Wörtchen und Wörtlein

in der deutschen Liebeslyrik


Ausgewählte Gedichte deutscher Dichter und Dichterinnen


 




Elsa Asenijeff
(1867-1941)


Dem Einen ins Ohr

Ich schaue nicht zurück
Und juble nur
O welches reiche Glück: –!
Ich bin ein Weib
O du! o du!
Mann, Herrlichster, Blutgerufener –!
Küss mir ein
Englein in den Leib!
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Rudolf Baumbach
(1840-1905)


Der Liebesbrief

Wie lieb' du mir, wie gut ich dir,
Ich möcht' es gern dir schreiben,
Doch eh' ich schreibe auf Papier,
Viel lieber lass' ich's bleiben.

Da geh' ich in mein Gartenland
Und mustre Beet um Beet.
Bei Tulipan und Amaranth
Die weisse Lilie steht.
"Frau Lilie, deine Blätter gieb!"
"Für wen?" - "Ei, für mein trautes Lieb."
Die Lilie thut sich neigen,
Die Blättlein sind mein eigen.

Du hältst mein Herz in enger Haft,
Ich möcht' es gern dir schreiben,
Doch nicht mit schwarzem Tintensaft,
Viel lieber lass' ich's bleiben.

Da schau' ich, wo auf nassem Feld
Der Regenbogen ruht,
Und hab' ich ihn, so wird gestellt
Darunter flugs der Hut.
"Von deinen Sonnenfarben gieb!"
"Für wen?" - "Ei, für mein trautes Lieb."
Da träufelt ohne Ende
Die bunte Farbenspende.

Ich denke dein, mein Herzgespiel,
Und möcht' es gern dir schreiben,
Doch nicht mit schnödem Gänsekiel,
Viel lieber lass' ich's bleiben.

Da geh' ich an das Himmelsthor -
Der Weg ist freilich weit -
Und lange mir ein
Englein vor,
Ob's zappelt auch und schreit.
"Ach
Englein, eine Feder gieb!"
"Für wen?" - "Ei, für mein trautes Lieb."
Da hört es auf zu hupfen
Und lässt sich willig rupfen.
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Gustav Falke
(1853-1916)


Seliger Eingang

Vorm Himmelstor, o süßer Traum,
treffen wir uns wieder,
hängt über die Mauer ein Apfelbaum
seine weißen Blüten nieder.

Hockt auf der Mauer ein
Englein quer
und baumelt mit den Füßen,
kommen ans Tor zehn andere her,
uns liebreich zu begrüßen.

Schlagen zwei die Flügel leis,
will jedes ein Röslein geben,
die rote mir und dir die weiß',
und uns beiden das ewige Leben.
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Leo Heller
(1876-1949)


Schelmenliedchen

Du hast zwei Schelmenaugen,
Mein wunderliebliches Kind,
In denen zwei kleine Teufel
Tagsüber verborgen sind.

Die höhnen mich und lachen
Und treiben es kunterbunt
Und spielen mit meinem Herzen,
Mit meinem Herzen wund.

Doch kommt auf milden Schwingen
Die Nacht ins Land herein,
Dann sitzen in Deinen Augen
Zwei süße
Engelein;

Die sind so lieb und artig,
So wohlerzogen und fein
Und lassen sich gerne küssen
Und schlafen dabei ein.

Du hast zwei Schelmenaugen,
Mein wunderliebliches Kind,
In denen zwei wundernette
Englein verborgen sind.
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Thekla Lingen
(1866-1931)


Die Verliebte

Sein Bärtchen trägt er hochgedreht,
Und seine Zähne blitzen,
Sie beißen mir die Lippen rot
Und bringen mich in süße Not,
Die kleinen, scharfen Spitzen.

Sein Haar ist dunkel wie die Nacht,
Die Augen schwarz wie Kohlen
Und brennen so in heißer Glut
Und trotzen auf in Liebesmut,
Ganz keck und unverhohlen.

Und seine Arme, stark und kühn,
Die wissen zu umschlingen.
Ach, wenn er mich so wild umfängt,
Und wenn er mich so an sich drängt,
Hör ich die
Englein singen.

Und fragt ihr sonst, was an ihm ist -
Ich weiss euch nichts zu sagen.
Was geht's denn auch die andern an,
Er ist der allerschönste Mann,
Den je die Welt getragen.
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Alfons Petzold
(1882-1923)


Bald, Liebste, bald
bin ich kein Mensch mehr, sondern eine Tanne im Wald.
Wenn Du vorübergehst, werde ich Dich grüßen,
meine Wurzeln singen unter Deinen Füßen,
wird ein
Englein in meinen Ästen sitzen
und nach Dir mit schillernden Zäpfchen flitzen.
Dann wirst Du die Hände um meine Rinde tun
und so wie einst in meiner Liebe ruhn.
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Hugo Salus
(1866-1929)


Die Boten

Meine Mutter hört' ich einmal sagen,
Daß Gebete von der Lippen Rand
Englein nehmen und im Nest der Hand
Sie behutsam in den Himmel tragen.

Lächelnd hört' ich's. Ach, in jenen Tagen
Hat mein Herz die Sehnsucht nicht gekannt,
Die zum Flug die dunklen Schwingen spannt,
Liebesseufzer und der Sehnsucht Klagen!

Englein, Englein mit den lieben Händen,
Wollt ihr mir den Botendienst versagen?
Der Geliebten möcht' ich Botschaft senden,

Eurer Schwester sollt ihr Grüße tragen.
Englein, liebe Englein, hört mein Flehen!
Euren Händen soll kein Leids geschehen ... 
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