Philosophie der Liebe

Liebesgedichte an die Liebe, über die Liebe
und das menschliche Herz
von deutschen Dichtern und Dichterinnen

 


Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh



Ernst von Feuchtersleben
(1806-1849)


Liebe

Verweile hier, und wiederhole dir's!
Ist's doch des ewigen Verweilens werth -
O könnte man's lebendig wiederholen!
Da wardst du Mensch, als Liebe dich berührte.
Als noch die Welt, ein graues Räthselknäuel,
In deiner Hand lag, ekel zu entwirren,
Die Zukunft, kalt und wüst und farbenlos,
Ein Nebelmeer, um deine Brust sich legte:
Wie war dir da! wie zog die Seele damals,
Mit ihren Wünschen, ihren Kräften allen,
Sich in ein selbstgenügsam Nichts zusammen!
Du dachtest dir das Leben so. Da traf
Der schöpferische Strahl auch deine Mitte:
Du wardst gelös't, und deine Zweige blühten,
Und deine Frucht reift Ewigkeiten zu.


Aus: Gedichte von Ernst Freiherrn von Feuchtersleben
Stuttgart und Tübingen
in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1836 (S. 48)


 


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