"Schmachtender Liebe seliges Glühen!"

Tristan und Isolde
oder
Richard Wagner und Mathilde Wesendonck

Text-Ausschnitte aus dem Musikdrama Tristan und Isolde
und Ausschnitte aus den Briefen
von Richard Wagner an Mathilde Wesendonck

 


Beide
Wie sich die Herzen

wogend erheben,
wie alle Sinne
wonnig erbeben!
Sehnender Minne
schwellendes Blühen,
schmachtender Liebe
seliges Glühen!
Jach in der Brust
jauchzende Lust!
Isolde! Tristan!
Welten-entronnen,
du mir gewonnen!
Du mir einzig bewußt,
höchste Liebeslust!

1. Aufzug 5. Szene

 

 



Mein Kind, ich kann mir nur noch ein Heil denken, und diess kann nur aus der innersten Tiefe des Herzens, nicht aber aus irgend einer äusseren Veranstaltung kommen. Es heisst: Ruhe! Ruhe der Sehnsucht! Stillung jedem Begehren! Edle, würdige Ueberwindung! Leben für Andre, für Andre – zum Tröste für uns selbst! –

Du kennst jetzt die ganze ernste, entscheidende Stimmung meiner Seele; sie bezieht sich auf meine ganze Lebens-Anschauung, auf alle Zukunft, auf Alles was mir nahe steht, – und so auch auf Dich, die Du mir das Theuerste bist! Lass mich nun noch auf den Trümmern dieser Welt des Sehnens – Dich beglücken! –

Sieh', nie in meinem Leben, in irgend einem Verhältnisse war ich je aufdringlich, sondern stets von fast übertriebener Empfindlichkeit. Nun will ich denn Dir zum erstenmale aufdringlich erscheinen und bitte Dich, über mich recht innerlich ruhig zu sein. Ich werde Euch nicht oft besuchen, denn Ihr sollt mich fortan nur noch sehen, wenn ich sicher bin, Euch ein heit'res ruhiges Gesicht zu zeigen. – Sonst suchte ich wohl im Leiden und Sehnen Dein Haus auf: dorthin, von wo ich mir Trost holen wollte, brachte ich Unruhe und Leiden. Das soll nicht mehr sein. Siehst Du mich daher längere Zeit nicht mehr, so – bete für mich im Stillen! – Denn dann, wisse, dass ich leide! Komme ich aber dann, so sei sicher, dass ich Euch eine holde Gabe meines Wesens ins Haus bringe, eine Gabe, wie es vielleicht nur mir verliehen ist zu spenden, mir, der so viel und willig litt. –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
Sommer 1858

 


Isolde.
Bin ich's? Bist du's?
Halt ich dich fest?

Tristan.
Bin ich's? Bist du's?
Ist es kein Trug?

Beide.
Ist es kein Traum?
O Wonne der Seele,
o süße, hehrste,
kühnste, schönste,
seligste Lust!

Tristan.
Ohne Gleiche!

Isolde.
Überreiche!

Tristan.
Überselig!

Isolde.
Ewig!

Tristan.
Ewig!

2. Aufzug 2. Szene
 

 



Mein Kind, die letzten Monate haben mir an den Schläfen das Haar merklich gebleicht; es ist eine Stimme in mir, die mit Sehnsucht mir nach Ruhe ruft, – nach der Ruhe, die ich vor langen Jahren schon meinen fliegenden Holländer sich ersehnen liess. Es war die Sehnsucht nach – »der Heimath« –, nicht nach üppigem Liebesgenuss! Ein treues, herrliches Weib nur konnte ihm diese Heimath erringen. Lass' uns diesem schönen Tode weihen, der all' unser Sehnen und Begehren birgt und stillt! Lass uns selig dahinsterben, mit ruhig verklärtem Blick und dem heiligen Lächeln schöner Überwindung! Und – keiner soll dann verlieren, wenn wir – – siegen!

Leb' wohl, mein lieber heiliger Engel!

Lebwohl! Lebwohl, Du Liebe!

Ich scheide mit Ruhe. Wo ich sei, werde ich nun ganz Dein sein. Suche mir das Asyl zu erhalten. Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen! Du liebe Seele meiner Seele! Leb' wohl – auf Wiedersehen! –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
Sommer 1858


 



Tristan
Wer des Todes Nacht
liebend erschaut,
wem sie ihr tief
Geheimnis vertraut:
des Tages Lügen,
Ruhm und Ehr,
Macht und Gewinn,
so schimmernd hehr,
wie eitler Staub der Sonnen
sind sie vor dem zersponnen!
In des Tages eitlem Wähnen
bleibt ihm ein einzig Sehnen, –
das Sehnen hin
zur heil'gen Nacht,
wo ur-ewig,
einzig wahr,
Liebeswonne ihm lacht!

2. Aufzug 2. Szene
 

 




Die letzte Nacht im Asyl legte ich mich nach 11 Uhr ins Bett: andren Morgens um 5 Uhr sollte ich abreisen. Ehe ich die Augen schloss, ging es mir lebhaft durch die Seele, wie ich mich sonst immer an dieser Stelle in Schlaf gebracht durch die Vorstellung, eben da würde ich einst sterben: so würde ich liegen, wenn Du zum letzten mal zu mir trätest, wenn Du offen vor Allen mein Haupt in Deine Arme schlössest, und mit einem letzten Kusse meine Seele empfangest! Dieser Tod war mir die holdeste Vorstellung, und sie hatte sich ganz an der Localität meines Schlafzimmers ausgebildet: die Thüre nach der Treppe zu war geschlossen, Du tratest durch die Gardine des Arbeitszimmers; so schlangest Du Deinen Arm um mich; so auf Dich blickend starb ich. –Und wie nun? Auch diese Möglichkeit zu sterben war mir entrückt? Kalt, und wie gejagt, verliess ich diess Haus, in welchem ich mit einem Dämon eingeschlossen war, den ich nicht mehr bannen konnte als durch die Flucht. – Wo – wo werde ich nun sterben? – – So entschlief ich. –

Aus bangen Träumen erweckte mich da ein wunderbares Rauschen: mit dem Erwachen fühlte ich deutlich einen Kuss auf meiner Stirn: – ein schriller Seufzer folgte. Das war so lebhaft, dass ich auffuhr und um mich blickte. Alles still. Ich zündete Licht an: es war kurz vor 1 Uhr, am Ende der Geisterstunde. Hatte ein Geist in dieser bangen Stunde bei mir Wache gestanden? Wachtest Du oder schliefst Du um diese Zeit? – Wie war es Dir? –
(...)
Ich ging in die Einsamkeit: da bin ich heimisch; dort in der Einsamkeit, wo ich mit jedem Athemzuge Dich lieben darf! – –
(...)
Gewiss, wir werden Alles, Alles vergessen und verschmerzen, und nur ein Hochgefühl wird bleiben, das Bewusstsein, dass hier ein Wunder vorging, das die Natur nur in Jahrhunderten einmal webt, das ihr so edel aber vielleicht noch nie gelang. Lass' allen Schmerz! Wir sind die Glücklichsten! Mit wem wollten wir tauschen? –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
17. August 1858 (Tagebuch)

 



Beide
O sink hernieder,
Nacht der Liebe,
gib Vergessen,
daß ich lebe,
nimm mich auf
in deinen Schoß,
löse von
der Welt mich los!
(...)
selbst dann
bin ich die Welt:
wonnehehrstes Weben,
Liebe-heiligstes Leben,
Nie-wieder-Erwachens
wahnlos
hold bewußter Wunsch.

2. Aufzug 2. Szene

 



Gott! es ist nun einmal Alles so schwer, und das Höchste gewinnt sich doch nur durch Mässigung. – Ja! es ist gut, und wird Alles gut werden. Unsre Liebe ist über jedes Hinderniss erhaben, und jede Hemmung macht uns reicher, geistvoller, edler, und immer mehr auf den Inhalt und auf das Wesen unsrer Liebe gerichtet, immer gleichgültiger gegen das Unwesentliche. Ja, Du Gute, Reine, Holde! wir werden siegen, – wir sind schon mitten im Siege. –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
13. September 1858 (Tagebuch)


 



Tristan
Unsre Liebe?
Tristans Liebe?
Dein und mein,
Isoldes Liebe?
Welches Todes Streichen
könnte je sie weichen?
Stünd er vor mir,
der mächt'ge Tod,
wie er mir Leib
und Leben bedroht, –
die ich so willig
der Liebe lasse,
wie wäre seinen Streichen
die Liebe selbst zu erreichen?

2. Aufzug 2. Szene

 



Heut' vor'm Jahre vollendete ich die Dichtung des Tristan, und brachte Dir den letzten Akt. Du geleitetest mich nach dem Stuhl vor dem Sopha, umarmtest mich, und sagtest: »nun habe ich keinen Wunsch mehr!« –

An diesem Tage, zu dieser Stunde wurde ich neu geboren. – Bis dahin ging mein Vor-Leben: nun begann mein Nach-Leben. In jenem wundervollen Augenblicke lebte ich allein. Du weisst, wie ich ihn genoss? Nicht aufbrausend, stürmisch, berauscht; sondern feierlich, tief durchdrungen, mild durchwärmt, frei, wie ewig vor mich hinschauend. – Von der Welt hatte ich mich, schmerzlich, immer bestimmter losgelöst. Alles war zur Verneinung, zur Abwehr in mir geworden. Schmerzlich war selbst mein Kunstschaffen; denn es war Sehnsucht, ungestillte Sehnsucht, für jene Verneinung, jene Abwehr – das Bejahende, Eigene, Sich-mir-vermählende zu finden. Jener Augenblick gab es mir, mit einer so untrüglichen Bestimmtheit, dass ein heiliger Stillstand sich meiner bemächtigte. Ein holdes Weib, schüchtern und zagend, warf muthig sich mitten in das Meer der Schmerzen und Leiden, um mir diesen herrlichen Augenblick zu schaffen, mir zu sagen: ich liebe Dich! – So weihtest Du Dich dem Tode, um mir Leben zu geben; so empfing ich Dein Leben, um mit Dir nun von der Welt zu scheiden, um mit Dir zu leiden, mit Dir zu sterben. – Nun war der sehnsüchtige Zauber gelöst! – Und diess Eine weisst Du auch, dass ich seitdem nie mehr im Zwiespalt mit mir war. Verwirrung und Qual konnte über uns kommen; selbst Du konntest vom Trug der Leidenschaft hingerissen werden: – ich aber – das weisst Du! – ich blieb mir nun stets gleich, und meine Liebe zu Dir konnte nie, durch keinen noch so schrecklichen Augenblick, mehr ihren Duft, ja nur ein zartes Stäubchen dieses Duftes verlieren. Alle Bitterkeit war mir geschwunden; ich konnte irren, mich leidend, gequält fühlen, aber immer blieb es mir licht, und klar wusste ich immer, dass Deine Liebe mein Höchstes sei, und ohne sie mein Dasein ein Widerspruch mit sich selbst sein müsste. –

Dank Dir, du holder, liebevoller Engel! –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
18. September 1858 (Tagebuch)


 



Tristan
So starben wir,
um ungetrennt,
ewig einig
ohne End',
ohn Erwachen,
ohn Erbangen,
namenlos
in Lieb' umfangen,
ganz uns selbst gegeben,
der Liebe nur zu leben!

2. Aufzug 2. Szene

 



Das Trinkgeschirr und die Tasse ist angekommen. Das war einmal wieder das erste freundliche Zeichen von Aussen. Was sag' ich? »von Aussen?« Wie kann mir etwas von Aussen kommen, das mir von Dir kommt? Und doch, – es kommt da aus der Ferne her; aus der Ferne, wo jetzt meine Nähe ist. Nun hab' tausend Dank, Du erfindungsreiches, liebes Wesen! So schweigend, wie sagen wir uns deutlich, was uns so unaussprechlich ist? –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
23. September 1858 (Tagebuch)


 



Beide
O ew'ge Nacht,
süße Nacht!
Hehr erhab'ne
Liebesnacht!
Wen du umfangen,
wem du gelacht,
wie wär ohne Bangen
aus dir er je erwacht?
Nun banne das Bangen,
holder Tod,
sehnend verlangter
Liebestod!
In deinen Armen,
dir geweiht,
urheilig Erbarmen,
von Erwachens Not befreit!
Wie sie fassen,
wie sie lassen,
diese Wonne,
fern der Sonne,
fern der Tage
Trennungsklage!
Ohne Wähnen,
sanftes Sehnen;
ohne Bangen,
süß Verlangen;
ohne Wehen
hehr Vergehen;
ohne Schmachten
hold Umnachten;
ohne Meiden,
ohne Scheiden,
traut allein,
ewig heim,
in ungemess'nen Räumen
übersel'ges Träumen. –

2. Aufzug 2. Szene

 



Doch nie hatte ich eine Ahnung davon, dass ich, was ich suchte, so bestimmt, so alles Sehnen erfüllend, alles Verlangen befriedigend finden sollte, wie ich es in Dir fand. Noch einmal: – dass Du es vermochtest, in alles erdenkliche Leid der Welt Dich zu stürzen, um mir sagen zu können: »ich liebe Dich!« – das hat mich erlös't, und mir jenen heiligen Stillestand gewonnen, von dem aus nun mein Leben eine andre Bedeutung erhalten hat. – Aber diess Göttliche war eben nur mit allen Leiden und Schmerzen der Liebe zu gewinnen: wir haben sie bis auf die Hefe genossen! – Und jetzt, nachdem wir alle Leiden gelitten, kein Schmerz uns gespart blieb, jetzt muss sich klar der Kern des höheren Lebens zeigen, den wir durch die Leiden dieser schmerzlichen Geburtswehen gewonnen. In Dir lebt er schon so rein und sicher, dass ich Dir jetzt zu Deiner Freude, zu Deiner Mitfreude, nur zeigen darf, wie auch in mir er sich gestaltet.

Die Welt ist überwunden: in unsrer Liebe, in unsren Leiden hat sie sich selbst überwunden. Sie ist mir nun keine Feindin mehr, vor der ich fliehe, sondern ein meinem Willen gleichgültiges, wesenloses Object, zu dem ich mich jetzt ohne Scheu, ohne Schmerz, daher ohne wirklichen Widerwillen verhalte. Ich fühle dies immer deutlicher daran, dass ich den Drang zur absoluten Zurückgezogenheit theoretisch nicht mehr stark in mir wahrnehme. Dieser Drang hatte bisher eben die Bedeutung des Sehnens, Suchens und Verlangens: dieses aber ist – das fühle ich gerade! – vollkommen gestillt. Die letzten Entscheidungen zwischen uns haben mich zu dem klaren Bewusstsein gebracht, dass ich eben nichts mehr zu suchen, nichts mehr zu ersehnen habe. Nach der Fülle, in der Du Dich mir gegeben hast, kann ich das nun nicht Resignation nennen, am allerwenigsten Verzweiflung. Diese verwegene Stimmung stand mir früher als Ausgang meines Suchens und Sehnens gegenüber: von ihrer Nothwendigkeit bin ich aber, durch Dich tief beglückt, erlös't. Mir ist das Gefühl einer heiligen Sättigung zu eigen.

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
12. Oktober 1858 (Tagebuch)


 

 




Wo in der Welt sollte ich mir nun aber jetzt ein neues Asyl bereiten wollen? Ich bin, als ich das unheilvolle letzte verliess, gänzlich unempfindlich für solchen Wunsch geworden. – Dagegen fühle ich mich nun im tiefsten Innern so gestärkt und beruhigt; durch das ewige, unentweihbare und unzerstörbare Asyl, das ich in Deinem Herzen gewonnen, mich so gegen alle Welt geborgen und behütet, dass ich von ihm aus, das mich ja in alle Welt begleitet, mit ruhig freundlichem, mitleidvollem Lächeln in diese Welt blicken kann, der ich nun ohne Grauen angehören darf, weil ich ihr eben nicht mehr angehöre, nicht mehr als leidendes, sondern nur noch als mitleidendes Subject angehöre.
(...)

Fällt mir etwas Mittheilenswerthes ein, so zeichne ich es auf, sammle es, und Du erhältst es, sobald Du es wünschest. Nachrichten von uns geben wir uns wohl so oft wie möglich? Sie können uns jetzt nur noch erfreuen, denn zwischen uns ist Alles licht und rein, und kein Missverständniss, kein Irrthum kann uns mehr beschweren. So leb' denn wohl, Du mein Himmel, meine Erlöserin, mein seliges, reines, liebes Weib! Leb' wohl! Sei gesegnet aus tiefster Andacht meiner Seele!Hier endigt das erste Tagebuch und wurde alsbald abgesandt.

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
12. Oktober 1858 (Tagebuch)




Alles ist Wahn! Alles Selbsttäuschung! Wir sind nicht gemacht, uns die Welt einzurichten. O Du lieber, lautrer Engel der Wahrheit! Sei gesegnet für Deine himmlische Liebe! O ich wusste Alles! Welche bangen Tage habe ich verlebt! Welche wachsende tiefe Beklemmung! Die Welt stockte mir: und atmen konnte ich nur noch, wenn ich Deinen Atem fühlte. – O mein süsses, süsses Weib! Ich kann Dich heut' nicht trösten, ich armer, trauriger, zerbrochener Mann! Auch nicht Balsam kann ich Dir geben und – »Heilung« habe ich ja nicht für Dich?? Wie sollte ich Dir Heilung geben können? Meine Tränen fliessen in bittren, reichen Strömen –: sollten die Dich heilen können? – Ich weiss, es sind die Tränen der Liebe, die noch nie so geliebt wurde: in ihnen strömt mir aller Jammer der Welt. Und doch, die einzige Wonne, die ich heute, jetzt empfinden möchte, geben sie mir; sie geben mir eine tief, tief innere Gewissheit, ein unveräusserliches, mit unentreissbarem Recht. Es sind die Tränen meiner ewigen Liebe zu Dir. Könnten sie Dich heilen? – O Himmel! mehr als einmal stand ich jetzt hart daran, mich sofort aufzumachen, um in Deine Nähe zu kommen. Unterliess ich es aus Sorge für mich? Nein! gewiss nicht! Aber aus Sorge – für Deine Kinder! – Darum – nochmals – und immer: Straff! – Es gilt noch eine Zeit lang. Mir ist – mir ist – als könnte ich – bald Dir schöner, Dir angenehmer, Deiner würdiger begegnen: und dies möchte ich so gern! – Aber was ist alles Mögen? – Nein! nein! Du süsses Kind! Ich weiss Alles! Ich verstehe Alles: – ich sehe klar, sonnenklar – – – –! Ich werde wahnsinnig! – Lass' mich jetzt abbrechen! Nicht um Ruhe zu suchen, sondern um der Wonne meines Schmerzes bis zum Ertränken mich zu übergeben! – O Du Holde! – Nein! Nein! Er verrät Dich nicht. – – – – – Er – nicht! –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
31. Oktober 1858 (Tagebuch)




Mit Dir kann ich Alles: – ohne Dich nichts! Nichts! Lass Dich selbst durch den Ausdruck der ruhig-heitren Stimmung nicht täuschen, die mein letztes Tagebuch schloss; sie war nur der Reflex Deiner schönen, würdevollen Erhebung. Mir fällt Alles auseinander, sobald ich die leiseste Unübereinstimmung zwischen uns wahrnehme. Glaub' mir, Du Einzige! Du hast mich in Deinen Händen, und nur mit Dir kann ich – vollenden. –
(...)

Nicht wahr, Du Engel? Du verstehst mich? Du weisst, dass ich Dein bin, und nur Du über mein Thun, Wirken, Dichten und Beschliessen verfügst? Weigere Dich nicht, das anzuerkennen, – denn es ist ja so! – Mir hilft kein Schwan, wenn Du mir nicht hilfst: Alles hat nur Sinn und Bedeutung durch Dich! O, glaub' das! Glaub' das! – So, wenn ich Dir sage, hilf mir, hilf mir zu Diesem oder Jenem, so meine ich damit nur: glaube, dass ich nur durch Dich etwas vermag, und nichts ohne Dich! Das ist das ganze Geheimnis. –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
1. November 1858 (Tagebuch)




Du Liebe! – Nein, bereue es nie, mich zu lieben! Es ist himmlisch! –

Nein! bereue sie nie, diese Liebkosungen, durch die Du mein dürftiges Leben schmücktest! Ich kannte sie nicht, diese wonnigen Blumen, dem reinsten Boden der edelsten Liebe entblüht! Was ich als Dichter geträumt, musste mir einmal so wundervoll wahr werden; auf den gemeinen Boden meines irdischen Daseins musste dieser zartbelebende und verklärende Wonnethau einmal fallen. Ich hatte es nie gehofft, und nun ist mir, als hätte ich es doch gewusst. Nun bin ich geadelt: ich habe den höchsten Ritterschlag erhalten. An Deinem Herzen, in Deinem Auge, von Deinen Lippen – ward ich der Welt enthoben. Jeder Zoll an mir ist nun frei und edel. Wie mit heiligem Grauen vor meiner Herrlichkeit durchschauert mich das Bewusstsein, von Dir in so ganzer Fülle, so süss zärtlich, und doch so innig keusch geliebt worden zu sein! – Ach, noch athme ich ihn, den zauberischen Duft dieser Blumen, die Du mir von Deinem Herzen brachest: das waren nicht Keime des Lebens; so duften die Wunderblumen des himmlischen Todes, des Lebens der Ewigkeit. So schmückten sie einst die Leiche des Helden, ehe sie zu göttlicher Asche gebrannt wurde; in dieses Grab von Flammen und Wohldüften stürzte sich die Liebende, um ihre Asche mit der des Geliebten zu vereinigen. Nun waren sie Eines! Ein Element! Nicht zwei lebende Menschen: ein göttlicher Urstoff der Ewigkeit! – Nein! bereue sie nie! Diese Flammen, sie brannten leuchtend, rein und hell! Keine finstre Gluth, kein Gedünst, keine bangen Dämpfe verunreinten sie je, die lautre, keusche Flamme, die ja niemandem noch so rein und verklärend leuchtete wie uns, deshalb auch niemand von ihr wissen kann. – Deine Liebkosungen – sie sind die Krone meines Lebens, die wonnigen Rosen, die mir aus dem Dornenkranze erblühten, mit dem mein Haupt einzig geschmückt war. Nun bin ich stolz und glücklich! Kein Wunsch, kein Verlangen! Genuss, höchstes Bewusstsein, Kraft und Fähigkeit zu Allem, zu jedem Lebenssturme! – Nein! nein! Bereue sie nicht! Bereue sie nie! –

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
1. Januar 1859 (Tagebuch)




O Tag! Du aller guter Geister Gott!
Sei mir gegrüsst!
Gegrüsst nach langer Nacht! –
Bringst Du von ihr mir Kunde? –
(...)

Du himmlische Heilige! Vertraue auf mich!

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
8. Januar 1859 (Tagebuch)



Wenn ich, wie es eben beim Instrumentiren geschieht, mit letzter Beruhigung mich dem Genuss meiner eigenen Schöpfung hingebe, versinke ich zugleich oft in eine Unendlichkeit von Gedanken, die mir unwillkürlich die durchaus eigenthümliche, und der Welt ewig unverständliche Natur des Dichters, des Künstlers darstellen. Das Wunderbare, und der gewöhnlichen Lebensanschauung ganz Entgegengesetzte, erkenne ich dann recht deutlich darin, dass, während jene sich immer nur an der Handhabe der Erfahrung hinzieht und zusammensetzt, die dichterische Anschauung vor aller Erfahrung, ganz aus eigenster Potenz, das erfasst, was aller Erfahrung erst Bedeutung und Sinn giebt. Wenn Sie eine recht geübte Philosophin wären, würde ich Sie darauf hinweisen, dass wir hier im stärksten Maasse auf das Phänomen treffen, durch welches überhaupt erst alle Erkenntniss möglich wird, nämlich dadurch, dass das ganze Gerüste des Raumes, der Zeit und der Causalität, in welcher sich die Welt uns darstellt, in unsrem Gehirn, als dessen eigenthümlichste Funktionen, vorgebildet ist, somit diese bedingenden Eigenschaften aller Dinge, nämlich ihre Räumlichkeit, Zeitlichkeit und Ursächlichkeit, vor dem Erkennen dieser Dinge schon in unsrem Kopfe enthalten sind, da wir ohnedem sie ja auch gar nicht erkennen könnten.

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
19. Januar 1859 (Tagebuch)




Kind! Dieser Tristan wird was furchtbares!

Dieser letzte Akt!!! – – – – – – –

Ich fürchte die Oper wird verboten – falls durch schlechte Aufführung nicht das Ganze parodirt wird –: nur mittelmässige Aufführungen können mich retten! Vollständig gute müssen die Leute verrückt machen, – ich kann mir's nicht anders denken. So weit hat's noch mit mir kommen müssen!! O weh!

Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
10. April 1859


 

Aus:
Richard Wagner Tristan und Isolde Textbuch
Richard Wagner an Mathilde Wesendonck
Tagebuchblätter und Briefe 1853-1871
Siebzehnte durchgesehene Auflage
Berlin Verlag von Alexander Duncker 1904


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