -
"Nach dem Sterben bin ich, Mutter,
Und verhauche bald den Geist.
Nur drei Stunden noch zu leben
Hab' ich, ja nicht volle drei." -
"Sohn in dieser ernsten Stunde
Mustre deine Lebenszeit!
Hast du wider eine Dame
Dich nicht einer Schuld zu zeihn?" -
"Mutter, ja mich schuldig fühl ich;
Um die Ehre bracht' ich einst
Dona Isabel, die edle;
Doch vermach' ich diesem Weib
Jetzt zur Sühne tausend Goldstück,
Daß sie ihre Mitgift sei'n." -
"Ehre läßt sich nimmer kaufen;
Sohn, die Sühnung ist zu klein." -
"Ich vermach' ihr noch zweihundert
Und dies Kreuz von Edelstein." -
"Ehre läßt sich nimmer kaufen;
Solche Sühnung ist zu klein." -
"Euch empfehl' ich sie, ihr Aerzte,
Steht mit Rath und That ihr bei!
Dich, o Mutter, bitt' ich, sorge
Du für sie mit treuem Fleiß!
Wer sich ihr vermählt, an Habe
Mach' ich den an Gütern reich;
Wer die Hand ihr weigern sollte,
Falle durch des Henkers Beil."
"Nicht für Güter, nicht für Schätze
Tauscht die Ehre, Sohn, sich ein;
Wenn du Isabel geliebt hast,
Hinterlaß sie makelrein!" -
"Wohl, so leg' ich ihre Rechte
In die meine, also sei's!
Wißt, daß als des Grafen Wittwe
Sie in Zukunft Gräfin heißt!"
(S. 397-399)
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übersetzt von Adolf
Friedrich von Schack (1815-1894)
Aus: Romanzero der Spanier und Portugiesen
von Emanuel Geibel und Adolf Friedrich von Schack
Stuttgart J. G. Cotta'scher Verlag 1860
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