Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh |
Therese Keiter (Ps.
M. Herbert)
(1859-1925)
Liebe
Trat zu Gott einst ein erlöster Geist.
Süßer Herr, den Erd und Himmel preist,
Herrlich wohl sind deiner Glorie Freuden,
Selig, heilig über alles Deuten.
Doch, da du mich riefst ins Paradies,
Weinte einer, den ich hinterließ,
Weinte einer, der mich liebt auf Erden,
Wie nur wenige dort geliebet werden.
Sieh, o Herr, in deines Himmels Saal
Folgt mir jammernd seiner Sehnsucht Qual.
Leih noch einmal mir des Leibes Hülle,
Daß ich tröstend seinen Kummer stille!
Über Jesu Antlitz ging ein Strahl,
Seine Augen wurden feucht zumal,
Süße Augen, die wie oft von Tränen
Überflossen um der Menschen Wähnen.
Und er sagte: "Armer, lieber Geist,
Du verscherzest dir dein Glück, du weißt,
Wer im Himmel nach der Welt begehrt,
Ist der ewgen Seligkeit nicht wert.
Kommst du von der Welt zum Himmel wieder,
Fällt vor dir das goldne Gatter nieder.
Drum erwäg! Willst du soviel entbehren,
Deinem Freunde Tröstung zu gewähren?"
"Süßer Herr, wie mir auch strahlt dein Licht!
Seiner Lieb und Treu vergeß ich nicht;
Seine Stirn nur möchte ich berühren
Mit den Lippen und ihn zu dir führen."
"So wie du willst, o Seele, solls geschehn!
Schlagt auf das Tor! Sie darf ihn wiedersehn.
Leb wohl, mein Kind!" Da stand sie auf der Schwelle
Des liebsten Freunds. In seinem Schloß war Helle
Und Jubel laut. Vor aller Gäste Schwarm
Hielt seine Braut er stolz und froh im Arm.
Die Seele, die ihn einst voll Treu besessen,
Sie war seit langer Zeit verschmerzt, vergessen;
Ach seine Liebe hatte nicht Gewalten
Ihr über Tod und Grab die Treu zu halten.
Da trat sie nicht zum Liebsten, Leise wand
Sie sich und ging allein durchs nächtge Land.
Fremd, unbekannt durchirrte sie die Straßen,
Den Tod im Herzen, ganz und gar verlassen,
In sich versunken still in Dunkelheit
Und ohne Hoffnung auf die Seligkeit.
"Mir kann im Himmel," sprach sie, "und auf Erden
Nicht fürder Heim und Gottes Frieden werden.
Der du für mich aus Lieb erlittst den Tod,
Wie wenig dacht ich deiner Wunden Not.
Nun weiß ich es, wie ich auch dich verloren;
In dir allein ward ewge Lieb geboren!"
Doch flutend tat sich auf der Himmelssaal,
Ihr weinend Antlitz traf des Lichtes Strahl;
Er öffnete für sie die Arme weit
Der ewige König der Barmherzigkeit.
"Denn größer als mein Wort ist meine Treue
Und meine Gnade! Seele, deine Reue
Bringt dich mir wieder. Und es leuchte dir
Das ewge Licht in Frieden für und für!"
Aus: Einkehr Neue
Gedichte von M. Herbert [Therese Keiter]
Dritte Auflage Regensburg
Druck und Verlag von J. Habbel 1930 (S. 144-146)
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