Wörtchen und Wörtlein
in der deutschen Liebeslyrik
Ausgewählte Gedichte
deutscher Dichter und Dichterinnen
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Theodor Apel
(1811-1867)
Das böse Röschen
Ein Röschen
stand am Weg, versteckt
In dichter Dornen Hut;
Das hatte Manchen schon geneckt,
Wenn er die Hand nach ihm gestreckt,
Gestochen bis auf's Blut.
Ein Schäfer kam und trat heran,
Der sprach: "Komm, werde mein!"
Doch Röschen
stach den armen Mann,
Daß roth sein Blut herniederrann,
Und sagte trotzig: "Nein!"
Da kam mit Sang und Saitenspiel
Ein fröhlicher Gesell;
Wie griff der nach des
Röschens Stiel!
Doch Röschen
stach und lachte viel,
Daß Jener stob so schnell.
Und Mancher schaut auf seiner Bahn
Entzückt des Röschens
Pracht,
Und Allen, Allen die es sahn,
Hat es das Röschen
angethan,
Und spottend nachgelacht.
Zuletzt erschien in gold'ner Wehr
Ein Ritter, hochgeschmückt.
Das Röschen,
dem gefiel er sehr:
Nun, denkt es, hab' ich Ruhm und Ehr',
Werd' ich von ihm gepflückt.
Da streckt es aus den Dornen sich
So weit es kann hervor,
Und schaut so süß, so minniglich,
Als spräch' es: "Lieber, hebe mich
Doch gleich zu Dir empor!"
Er sprengt heran; das
Röschen glüht
In heißer Minnelust;
Doch, wie es sich zu strahlen müht -
Die wunderschönste Rose blüht
Schon an des Ritters Brust.
Das Röschen
schaut ihm lange nach
Mit tiefbetrübtem Sinn,
Und ob es auch nicht wieder stach,
So kam doch Keiner, der es brach,
Und einsam welkt' es hin.
_____
Theodor Apel
(1811-1867)
Vom wilden Röschen
Ich kenn' ein wildes
Röschen,
Das blüht so rot im Dornenstrauch,
Das lockt so lieb mit süßem Hauch,
Das sucht mit scharfen Spitzen
Oft mir die Hand zu ritzen -
Das Blut ist kaum zu stillen:
Doch um der Rose willen
Lieb' ich die Dornen auch.
Und hat sie mich gestochen,
Dann blickt sie mich so freundlich an,
Als hätt' sie mir nicht weh gethan;
Und schaut' ich noch so wilde -
Sie duftet lieblich milde.
Zuletzt, was will ich machen?
Ich muß von Herzen lachen
Und bleib' ihr zugethan.
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Hanns Heinz Ewers
(1871-1943)
Wandschmuck
Stenies seidne Unterhöschen
hängen über meinem Bett,
hängt dabei ein rotes
Röschen
und ein römisches Stilett.
Blassrot ist das letzte
Röschen
vom verwelkten Ballbukett,
Stenies liebe Spitzenhöschen
schimmern weich in Violett.
Aber hell wie die Rakete
blinkt mein spitziges Stilett -
sind die drei an der Tapete
nicht ein lustiges Terzett?
Sind drei Tröpfchen auf dem
Röschen
roten Blutes, wundernett,
drei auf Stenies Unterhöschen,
dreie auch auf dem Stilett.
Drei am Röschen?
- Ja, das Händchen
ritzte sie sich am Kollett,
als sie von der Brust das Bändchen
heftig riss und das Bukett.
Durch das Hemd drei Tröpfchen glitten
auf mein zitterndes Stilett,
als ich hastig durchgeschnitten
ihr die Bänder am Korsett.
Blut vom Händchen färbt mein
Röschen,
Blut vom Rücken mein Stilett -
Doch wie kam in Stenies Höschen
Purpurrot in Violett?
Purpurrot in Spitzenhöschen?!
Und das Tröpfchen prunkt kokett!
- - Höschen und Stilett und
Röschen
Kichern über meinem Bett!
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Wilhelm Gerhard
(1780-1858)
Der unersättliche Hans
Als Röschen
auf die Wiese schlich,
War heimlich Hans ihr nachgegangen.
O süßes Röschen,
liebst du mich?
Ja, lieber Hans, ich liebe dich;
Doch weiter mußt du nichts verlangen!
Ist's wahr, was mir dein Mund gestand?
Ach! unter Rosen lauschen Schlangen -
Gieb mir die Hand zum Unterpfand!
Wohlan! hier hast du meine Hand;
Doch weiter wirst du nichts verlangen!
Hans hält sie fest an's Herz gedrückt,
Indeß die muntern Lerchen sangen;
Den Strauß noch reich' mir, der dich schmückt!
Da nimm! ich hab' ihn dir gepflückt;
Doch weiter darfst du nichts verlangen!
O Röschen,
unsern Liebesbund
Besiegl' ein Kuß auf Mund und Wangen.
Zum Kusse neigt sich Wang' und Mund,
Und drohend macht der Finger kund,
Er solle ja nichts mehr verlangen.
Doch Hans gehorcht der Schönen nicht,
Und schielt nach ihres Busens Spangen.
Da ruft mit finsterem Gesicht
Lieb Röschen:
Geh, du Bösewicht!
Sonst möchtest du zuviel verlangen.
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Theresa Gröhe (Ps. T. Resa)
(1853-1929)
Dornröschen
Nun sank die Flackerglut zu Asche,
Des Bergstroms Stürzen ist gedämmt -
Das Herz, das wilde, heiße, rasche,
Zu ruhigem Schlage nun gehemmt.
Wie still die Welt! - Die Vögel sangen
Sonst süßer - grüner war das Feld.
Von Schlafestrunkenheit umfangen
So schwül, so müde ruht die Welt.
Ein Zauberschlaf! - Die rechte Stunde,
Der rechte Ort - und sie erwacht!
Ein einz'ger Kuß von rotem Munde:
Und strahlend rings das Leben lacht.
Dann wird - in Jauchzen und in Zittern -
Der Erde ganze Wonne mein,
Nach allen Stürmen und Gewittern
Ein blütenvoller Frühling sein.
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Leo Heller
(1876-1949)
Fein Röschen
Fein Röschen
lag im Bettchen
Und trug ein güld'nes Kettchen
An ihrem Hals zur Zier;
Das Bettchen, das war von Papa,
Die Polster waren von Mama,
Das Kettchen war von mir.
Ei lala juchheilala!
Fein Röschen
stand im Gärtchen
Und küßt ein blondes Bärtchen
Mit ungestümer Gier;
Fein Röschen,
das war von Papa,
Das Gärtchen, das war von Mama,
Das Bärtchen war von mir.
Ei lala juchheilala!
Fein Röschen
saß im Stübchen
Und trug ein kleines Bübchen,
Ihr brach das Herze schier;
Das Stübchen, das war von Papa,
Das Wieglein, das war von Mama,
Das Bübchen war von mir.
Ei lala juchheilala!
Fein Röschen
liegt im Zimmer
Bei güld'nem Kerzenschimmer,
Zwei Englein steh'n bei ihr;
Das Särglein, das war von Papa,
Das Kreuzlein, das war von Mama,
Das Kränzlein war von mir.
Ei lala juchheilala!
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Amalie Krafft
(1778-1852)
Wünsche
Ich möchte wohl ein Röschen
seyn,
In meines Liebsten Garten:
Er würde dann in Liebe mein
Mit treuer Pflege warten.
Und bräch' er auch vom Stamm' mich ab,
Um seine Brust zu schmücken;
Dort fänd' ich ja ein selig Grab,
Ich stürbe mit Entzücken.
Ach! daß ich doch kein Täubchen bin,
Auf süßer Liebe Schwingen
Eilt' ich zu dem Geliebten hin,
Ihm meinen Gruß zu bringen.
Ich setzte mich auf seine Brust,
Ihn tausendmal zu küssen;
Dann dürft' ich wohl, o Himmelslust!
Den Theuern nimmer missen.
Oft möcht' ich wohl ein Lüftchen seyn,
Die Stirne ihm zu kühlen,
Dann könnt' ich auch im Abendschein
Mit seinen Locken spielen.
Mein Schmeichelhauch sollt' ihn umweh'n,
An seine Brust sich schmiegen,
Und würde er dann schlafen geh'n,
In süße Ruh' ihn wiegen.
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Johann Martin Miller
(1750-1814)
Der Bauer an sein
Röschen
Schon locket der Mai
Die Schwalben herbey,
Und alles ist fröhlich und heiter;
Auf luftigen Höhn
Und Wiesen entstehn
Die lieblichsten Blumen und Kräuter.
Sieh, Röschen,
mein Feld
Ist herrlich bestellt;
Schon schiessen die Roggen in Aehren;
Im blühenden Klee,
In sonnichter Höh
Läßt Wachtel und Lerche sich hören!
Sieh, unten am Bach,
Die Schafe gemach
Durch blumichte Gegenden ziehen;
Und, weisser als Pflaum,
Im Garten den Baum
Von unten bis obenan blühen!
Dieß alles ist mein,
Und, Röschen,
auch dein,
Sobald wir uns ehlich verbinden;
Dann werden uns schnell,
Wie Perlen im Quell,
Die hüpfenden Tage verschwinden.
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Johann Martin Miller
(1750-1814)
An Damon
Warum ich weine, Freund? O sieh
Die Rose! Gestern blühte sie;
Nun hängt sie, von des Sturmes Hauch
Entstellt, und Blätterlos am Strauch.
Und sollt' ich nicht der Sterbenden
Ein stilles Thränchen schenken?
Sollt' ich ein Röschen
sterben sehn
Und nicht an Chloen denken?
O, laß mich weinen! Wandelst Du
Dereinst dem Rosenstrauche zu,
Und sinkt ein Röschen
auf mein Grab,
Entstellt und Blätterlos herab:
O sage, Damon, wirst Du nicht
Ihm auch ein Zährchen schenken,
Und mit bethräntem Angesicht
An Deinen Daphnis denken?
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Wilhelm Müller
(1794-1827)
Ein Profil mit einem Wangengrübchen
Hüte nur dein Wangengrübchen
Vor den Bienen in dem Garten!
Halten sie es für ein
Röschen,
Daß sie es so nah umflattern?
Nein, sie lassen alle Rosen,
Alle bunte Tausendschönchen
Unberührt ja stehn im Garten,
Wenn sie dich nur kommen sehen.
Und wenn ich ein Bienchen wäre,
Meinen ganzen Lebenshonig
Wollt' ich aus dem Wunderblümchen
Deines Wangengrübchens saugen.
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Karl Reinhard
(1769-1840)
Der Zufriedene
Wenn mich mein Röschen
liebet,
So bin ich wohlgemuth;
Und Mancher ist betrübet
Bei allem Geld und Gut.
Und hätt' ich grosse Haufen
Von Perlen und von Gold,
So könnt' ich Kronen kaufen,
Doch nicht der Liebe Sold!
Was hülf's mir armen Zecher,
Säss' ich bei'm Austernmahl,
Bei'm Weinbekränzten Becher,
Und stürb' in Liebesqual?
Den Schatz der ganzen Erde
Nehm' ich nicht für mein Glück:
Mein Hüttchen, meine Herde,
Und Röschen's
Liebesblick!
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Joachim Ringelnatz
(1883-1934)
Ein
Liebesnacht-Wörtchen
Ja – – ja! – – ja!! – – ja!!! – –
Du hast so süße Höschen.
Nun sind wir allein. Und es ist Nacht.
Ach hätte ich dir doch ein
Röschen
Mitgebracht.
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Johann George Scheffner
(1736-1820)
Die Sehnsucht
O Röschen
welch ein Glück
Von Dir geliebt zu seyn!
Wem flößt ein himmlisch Meisterstück
Nicht tausend Wünsche ein?
Wenn sanft der schwarze Atlas wallt,
Dein blaues Auge lacht,
Wer bleibt bey solchem Anblick kalt,
Und fühlt nicht Amors Macht?
Ein Kuß auf Röschens
Marmorarm,
Ihr Handdruck, noch so schwach,
Macht selbst den Winter sommerwarm,
Und alle Geister wach.
Wie Schnee zerschmilzt wenn ihn der Strahl
Der Frühlingssonn' erreicht,
Wie froh das Herz beym Freundschaftsmaal
Ins ofne Antlitz steigt:
So sanft freut sich, so schmilzt mein Herz
Wenn es den Himmel sieht,
Der da ist, wo der feinste Scherz
Auf Rosenwangen glüht.
Heil dem, den Röschens
Seele liebt,
Dem sie, entzückt geküßt,
Den Kuß freywillig wiedergiebt
Der, auch geraubt, schön ist.
_____
Johann George Scheffner
(1736-1820)
Zum Beschluß
II.
Brauner Augen schwarze
Bogen
Sind Tyrannen, die ich flieh:
Blauer Augen braune Bogen
Röschen o wie lieb ich Die!
Heil mir, Röschens
blaue Augen
Sehn auf mich, und Freude bebt
Durch mein Herz, das blos vom Lächeln
Dieser braunen Bogen lebt.
Wenn wie heut den Abendhimmel
Blaue Wolken überziehn;
Wenn im Schooß' halbreifer Aehren
Blaue Sternchen reitzend blühn;
Wenn im blauen Fluthenspiegel
Sich ein Rosenstrauch besieht;
Wenn Vergißmeinnicht in Thälern,
Schön dem Auge, einsam blüht:
Dann fühlt meine ganze Seele
Röschens
blauer Augen Macht,
Aber keine Lust an Schönheit
Da, wo dieses Aug' nicht lacht.
Milde Abendwolken träufeln
Kühlungsthau jetzt sanft herab -
Ach wo ist der Thau des Lebens
Den mir Röschens Kuß sonst gab!
Jedes Wölkchen, jede Bluhme,
Blau so wie ihr Aug, gebiehrt,
Heiße Sehnsucht nach dem Tage
Der in meinen Arm Sie führt.
Aber wie der Bach sich traurig
Murmelnd durchs Gesträuch hier schlingt,
Wo die Nachtigall der Gegend
Heut' die letzten Lieder singt:
So schlägt auch mein Herz, o
Röschen
Zum voraus schon kummervoll
Beym Gedanken der Minute,
Die uns wieder trennen soll.
_____
Friedrich Leopold Graf zu
Stolberg
(1750-1819)
An Röschen
Trautes Röschen,
sieh, wie hell
Unter Geißblatt dieser Quell
Durch Vergißmeinnichtchen fliesset!
Reissender rauscht dort sein Fall,
Wo er mit des Donners Schall,
Und des Thales Wiederhall
Ueber Felsen sich ergiesset!
Aber süsser ist er mir,
Mein geliebtes Röschen,
hier,
Denn er gleichet unserm Leben!
Seh' ich ihn so sanft und rein
Gleiten in des Mondes Schein,
Röschen, dann gedenk' ich dein,
Und der Freude Thränen beben!
_____
Ernst Anton Zündt
(1819-1897)
Betrachtung
Auf dem weichen
Pfühle
Schlafe! Was willst du mehr?
Göthe
Ruhig, selig, wie ein Engel,
Liebes Röschen,
lagst du da,
Schliefst, gewiegt von süßen Träumen,
Die ich dich umschweben sah.
Draußen in der Nebenstube
Flammte noch ein sterbend Licht,
Und es fiel sein matter Schimmer
Auf dein holdes Angesicht.
Losgegangen war die Schleife,
Die dein Hemd zusammenschloß;
Nur von Locken überströmet
Sah ich deinen Busen bloß.
Deine zarten Wangen glühten,
Und auf deinen Zügen lag
Nicht der Liebe Schmerz - sie glichen
Einem holden Maientag.
Ach, ein Kuß auf deine Wange
Wecket dich, Geliebte, nicht!
Leise thu' ich's, daß er keinen
Süßen Traum dir unterbricht.
Doch, o weh, sie rührt die Arme!
Schnelle fort! Sie ist erwacht.
Sah ich doch des Himmels Reize
In der Erde schönster Nacht.
_____
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