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Liebeslieder aus Siam (Thailand)
Hör', theures Mädchen, o hör'!
Wie schmachte ich nach dir,
sehnsüchtig und heiss
bewegt nach deiner Umarmung verlangend.
Wozu die Scheu, wo feurige Liebe drängt.
Wenn wir aus traulichem
Beisammensein uns erheben,
wirst du den versüssten Reis
der Reue essen.
Auch dein älterer Bruder wird essen.
Wir werden uns damit sättigen,
und dann ist Alles gebüsst,
dann bleiben wir stets vereint. (S. 332)
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O, du, der schwellenden Lotus gleich,
dem ruhigen, stillen See,
du gleich dem bräunlichen Festeskranz,
dem prunkenden Königsboote gleich,
das, strahlend von der Herren und Krieger Glanz,
des Blumenschmuckes Fülle trägt.
Du, die kein Name genügend preist,
o komm, du Langersehnte, komm.
Blumen zu pflücken, wandert der Bruder umher,
Blumen dem Engel (Thephada) darzubringen.
Wirst du nicht Theil zu nehmen wünschen,
seine Arbeit theilen?
Fern bist du geboren,
fern in Myang Ho (an der Grenze Junan's),
du hier so allein,
dein Bruder sah das Licht
in Myang (Siam),
lass denn uns Beide,
die weite Entfernung überwindend,
ein Herz und eine Seele sein,
zusammenlebend.
Du zögerst noch, du schwankest?
Ich stehe hier ein schmachtender Brunnen,
und warum denn doch
kommt das Wasser nicht
zu mir herabgeflossen,
meine heissen Wünsche zu stillen?
Ah, du bist zu kostbar,
zu edel für einen Armen und Elenden,
gleich deinem älteren Bruder hier!
Nur die Augen mögen auf dich blicken,
aber für jede Andere
ist mir die Hoffnung todt.
Vergebens meine trügerischen Pläne,
dich als Gattin heimzuführen.
Zurückgestossen und verachtet
werde ich in die Finsterniss hinauswandern,
auch das Licht der Sterne fliehen,
zu vergessen, dass du mich hassest.
Die aus früheren Verdiensten
herführenden Wege unserer Geschicke
scheiden sich weit von einander,
sie werden nie zusammentreffen.
Wie wäre eine Vereinigung denkbar
zwischen dir, so klar und rein,
wie des Stromes spiegelndes Wasser,
und mir, dem erbärmlichen und jämmerlichen Wichte.
Du so edelgeboren und stolz,
ich arm und gemein.
Der Wahrsager mag entscheiden,
wie daraus ein Paar werden kann.
Dann erst werde ich
deine Gesinnung kennen. (S. 332-333)
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übersetzt von Adolf Bastian (1826-1905)
Aus: Die Voelker des oestlichen Asien
Studien und Reisen von Dr. Adolf Bastian
Dritter Band (Reisen in Siam im Jahren 1863)
Jena Hermann Costenoble 1867
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