Wörtchen und Wörtlein
in der deutschen Liebeslyrik
Ausgewählte Gedichte
deutscher Dichter und Dichterinnen
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Otto
Julius Bierbaum
(1865-1910)
Josephine
I.
Ihr Kleidchen ist von Tarlatan,
Ihr Herzchen
ist von Golde;
Ich bete, ich bete das Mädel an,
Ihre Guckaugen haben mir's angethan,
Josephine, Sephine, du Holde!
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Adolf Böttger
(1815-1870)
Als noch der holde Frühling war
Als noch der holde Frühling war,
Da brachest Du Dir Rosen,
Die durften in dem dunkeln Haar
Mit süßem Dufte kosen.
Und als der Sommer kam ins Land,
Dein Herzchen
schlug geschwinder,
Zum Strauße wand die liebe Hand
Des Feldes blaue Kinder.
Dann naht der Herbst mit bunter Lust,
Mit Astern, Anemonen,
Die ließest Du an Deiner Brust
Wie Ordenssterne thronen.
Nun aber, da's noch Winter ist
Und keine Blumen sprießen,
Kannst Du dafür die kurze Frist
Mich an den Busen schließen!
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Gottfried August Bürger
(1747-1794)
Untreue über alles
Ich ruhte mit Liebchen tief zwischen dem Korn,
Umduftet vom blühenden Hagebuttdorn.
Wir hatten's so heimlich, so still und bequem
Und koseten traulich von diesem und dem.
Wir hatten's so heimlich, so still und bequem;
Kein Seelchen vernahm was von diesem und dem;
Kein Lüftchen belauscht' uns von hinten und vorn;
Die spielten mit Kornblum' und Klappros' im Korn.
Wir herzten und drückten, wie innig, wie warm!
Und wiegten uns eia popeia! im Arm.
Wie Beeren zu Beeren an Trauben des Weins,
So reihten wir Küsse zu Küssen in eins.
Und zwischen die Trauben von Küssen hin schlang
Sich, ähnlich den Reben, Gespräch und Gesang.
Kein Weinstock auf Erden verdient so viel Ruf,
Als der, den die Liebe beim Hagedorn schuf.
"Lieb Liebchen", so sprach ich, so sang ich zu ihr,
"Lieb Herzchen,
was küssest, was liebst du an mir?
Sprich! Ist es nur Leibes- und Liebesgestalt?
Sprich! Oder das Herz, das im Busen mir wallt?" -
"O Lieber", so sprach sie, so sang sie zu mir,
"O Süßer, was sollt' ich nicht lieben an dir?
Bist süß mir an Leibes- und Liebesgestalt;
Doch teuer durchs Herz, das im Busen dir wallt." -
"Lieb Liebchen, was thätest du, hätte die Not
Dir eines fürs andre zu missen gedroht?
Sprich! Bliebe mein liebendes Herz dein Gewinn,
Sprich! Gäbst du für Treue das andre dahin?" -
"Ein goldener Becher gibt lieblichen Schein;
Doch süßeres Labsal gewähret der Wein.
Ach! Bliebe dein liebendes Herz mein Gewinn,
So gäb' ich für Treue das andre dahin." -
"O Liebchen, lieb Herzchen,
wie wär' es bestellt,
Durchstrichen noch üppige Feen die Welt,
Die Schönste der Schönsten entbrennte zu mir
Und legte mir Schlingen und raubte mich dir;
"Und führte mich in ihr bezaubertes Schloß
Und ließe nicht anders mich ledig und los,
Als bis ich in Liebe mich zu ihr gesellt?
Wie wär's es um deine Verzeihung bestellt?" -
"Ach! Fragtest du vor der so schmählichen That
Dein ängstlich bekümmertes Mädchen um Rat,
So riet' ich: Bedenke, mein Kleinod, mein Glück!
Komm' nimmer mir oder mit Treue zurück!" -
"Wie wenn sie nun spräche: 'Komm', buhle mit mir!
Sonst kostet's dir Jugend und Schönheit dafür!
Zum häßlichsten Zwerge verschafft dich mein Wort;
Dann schickt mit dem Korb auch dein Mädchen dich fort." -
"O Lieber, das glaub' der Verräterin nicht!
Entstelle sie dich und dein holdes Gesicht!
Erfülle sie alles, was Böses sie droht!
So hat's mit dem Korbe doch nimmermehr not." -
"Wie, wenn sie nun spräche: 'Komm', buhle mit mir!
Sonst werde zur Schlange dein Mädchen dafür!'
O Liebchen, lieb Herzchen,
was rietest du nun?
Was sollt' ich wohl wählen, was sollt' ich wohl thun?" -
"O Lieber, du stellst mich zu ängstlicher Wahl!
Leicht wäre mir zwar der Bezauberung Qual;
Doch jetzt bin ich süß dir wie Honig und Wein,
Dann würd' ich ein Scheuel und Greuel dir sein." -
"Doch setze: du würdest kein Greuel darum,
Ich trüge dich sorglich im Busen herum;
Da hörtest du immer bei Nacht und bei Tag
Für dich nur des Herzens entzückenden Schlag;
"Und immer noch bliebe dein zärtlicher Kuß
Dem durstigen Munde des Himmels Genuß:
O Liebchen, lieb Herzchen,
was rietest du nun?
Was sollt' ich wohl wählen, was sollt' ich wohl thun?" -
"O Lieber, o Süßer, dann weißt du die Wahl!
Was hätt' ich für Sorge, was hätt' ich für Qual?
Dann hülle mich lieber die Schlangenhaut ein,
Als daß mir mein Trauter soll ungetreu sein." -
"Doch wenn sie nun spräche: 'Komm', buhle mit mir!
Sonst werde zur Rache des Todes dafür"'
O Liebchen, lieb Herzchen,
was rietest du nun?
Was sollt' ich wohl wählen, was sollt' ich wohl thun?" -
"O Lieber, du stellst mich zur schrecklichsten Wahl!
Zur Rechten ist Jammer, zur Linken ist Qual.
Bewahre mich Gott vor so ängstlicher Not!
Denn was ich auch wähle, so wähl' ich mir Tod.
"Doch wenn er zur Rechten und Linken mir droht,
So wähl' ich doch lieber den süßeren Tod.
Ach, Süßer! So stirb dann und bleibe nur mein!
Bald folgt dir dein Mädchen und holet dich ein.
"Dann ist es geschehen, dann sind wir entflohn,
Dann krönet die Treue unsterblicher Lohn!
So stirb dann, du Süßer, und bleibe nur mein!
Bald holet dein Mädchen im Himmel dich ein." -
Wir schwiegen und drückten, wie innig, wie warm!
Und wiegten uns eia popeia! im Arm.
Wie Beeren zu Beeren an Trauben des Weins,
So reihten wir Küsse zu Küssen in eins.
Wir wankten und schwankten, berauscht von Gefühl,
Und küßten der herrlichen Trauben noch viel.
Dann schwuren wir herzlich bei ja und bei nein,
Im Leben und Tode getreu uns zu sein.
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Richard Dehmel
(1863-1920)
Empfang
Aber komm mir nicht im langen Kleid!
komm gelaufen, daß die Funken stieben,
beide Arme offen und bereit!
Auf mein Schloß führt keine Galatreppe;
über Berge geht’s, reiß ab die Schleppe,
nur mit kurzen Röcken kann man lieben!
Stell dich nicht erst vor den Spiegel groß!
Einsam ist die Nacht in meinem Walde,
und am schönsten bist du blaß und bloß,
nur beglänzt vom schwachen Licht der Sterne;
trotzig bellt ein Rehbock in der Ferne,
und ein Kuckuck lacht in meinem Walde.
Wie dein Ohr brennt! wie dein Mieder drückt!
rasch, reiß auf, du atmest mit Beschwerde;
o, wie hüpft dein Herzchen
nun beglückt!
Komm, ich trage dich, du wildes Wunder:
wie dich Gott gemacht hat! weg den Plunder!
und dein Brautbett ist die ganze Erde.
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Adolph Donath
(1876-1937)
Trotz Gott und Welt
Ich saß mit ihr im Sternenglanz
Und hielt sie sanft umschlungen,
Als in der müden weiten Welt
Der letzte Ton verklungen.
Doch als das freie Lied erscholl:
Es ist der Mai gekommen!
Da hab ich meiner Nachbarin
Das Herzchen
weggenommen.
Und hab es schnell zu mir gesteckt.
Sie hat es Gott befohlen -
Da hab ich ihr trotz Gott und Welt
Den ersten Kuß gestohlen.
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Philippine Engelhard (geb.
Gatterer)
(1756-1831)
Die eheliche Treue
Wie lieb' ich Dich heimlich so seufzend, so heiß,
Dich schönste der Frauen im fränkischen Kreis!
Ach lang schon verrieth Dir's mein Auge voll Gluth -
Doch lächelst Du kalt unter'm neidischen Hut.
Willst Du Dich der Freuden der Freiheit nicht freu'n?
Und stets für den Gatten so reizend nur seyn?
Wer weiß ob Dein Kuß ihm nicht lieblicher ist,
Hat Dich ein erfahrner Liebling geküßt.
Den leisesten Wunsch, den Dein
Herzchen
nur hegt,
Erfüll' ich, und wenn er in Schwerter mich trägt!
Und nie macht bei klingenden Gläsern mein Mund
Den Namen der still mich Beglückenden kund. (...)
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Gisela Etzel
(1880-1918)
Ich trug deinem Bilde den Frühling ins Haus,
Viel leuchtende gelbe Narzissen!
Sie tranken die Sonne so glühend beflissen,
Da brach ich die Frohen, die Seligkeit wissen,
Für dich, Geliebter, zum Strauß!
Sie tragen noch Glück, und ihr
Herzchen
ist voll
Von des Morgens tauigen Küssen,
Von schwärmenden, wärmenden Sonnenstrahlgüssen;
Ihre Herzen, Geliebter, sind heiß von Genüssen
Und blühen und sprühen wie toll!
Und Andacht in Händen umstell ich dein Bild
Mit dem freudedurchatmeten Garten,
Und alle Gedanken, die angstvoll genarrten,
Knien nieder davor und beten und warten,
Ob nicht dieses Licht, das dich jubelnd umhüllt,
Auch in qualdunkle Nacht meiner Einsamkeit quillt.
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Karl August Förster
(1784-1884)
Vertröstung
Er
Du treibst in frevelndem
Behagen
Mit meiner Liebe deinen Spott.
Wie soll's das arme Herz ertragen?
Ich liebe dich und bin kein Gott,
Wär' ich ein Gott, mit Flammenpfeilen
Bohrt' ich mich in dein
Herzchen ein;
Die Liebe ging zu gleichen Theilen.
O süßes Glück! du mein, ich dein!
Sie
Und kämest du mit Amors
Schwingen
Und seinem Köcher, - einerlei!
Ein Mädchenherz läßt sich nicht zwingen,
Ob Gott, ob Mensch der Gegner sei.
Doch willst du, ungeberd'ger Knabe,
Versuchen, was die Bitte frommt, -
Versuch's! du weißt, daß gute Gabe
Dem rechtem Flehn entgegen kommt.
Er
So fleh' ich denn und flehe
wieder:
"O laß mich unerhört nicht gehn!"
Du aber schlägst die Augen nieder,
Um den Verhaßten nicht zu sehn.
Sie
Ein gutes Wort, es findet
immer
In gutem Herzen gute Statt;
Doch sagt die Welt, daß Eilen nimmer
Ein festes Haus gezimmert hat.
Er
Nicht frag' ich, was die
Leute sagen;
Dich frag' ich, die du meine Welt!
Sie
So komm' nach zweimal
sieben Tagen
Und frage, wie es sei bestellt.
Er
Und wenn dann nach zwei
langen Wochen
Dein Liebster, Liebchen, kommt und frägt? -
Sie
Dann, wenn sein Herz ihm
nicht gebrochen,
Sag' ich vielleicht - ob mein's noch schlägt.
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Friedrich Wilhelm Genthe
(1805-1866)
An Jenny T-.
Warum entfliehst Du, Spröde, Amor's Freuden,
Verweigerst der Natur die süssen Rechte?
Wähnst Du es Tugend? das ist nicht die ächte!
Um solch Verdienst wird nur ein Thor Dich neiden!
Will sich Dein Geist an kalter Weisheit weiden?
Entartest Du so gänzlich dem Geschlechte?
Rümpf' nur das Näschen, weil ich Kränze flechte,
Nicht gleich Dir irre grübelnd auf den Heiden.
O schöne Jenny, Amor wird sich rächen;
Ein Mädchen, für die Liebe nur geschaffen,
Lässt sich der Mut'ge nicht so leicht entwaffen.
Der Pfeil ist aufgelegt, die Waffen rasseln,
Bald wird durch's Herzchen
Dir die Spitze brechen,
Und hoch auf dann die Glut der Liebe prasseln.
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Wilhelm Gerhard
(1780-1858)
Rath und Bitte
Küssest du mich, süßes Kind,
Wird dir kaum das Herzchen
schlagen,
Hast dabei nicht viel zu wagen:
Nur geschwind!
Bitte, bitte! küsse mich!
Aber kommen jüngre Knaben,
Wollen deine Küsse haben:
Wehre dich!
_____
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
(1719-1803)
Amor, ein Vogel
Sieh, wie dort ein kleiner Amor
Auf dem Myrtenbäumchen sitzt,
Lauschend nach den Schatten blicket,
Und den Mund zum Pfeifen spitzt!
Denkt er eine, deren
Herzchen
Nicht sein schärfster Pfeil durchdrang,
Etwa heute zu bezwingen
Mit harmonischem Gesang?
O du lieber kleiner Vogel,
Meine Magdalis ist hier!
Pfeif' ihr doch ein kleines Liedchen,
Und erpfeif' ihr Herzchen mir!
_____
Anastasius Grün
(1806-1876)
Im Bade
Ach, könnt' ich die Welle sein,
Wie freut' ich mich so!
Doch könnt' ich die Quelle sein,
Wär' doppelt ich froh!
Könnt' ich die Welle sein,
Hüpft' ich mit frohem Sinn,
Wo sie im Bade weilt,
Rasch zur Geliebten hin;
Hätte sie schnell ereilt,
Wogte mit stillem Gruß
Rasch um den lieben Fuß,
Blähte mich stolzer dann,
Schwölle und stieg' hinan
Bis an des Busens Rund,
Bis an den Purpurmund,
Grüßte und küßte sie,
Kos'te und neckte sie,
Und sie erlitt' es gern,
Glaubt' ja, ich seh' es nicht,
Glaubt' mich ja fern!
Könnt' ich die Quelle sein,
Ganz nach Verlangen
Wäre sie mein;
Liebend umfangen
Wollt' ich die Holde,
Aber so bald nicht
Ließ' ich sie los.
Dann zu dem Herzchen
Rauscht' ich empor,
Pochte und schlüge
Rege daran,
Pochte und früge
Liebend mich an. -
Dann zu den Händen
Wogt' ich dahin;
Aber das Ringlein,
Das sie als fremder
Seligkeit Pfand
Trägt an der kleinen
Blendenden Hand,
Wollt' ich ihr raubend
Tief in der Wogen
Nächtliche Brandung
Heimlich verbergen;
Rauschte zur Hand dann
Wieder hinan,
Und nur mein Ringlein
Ließ' ich daran.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Auf meiner Herzliebsten Äugelein
Mach ich die schönsten Kanzonen.
Auf meiner Herzliebsten Mündchen klein
Mach ich die besten Terzinen.
Auf meiner Herzliebsten Wängelein
Mach ich die herrlichsten Stanzen.
Und wenn meine Liebste ein
Herzchen hätt,
Ich machte darauf ein hübsches Sonett.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Dich fesselt mein Gedankenbann,
Und was ich dachte, was ich sann,
Das mußt du denken, mußt du sinnen -
Kannst meinem Geiste nicht entrinnen.
Ein gar subtiler Spiritus
Ist dieser Geist, ein Dominus
Im Geisterheer vom höchsten Range;
Ihn ehrt sogar die Muhme Schlange.
Stets weht dich an sein wilder Hauch,
Und wo du bist, da ist er auch;
Du bist sogar im Bett nicht sicher
Vor seinem Kusse und Gekicher!
Mein Leib liegt tot im Grab, jedoch
Mein Geist, er ist lebendig noch
Und wohnt gleich einem Hauskobolde
In deinem Herzchen,
meine Holde!
Vergönn das traute Nestchen ihm,
Du wirst nicht los das Ungetüm,
Du wirst nicht los den kleinen Schnapphahn,
Und flöhest du bis China, Japan.
Denn überall, wohin du reist,
Sitzt ja im Herzchen
dir mein Geist;
Hier träumt er seine tollsten Träume,
Hier schlägt er seine Purzelbäume.
Hörst du? er musizieret jetzt -
Die Flöh in deinem Hemd ergetzt
So sehr sein Saitenspiel und Singen,
Daß sie vor Wonne hochaufspringen.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Die blauen Veilchen der Äugelein,
Die roten Rosen der Wängelein,
Die weißen Liljen der Händchen klein,
Die blühen und blühen noch immerfort,
Und nur das Herzchen
ist verdorrt.
_____
Georg Heym
(1887-1912)
Drohung ans Liebchen
Ich liebe dich, du.
Ich laß dir nicht Ruh
Als bis du mir heut noch
Dein Herzchen
weist zu.
Du nimm dich in acht,
Denn eh du's gedacht,
Was gilt's, hab ich heut noch
Zum Kuß dich gebracht.
Das Mäulchen nur spitz
Und denk, das sei Witz.
Das kümmert mich gar nichts.
Ich küß wie der Blitz.
_____
Camill Hoffmann
(1878-1944)
Prinzess
Prinzess Ninon träumt immer von der Welt,
Die sie vom Sagen wie ein Märchen kennt,
Nur ist ihr Ideal kein Rittersheld, -
Der Gärtnerssohn ist's, der sie Hoheit nennt.
Oft sitzt sie in dem blühenden Rondell
Auf der Terrasse in des Parkes Grund,
Da tönt aus dem Gebüsch ganz keck und hell
Ein Lied zur Arbeit her aus seinem Mund.
Wär' sie allein und trüge nicht dazu,
Ach, dieses seidenfeine blaue Kleid,
Hinter den Büschen wäre sie im Nu!
Fürwahr, Prinzess Ninon drückt schweres Leid.
Und hört sie ihn, wie er so singt und schafft,
Greift eine Sehnsucht an das Seelchen ihr
Nach seiner Arme sonnenbrauner Kraft,
Nach seiner schönen Zähne wilder Gier.
Das ist nicht gut . . . denn selbst im Schlaf ergiesst
Ein Fiebern sich auf ihren Wangen heiss,
Am Morgen ist Prinzesschen blass und liest
Noch ihren Telemach verwirrt und leis. -
Prinzess Ninon träumt immer von der Welt,
Die sie vom Sagen wie ein Märchen kennt,
Und presst ihr Windspiel, das dann ängstlich bellt,
Ans Herzchen,
wenn es gar zu heftig brennt.
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Albert Knoll
(1809-1843)
In der Nacht
Nacht und Stille! Tiefste Ruh'!
Nur mein Auge nickt nicht zu;
Wachend halb und halb im Traum,
Nicht gestorben, lebend kaum,
Sitz' ich bei der Kerze Schein
Sehnsuchtskrank und denke dein.
Theure, denkst auch meiner du?
Schließ' die holden Aeuglein zu!
In des Schlummers weichem Arm,
Köpfchen kühl und Herzchen
warm,
Träume von dem fernen Freund,
Bis der Morgen dich bescheint.
Vorwärts, vorwärts, nie zurück!
Träume von der Zukunft Glück!
Traum ist Leben, Leben Traum,
Jenes Staub und dieser Schaum,
Staub verweht und Schaum zerstiebt,
Ewig ist allein, was liebt.
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Gustav Pfizer
(1807-1890)
Lebensbestimmung
Meinem Streben gabest du eine neue Wendung;
Liebe, fühl' ich, ist des Seyns Krone und Vollendung.
Falsche Lehrer äfften mich, bis ich dich gesehen,
Und mein ganzes Dichten war Thorheit und Verblendung.
Ueber Büchern saß ich stets; Müßiggang und Freude
Schalt ich, als der ernsten Pflicht frevelhafte Schändung.
Anders ist es jetzt mit mir: du nur bist mein Himmel;
Deiner sanften Seele gilt meiner Opfer Spendung.
Nicht um Ehre, Würden, Gold quäl' ich mich und Andre;
Nur dein Herzchen
für mein Glück fleh' ich um Verwendung,
Leitstern meiner Pilgerfahrt ist dein lichtes Auge;
Dich zu lieben ist mein Ruhm, Küssen meine Sendung.
Meines Wesens tiefste Kraft strömt zu dir hinüber,
Denn der höchste Selbstgenuß ist des Selbst Verschwendung.
_____
Hugo Salus
(1866-1929)
Stilles Glück
Wir sitzen am Tisch beim Lampenschein
Und sehn in dasselbe Buch hinein;
Und Wange an Wange und Hand in Hand,
Eine stille Zärtlichkeit uns umspannt,
Ich fühle ruhig dein
Herzchen pochen:
Eine Stunde schon hat keines gesprochen,
Und keins dem andern ins Auge geblickt.
Wir haben die Wünsche schlafen geschickt.
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Adolf Strodtmann
(1828-1879)
Henni
2.
Und immer noch frag' ich:
Ach, bist du ein Traum?
Denn wie Träume kommst du und gehst du;
Auf all' meine Fragen erwiderst du kaum,
Und all' meine Küsse verschmähst du!
Du huschest herein und du huschest hinaus,
Wie Irrwischflämmchen entschweifen;
Du jagst dich mit mir durch Garten und Haus,
Und lässt dich nicht fassen und greifen.
Du süßes, du liebliches Schelmengesicht,
Und will ich dich küssen und herzen,
So sträubst du und sperrst dich und leidest es nicht,
Und entfliehst unter Lachen und Scherzen.
Du süßes, du liebliches Schelmengesicht
Mit der lerchenliedzwitschernden Kehle: -
Was Lieb' ist, du Kobold, Das weißt du wohl nicht,
Und hast keine menschliche Seele?
O hüte dich, hüte dich, Schelmengesicht,
Schon hat dich die Liebe beim Schopfe;
Das kühle Herzchen,
sie achtet es nicht,
Noch den klugen Verstand in dem Kopfe.
Das kühle Herzchen
brennt lichterloh,
Der kluge Verstand geht auf Reisen -
Und kehrt er wieder, so wird er froh
Die Lieb' als Herrscherin preisen!
_____
Christoph August Tiedge
(1752-1841)
Ständchen
Entschlummre, schön Liebchen, schon flattert's im Stall!
Heut' hatten wir Kränzchen, und morgen ist Ball!
Das Herz und die Aeuglein bedürfen der Ruh:
Drum schließe, schön Liebchen, nur beides hübsch zu!
Es haben die Füßchen nur wenig geruht,
Nur selten erlosch auf der Wange die Gluth;
Nun löse der Schlaf die Lebendigkeit ab,
Sonst nützet das Leben zu schleunig sich ab.
Es ist ja das Leben ein liebliches Spiel;
Wir spielen nicht lange: drum spielen wir viel.
Wohl kostet es Zeit, um die Zeit zu verthun:
Drum ist es auch billig, dazwischen zu ruhn.
Viel Kronen des Sieges erwarbst du dir heut';
Da ging denn dies Herzchen,
wie Festtagsgeläut.
Drum schlafe nun, Liebchen, schlaf ruhig und wohl,
Sonst klopfet das Herzchen
die Seite noch hohl!
Und morgen umflattert, mit Kränzen geziert,
Das Leben uns, welches die Geige regiert.
Horch! hörst du? schon brummet der Nachtwächter: elf;
Drum schlafe, schön Liebchen, bis morgen um zwölf!
_____
Oskar Wiener
(1873-1944)
Sag es nicht
Sag es nicht, geliebtes
Herzchen,
Sag es nicht,
Daß wir heimlich uns gesprochen,
Sag es nicht. -
Daß sich uns're Lippen fanden,
Wir zusammen aufgestanden;
Sag es nicht, geliebtes
Herzchen,
Sag es nicht! -
Sag es nicht, geliebtes
Herzchen,
Sag es nicht,
Daß wir Nachts im Wald gewesen,
Sag es nicht. -
Daß dem Heiland wir begegnet,
Er uns heimlich eingesegnet;
Sag es nicht, geliebtes
Herzchen,
Sag es nicht! -
_____
Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)
Am Fenster
Wenn du so sitzest im traulichen Stübchen,
Sinnend ans Fenster das Köpfchen gelehnt,
Sag' mir, mein Mädchen, sag' mir, mein Liebchen,
Was sich dein Herzchen
dann hoffet und sehnt.
Wenn dann die Augen träumerisch gehen
Über die Felder und grünende Flur,
Sag', was sie suchen, sag', was sie sehen,
Sind es die Blumen, die blühenden, nur?
Wie? oder weben die duftigen Träume
Dämmernd von ferne ein Bildnis dir vor,
Flüstern die Blumen und rauschen die Bäume,
Ach, dir ein Märchen, ein süßes, ins Ohr?
Künftige Tage, selige Zeiten,
Lächeln sie dir in die ahnende Brust?
Siehst du sie kommen von weiten, von weiten,
Dinge, die halb du bis heut nur gewußt?
Wogt es im Herzen dir höher und höher?
Einer erscheint - o sage mir, wer?
Lächelnd erscheint er, kommt näher und näher,
Kennst du ihn, Herz? ist es er? ist es er?
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Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)
Winterspaziergang
In Nacht und Winter
In Sturm und Wind
Spaziert' ich mit meinem
Herzlieben Kind.
Und wie ihr der Sturmwind
Ums Antlitz pfiff,
Nach meinem Arme
Herzliebchen griff
Und schmiegte sich enge
In meinen Arm -
Mir ward im Winter
So sommerwarm.
Da fühlt' ich ihr Herzchen
An meiner Brust!
In Sturm und Winter
O Wonne, o Lust!
"Wem klopft's so laut da?
Das sage du mir."
Wie süß sie da lachte:
"Nur dir, nur dir!"
Schön ist's im Frühling
Spazieren allein;
Doch schöner, im Winter
Spazieren zu Zwei'n.
_____
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