Liebeslieder der Völker (Volkslieder)

 


Spanische Romanzen




Romanze von Rosenblüte

Steht ein Schlößlein in Castilien,
Kühlensfels hat man's benannt;
Felsen heißen sie das Schlößlein,
Aber kühl den Quell daran.
Dessen Mauern sind von Golde,
Und die Zinnen silberklar;
Zwischen Zinn' und Zinn' inmitten
Steht ein Saphir jedesmal,
Der bei Nacht so helle funkelt,
Wie die Sonn' am hohen Tag.

Drinnen wohnt ein junges Fräulein,
Rosenblüte wird's genannt,
Das umwerben sieben Grafen,
Drei Herzög' aus welschem Stamm,
Doch in ihrem Uebermuthe
Weist sie alle Freier ab,
Denn sie liebt den Montesinos,
Den sie nie mit Augen sah.

Einst geschieht's, daß Rosenblüte
Plötzlich aufschreit in der Nacht,
Wohl vernahm's der Kammerdiener,
Der vor ihrer Kammer lag.
"Was geschah euch, Rosenblüte?
Herrin sagt, was euch geschah?
Seid ihr toll und thöricht worden,
Oder seid ihr liebeskrank?" -

"Nimmer ward ich toll und thöricht,
Doch vor Liebe bin ich krank;
Auf und bringe mir nach Frankreich
Diesen Brief in's schöne Land.
Gieb ihn dort an Montesinos,
Der mein ganzes Herz entflammt,
Sag' ihm, daß er heim mich suche
Auf den Blumenostertag;
Diesen Leib woll' ich ihm geben,
Wohl den schönsten hier im Land,
Außer jenem meiner Schwester,
Der in Feuer sei verbrannt;
Ja, und wenn er mehr verlange,
Mehr noch soll' er dann empfahn,
Soll' empfangen sieben Schlösser,
Die die besten hier im Land."
(S. 14-15)
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Romanze vom Grafen Claros

"Graf, ihr seht mich tief bekümmert,
Daß ihr also sterben müßt,
Denn die Schuld, die ihr begangen,
Ist so schwer nicht, wie mich dünkt,
Und verzeihlich scheinen Sünden,
Die die Liebe hat verübt.
Drum den König bat ich, öffnen
Möcht' er eures Kerkers Thür,
Doch der König heftig zürnend
Wies mich ab mit Ungestüm,
Und ein Urtheil, schon gesprochen,
Nimmt sich nimmermehr zurück;
Denn ihr schlieft bei der Infantin,
Als die Wacht ihr dort geführt.

Besser hättet ihr, mein Vetter,
Euch um Damen nie bemüht;
Wer sich viel um sie bekümmert,
Wohl erhofft er Heil und Glück,
Doch in Tod und in Verderben
Stürzt' er spät sich oder früh,
Denn der Weiber Lieb' und Treue
Bricht als wie aus Glas gefügt."

"Sprecht nicht solches Wort, mein Oheim,
Nicht ertrag' ich's unerzürnt;
Lieber will ich um sie sterben,
Als sie meiden für und für."
(S. 93-94)
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Romanze vom Grafen Aleman

Wo die Sonne steht um Mittag,
Stand am Himmel hoch der Mond,
Als Graf Aleman des Schlafes
Bei der Königin genoß.
Keine Menschenseele wußt' es,
Keine Seel' am ganzen Hof;
Nur des Königs junge Tochter,
Die Infantin wußt' es wohl.
Darum sprach zu ihr die Mutter,
Und entbot ihr solches Wort:
"Was ihr auch geschaut, Infantin,
Was ihr schauet, schweigt davon.
Ein Gewand aus klarem Golde
Schenkt euch dann der Graf zum Lohn." -
"Feuersgluth verzehr', o Mutter,
Solch Gewand aus klarem Gold,
Wenn mir bei des Vaters Leben
Ein Stiefvater leben soll."

Da sie nun zerfloß in Thränen,
Sah der König ihre Noth,
"Warum weint ihr, meine Tochter,
Redet, wer betrübt euch so?" -
"Eben nahm ich meinen Imbiß,
Feines Brod in Wein gebrockt,
Als Graf Aleman hereintrat,
Und mir über's Kleid ihn goß." -
"Schweiget, meine Tochter, schweiget,
Nehmt die Sache nicht im Zorn,
Jung noch ist der Graf und kindisch,
Und im Spaße that er's wohl." -
"Feuersglut verzehr', o Vater,
Solchen Spaß und solchen Spott,
Wenn mit mir sich zu ergötzen
Er in seinen Arm mich zog." -
"Wenn mit euch sich zu ergötzen
Er in seinen Arm euch zog,
Soll er's mit dem Leben büßen,
Eh' die Sonne dort erlosch." -
(S. 95-96)
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Romanze von Don Galvan

Arges nichts von ihrer Tochter
Träumte sich die Königin,
Ob sie gleich Galvan dem Grafen
Schon geschenkt das dritte Kind.
Niemand wußt' es dort am Hofe,
Niemand in des Hofes Dienst,
Denn allein ein junges Fräulein,
Das in ihrer Kammer schlief:
Die verrieth's an ihre Mutter,
Aufgebracht um einen Zwist.
Zur Infantin schickt die Fürstin,
Schließt in eine Kammer sie;
Vorwurfsvoll mit schwerem Kummer
Spricht sie solches Wort zu ihr:
"Tochter, so du Jungfrau bliebest,
Harrt Castiliens Thron auf dich;
Doch im Feuer mußt du brennen,
So du nicht mehr Jungfrau bist." -
"Also bin ich Jungfrau, Mutter,
Wie als neugebornes Kind.
Aber seid um Gott beschworen,
Gebt mich keinem Mann dahin;
Da mein Leib an Schmerzen krank ist,
Taugt' ich ihm zu keinem Dienst."

Drauf verschließt man die Infantin
Wo der Thurm am höchsten ist;
Dorten webt sie bunte Seide,
Webt noch schöner Goldgewirk.
Plötzlich den Galvan erspäht sie,
Ihrer Sehnsucht einzig Ziel.
Da es nun so weit gekommen,
Greift sie rasch nach ihrem Kind;
"Hört um Gott, um Gott, Herr Ritter,
Hier am Thurme haltet still.
Fangt in eures Mantels Falten,
Fangt dies Kindlein auf geschwind!
Bringt es heim zu eurer Mutter,
Und zu warten gebt es ihr." -
(S. 104-105)
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Romanze von Moriana und Galvan

Auf dem Schlößlein spielt Moriana
Mit dem Mohren Don Galvan;
Um die Zeit sich zu verkürzen,
Spielen sie zusammen Schach.
Immer, wenn der Mohr verlieret,
So verliert er eine Stadt,
Aber wenn verliert Moriana,
Reicht sie ihm zum Kuß die Hand.
Endlich schier vor Wohlbehagen
Sinkt der Mohr in leisen Schlaf.
Siehe, auf den Bergen drüben
Zeigt sich da ein Rittersmann,
Blutend, auf zerriss'nen Sohlen
Wandelt er und weint und klagt,
Wohl aus Liebe zu Morianen,
Tochter König Morians;
Denn es raubten sie die Mohren
Einst am Morgen Sankt Johanns,
Als in ihres Vaters Garten
Rosen sie und Blüthen brach.

Ihre Augen hob Moriana,
Wohl erkannte sie den Mann,
Und es flossen ihre Thränen
Auf des Mohren Stirn herab,
Daß mit Schrecken er erwachte,
Und zu sprechen so begann:
"Sprecht, was ist euch, schöne Dame,
Was betrübt euch, saget an.
Wenn euch meine Mohren reizten,
Will ich tödten sie alsbald;
Oder thaten's eure Frauen,
Sollen Zücht'gung sie empfahn;
Oder ärgern euch die Christen,
Zieh' ich gegen sie zur Schlacht.
Alltagskleid ist mir der Harnisch,
Meine Ruh ist Wanderschaft,
Harter Felsen ist mein Bette,
Stetes Wachen ist mein Schlaf." -

"Nicht erzürnten mich die Mohren,
Sie zu tödten unterlaßt,
Und noch minder meine Frauen
Sollen Straf' um mich empfahn,
Und die Christen mögt ihr auch nicht
Ueberziehn mit Kriegesmacht;
Sondern was mich so bewegte
Sag' ich euch in Wahrheit an:
Drüben an den hohen Bergen
Sah ich einen Rittersmann,
Mein Verlobter, glaub' ich, war es,
Den ich lieb' auf immerdar."
Da erhub die Hand der Mohr,
Und er gab ihr solchen Schlag,
Daß von ihren weißen Zähnen
Hell das rothe Blut entsprang,
Und befahl, daß seine Wachen
Sie enthaupteten alsbald
Dort an jenem selben Platze,
Wo sie den Geliebten sah.

Und noch diese Worte sprach sie
In der Stunde, da sie starb:
"Wohl als gute Christin sterb' ich,
Ohne zu begehn Verrath
An der Lieb' und an der Treue
Meines lieben Bräutigams." -
(S. 106-108)
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Romanze vom Grafen Lombardo

In den Bergen von Moncayo,
Auf dem steilen Felsenpfad,
Greift man Grifo, den Lombarden,
Wie der König es befahl.
Auf der Wallfahrt nach Sankt Jago
That er einer Maid Gewalt,
Die die Tochter eines Herzogs
Und des Papstes Base war.
Als er deß nun ward bezüchtigt,
Leugnet die Gewalt der Graf.
Vor den König Karl den Großen
Wird die Klage drum gebracht,
Und bis auf den Tag des Urtheils
Thut den Grafen man in Haft.
Fesseln trägt er an den Füßen,
Schwere Schellen an der Hand;
Eine Kette doppelgliedrig
Legt man auch um seinen Hals;
Groß und lang ist diese Kette,
Ganz umschlingt sie den Pallast,
Doch sie öffnet sich und schließt sich
Im Gemach des Königs Karl.
Wacht dort hielten sieben Grafen
Die geschworen insgesammt,
Wenn der Graf sich rühren sollte,
Ihn zu tödten alsobald.
Als sie dort erwartend standen,
Wurde der Befehl gebracht,
Nehmen solle die Prinzessin
Den Gefangnen zum Gemal.
(S. 109-110)
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Romanze von Don Tristan

Schwergetroffen liegt Don Tristan
An der Lanzenwunde krank,
Die mit giftgetränktem Speere
Ihm sein Ohm der König gab,
Gab sie ihm von einem Thurme,
Weil er nah es nicht gewagt.
In dem Körper steckt das Eisen,
Draußen zittert noch der Schaft.
Also krank fühlt sich Don Tristan,
Daß er Gott den Geist befahl;
Kam zu ihm da Dona Isolde,
Die sein holdes Liebchen war,
Tief verhüllt in schwarze Schleier,
Wie in Trauer angethan.
"Sei zur Raserei verwundet,
Tristan, wer euch also traf,
Und zu heilen seinen Schaden
Mög' er finden keinen Arzt!" -
Mund an Mund ruhn sie so lange,
Wie man eine Messe sagt.
Beide weinen, von den Thränen
Wird das ganze Lager naß.
Aus dem Wasser ihrer Augen
Sprosset eine Lilie klar;
Welche Frau davon genießet
Fühlt in Hoffnung sich alsbald.
(S. 342-343)
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Romanze von Lanzarote

Niemals ward von schönen Damen
So bedient ein Rittersmann,
Wie der Ritter Lanzarote
Als er von Britannien kam.
Edelfrauen pflegten seiner,
Fräulein seines Gauls im Stall;
Dona Quintaniona schenkte
Ihm den Wein mit eigner Hand,
Und die Königin Ginerva
Ließ ihn bei sich ruhn zu Nacht.

Als er nun im tiefsten Schlummer
Jedes Traums vergessen lag,
Hub die Königin urplötzlich
Ganz verstört zu klagen an:
"Lanzarote, Lanzarote,
Weh, daß ihr nicht früher kamt!
Nimmer dann hätt' Orgulioso
Jenes freche Wort gewagt,
Daß er euch zum Hohne, Ritter,
Schlafen wollt' in meinem Arm."

Da bewehrt sich Lanzarote
Von gewalt'gem Zorn entbrannt,
Nimmt von seiner Liebsten Abschied,
Und erkundet seinen Pfad.
Unter einer grünen Fichte
Trifft er seinen Gegner an,
Erst verschleudern sie die Speere,
Greifen beide drauf zur Axt;
Jetzt verging die Kraft dem Frechen,
Daß er taumelnd niedersank;
Aber jener von den Schultern
Schlug ihm flugs das Haupt herab,
Kehrte dann zu seiner Herrin,
Wo er wohl empfangen ward.
(S. 344-345)
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Romanze von der weißen Kleinen

"Weißer seid ihr, meine Herrin,
Weißer als der Sonnenstrahl!
Dürft' ich doch einmal entwaffnet
Furchtlos schlafen diese Nacht!
Denn seit sieben langen Jahren
Hielt ich nur im Panzer Rast,
Daß der Leib mir schwärzer wurde,
Als ein schwarzverkohlter Brand." -
"Schlaft nur, Herr, in Frieden heute,
Schlaft entwaffnet sonder Angst;
Denn zum Waidwerk in's Gebirge
Nach Leon ist fort der Graf.
Hundswuth tödte seine Bracken,
Seinen Falken tödt' ein Aar,
Und der Rappe schleif' ihn selber -
Bis an's Schloß vom Bergeshang." -

Als sie so beisammen waren,
Trat ihr Ehherr in's Gemach.
"Was beginnt ihr, weiße Kleine,
Kind des Vaters voll Verrath?" -
"Herr, ich kämme meine Haare,
Kämme sie mit Weh und Gram,
Daß ihr hier mich einsam lasset,
Und zu Berg zieht auf die Jagd." -
"Diese Worte habt ihr, Kleine,
Mich zu täuschen, fein erdacht;
Sagt denn, wem gehört das Streitroß
Das ich wiehern hört' im Stall?" -
"Herr, es kommt von meinem Vater,
Der es zum Geschenk euch macht." -
"Wem gehört denn jener Panzer,
Den ich stehn sah auf dem Gang?" -
"Herr, er kommt von meinem Bruder,
Der ihn heut für euch gesandt." -
"Wem gehört denn hier die Lanze,
Die ich doch zuvor nicht sah?" -
"Nehmt sie, mein Gebieter, nehmt sie,
Stoßt in's Herz mir ihren Stahl!
Denn wohl hab' ich solchen Todes,
Graf, um euch mich schuld gemacht." -
(S. 348-349)
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Romanze von Albertos

"O wie seid ihr lieblich, Alba,
Schöner als die Blum' im Thal!
Dürft' ich ohne Bangen schlummern
Eine Nacht in eurem Arm,
Daß es nicht Albertos wüßte,
Eurer Jugend Ehgemahl!" -
"Auf die Jagd ist er gezogen,
Nach Leons Gebirg zur Jagd." -
"Zog er auf die Jagd, o Herrin,
Fall' auf ihn mein Fluch herab,
Hundswuth tödt' ihm seine Bracken,
Seinen Falken tödt' ein Aar,
Und ihm selbst das Herz durchbohre
Eines schnöden Mohren Stahl." -
"Steigt vom Rosse, Graf Don Grifos,
Denn es glüht der Sonne Brand;
Weich sind eure Hände, Ritter,
Doch warum seid ihr so blaß?" -
"Wundert euch nicht drum, mein Leben,
Denn ich sterb' in Liebesgram,
Und obwohl ich leid' und sterbe,
Weist ihr doch mein Werben ab." -
An das Schloßthor pocht' Albertos
Plötzlich da mit lautem Schlag.
"Wo verberg' ich euch, Don Grifos,
Daß ich nicht vergeh' in Schmach?" -
Bei der Hand nahm sie den Grafen,
Schloß ihn ein auf dem Altan,
Stieg hinab dann, ihrem Gatten
Aufzuthun in banger Hast.
"Was erschreckt euch so, Sennora,
Daß ihr weiß seid wie die Wand?
Redet, habt ihr Wein getrunken,
Oder treibt ihr Buhlschaft gar?" -
"In der That, mein Freund Albertos,
Nicht um solches trag' ich Angst;
'S ist weil ich verlor die Schlüssel,
Jene Schlüssel zum Altan." -
"Laßt euch das nicht kümmern, Alba,
Noch befürchtet Zank deshalb;
Waren sie von klarem Silber,
Neue goldne schaff' ich an!
Aber wessen ist die Rüstung
Die aus jenem Winkel strahlt?" -
"'S ist die eure, Don Albertos,
Heute putzt' ich sie so blank." -
"Aber, wessen ist der Renner,
Den ich wiehern hör' im Stall?" -
Als dies hörte Dona Alba,
Sank sie todt dahin vor Angst.
(S. 350-351)
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Romanze vom fremden Ritter

"Rittersmann aus fernen Landen
Reitet näher, haltet an;
In den Boden stoßt die Lanze,
Bindet euer Roß daran,
Denn um Kunde muß ich forschen,
Ob ihr meinen Liebsten traft." -

"Euren Gatten, schöne Dame?
Seine Zeichen sagt mir an." -
"Jung und weiß ist mein Gebieter,
Edlen Bluts und fein von Art,
Gerne spielt er mit den Würfeln,
Gern ergötzt er sich am Schach;
Auf dem Knauf des Schwerts das Wappen
Führt er seines Marquisats;
Kleider trägt er, außen Goldstoff,
Und von innen rother Sammt,
Und ein portugiesisch Fähnlein
Weht von seiner Lanze Schaft;
Das er einem tapfern Franken
Beim Turnieren abgewann." -

"Nach den Zeichen, schöne Dame,
Ist gestorben dein Gemahl;
In dem Hause eines Welschen
Fiel er zu Valencia,
Wo ein Edelmann aus Mailand
Bei den Würfeln ihn erstach;
Ihn beweinten viele Damen
Und der Ritter ganze Schaar;
Doch des Welschen schöne Tochter
Weint' am meisten, daß er starb,
Und einstimmig sagen Alle,
Daß sie seine Liebste war,
Wollt ihr drum von neuem freien,
Nehmet mich vor andern an!" -
"Ritter, nicht verlangt ein solches,
Nicht verlanget solche That;
Wahrlich, eh ich sie beginge,
Ging ich in ein Kloster gar." -

"Geht nicht in ein Kloster, Dame,
Nimmer wär' es wohlgethan;
Euer heißgeliebter Gatte,
Seht nur, steht schon vor euch da."
(S. 375-376)
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Romanze von Ricofranco

Auf die Jagd hinaus zu jagen
Zog des Königs Jägertroß,
Trafen keine Fährt' im Grase,
Trafen keine Beut' im Forst.
Weil die Falken sich verflogen,
Fürchten sie des Königs Zorn,
Flüchten sich nach einem Schlosse
Schloß Maynes genannt im Volk.

Eine Jungfrau wohnt darinnen,
Eine Jungfrau schön und stolz;
Wohl begehrten sie drei Könige,
Sieben Grafen zum Gespons:
Doch sie raubte Ricofranco
Ricofrank aus Aragon.
Bittre Thräne weint die Jungfrau,
Weint die süßen Augen roth,
Ob ihr Ricofrank auch schmeichelt,
Ricofrank aus Aragon.
"So du weinst um Vater und Mutter,
Nimmer schaust du sie hinfort;
So du weinst um deine Brüder,
Allen drei'n gab ich den Tod." -

"Weine nicht um meine Eltern,
Nicht um meiner Brüder Tod;
Einzig um mein Schicksal wein' ich,
Weiß ja nicht, was werden soll.
Aber leiht mir, Ricofranco,
Leiht mir doch eu'r Messer dort,
Will vom Kleid die Borten trennen,
Da mir solche Tracht nicht frommt."

Da nun höflich Ricofranco
Ihr am Heft das Messer bot,
Da ergriff sie's schlau, und stieß es
Ihm durch's Herz mit sicherm Stoß.
"Also räch' ich Vater und Mutter,
Also meiner Brüder Mord!"
(S. 377-378)
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Romanze von Marquillos

O wie falsch warst du, Marquillos,
O wie falsch von Herzensgrund,
Daß du, seines Weibs begehrend,
Meuchlings deinen Herrn erschlugst!
Als du drauf ihn todt gefunden,
Nahmst du Mantel ihm und Hut,
Eiltest, Blancaflor zu suchen,
Nach dem Schlößlein, da sie ruht.
"Oeffnet, öffnet, schöne Herrin!
Euer Herr steht vor der Burg.
Seht zum Zeichen seinen Mantel,
Seht zum Zeichen seinen Hut!"

Als dies Blancaflor vernommen,
Steigt sie nieder, aufzuthun,
Da umfängt er sie mit Armen,
Küßt sie auf den rothen Mund,
Führt mit Küssen und Liebkosen
In's Gemach sie freveln Muths.
"Hört um Gott mich an, Marquillos,
Und gewährt mir eine Gunst,
Daß ihr meinem Lager fern bleibt,
Bis die Sonne sich erhub."

Nicht versagen durft' als Ritter,
Ihr Marquillos diesen Wunsch;
Aber da er wandermüde,
Fielen ihm die Augen zu;
Da vom Lager sprang die schöne
Blancaflor mit leichtem Fuß,
Griff behend nach einem Messer,
Stieß es tief in seine Brust.
(S. 379-380)
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Romanze vom Renegaten

Von Granada zieht der König,
Zieht gen Almeria hin,
Mit dreihundert Mohrenhunden,
Die er zur Begleitung nimmt;
Mit den Lanzen werfend ziehn sie,
Treiben Kurzweil, Scherz und Spiel,
Während jeder von der Schönheit
Seiner Auserwählten spricht.

Da beginnt ein Renegate,
Der bei Christen lebt als Kind:
"Nun ihr habt erzählt ihr Herren,
Höret auch von meinem Lieb:
Weiß und roth ist's, wie die Sonne,
Wenn sie kaum dem Meer entstieg."

Drauf versetzt der Mohrenkönig,
Wohl vernehmet, was er spricht,
"Solche Freundin, wie du sagest,
Ziemt nur mir nach Recht und Pflicht." -
"Will sie geben euch, Herr König,
Doch verbürgt mein Leben mir." -

"Stell' sie mir, o Mohr zu Händen,
Für dein Leben bürg' ich dir." -
Jener drauf aus seinem Busen
Zieht ein Muttergottesbild;
Als das sieht der Mohrenkönig,
Wendet er sich ab ergrimmt:
"Greift mir diesen Hund und führt ihn
Stracks gen Almeria hin,
Und in solche Fesseln schlagt ihn,
Daß er nimmermehr entrinnt!"
(S. 381-382)
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Romanze von Vergilios

Tief im Thurme lag Vergilios
Durch des Königs Spruch verdammt,
Weil er einst durch schweren Frevel
Des Pallastes Frieden brach,
Durch Gewalt an einer Jungfrau
Dona Isabel genannt.
Sieben Jahre lag er dorten,
Bis der König sein vergaß.

Plötzlich Sonntags in der Messe
Hat er wieder sein gedacht;
"Sagt, was ward doch aus Vergilios?
Meine Ritter sagt mir's an!"
Antwort gab ihm drauf ein Ritter,
Dem Virgilios theuer war:
"Herr, es hält ihn deine Hoheit
Immer noch in Kerkerhaft." -
"Auf zum Mahle denn, ihr Ritter,
Auf, ihr Ritter, jetzt zum Mahl!
Gleich nach aufgehobner Tafel
Sehn wir dann Vergil uns an."
Doch die Königin versetzte:
"Nimmer ess' ich, eh er kam."

Also gingen sie zum Kerker,
Drin Vergil gefangen saß.
"Sagt, was treibt ihr da, Vergilios,
Sagt mir an, was treibt ihr da?" -
"Herr, ich kämme meine Haare,
Herr, ich kämme meinen Bart,
Der mir hier zuerst gesprossen,
Der mir hier ergrauen mag;
Denn heut sind es sieben Jahre,
Daß du in den Thurm mich warfst." -
"Schweige du, Vergilios, schweige,
Gehn noch drei von zehnen ab." -
"Herr, gebeut es deine Hoheit,
Bleib' ich hier mein Leben lang." -
"Weil so zahm du wardst, Vergilios,
Sollst du mit mir gehn zum Mahl." -
"Kann mich, Herr, nicht blicken lassen,
Ganz zerlumpt ist mein Gewand." -
"Andres schaff' ich dir, Vergilios,
Bessres als du je gehabt." -

Dieser Spruch gefiel den Rittern
Und den Fräulein allzumal,
Doch zumeist der schönen Dame,
Dona Isabel genannt.
Einen Erzbischof beruft man
Zum Altare wallt das Paar,
Und er führt sie an den Händen
In den schönsten Rosenhag.
(S. 383-384)
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Die Königstochter aus Frankreich

Fort aus Frankreich zog das Mägdlein,
Frankreich, dem beglückten Land;
Ihre Eltern heimzusuchen,
Zog sie nach Paris, der Stadt.
Da verirrt sie sich vom Wege,
Da verirrt sie sich vom Pfad,
Und gelehnt an einen Eichbaum,
Harrt sie auf Geleit zur Fahrt.
Sieh, da kommt daher ein Ritter,
Der zur Stadt will ebenfalls.
Als das Mägdlein ihn erblickte,
Rief sie ihn heran und sprach:
"Wenn es euch gefällt und ansteht,
Laßt mich mitziehn, Rittersmann." -
"Wohl gefällt mir's, sprach er, Herrin,
Wohl, mein Leben, steht mir's an." -
Drauf, sich dienstlich zu erweisen,
Schwang er sich vom Pferd herab,
Hub das Mägdlein auf die Kruppe,
Nahm im Sattel selber Platz.

Unterwegs, wie sie so reiten,
Trägt er seine Lieb' ihr an;
Doch das Mägdlein kecken Sinnes
Gab ihm Antwort dergestalt:
"Ruhig, ruhig, mein Herr Ritter,
Solchen Unfug unterlaßt!
Eines Kranken Tochter bin ich,
Bin auch selber siech und krank.
Jeden, der zu nah mir käme,
Träf' ein Siechtum gleicher Art".
Drob erschrack so sehr der Ritter,
Daß er nicht ein Wort mehr sprach.
Zu Paris drauf unterm Thore
Hebt sie sacht zu kichern an.
"Sagt mir, was ihr kichert, Herrin,
Sagt, mein Leben, was ihr lacht?" -
"Des verliebten Ritters lach' ich,
Der so blöd ist und verzagt,
Daß er einsam hat sein Mägdlein,
Und den Art'gen spielt aus Angst."
Tiefbeschämt versetzt der Ritter,
Wohl vernehmet, was er sprach:
"Kehrt noch einmal um, mein Leben,
Kehrt, dieweil ich was vergaß!"
Doch das Mägdlein sprach besonnen:
"Nimmer kehr' ich um fürwahr;
Aber selbst, dafern ich's thäte,
Rieth' ich Niemand, mir zu nahn,
Bin des Frankenkönigs Tochter,
Königin Constantia's;
Jedem, der zu nah mir käme,
Ging es, traun, an seinen Hals."
(S. 388-389)
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Romanze vom Königskinde

Auf das Waidwerk zog der Ritter,
Auf das Waidwerk, wie er pflag;
Müde folgten ihm die Hunde,
Und verflogen war sein Falk;
Kam er da zu einer Eiche
Wunderhoch an Kron' und Stamm,
Sah im Laub ein junges Mägdlein
Sitzen auf dem höchsten Ast;
Ihres Hauptes Locken wallten
Um den ganzen Baum herab.

"Nicht erschreckt vor mir, Herr Ritter,
Laßt dahinten Sorg' und Angst!
Eine Königstochter bin ich
Aus Castiliens Königsstamm.
Doch mich feiten sieben Feyen
Einst auf meiner Ammen Arm,
Daß ich sieben Jahr verzaubert
Sitzen sollt' in diesem Wald.
Heut sind um die sieben Jahre,
Oder morgen doch am Tag;
Deshalb seid um Gott gebeten,
Nehmt mich mit euch, Rittersmann,
Sei's als Gattin, sei's als Freundin,
Wie es euch zumeist behagt." -
"Harret mein bis morgen, Herrin,
Harrt bis morgen früh am Tag;
Muß vorher zu meiner Mutter,
Muß sie fragen gehn um Rath." -
Drauf erwiedert ihm das Mädchen,
Diese Worte voller Gram:
"Fluch dem Ritter, der das Mägdlein
Zu erlösen sich besann!" -
Also ging er, Rath zu suchen,
Ließ sie dort auf ihrem Ast,
Doch zur Freundin sie zu nehmen,
Rieth ihm seine Mutter an.

Andern Tags bei seiner Rückkunft
Fand er leer die Stätt' im Wald,
Sah sie fern von dannen führen
Mit erles'ner Ritterschaft.
Da der Ritter das gewahrte,
Stürzt' er nieder wie vom Schlag,
Sprach, als ihm die Sinne kehrten,
Voll Verzweiflung dergestalt:
"Harte Buße ziemt dem Ritter,
Der um solches sich gebracht!
Selber sprech' ich mir das Urtheil,
Selber brech' ich mir den Stab:
Hand und Fuß soll man mir abhau'n,
Und mich schleifen durch die Stadt."
(S. 391-392)
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Die Jungfrau am Meeresstrand

Frühe stand ich auf, o Mutter,
An dem Morgen Sankt Johanns,
Da gewahrt' ich eine Jungfrau,
Die am Meeresufer stand;
Einsam wusch, einsam rang sie
Feines Linnen und Gewand,
Einsam auf den Busch voll Rosen
Spannte sie's mit weißer Hand,
Und indeß es trocken wurde,
Hub sie so zu singen an:
"O wo blieb mein Lieb, wo blieb es!
O wo geht zu ihm der Pfad!"

Und das Meer hinauf, hinunter
Schritt sie langsam beim Gesang,
Kämmte mit dem goldnen Kamme
Kämmt' ihr langes, goldnes Haar.
"Daß dein Schifflein Gott behüte,
Lieber Schiffer sag' mir an,
Sahst du meinen Liebsten nirgends,
Nirgends denn auf deiner Fahrt?"
(S. 395)
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Romanze von Donna Beatriz

Hochzeit halten sie in Frankreich,
In der alten Stadt Paris;
O wie führte da den Reigen
Jene Donna Beatriz.
O wie schaut' auf sie voll Sehnsucht
Jener edle Graf Martin!

"Was doch schaut ihr, edler Graf?
Edler Graf, was schauet ihr?
Sagt mir, schaut ihr nach dem Reigen?
Oder schaut ihr nur nach mir?" -
"Nimmer nach den Reigen schau' ich,
Denn der Tänze sah ich viel;
Schaue nur nach eurer Schönheit,
Die das Herz mir brechen will." -
"Wenn ich, Graf, euch wohlgefalle,
Graf, entführt mich rasch von hier!
Mein Gemahl ist alt und schwächlich,
Daß wir leicht vor ihm entfliehn."
(S. 396)
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Romanze von der Infantin

"Zeit nun ist es, edler Ritter,
Zeit nun ist's von hier zu fliehn,
Denn zu eng wird mir der Gürtel
Und zu kurz das Röckchen mir.
Ja, vor meinen Kammerzofen,
Die mich anziehn, schäm' ich mich;
Denn sie schaun sich an einander,
Ohne Lachen thun sie's nicht.
Habt ihr irgend nicht ein Schlößlein,
Das uns vor der Welt verbirgt?
Wißt ihr keine treue Wärt'rin,
Die mir in den Wehen hilft?" -
"Ei, gebäret nur, Senora,
Wie's die Mutter that mit mir;
Tagelöhner ist mein Vater,
Der sein Brod um Lohn verdient."

Als dies hörte die Infantin,
Da verwünscht sie ihr Geschick:
"Wehe, dreimal weh der Jungfrau,
Die von solchem Mann gebiert!" -

"Nicht verwünscht euch, schöne Herrin!
Nicht verwünscht euch also schlimm!
Bin der Sohn von Frankreichs König
Und von Dona Beatriz;
Hab' in Frankreich hundert Schlösser,
Herrin, daß ihr drin verzieht;
Hab' in jedem hundert Fräulein,
Stets bereit zu eurem Dienst."
(S. 407-408)
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Romanze von Catalina

Einstmals liebt' ich eine Jungfrau,
War ihr recht von Herzen hold;
Catalina war ihr Name,
Stets gedenk' ich ihrer noch;
Und sie bat mich: Herr entführet
Mich in's Land von Aragon." -
"Catalina bist ein Mädchen,
Kannst nicht gehn den Weg so groß." -
"Ei so gut wie ihr, Herr Ritter
Bin ich auch zu Fuße noch.
Wenn ihr euch um's Geld bedenket,
Sorg' ich für uns beide schon,
Nehm' Dukaten für Castilien,
Silbergeld für Arragon."
Als wir so zusammen sprachen,
Kam die Polizei des Orts,
Sperrte sie in's Nonnenkloster,
Jagte mich hinaus zum Thor.
(S. 409)
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Romanze vom Gefährten

"Mein Gefährte, mein Gefährte,
Treulos war mein süßes Lieb,
Treulos mit dem schlechten Manne,
Daß es doppelt Qual mir bringt.
Darum will ein Mohr ich werden,
Will in's Land der Mohren ziehn,
Und mit seinem Leben büßen
Soll mir's drüben jeder Christ." -
"Thu das nimmer, mein Gefährte,
Thu das um dein Leben nicht!
Von drei Schwestern, die ich habe,
Geb' ich gleich die Schönste dir,
Ob du sie zum Weib willst nehmen,
Ob du sie zur Freundin willst!" -
"Nicht zum Weib will ich sie nehmen,
Will sie auch zur Freundin nicht,
Da ich nimmer mein soll nennen,
Die ich, ach, zumeist geliebt."
(S. 416)
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Romanze von der frischen Rose

"Frische Rose, frische Rose,
Wonniglich und hold und lieb,
Euch zu dienen wußt' ich nimmer,
Da ich euch in Armen hielt;
Nun ich's allzu wohl verstünde,
Habt ihr euch gewandt von mir."

"Euer war die Schuld, mein Lieber,
Euer war sie, meine nicht,
Denn ihr sandtet mir ein Brieflein,
Euer Diener bracht' es mir;
Doch anstatt dabei zu schweigen,
Führt' er leichter Reden viel:
Daß ihr längst vermählt schon wäret
Drüben in Leons Gebiet,
Daß ein schönes Weib ihr hättet,
Kinder wie die Blumen licht."

"Wer euch solches sprach, o Herrin,
Meldet' euch die Wahrheit nicht;
War ich nie doch in Castilien,
Nie noch in Leons Gebiet;
Außer, da ich noch ein Kind war,
Das nicht weiß, was lieben ist."
(S. 417)
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übersetzt von Emanuel Geibel (1815-1884)

Aus: Romanzero der Spanier und Portugiesen
von Emanuel Geibel und Adolf Friedrich von Schack
Stuttgart J. G. Cotta'scher Verlag 1860




 


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