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Spanische Liebeslieder
Abenamars unglückliche Liebe
In den Gärten Almeria
Lieget da Mohr Abenamar,
Sein Gesicht gekehrt zum Palast
Seiner Mohrin Galiana.
Statt des Kissens sein Albornos,
Seine Tartsche statt des Teppichs,
Seine Lanze längs dem Boden;
Viel ist's, daß so liegt die Lanze.
Um den Sattelknopf geworfen
Hängt der Zaum; hinangeschlungen
Mit der Trense zwischen zweien
Linden geht sein Pferd und graset.
Er betrachtet eine blühnde
Mandel: traurig hangt die Blüthe,
Ist versengt vom scharfen Nordwind,
Der die Blüthen alle tödtet.
(S. 188)
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Zaid und Zaida
Durch die Strasse seiner Dame
Wandelt Zaid auf und nieder,
Harrend, daß die Stunde komme,
Endlich komme, sie zu sprechen.
Und schon geht der Mohr verzweifelnd,
Da es sich so lange zögert,
Denket: nur von ihr Ein Anblick
Wird all' meine Flammen kühlen. -
Und da sieht er sie! Am Fenster
Tritt hervor sie, wie die Sonne
Aufgeht in dem Ungewitter,
Wie der Mond im Dunkel aufgeht.
Leise tritt ihr Zaid näher:
Alla mit dir, schöne Mohrin!
Ist es wahr, was meine Pagen,
Deine Dienerinnen sagen?
Sagen: Du willt mich verlassen,
Wollest einem schnöden Mohren,
Der von deines Vaters Gütern
Kaum noch ankam, dich vermählen?
Ist es wahr, o schönste Zaida?
Sage mir es, täusche mich nicht,
Wolle mir es nicht verhehlen,
Was so laut ja alle wissen!
Tiefgebeugt erwiedert Zaida:
Ja, mein Guter, es ist Zeit nun,
Daß sich dein' und meine Freundschaft
Trenne, weil es alle wissen.
Um und an bin ich verlohren,
Wenn die Sache weiter fortgeht,
Alla weiß, wie es mich schmerzet,
Wie's mich drücket, dich zu lassen.
Du weist wohl, wie ich dich liebte,
Troz des Widerspruchs der Meinen,
Weißt, was ich mit meiner Mutter
Für Verdruß und Kummer hatte,
Wenn ich dich zu Nacht erharrte,
Harrte, dich noch spät zu sehen;
Dies auf Einmal mir zu enden,
Wollen sie jezt - mich vermählen.
Bald wird eine andre Dame,
Schön und artig dein seyn, Zaid,
Die dich liebet, die du liebest,
Weil du es verdienst, o Zaid.
Tiefgebeugt der Mohr erwiedert,
Hingedrückt von tausend Kummer:
"Nicht versteh' ich's, schöne Zaida,
Wie du mit mir also handelst?
Nicht versteh' ich's, wie du also
Wechselst meine treue Liebe?
Einem häßlich schlechten Mohren,
Der so grossen Guts nicht werth ist.
Warst du's, die auf dieser Stelle
Zu mir sprach, noch jenen Abend?
Dein bin ich, dein bin ich ewig!
Dein, o du mein Leben, Zaid!"
(S. 189-191)
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Zaida an Zaid
Hör, was ich dir melde, Zaid!
Geh nicht mehr durch meine Strasse,
Sprich nicht mehr mit meinen Weibern,
Noch mit meinen Sklaven sprich mehr!
Frage nicht mehr, was ich mache?
Noch wer komm', mich zu besuchen?
Welche Feste mich ergözen?
Welche Farben mir gefallen?
Gnug an der, die deinetwegen
Jezo meine Wangen färbet!
Daß ich einen Mohren kannte,
Der so wenig weiß zu leben. -
Ich gesteh' es, du bist tapfer,
Spaltest, trennest, reissest nieder,
Hast der Christen mehr erleget,
Als Blutstropfen in dir fliessen!
Bist ein wackrer schöner Reuter,
Tanzest, singest, spielest lieblich,
Bist so fein, so wohlerzogen,
Wie man sich es nur kann denken;
Weiß und roth, daß nichts darüber!
Stammest von berühmten Ahnen,
Bist die Krone stets im Streite,
Bist die Zier in Scherz und Spielen!
Viel verlier' ich mit dir, Zaid!
Wie ich viel mit dir gewann,
Und - wärst du nur stumm gebohren,
Wär' es dich zu lieben möglich.
Aber um des Einen willen,
Muß ich, Zaid, dich verlieren,
Da, Verschwender deiner Seele,
Du dir selbst dein Glück ja raubest.
Denn in Reden dich zu zähmen,
Thäte es ja wahrlich Noth, dir
Auf die Brust ein Schloß zu sezen,
Auf die Lippen einen Kadi.
Viel vermögen bei den Damen
Tapfre Männer Deinesgleichen;
Denn sie lieben tapfre Männer,
Die zerstreuen, haun und spalten.
Aber kurz und gut, Freund Zaid,
Wenn von solchen Gunsterweisen
Du dir etwa Tafel giebest;
Rath ich dir: genieß und schweige!
Köstlich wars, was du genossest,
Glücklich wärest du, o Zaid,
Wüstest du, dir zu erhalten,
Was du zu gewinnen wußtest.
Aber warest du doch neulich
Kaum heraus aus Tarfes Garten,
Als du ja von deinem Unglück
Und von meinem so beredt warst!
Einem mißgeschaffnen Mohren
Zeigtest du, ich weiß es, jene
Flechte, die von meinen Haaren
Ich dir auf den Turban steckte.
Nicht verlang' ich sie zurücke,
Noch, daß du das Nichts behaltest,
Aber wisse, Mohr! Du hast sie
Jezt zum Zeichen meiner Ungunst!
Auch hab' ich es wohl erfahren,
Wie du ihn für jene Lügen,
Lügen, die für Wahrheit gelten,
Nun herausgefodert habest.
Wahrlich, ein so närrisch Unglück
Macht mich lachen wider Willen,
Wahrest selbst nicht dein Geheimniß;
Und ein andrer soll es wahren?
Ich will nichts entschuldigt hören;
Nochmals will ich dir nur melden,
Daß du jezt zum leztenmale
Mich hier siehst, und ich dich spreche.
Also die verschämte Mohrin
Sprach zum stolzen Bencerrajen;
Sprach noch, da sie weg sich wandte:
"Wers so macht, wird so gelohnet!"
(S. 192-194)
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Zaid an Zaida
Schöne Zaida meiner Augen!
Meiner Seele schöne Zaida!
Du, die schönste der Mohrinnen,
Und vor allen Undankbare.
Du, aus deren schönen Haaren
Amor tausend Neze stricket,
Drinn sich, blind von deinem Anschaun,
Tausend freie Seelen fangen!
Welche Lust empfandst du, Stolze,
Dich mir also zu verändern!
Weist, wie sehr ich dich anbete,
Und begegnest mir nun also!
Ach wie übel, süsse Feindin,
Lohnst du meine treue Liebe!
Da statt Gegenliebe du mir
Unbestand und Undank giebest.
Wie so schnell sind sie entflogen
Deine Worte, deine Schwüre!
Gnug, daß es die deine waren,
Nahmen Flügel sie und flogen.
Denke, wie an jenem Tage
Du mir tausend Liebeszeichen,
Ach so zarte Zeichen gabest,
Daß so zart sie welken mußten.
Denk, o denke, wenn dir, Zaida,
Dies Erinnern jezt nicht widert,
Welch Vergnügen du empfandest,
Wenn ich deinen Pallast umzog.
Wenn am Tage auf den Punkt schnell
Du hin an das Fenster hüpftest,
Oder Nachts dich auf dem Balkon,
Dich am Gitter sprechen liessest.
Wenn ich ausblieb, oder säumte,
Welche Eifersucht dich brannte;
Aber nun, wie bist du anders!
Heissest mich, an Hof zu gehen.
Heissest mich, dich nie zu sehen,
Nie dir Briefe mehr zu schreiben,
Dir, der einst so lieb sie waren,
Und nun Unlust dir erregen.
Ach, o Zaida, deine Liebe,
Deine Gunst und süssen Worte
Haben sich mir falsch entdecket,
Haben dich mir falsch erwiesen.
Kurz, du bist ein Weib, o Zaida,
Nur geneigt zum Unbestande,
Betest an, was dich vergisset,
Und vergiss'st, was dich anbetet.
Aber hasse mich, o Zaida,
Dir in Nichts zu gleichen, will ich,
Wärest du von hartem Eise,
Mehr nur meine Flamme nähren,
Will dir deine Untreu lohnen
Mit viel tausend Liebesängsten,
Denn, o Zaida, wahre Liebe
Wird sehr spät nur unbeständig.
(S. 195-197)
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Zaida's traurige Hochzeit
Auf ging schon der Stern des Abends,
Und die Sonne ging danieder,
Und die Nacht, des Tages Feindin,
Kam mit ihrem schwarzen Mantel:
Da ging aus mit ihr ein tapfrer
Mohr, der glich dem Rodomonte,
Aus Sidonja ging er zornig,
Eilt die Veja* hin nach Xeres.
Voll Verzweiflung er da eilet:
Denn, troz seines edlen Stammes,
Hat ihn seine Braut verlassen,
Weil er ihr zu arm gedünket.
Und in dieser Nacht vermählet
Sie sich einem schlechten Mohren,
Weil er reich und in Sevilla
War Alcaide von Alcazar.
Schwere Seufzer aus dem Herzen
Thut er, über solch ein Unrecht:
Das ringsum die Veja tönet,
Und die Echo mit ihm klaget:
Zaida sprich, o du, ergrimmter
Als das Meer, das Schiffe schlinget!
Härter du und unerbittlich,
Wie des Felsens Eingeweide.
Wie? Grausame, kannst du dulden,
Nach so viel erzeigter Liebe,
Daß mit Pfändern, die ja mein sind,
Sich ein Fremder damit zieret?
Ist es möglich, daß du Liebe
Annimmst von der rauhen Eiche,
Und läßst dein geliebtes Bäumchen
Stehen sonder Frucht und Blüthe.
Du verlässest einen Armen,
Der wohl reich ist, und erwählest
Einen Reichen, ha, wie dürftig!
Wenn du Seelenreichthum kenntest.
Du verlässest deinen edlen
Gazul und sechs Jahre Liebe;
Gibst die Hand dem Albenzaid,
Den du ja noch kaum erkennest!
Nun so geb' es Alla! Feindin,
Daß er dich, wenn du ihn liebest,
Tief verabscheu' und du weinen,
Eifersüchtig müssest seufzen!
Daß im Bette du ihm Eckel,
Ihm am Tisch Verdruß erweckest,
Daß zu Nacht du keinen Schlummer,
Tages keine Ruhe kennest.
Daß bei Tänzen und bei Festen
Nie du deine Farben sehest!
Nicht den Schleier den du nähtest,
Nicht den Ermel, den du sticktest.
Daß er den von seiner Buhle,
Und mit ihres Namens Zuge,
Dir vor Augen trag', in Spielen
Dir auch zuzuschaun nicht gönne.
Nicht an Fenster, nicht an Pforte;
Damit dich's nur tiefer schmerze.
Und so haß ihn bis zum Tode,
Und genieß ihn viele Jahre.
Oder liebst du ihn, so müssest
Plözlich du ihn todt erblicken, -
Das ist doch wohl alles Unglück,
So dir Männer wünschen können.
Das, geb' Alla, müss' dich treffen
Stracks wenn du die Hand ihm reichest.
Mit den Flüchen, mit den Schwüren,
Kam er Mitternachts nach Xeres.
Fand den Pallast überdecket
Mit Geschrei und hellen Lichtern.
Und schon machten viele Diener
Plaz zum Zuge, liefen alle
Hie und da mit hellen Fackeln,
Alle reich in Livereien.
Dicht gerade vor den Bräut'gam
Sezte Gazul sich in Bügel.
Mächtig stieß er seine Lanze,
Stieß die Brust ihm durch und durch.
Und der Plaz wird voller Aufruhr,
Und der Mohr zieht seinen Säbel,
Bahnet Weg sich hin durch alle,
Kehrt nach Medina zurück.
(S. 198-201)
* Die Veja ist eine der höchsten Gegenden Andalusiens,
den Arabern eines der vier irdischen Paradiese
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Gasul und Lindaraja
Durch die Strasse zu Sankt Lucar
Kommt heran der tapfre Gasul,
Prächtig, schöngeschmückt in weisser,
Violett- und grüner Farbe.
Muthig will er ab jezt reisen
Zum Turnierfest, das in Gelves
Der Alcaide gibt zur Feier,
Als ein Friedensfest des Landes.
Er liebt eine Benceraja,
Ueberbliebne jener Helden,
Die die Zegris und Gomeles
Einst verriethen in Granada.
Sie zum Abschied noch zu sprechen,
Wendet er wohl tausendmale
Auf und ab, dringt mit den Augen
Durch die glücklichlieben Wände.
Endlich, nach der jahreslangen
Stunde seiner raschen Hoffnung,
Tritt hervor sie auf den Balcon,
Seine lange Stunde kürzend.
Er hält an sein Roß, und läßt es,
Da ihm aufgeht seine Sonne,
Niederknien in seinem Namen,
Und vor ihr die Erde küssen.
Mit gestörter Stimme spricht er:
"Schönste, nun kann meiner Reise
Trauriges auch nichts begegnen,
Da ich deinen süssen Blick seh.
Pflichten nur und Anverwandte
Ziehn dorthin mich, ohne Seele.
Mein Andenken bleibt zurück dir,
Ob du auch an mich noch denkest?
Schönste, gib mir denn ein Denkmal,
Nicht, daß es mich dein erinnre,
Nur, daß es mit dir mich schmücke,
Schüze, leit' und mache muthig."
Aber Lindaraja brennet,
Eifersüchtig bis zum Tode,
Daß in Geres eine Zaida,
Neben ihr sie Gasul liebe.
Daß er in den Tod sie liebe,
Hat erfahren Lindaraja,
Und antwortet Gasul also:
Wenn sich's im Turnier jezt füget,
Wie es meine Brust dir wünschet
Und die deine es verdienet,
So wirst du, so stolz wie immer,
Nach Lucar nicht wiederkehren,
Nicht vor Augen, die dich lieben,
Noch vor Augen, die dich abscheun.
Ja gefall's dem großen Alla,
Daß im Spiele deine Feinde
Auf dich ziehn geheime Lanzen,
Und du fallest, wie du lügest;
Und daß, unterm Oberkleide,
Panzerhemde sie beschüzen,
Daß, wenn du nach Rache dürstest,
Du sie suchst und doch nicht findest,
Deine Freunde dich verlassen,
Deine Feinde dich zertreten,
Du auf ihren Schultern ausgehst,
Wie du für die Dame eintratst.
Und daß, statt dich zu beweinen,
Die du liebst und die du täuschest,
Beide dir mit Flüchen beistehn,
Und sich freuen deines Todes."
Gasul meinet, daß sie scherze,
(Wie die Unschuld pflegt zu meinen)
Hebt empor sich in den Bügeln,
Ihre schöne Hand zu langen.
"Lügner, o Sennora, spricht er,
Ist der Mohr, der mich verläumdet,
Auf ihn alle diese Flüche,
Ihn zu lohnen, mich zu rächen!
Meine Seele haßet Zaida,
Reuig, daß ich je sie liebte;
Fluch auf alle jene Jahre!
Da ich ihr (mein Unglück!) diente.
Sie hat mich um einen Mohren,
Reich an armem Gut, verlassen." -
Da das Lindaraja höret,
Kann sie es nicht länger ausstehn,
Und in selbem Augenblicke
Kommt der Page mit den Rossen,
Führet sie, geschmückt mit Federn
Und mit anderm Schmuck des Festes;
Aber Gasul faßt die Lanze,
Fasset sie mit starker Rechte,
Splittert sie in tausend Stücke
Gegen die geliebten Wände.
Und befiehlt, daß seinen Rossen
Gleich der Schmuck gewechselt werde,
Statt der grünen Federn falbe,
Falb' hineinzuziehn nach Gelves.
(S. 202-205)
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Gazul und Zaida
Reich gezieret mit Geschenken
Seiner schönen Lindaraja
Reiset ab der tapfre Gazul,
Geht nach Gelves zum Turniere.
Mit sich führet er vier Pferde,
Reich bedeckt mit goldnen Decken,
Wo sich tausendmal der Name
Benceraja schlingt in Golde.
Violet und weiß und blaulich
Sind des Mohren Ritterkleider:
Gleichgefärbt die Federbüsche
Und die Vorderfeder röthlich.
Alles köstlich theures Stickwerk
Feinen Goldes, feinen Silbers:
Gold gesezt aufs Violette,
Auf das Rothe Silberschmelzen.
Und sein Sinnbild war ein Wilder
Mitten da auf seiner Tartsche,
Der zerreißet einen Löwen,
Und dabei die Ehreninschrift,
Die die edlen Bencerajen,
Sie die Blüthe von Granada,
Alle führten, jeder kannte,
Jeder ehrete und liebte,
Die nun führt der tapfre Gazul
Auch aus Liebe seiner Dame,
Die auch eine Benceraja
Jezt er über alles liebet.
So gerüstet trat der tapfre
Gazul auf den Plaz von Gelves,
Führet einen Zug von dreißig,
Alle gleich und schön gekleidet.
Wer sie schauet, der bewundert,
Alle führen gleiches Sinnbild,
Gleiche Inschrift, nur der Eine
Gazul führt die seine sonders.
Unterm Schall der hellen Zinken
Fänget an das Lanzenwerfen,
Wird so warm und so verwirret,
Daß es eine Schlacht erscheinet.
Aber Gazuls tapfre Rotte
Trägt in allem Dank und Ehre.
Keine Lanze schleudert Gazul,
Die nicht eine Tartsche treffe.
Von Balconen und von Fenstern
Schauen zu die Mohrendamen.
Unter ihnen auch die schöne
Mohrin Zaida, die aus Xeres;
Aber jezo falb gekleidet,
Falb um ihrer Trauer willen:
Denn ihr hat der tapfre Gazul
Ihren Bräutigam getödtet.
Wohl erkennt sie ihren Gazul,
Kennet ihn am Wurf der Lanze,
Denket an verfloßne Zeiten,
Da einst Gazul ihr noch diente,
Und sie ihn so übel ansah,
So undankbar seinem Dienste!
Und je stärker er sie liebte,
Immer nur noch undankbarer.
Dieses kränkt sie jezt im Herzen
Schmerzlich, sinkt in Ohnmacht nieder;
Endlich da sie wieder zu sich
Kommet, spricht ihr Mädchen also:
"Edles Fräulein, was, was ist dir?
Was bedeutet diese Ohnmacht?"
Zaida mit gebrochner Stimme
Krank und traurig ihr erwiedert:
Kennst du denn nicht jenen Mohren,
Der jezt eben seine Lanze
Hebet? Gazul ist sein Name,
Und sein Ruhm ist allenthalben.
Sechs Jahr' hat er mir gedienet,
Und ich lohnt ihn so undankbar.
Meinen Bräut'gam mir getödtet,
Und auch das hab' ich verschuldet.
Und ich lieb' ihn mit dem Allen,
Halt ihn tief in meiner Seele.
Glücklich, als er mich noch liebte,
Aber jezt bin ich ihm nichts mehr.
Er liebt eine Bencerraja,
Und ich lebe ihm verachtet. -
Also klagte sie, indessen
Ging das Spiel und Fest zu Ende.
(S. 206-209)
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Der Brautkranz
Voll von Ruhm und Siegeszeichen,
Mehr als Mars es je gewesen,
War der edle tapfre Gazul
Nun aus Gelves heimgekehret.
Wohl empfing ihn in Sankt Lucar
Lindaraja, seine Dame,
Die ihn o wie zärtlich liebet,
Und nicht minder liebt er sie.
Beide nun allein zusammen
In des Blumengartens Blüthe,
Wechseln sie der Liebe Pfänder,
Jedes fühlet, wen es liebt.
Lindaraja hat aus zarter
Neigung einen Kranz geflochten,
Schön von Nelken und von Rosen,
Und von auserwählten Würzen.
Hat ihn rings umsteckt mit Veilchen,
Die die Blümlein sind der Liebe,
Und so sezt sie ihrem Gazul
Auf das Haupt den Kranz und rühmet:
"Nimmer war doch Ganymedes
Schön wie du von Angesichte,
Wenn dich Jupiter jezt sähe,
Führet' er dich mit sich fort."
Gazul freudig sie umarmend
Spricht mit Lachen: "meine Liebe,
Schön wie du war wahrlich jene
Griechin nicht, die Paris raubte,
Um die Troja ging verlohren,
Um die Alles stand in Flammen:
Schön, wie du, war jene nimmer,
Du die Siegerin des Amors."
"Wenn ich denn so schön dir scheine,
Gazul, laß uns uns vermählen!
Hast mir ja dein Wort gegeben,
Mein Gemahl zu werden, Gazul."
Wohl, o wohl, spricht Gazul, laß uns!
Denn dabei bin ich Gewinner.
Und so feiren sie mit Freude
Hochzeitfest und werden Christen.
(S. 210-211)
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Die Entfernte
Die silbernen Wellen des heil'gen Ibero
Sie sahen Auroren, und strahlten ihr Bild.
Die schüchternen Nymphen im dunkeln Gebüsche,
Sie sahen Auroren, und schlüpften hinab.
Am Ufer erquickten sich spriessende Blumen
Im Schimmer der Göttin, und fühleten neu.
Die Vögel besangen mit Zungen der Harfe
Die Schönheit der Göttin, und - schwiegen verstummt.
Denn siehe, da wandelt ein Mädchen am Ufer;
Der Mond und die Sterne, sie schieben hinweg;
Die silbernen Wellen des heil'gen Ibero
Vergassen Aurora und strahlten ihr Bild;
Die räub'rischen Augen, die lieblichen Bogen,
Die Lilienfrische, den wimpernden Strahl;
Die lieblichen Räuber, umschleiert mit Sorge,
Im Nebel der Thränen den wimpernden Strahl.
Sie setzte sich nieder ans horchende Ufer;
Aurora verweilte, und hörte Gesang:
"Ihr silbernen Wellen des heil'gen Ibero,
Ihr sehet mich weinen, ich weine zu euch.
Ihr rauschet zu Ihm hin, ihr silbernen Wellen,
Um den ich hier weine, der fern mir verweilt.
O! möcht' er verweilen, nur nimmer vergessen
Der Seele, die immer in Träume ihn sieht.
Geht zu ihm, ihr Wellen, und rauschet ihm frühe,
Und rauschet ihm klagend, was hier ich euch sang.
Erinnr' ihn, Aurora, in warnenden Träumen,
In lieblichen Träumen, und zeig' ihm mein Bild.
Ihr schüchternen Nymphen, die Kränze sich winden,
Nehmt hin diese Blumen, und gebt ihm den Kranz,
O! möcht' er verweilen, nur nimmer vergessen
Der Seele, die immer in Träumen ihn sieht."
Die Vögel besingend den lieblichen Morgen,
Sie schwiegen und horchten und lernten das Lied.
Die schüchternen Nymphen im dunkeln Gebüsche,
Sie nahmen die Blumen und schlüpften hinweg.
Aurora mitleidig nahm purpurne Nebel,
Und bildete Träume, und blidet' ihr Bild -
Auf fuhr aus den Träumen der weilende Schäfer
Und eilete zu ihr, und sank ihr ans Herz.
(S. 236-237)
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Aus: Stimmen
der Völker in Liedern.
Gesammelt, geordnet, zum Theil übersetzt durch
Johann Gottfried von Herder
Neu herausgegeben durch Johann von Müller
Tübingen 1807
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