Philosophie der Liebe

Liebesgedichte an die Liebe, über die Liebe
und das menschliche Herz
von deutschen Dichtern und Dichterinnen

 


Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh



Sibylle Schwarz
(1621-1638)


Die Lieb' ist billich ja in allem keusch zu schätzen

Die Lieb' ist billich ja in allem keusch zu schätzen /
sie ist das Guhte selbst; wer ihr sich gantz ergiebt /
der wird geliebt / und liebt / der liebt und wird geliebt /
er kan sich ewiglich mit süßer Lust ergetzen /

zu letzt entkompt er auch des Todes grimmen Netzen /
und lebt noch einst so lang / er wird gahr nicht betrübt /
weil er die Frewde hat; im fall er Lieben übt /
kan ihn das Unglück auch zu keiner Zeit verletzen /

er lebt in wahrer Ruh / in stehter Einigkeit /
darff nicht zu Felde ziehn / er führt den süßen Streit.

Wem wil dan nicht dis Tuhn / diß süße Tuhn gefallen /
das uns wie Brodt ernehrt? der muß ein Unmensch seyn /
der stirbet / weil er lebt / er ist ein Klotz und Stein /
er ist ein höltzern Bild / sein Hertz ist vohn Metallen.


Aus: Sibylle Schwarz: Deutsche Poëtische Gedichte.
Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1650.
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Helmut W. Ziefle.
Bern/ Frankfurt a. M./ Las Vegas: Lang 1980 [ohne Seitennumerierung]



 


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