Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Ernst Moritz Arndt
(1769-1860)


Der Knabe und die Jungfrau
1803

Der Knabe sprach zur Jungfrau schön
Nach süßem Liebesscherz:
"Horch! schon die Morgenlüfte weh'n,
Süß Lieb', ich muß jetzt hinnen geh'n,
Ade, du trautes Herz!"

Die Jungfrau zu dem Knaben sprach:
"Ist dir das Bleiben Müh?
Noch streifet nicht der Ost den Tag,
Noch rufet nicht der Finkenschlag,
Was eilest du so früh?"

Die Jungfrau zu dem Knaben sprach:
"Wird dir die Lust schon alt?
Wie oft dein Herz an meinem lag,
Wann schon mit Licht der rothe Tag
Guckt' in den grünen Wald!"

"Ach! Jungfrau, süße Jungfrau schön,
Die liebe Mutter schilt:
Was thust du, Knab, so früh aufsteh'n?
Sieh, deine Wangen dir vergeh'n,
Siehst wie ein Jammerbild."

"Ach! Jungfrau, süße Jungfrau schön,
Der Tag ist heiß und lang
Und keinen Schlaf die Augen seh'n,
Ich muß des Vaters Schwate mäh'n,
Da ist kein Nebengang.

Zwar süß ist Schlaf im Sternenschein
Hier in dem grünen Wald,
Wann küsset mich dein Mündlein fein,
Wann mir dein
Brüstlein weiß und rein
Wie Schnee entgegenwallt."

"Doch süßer wär' es tausendmal
Im eignen Kämmerlein,
In stiller Nacht, bei'm Sonnenstral,
Du meine Braut, ich dein Gemal,
Uns süßer Lust zu freu'n."

"Willst du im eignen Kämmerlein
Nun schlafen gern bei mir,
So soll noch heute Hochzeit sein,
So schlaf' ich in dem grünen Hain
Das letzte Mal bei dir."

"Mein Kind, wie kann die Hochzeit sein?
Wir sind ja nicht bereit.
Wie laden wir die Gäste ein?
Wo nehmen wir den Hochzeitwein?
Und wo dein Ehrenkleid?"

"Die Gäste längst geladen sind
Und zu dem Tanz bereit,
Den Wein in allen Quellen rinnt,
Und was die kluge Spinne spinnt
Das wird mein Ehrenkleid."

"Mein Kind, wie schmückest du dein Haar?
Wo ist der goldne Ring,
Den mir und dir am Traualtar
Der Pfarrer segnend reichet dar?
Wo ist er, liebes Ding?"

"Die Perlen blitzend für mein Haar
Auf allen Blumen steh'n,
Den goldnen Ring zum Traualtar
Flecht' ich aus meinem goldnen Haar:
So macht die Braut sich schön."

"Mein Kind, wo sind zum Hochzeitball
Die Spieler mit dem Spiel?"
"Die Spieler sind die Vögel all,
Die Drossel und die Nachtigall,
Sie können schönes Spiel."

"Mein Kind, wo nimmst du Lampen her,
Zu leuchten in der Nacht?"
"An Lampen fehlt's mir nimmermehr,
Der Mond und aller Sterne Heer
Erleuchten mir die Nacht."

"Wo wohnt dein Vater, Jungfrau schön?
Wo ist der Hochzeitsaal?"
"Tief, tief, wo keine Winde weh'n,
Mußt du mit mir hinunter geh'n;
Da ist der Hochzeitsaal."

"Ist schon geschmückt dein Kämmerlein?
Gemacht dein Hochzeitbett?"
"Geschmückt ist schon das Kämmerlein
Mit Perlen und mit Muscheln fein,
Gemacht das Hochzeitbett."

"O Jungfrau, süße Jungfrau mein!
So nimm mich hin mit dir!
Wie schön muß da zu wohnen sein!
Wie süß, in deinem Aermelein
Zu schlafen für und für!"

Und fröhlich springt die Jungfrau auf -
"Komm, Knabe! komm zum Glück!"
Sie führt ihn an des Stromes Lauf,
Es thun sich weit die Wellen auf -
Er kommt nicht mehr zurück.
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Ernst Moritz Arndt
(1769-1860)


Liebesstreit

"Sieh, süße Maid, wie die Bäume blüh'n!
Horch! wie die Wasser klingen!
Noch ist dir Jugend und Frühling grün
Zu lieben süßen Dingen.
Komm, komm zum Wald! zum grünen Wald!
Wir werden alt."

"Daß Frühling blühet und Jugend blüht,
Gehört zu süßen Dingen,
Doch sollst mich, wo mich nicht jeder sieht,
Zum grünen Wald nicht bringen.
Manch Bub' ist gleich dem Taubenfalk,
Er ist ein Schalk."

"Sieh, süße Maid, wie das Rosenroth
Auf frischen Wangen spielet!
Bald wischt es ab der geschwinde Tod,
Der alles Feuer kühlet.
Laß pflücken, Süße, pflücken jetzt!
Er pflückt zuletzt."

"Und pflückt der Tod auch die Rose zart,
Die ich so fromm bewahre,
So wiß, die Rose wird aufgespart
Dem Treuen vor'm Altare;
Sein harr' ich still,
Und kommt er nicht,
Sie keiner bricht."

"Sieh, süße Maid, wie die Augen klar
Aussprechen ihr Verlangen:
Was kommt vergebens das junge Jahr
Mit Blumen schön gegangen?
Sie winken süß mit Lustgewalt
Zum grünen Wald."

"Laß winken lüstern die Augen mein,
Ich will sie nicht erhören;
Ihr Winken gleichet dem Irrlichtschein,
Die Jungfrau zu bethören:
Trau nicht dem Schein des Augenlichts,
Du traust auf Nichts."

"Sieh, süße Maid, wie so rund und knapp
Die
Brüstlein aufwärts drängen!
Laß was Natur dir so lustig gab
Nicht traurig in den Engen -
Im Wald ist Schatten überaus,
Komm! komm hinaus!"

"Du Schnöder, dessen Gesicht behext
Mein junges frisches Leben!
Was unter'm Tuche des Busens wächst,
Das darf ich dir nicht geben;
Es wächst, daß einst der treuste Mann
Sich freue dran."

"O süße Maid, wie unschuldig bist,
Wie rein an Herz und Sinne!
Nimm den, der treu dir auf ewig ist,
In deine süße Minne;
Er ist nicht schlimm, er führt zur Trau
Die junge Frau."

"Auf! junger Knab, wenn es so erschallt,
Laß Gott erst Amen sagen,
Dann mag mit dir in den grünen Wald
Ich wohl ein Gänglein wagen;
Dann komm, o Knab, zum grünen Wald:
Wir werden alt."
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Sigmund von Birken
(1626-1681)


Still / mein Sinn! was denkest du?
und wie kanst doch lassen zu
du / mein Herze! dieses Wanken?
Bist du doch langst nicht mehr dein:
wie darfst du so kühne seyn /
zu betretten andre schranken?
Raubt Abwesenheit dan dir
die gedächtnis ihrer Zier?
Ihr habt niemals recht geliebt /
weil ihr Wankelmut verübt /
ihr abtrünnige Gedanken!

Müsst ihr dan bekennen nicht /
daß mit ihrer Aeuglein Liecht /
keine Sonne zu vergleichen?
Solcher Lippen Purpurschein /
solche Rosen-wängelein /
keine Venus kan erreichen.
Bleibt gefangen / wo ihr seit!
Gläubt / ihr treffet weit und breit /
kein so schöns Gefängnis an.
Was macht euch doch für ein Wahn
aus so lieber Wohnung weichen?

Süß Gedächtnis ihrer Zier /
leichter Sinn! mein / sage mir /
welcher Mund führt solch ein Lachen?
welche Lippen sprechen so?
welcher Aeuglein Liebesloh /
kan das Herz so brünstig machen?
Wo fliegt so ein kraußes Haar
um ein solches Wangen-paar?
wo ist solche Arme-Schnee /
solcher
Brüstlein runde höh?
wo sind so vollkomne Sachen?

Sihe / wie du hast geirrt!
Es soll Floridan der Hirt /
wo er angefangen / lieben.
Amarilis! deine Gunst
such' ich nur / und keine sonst:
diß sey in die Bäum geschrieben!
Galathee bleibt wol von mir.
ich entsag' / Erante! dir.
auch Florinden sag' ich ab.
Saliben' ist längst schabab:
keine soll mich mehr betrüben.

Bild der wahren Trefflichkeit /
Amarilis / meine Freud!
es sey dir / zu lieben händen /
mein Herz wieder überreicht.
Nim es an / und es beleucht:
wolst es mir nicht wiedersenden.
Allen Hirtinnen zuhauf
sag' ich meine dienste auf;
meiner Hirtin sie allein
von nun an geschworen seyn.
Nichts soll diesen Vorsatz enden.
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Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein


Lied III. 44

1. Ach hertzigs E. ich ge noch ste
so trag ich groß verlangen
All stund nach dir dann du jtz mir
hast hertz und mut gefangen.
Auß deiner berdt wirst höchlich gerdt
das laß mich lieb geniessen
durch deine güt und hochs gemüt
thu mich in dein hertz schliessen.

2. Dein euglein fein mit liechtem schein
han mir mein hertz durchdrungen.
dein roter mund dein
brüstlein rund
thun mir unmut verkommen.
das schafft die trew ohn alle rew
die du mir thest beweysen
Darumb ich dir mit hoher gir
dein lob will ewig preysen.

3. Dein helßlein weyß hat gantz den preyß
von mir ob allen weiben.
ach Gott ich solt und hertzlich wolt
mein zeyt bey dir vertreyben!
darumb mein ein und anderß kein
ist in mein gmüt gewesen
alß hertzlieb ich für alle dich
hab freudt zu mern erlesen.

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Georg Forsters Frische Teutsche Liedlein


Lied III. 53

1. Ich weyß ein frewlein hübsch und fein
wolt Got ich solt noch heut bey jr sein
solt freundlich mit jr schertzen
in zucht und ehr! nit mehr ich ger
dann ich sie liebe von hertzen.

2. Ir mündlein rot jr
brüstlein schneeweiß
jr leyb gezieret mit gantzem fleiß
nichts ist an jhr vergessen.
jr adlich gmüt macht das ich wüt
und kan jr nicht vergessen.

3. O edler schatz du mein höchster hort
tröst mich mit einem freundlichen wort
so wird mein hertz erquicket!
thust du das nicht fürwar sag ich
mein hertz in jammer ersticket.

4. Tröst mich tröst mich du mein edler schatz!
gib mir zu letzt ein freundlichen schmatz
obs schon nicht allen gfellet.
denck du an mich wie ich an dich
mein hertz zu dir hat sich gsellet.
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Johann Hermann Schein
(1586-1630)


Heulen und schmertzlichs weinen/
jetzunder höret auff/
weil widerumb thut scheinen/
die Sonn mit frölichm lauff/
welche war weit ein lange zeit/
mit Wolcken dick bedeckt/
jetzt wider gantz/
jhrn hellen glantz
aussn wolcken herfür reckt.

Elend welchs mich betrübet/
ist nunmehr gantz von hin/
mein schetzlein mich auch liebet/
darumb ich frölich bin/
welchs zuvor lang/
mir machet bang/
das ich fast wer erstickt/
aber jhr gunst/
durch süsse kunst/
nun mich wider erquickt.

Darumb von gantzen Hertzen/
ich trauren faren laß/
vergessn ist all mein schmertzen/
ein frölichn muth mir faß/
jhr zu gefalln/
laß ich erschalln/
dis schlechte Liedelein/
auff jhr gsundheit/
thu ich bescheid/
dieses gleßlein mit wein.

Wann nur mein Hertz gedencket/
an solch mein höchste zier/
im Leib es sich gantz lencket/
mit höchster frewd nach jhr/
wie der Magnet/
sich richtet stett/
gentzlich nach Mitternacht/
also mein Hertz/
on allen schertz/
embsiglich nach jr tracht.

Ihr gstalt/ lieblich geberden/
Ihr rodtes Mündelein/
dergleichen nicht auff Erden/
jhre lieb Engelein/
jhr Helßlein zart/
Adlicher art/
jhr
Brüstlein schön formirt/
jhr Hendlein klar
sag ich vor war/
sie wie Helenam ziert.

Gerne wolt ich mein Leben/
für solches edle Bild/
gantz williglich auffgeben/
denn sonst bey mir nichts gilt/
als sie allein/
soll auch mein sein/
weil mir noch redt der Mund/
Himmel und Erd/
mein zeugen werd/
Ach Gott spar sie gesundt.

[Akrostichon: HEDWIG]
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Aus: Venus - Gärtlein


131.
An eine vortreffliche schöne
und Tugend begabte Jungfraw

Gelbe Haare, güldne Stricke
Tauben-Augen, Sonnenblicke
schönes Mündlein von Corallen
Zähnlein, die wie Perlen fallen.

Lieblichs Zünglein in dem Sprachen
süsses Zörnen süsses Lachen
Schnee- und Lilgen weisse Wangen
die voll rohter Rosen hangen.

Weisses Hälßlein, gleich den Schwanen
Aermlein, die mich recht gemahnen
wie ein Schne[e], der frisch gefallen
Brüstlein wie zween Zucker-Ballen.

Lebens voller Alabaster
grosse Feindin aller Laster
frommer Hertzen schöner Spiegel
aller Freyheit güldner Zügel.

Außbund aller schönen Jugend
auffenthaltung aller Tugend
Hoff-statt aller edlen Sitten
jhr habt mir mein Hertz bestritten.
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