Franz Marc (1880-1916)
Rotes und gelbes Reh |
Cäcilie Zeller
(1800-1876)
Liebe und Leid
1. Frage
Weißt du, wie Lieb'
im Leiden,
Wie Leid in Liebe ist?
Wie kann die beiden scheiden,
Wer ihre Tiefen mißt?
Heiß brennt der Liebe Sehnen,
Thut tief im Herzen weh;
Noch heißer ihre Thränen,
Wo Sünd' in Lieb' ich seh'.
Ach Liebe, Lieb' und Friede
Wohnt nur in Himmelshöh';
Ich bin vor Heimweh müde
Nach Liebe ohne Weh'!
2. Antwort
In Einem hat die
Liebe Leid getragen,
Drum darf die Liebe nie vor Leiden zagen;
In Einem war das Leiden Lieb' erfüllt,
Drum sich nun stets das Leid in Liebe stillt.
Was man auf Erden liebt,
Das leidet noch auf Erden;
Drum wird die Liebe hier
Nie frei von Leiden werden.
Der bittre Sündenstreit
Trübt nur, die himmlisch lieben;
Soll nun die Sünde nicht
Durch Liebe doppelt trüben?
Doch selig sind die Schmerzen und die Reue,
Die nie gereu'n, und selig ist die Treue,
Die leidend liebt und liebend willig leidet -
Bis einst der Herr von Liebe Leiden scheidet!
Aus: Aus den Papieren
einer Verborgenen
Leipzig F. A. Brockhaus 1847 (S. 155-156)
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