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 Margaretha 
      Adelmann
 (1811-1887)
 
 
 Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 
 
        
      
      
      Liebe! Feuerlebens-Sprühen 
      (Die Liebe)
      
      
      Süße Liebe, süße Liebe! 
      (Liebe)
      
      
      Welch Lebenswehn! 
      (Frühlingslied)
      
      
      Tön', Nachtigall (Die 
      Nachtigall)
      
      
      In den schönen Frühlingstagen 
      (Liebesschmerz)
      
      
      Spielend, scherzend, zieh'n im 
      Reigen (Hochzeitslied)
      
      
      Nur Ein's ist Noth im Wirbel 
      dieses Lebens (Liebe)
      
      
      Heldenthaten möcht' ich singen 
      (Variationen II.)
      
      
      Laß dich küssen, süße Rose 
      (Gaselen II.)
      
      
      O möchten wie der Töne 
      Harmonieen (Sonette V.)
      
      
      Aus der Nächte tiefem Schoos 
      (Strophen an J.)
      
      
      Ein Ritter mit den Mannen 
      (Der Mädchenraub)
      
      
      Schön, im allerschönsten 
      Garten, schön von Blumen rings umgeben (Die Braut von Genua)
      
      
      Herr König, lieber Vater 
      mein! (Zwei Bräutigame)
      
      
      Glücklich, wer nach langen 
      Stürmen (Orpheus)
      
      
      Ein Mädchen sitzt am Berge 
      (Das Mädchen am Berge)
      
      
      Zwei kleine Hüttchen sind zu 
      sehen (Die Ruine)
      
      
      O! Herr, wie ist die Luft so 
      schwül! (Die Windsbraut)   
      
      
 Die Liebe
 
 Liebe! Feuerlebens-Sprühen
 Aus dem Quell der Seligkeit,
 O, mit welchem Fieberglühen
 Schlürfet dich der Sohn der Zeit!
 
 Wie durch seiner Adern Gänge
 Wild bewegt das Blut sich drängt!
 Wie bald Angst zu schwüler Enge
 Seine Brust zusammenzwängt.
 
 Bald der Freude wildes Toben
 Sie gewaltig hebt und dehnt,
 Daß der Geist selbst lässig oben
 An dem Steuerruder lehnt
 
 Und von wechselnden Gedanken
 Selber hin und her bewegt,
 Zu des kleinen Schiffchens Schwanken,
 Mit sich in's Gewicht noch legt:
 
 Taumelnd fühlt er höh'res Leben,
 Fühlet seine Götterart,
 Und mit süßem innerm Beben
 Fühlt's der Staub, der ihm gepaart.
 
 Göttermuth erfaßt die Seele;
 Keine Klippe dräut sie an,
 Ob auch Port und Leuchte fehle,
 Sie verfolget ihre Bahn.
 
 Wehmuth und Entzücken bieten
 Sich zum Reihentanz die Hand;
 Und die Hoffnung schlingt im Frieden
 Kränze an des Abgrunds Rand.
 
 Alle, die das Schiff bemannen,
 Füllet süße Trunkenheit;
 Ruderlos schwebt es von dannen,
 Scherzend durch die Fluth der Zeit. 
      (S. 14-15)
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 Liebe
 
 Süße Liebe, süße Liebe!
 Hebe du des Herzens Triebe;
 Gib mir Freud' und Lust!
 Süße Liebe, Himmelsblume,
 Wie in deinem Heiligthume,
 Blüh' in meiner Brust!
 
 Blüh' in deinem schönsten Prangen,
 Auf in deinem Kelch zu fangen
 Mir des Himmels Thau!
 Blühe lange, blühe immer,
 Werfe deinen Rosenschimmer
 Auf des Herzens Au!
 
 Wie das Morgenroth der Höhen
 Soll dein Blüthenglanz durchwehen
 Dieses Lebensfeld;
 Soll mit seinem Strahl verklären,
 Soll mit seiner Gluth ernähren
 Diese innre Welt. (S. 
      34)
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 Frühlingslied
 
 Welch Lebenswehn!
 Die Luft ist mild;
 In reinen Höhn
 Der Sonne Bild,
 In Wald und Flur
 Des Frühlings Spur.
 
 Der junge Keim
 Jetzt durch sich bricht,
 Bleibt nicht daheim,
 Strebt vor an's Licht;
 Springt frisch heraus,
 Aus seinem Haus!
 
 Und ich, auch ich!
 Ich mach' es so.
 Es reget sich
 In mir so froh!
 Und Kraft und Lust
 Belebt die Brust.
 
 Und mancher Keim
 Schießt rasch empor,
 Bleibt nicht daheim -
 Drängt frisch hervor,
 Hervor ans Licht,
 Voll Zuversicht!
 
 Wie neues Grün
 Von außen lacht,
 Ist Hoffnungsblüh'n
 In mir erwacht,
 Und Lebensmuth
 Und Liebesgluth. (S. 
      35-36)
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 Die Nachtigall
 
 Tön', Nachtigall,
 Dein flötend Lied!
 Der süße Schall,
 Bebt durchs Gemüth.
 
 Den weichen Klang
 Hör' ich so gern
 Von deinem Sang,
 Gesanges Stern!
 
 Das süße Ach!
 Entquellend dir,
 Ruft Echo wach
 Im Herzen mir.
 
 O singe du!
 Ström' aus den Schmerz
 Und sing' in Ruh'
 Mein krankes Herz!
 
 Die Saiten, die
 Verstimmt mir sind,
 In Harmonie
 Lös' sie gelind;
 
 Hauch' Melodie
 In sie hinein
 Und stimme sie
 Mir wieder rein!
 
 Es dringt an's Herz
 Dein Ton so mild,
 Und meinen Schmerz
 Der deine stillt!
 
 Komm', klage du,
 Ström' aus die Gluth
 Und sing' in Ruh',
 Was weh mir thut!
      (S. 39-40)
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 Liebesschmerz
 
 In den schönen Frühlingstagen,
 Wo das Leben froh erneut,
 Von verborgner Kraft getragen,
 Diese Welt mit Blumen streut;
 
 Wo die Liebe leichtbeflügelt,
 Scherzend, die Natur umschwebt,
 Sich in jeder Welle spiegelt
 Und in jedem Hauche lebt:
 
 Zieht sie auch mit Schmeicheltönen
 In des Menschen Busen ein,
 Zeiget ihm den Reiz des Schönen
 In des Himmels Widerschein.
 
 Schlinget ihre Fäden leise
 Um zwei lose Herzen hin,
 Welche nun nach ihrer Weise
 Tanzend durch das Leben zieh'n.
 
 Doch zu bald oft will sie's enden,
 Es verstummt ihr süßer Ton,
 Und sie trennt mit rauhen Händen
 Rasch die lieben Bande schon.
 
 Nur die namenlosen Schmerzen,
 Die sich in die Brust gewühlt
 Bleiben den zerrissnen Herzen,
 Die so kurz das Glück gefühlt.
      (S. 58-59)
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 Hochzeitslied
 
 Spielend, scherzend, zieh'n im Reigen
 Amoretten froh dahin,
 Heut' sich selbst die Holden zeigen,
 Die uns sonst so gern entflieh'n.
 
 Venus scherzende Begleiter
 Heute sich der Erde nahn,
 Und so fröhlich und so heiter,
 Wie wir sie noch selten sah'n:
 
 Denn in ihres Jubels Töne
 Stimmet bang kein Mißton ein,
 In des Wohlklangs weiche Schöne
 Löst sich Alles, mild und rein.
 
 Hymen heut' mit Freude segnet
 Und mit seiner Huld berührt
 Herzen, die sich selbst begegnet
 Und die Amor zu ihm führt!
 
 Wo die Herzen selbst sich finden
 Und zusammen sich gesellt,
 Da mag Hymen gerne binden
 Mit dem Band, das ewig hält!
 
 Wo sich solche Bande knüpfen,
 Mischt sich gern die Freude drein,
 Mögen Amoretten hüpfen
 Und die Musen heiter sein.
 
 Mag der frohe Becher kreisen
 Und die Freude werde laut,
 Ruf' in ihren besten Weisen:
 "Glück für Bräutigam und Braut!"
 
 Wenn die Zeit auch Pfeile sendet,
 Sie verwunden nicht das Herz,
 Und wenn Liebe Balsam spendet,
 Fühlt sich nicht der herbe Schmerz. -
      (S. 62-63)
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 Liebe
 
 Nur Ein's ist Noth im Wirbel dieses Lebens,
 Ja Eines nur belebt, erhellt den Geist,
 Und unser ganzes Trachten ist vergebens,
 Was Großes, Herrliches es auch verheißt,
 Wenn nicht zum Ziel und Einklang unsres Strebens
 Dies Eine allgewaltig fort uns reißt
 Und unser Ahnen, Fühlen, Denken, Wollen
 Aus diesem Lebensborne nicht entquollen!
 
 Wenn alle jene lichten Geistesfäden
 Aus diesem Strahlenkreise nicht entsteh'n -
 Wenn unsre Thaten treu wie die Planeten
 Sich nicht um diese reiche Sonne dreh'n,
 Wenn wir den süßen Zauberlaut aus Eden,
 Den Hauch der ew'gen Liebe nicht versteh'n,
 Und unser Sein und inneres Bestreben
 Mit ihrer Schöpferkraft nicht erst beleben!
 
 Ja! Liebe ist das Große, Mächt'ge, Eine!
 Ja! Liebe ist der Quell der Seligkeit,
 Das wunderreiche Band, das himmlisch reine,
 Das unserm Sein den süßen Einklang leiht;
 Das aus den Höh'n mit seinem Strahlenscheine
 Herniederleuchtet auf den Strom der Zeit:
 Ein treuer Leitstern aus des Himmels Höhen,
 Den Klippen dieses Stromes zu entgehen;
 
 Ein Steuermann durch seine Wind' und Wellen,
 Ein Kompaß, der den rechten Weg uns zeigt,
 Ein holder Freund, der an den schweren Stellen
 Uns helfend seine treue Rechte reicht,
 Ein Aar, der, mag das Fahrzeug auch zerschellen,
 Mit uns im Fluge zu den Sternen steigt,
 Wo in des Lichtes ew'gen Regionen
 Der Liebe Kinder unter Palmen wohnen.
      (S. 86-87)
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 Variationen II.
 Mas di amor solo 
      canta mi lyra
 
 Heldenthaten möcht' ich singen;
 Möcht dem herrlichen Alciden
 Meine Huldigungen bringen -
 Theseus meine Lieder weihen -
 Und den stolzen Argonauten!
 Durch die langen Heldenreihen,
 Großer Vorzeit singend wandeln;
 Huldigend mit Sangesgrüßen
 Legen diesen Heldenbildern
 Meine Leier fromm zu Füßen!
 Aber indessen nach Hohem ich strebe,
 Tönet die Leier allein nur der Liebe!
 Während im Flug ich die Helden umschwebe,
 Rauschen die Saiten allein nur der Liebe!
 Flüstern und kosen im trauten Gespräche,
 Klagen dem Echo nur Seufzer der Liebe!
 Nimmer bring Lob ich der Helden zuwege,
 Da ja die Leier nur singt von der Liebe!
 Und ich muß lassen die mächtigen Helden,
 Singend fortan nur allein von der Liebe.
      (S. 99)
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 Gaselen II.
 
 Laß dich küssen, süße Rose,
 Nimmer missen dein Gekose
 Kann die dir geweihte Lippe;
 Soll sie preisen, süße Rose,
 Würdig deiner Reize Zauber,
 Muß mich deine dornenlose,
 Holde Liebe auch erfreuen,
 Und Begeistrung ewig große
 Ich aus deinem Auge trinken.
 Dies nur ist die Sonnenrose,
 Deren mächt'ge Feuerstrahlen
 Holdres Lied mir aus dem Schoose
 Des Gefühles locken können,
 Daß es schmeichelnd dich umkose.
      (S. 102)
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 Sonette V.
 
 O möchten wie der Töne Harmonieen
 Im Einklang unsre Herzen sich verbinden!
 Wie sie, sich wechselnd immerdar entfliehen,
 Um schöner immer wieder sich zu finden!
 
 Mit engen, unauflöslichen Gewinden
 Fest, innig aneinander uns zu ziehen,
 Daß Raum und Zeit vor unserm Blick entschwinden,
 Dies reine Hochgefühl sei uns verliehen!
 
 Dann reist des innern Lebens schöne Blüthe,
 Dann wirkt der Geist mit seiner reichen Kraft
 In unserm tiefsten, innersten Gemüthe!
 
 Wir haben uns dem Irdischen entrafft;
 Und ob sie Feuer auch und Funken sprühte,
 Besiegen dennoch wir die Leidenschaft.
      (S. 111)
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 Strophen an J.
 
 I.
 Aus der Nächte tiefem 
      Schoos
 Ringet oft ein Bild sich los
 Und erhaben tritt's und groß,
 In der Fülle seiner Schöne,
 Vor mein stilles Lager hin
 Und verwandte, süße Töne
 Fühl' ich leise mich umzieh'n.
 
 Doch vom Schlummer kaum erwacht,
 Sinkt durch bösen Zaubers Macht
 Es zurück in seine Nacht!
 Und dann müssen meine Augen,
 Schwer geblendet von dem Licht,
 Sich in Thränenfluthen tauchen -
 Bis der starre Schmerz sich bricht.
 
 
 II.
 Samstag war es, so 
      wie heute,
 Und doch war's ein andrer Tag!
 Was mich lebend dort erfreute,
 Schleicht mir jetzt als Schatten nach.
 Wie nach langer Dürre Regen
 Niederfällt mit Himmelssegen,
 Sproßten mächtig alle Ranken
 Höheren Gefühls in mir
 Und die Fülle der Gedanken
 Fand den Wendepunkt in dir!
 Sie umspannen mit den Fäden
 Ihres feinsten Lebens dich;
 Huldigend dich anzubeten,
 Ringten sie im Kreise sich.
 
 
 III.
 Aus dem Sturme, aus 
      dem wilden,
 Der Vernichtung rett' ich dich,
 Holdes Bild! zu den Gefilden,
 Wo die Sonne nie erblich;
 Wo die Sterne ewiglich,
 Ruhig schlingend mit den milden
 Strahlen durch die Nächte sich,
 Leuchtend ihre Kreise bilden.
 
 Oben in den reinen Höhen
 Magst du als ein Sternbild stehen,
 Freundlich grüßend niedersehen,
 Daß, wenn mir der Tag entflieht,
 Mich dein reines Licht umzieht,
 Dich als Stern mein Auge sieht.
      (S. 113-115)
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 Der Mädchenraub
 Ballade
 
 I.
 Ein Ritter mit den 
      Mannen,
 Die rund um ihn geschaart,
 Der reitet rasch von dannen
 Mit einem Mägdlein zart.
 
 Sie sitzt auf seinem Pferde
 Vor ihm, er hält sie fest,
 Mit freundlicher Geberde
 Sie sich's gefallen läßt.
 
 Sie schaut den kecken Reiter
 Mit holdem Lächeln an
 Und ist so froh und heiter,
 Als läg' ihr nichts daran,
 
 Als wäre sie gegangen
 Mit diesem Ritter gern
 Und gebe gern gefangen
 Sich ihm als ihrem Herrn.
 
 Und Er, er hält so freudig
 Und liebend sie sich fest,
 Daß es wohl unzweideutig,
 Daß er sie nimmer läßt.
 
 
 II.
 Nun sind sie in 
      Waldes Mitte,
 Und der Sturm erbraust so wild,
 Daß er seines Mädchens Bitte
 Williglich und gern erfüllt.
 
 Und sie steigen von den Rossen,
 Lagern unterm Dickicht sich,
 Sind zu ruhen hier entschlossen,
 Bis das Ungewitter wich.
 
 Aber schwerer zieht's zusammen,
 Dräuender ob ihrem Haupt,
 Doch es haben Sturmes Flammen
 Sie des Muthes nicht beraubt.
 
 Es ist eine inn're Stimme,
 Die sie dem Verderben weiht,
 In des Sturmes wildem Grimme
 Ihnen Himmelsstrafe zeiht!
 
 Blitze, die von allen Seiten
 In den Boden schlagen ein,
 Donner, welche sie begleiten,
 Wie zermalmend das Gebein;
 
 Finsterniß der ganze Himmel
 Und der Sturm im weiten Wald,
 Daß im grausigen Getümmel
 Alles dröhnend, zitternd hallt.
 
 Alles, scheint es, hat verbündet
 Sich mit des Gewissens Drang,
 Daß es ihnen laut verkündet,
 Drohend, Aller Untergang.
 
 "Es ist meiner Mutter Jammern,
 Es ist meines Vaters Fluch,
 Die so eisig mich umklammern,
 Daß umsonst ich Hülfe such'! -
 
 Hört der Himmel auf zu stürmen,
 Öffnet weit die Erde sich,
 Wird sich Well' auf Welle thürmen,
 Und verschlingt der Abgrund mich!"
 
 Ruft sie bleich und voll Entsetzen
 Und entflieht aus seinem Arm.
 "Dich! dich darf kein Blitz verletzen,
 Dir, dir bringt kein Wetter Harm!
 
 Mir nur folgen diese Blitze,
 Mich umzüngeln sie mit Wuth;
 Bis es seinen Raub besitze,
 Sturmes Toben nimmer ruht;
 
 Ich will ihm die Stirne bieten,
 Und der Blitz, er treffe mich!
 Ihr! ihr Andern zieht in Frieden,
 Keiner, Keiner weigre sich!
 
 Keiner wag' es mir zu nahen,
 Mischend sich in mein Geschick;
 Blitz will mich allein umfahen,
 Weichet All' vor mir zurück!"
 
 Und sie springt auf einen Felsen
 Wie die Gemse leicht und schnell!
 Rund um sie sich Donner wälzen
 Und die Blitze zucken hell!
 
 Wie gebannt von innerm Beben,
 Festgezaubert an den Grund,
 Wagt sich Keiner zu erheben,
 Rings gibt sich Entsetzen kund:
 
 Rathlos sitzen sie am Boden,
 Schauen stumm zum Fels empor,
 Wo sich die Gestalt in rothen
 Blitzesflammen ganz verlor.
 
 Da erschallt des Hüfthorns Rufen,
 Da erschallt der Hörner Klang
 Und Gestampf von Rossehufen
 Dröhnt den dichten Wald entlang.
 
 Aus dem Dunkel blitzen Speere,
 Helme werden sichtbar jetzt,
 Und von einem ganzen Heere
 Scheinet rings der Wald besetzt.
 
 Und als nun die scharfen Blicke
 Beider Gegner sich erkannt,
 Sind in einem Augenblicke
 Sie von Zorneswuth entbrannt.
 
 Auf vom Boden springt der Ritter,
 Greift nach seinen Waffen schnell,
 Doch das rollende Gewitter
 Kracht dazwischen, furchtbar grell.
 
 Und das Schwert entfällt den Händen,
 Kraftlos sinken sie und matt -
 Als ob sie's am Schlag empfänden,
 Was er jetzt vernichtet hat.
 
 Und auch in der Feinde Glieder
 Fällt es wie zermalmend ein,
 Alles streckt die Waffen nieder
 Bei dem wilden Feuerschein.
 
 Wie ein Gluthmeer hat sie Alle
 Rings das Wetter eingehüllt,
 Und wie vom Posaunenschalle
 Sind vom Donner sie umbrüllt.
 
 Und der Führer jener Scharen
 Richtet höher sich empor,
 Blosen Haupts, in greisen Haaren,
 Tritt gebietend er hervor.
 
 Gram liegt in den düstern Zügen,
 Tiefer Schmerz in seinem Blick;
 Um die bleichen Wangen fliegen
 Geister, schwarz wie sein Geschick.
 
 Und er nahet sich dem Ritter,
 Schaut ihm fest ins Angesicht,
 Um die Lippen zucket bitter,
 Schwer das Wort, bevor er's spricht.
 
 Und Der weichet dieses alten
 Helden würdiger Gestalt,
 Dieser Stirne dräu'nden Falten,
 Dieses Blickes Allgewalt.
 
 Aller Muth ist ihm gestorben,
 Alle Kampflust ist versiegt.
 "Du! du hast den Sieg erworben,
 Ehe du mich noch bekriegt!"
 
 Ruft er aus und senkt die Waffen,
 Reicht sein Schwert dem alten Mann:
 "O! ich kann mich nicht entraffen
 Deines Vaterfluches Bann!
 
 Deiner Macht bin ich verfallen,
 Habe dir dein Kind geraubt!
 Häufe du nun nach Gefallen
 Alle Strafe auf mein Haupt!
 
 Jeder Kampf, er ist geendet
 Und gebrochen meine Kraft,
 Tod hat einen Pfeil gesendet,
 Der sie mir hinweggerafft!
 
 Dort auf jenen Felsenhöhen
 Liegt dein Kind zermalmt vom Blitz!
 Dort laß meinen Kerker stehen,
 Dort ist der Verzweiflung Sitz!
 
 O! die Feindschaft unsrer Ahnen,
 Unsrer Väter bittrer Haß
 Mußten sie umsonst mich mahnen,
 Dräuend ohne Unterlaß!
 
 Mußt' ich meine Schritte lenken
 Heimlich auf dein Felsenschloß,
 Mir den Pfeil in's Herz zu senken,
 Der aus ihren Blicken schoß!
 
 Mußte mich die Liebe blenden
 Und der Haß berathen mich,
 So von dir dein Kind zu wenden,
 Daß es gern verlassen dich!
 
 Daß es freudig mit gegangen
 In ein fremdes, fernes Land,
 Und von meinem Arm umfangen
 Überall sich heimisch fand."
 
 "Still! der Himmel hat gerichtet,
 Zwischen mir und zwischen dir,
 Jeder Streit, er ist geschlichtet
 Und begraben sei er hier.
 
 Was hätt' ich auch noch zu streiten,
 Wenn der Tod mein Kind geraubt?
 Häuftest du auch alle Leiden
 Auf mein gramgebeugtes Haupt,
 
 Kinderlos steh' ich, verlassen,
 Meine Kräfte sind versiegt.
 Lasset mich den Ort umfassen,
 Wo mein Kind begraben liegt!
 
 Schwindelnd dreht vor meinen Blicken
 Ringsumher die Erde sich,
 Lasset mich mein Kind erblicken,
 Eh' das Leben mir entwich!"
 
 Ruft der Greis und klammert bebend
 Sich am nahen Felsen an,
 Und auf ihre Schild' ihn hebend,
 Klimmen sie mit ihm hinan.
 
 Und auf höchster Felsenspitze
 Liegt vernichtet die Gestalt;
 Halb verzehret von dem Blitze,
 Ruht sie leblos, starr und kalt.
 
 Dort nun setzen sie ihn nieder,
 Und von stummem Schmerz erfaßt,
 Rollen Thränen ihm hernieder,
 Zu erleichtern seine Last.
 
 Er umschlingt die theure Leiche,
 Preßt sie fest, bewegt an sich,
 Und das fahle, wehmuthsreiche
 Antlitz bleicht sich schauerlich!
 
 Immer tiefer sind die Schatten -
 Immer tiefer beuget er
 Sich zur Leiche - es ermatten
 Seine Kräfte mehr und mehr,
 
 Bis nun ganz und gar versieget
 Ihm der Born des Lebens ist
 Und dem Tod der Schmerz erlieget,
 Der an seinem Innern frißt.
 
 
 III.
 Der Andre steht 
      vernichtet -
 Stirbt einen schlimmern Tod,
 Hat auf die Welt verzichtet -
 Ist für das Leben todt!
 
 Er schauet auf die Leichen
 Mit starrem Angesicht
 Und einem dumpfen Schweigen,
 Das mehr als Worte spricht.
 
 Und auf derselben Stelle
 Baut er ein Kloster auf,
 Und schließt in düstrer Zelle
 Den düstern Lebenslauf.
 
 Und graue Trümmer ragen
 Noch heute dort empor
 Und flüstern trübe Sagen
 In jedes Wandrers Ohr.
      (S. 135-145)
 _____
 
 
 
 Die Braut von Genua
 
 I.
 Schön, im 
      allerschönsten Garten, schön von Blumen rings umgeben,
 Saß die Schönste aller Schönen. - Ihre Reize zu erheben,
 Neigten alle diese Blumen ihre bunten Häupter ihr,
 Und in ihrem Glanz erbleichte dieser glüh'nden Farben Zier.
 
 Träumend senkte sie das Köpfchen; tiefes Sinnen in den Blicken
 Schien sie gänzlich eingelullet in ein himmlisches Entzücken,
 Schien sich selber zu gefallen, wiegte sich im stillen Glück;
 Strahlend glänzt im Wiederscheine es in ihrem hellen Blick.
 
 Denket ihres angelobten, ihres heißgeliebten Gatten.
 Sehnlich ist er hier erwartet, unter dieser Laube Schatten.
 Und sie denkt schon all des Süßen, was sie ihm zu sagen hat,
 Und die liebenden Gedanken sind des Plauderns nimmer satt.
 
 
 II.
 Und nun sieht sie ihn 
      von Weitem, wie er ihr entgegenspringt,
 Doch nicht Sehnsucht! nur Entsetzen - ist es, was ihn heute bringt!
 Er kommt mit entstellten Zügen, und er kommt - befleckt mit Blut
 Und in seinen Blicken liegen Todesangst und Todesmuth!
 
 Rauchend hat den blosen Degen er vom Mord noch in der Hand.
 So, so fliegt er ihr entgegen! - und sie hält der Schreck gebannt.
 "Komme, Lebewohl zu sagen! Lebe wohl, für immer wohl!
 Hab den Bruder dir erschlagen!" - ruft er dumpf und grabeshohl!
 
 
 III.
 Und die Krone aller 
      Frauen, sie, der Stolz von Genua,
 Saß mit den erstarrten Zügen wie ein Marmorbild jetzt da,
 Ihre Arme ausgestrecket ihrem Bräutigam entgegen;
 Um die Züge noch das Lächeln, saß sie leblos ohne Regen.
 
 Schreck hat plötzlich sie ergriffen und in Todes Arm gelegt,
 Ehe sie es ganz erfasset, was ihr so das Herz bewegt.
 Nur mit einem leisen Schlage er sie mitleidsvoll berührte,
 Eh' der Sturm noch ausgebrochen, er in's sichre Land sie führte.
 
 Von des Hasses frost'gem Hauche noch die Blüthe unberührt -
 Nur von Lust und Scherz umspielet, hat sie kaum den Tod gespürt:
 Aus den Stürmen so errettet, die ob ihrem Haupte hingen
 Und in deren wildem Toben Alle ihres Stamm's vergingen!
      (S. 150-152)
 _____
 
 
 
 Zwei Bräutigame
 
 "Herr König, lieber Vater mein!
 Wenn morgen soll meine Hochzeit sein,
 Wo ist denn wohl der Ritter werth,
 Der mich zu seinem Spons begehrt?"
 
 "Er kömmt daher mit vielem Troß
 Und reitet auf einem weißen Roß,
 Drum wende die Zeit auf Putz und Zier,
 Noch heute wird er erscheinen hier!"
 
 Und stattlich geziert im schönsten Kleid
 Steigt auf den Söller die schöne Maid,
 Da sieht sie ihn kommen, da reitet heran
 Der, den sie als Bräutigam soll umfah'n.
 
 Und freudig klopft höher und höher die Brust:
 Der Ritter, den sie sich zu lieben bewußt,
 Der Einzige, der vor den Sinnen ihr schwebt,
 Er ist's, der sich grüßend im Sattel erhebt!
 
 "O Ritter, geliebtester Ritter mein,
 Soll ich dein glückliches Eh'gemahl sein?"
 So fliegt sie vom Söller und eilet an's Thor
 Und schauet begrüßend zu ihm schon empor.
 
 "Mein Liebster, wie kommst du in Eisen ganz
 Zu Hochzeitsschmaus und zu Fackeltanz?
 Du hast mich ja zu erobern nicht Noth,
 Mein Vater dich selbst mir zum Bräutigam bot!"
 
 Er höret mit lächelnden Mienen sie an
 Und winket den Mannen, nicht weiter zu nah'n -
 Und beugt sich herunter - und hebt sie aufs Roß
 Und eilet gestreckten Galopp's aus dem Schloß.
 
 Und als nun der wirkliche Bräutigam
 Endlich am folgenden Morgen kam -
 Da waren im Schlosse der schönen Braut
 Nur Waffengeklirr und Toben laut;
 
 Und in der Halle lag Schwerdt und Schild
 Für Jeden, der wieder zu fahn sie gewillt:
 Denn lächelnd trug dem Fürstensohn
 Der kecke Ritter die Braut davon.
      (S. 164-165)
 _____
 
 
 
 Orpheus
 
 "Glücklich, wer nach langen Stürmen
 Einen schönen Hafen grüßt!
 Glücklich, wem nach bangen Kämpfen
 Liebe hold die Ruh' versüßt!
 
 Glücklich wenn ein liebend Mädchen
 Schüchtern ihm entgegensieht,
 Und zum erstenmal erröthend
 Ihn in ihre Arme zieht -
 
 Wenn mit sehnendem Erwarten
 Ihn ein treues Weib empfängt;
 Und die holde Schar der Kinder
 Liebend in den Arm sich drängt -
 
 Wenn im stillen Heimaththale
 Ihm noch eine Mutter lebt
 Und sie, liebend ihn umfangend,
 Ihre Hand in seiner bebt -
 
 Wenn der Willkomm der Geschwister
 Ihm von fern entgegenwinkt,
 Und er dann, vor Freude weinend,
 In des Vaters Arme sinkt,
 
 Wenn des Freundes kräft'ge Rechte
 Ihm den treuen Handschlag gibt:
 Dann vergißt er das Vergang'ne,
 Alles - denn er ist geliebt!
 
 Ich nur kann nicht so erwarmen,
 Mir nur fiel dies Glück nicht zu;
 Einsam und mit Grabesstille
 Nur umschauert mich die Ruh'!
 
 Einer Flamme falber Schimmer
 Ist's, was mir entgegenblickt,
 Und mit fürchterlichem Gruße
 Mir das Herz zusammendrückt!
 
 In den weiten Räumen allen
 Ist nur noch die Trauer wach -
 Und die Echo ringsum hallen
 Nur noch meine Seufzer nach:
 
 Könnt' ich dich zurückbeschwören
 Aus des Orkus finstrer Nacht,
 Theures Weib! wirst durch mein Klagen
 Du denn nicht zurückgebracht!"
 
 Singet Orpheus; Feuerleuchten
 Blitzt durch seine Züge hin -
 Es entströmen seiner Leier
 Rauschend kühne Melodie'n.
 
 Hastig rafft er sich zusammen,
 Küßt die Urne noch einmal
 Und verläßt mit schnellen Schritten
 Dieses theure Todtenmal.
 
 "Will, geliebtes Weib, nicht klagen,
 Aus dem Orkus hol' ich dich!
 Meine Lieder sollen tragen
 Über den Kozytus mich;
 
 Und vielleicht vermag mein Flehen,
 Daß der Gott der Schattenwelt
 Dich dahin zurück läßt gehen,
 Wo Titan die Nacht erhellt!"
 
 Ruft er muthig; Zauberklänge
 Wehen durch die Lüfte hin,
 Wundervoll erklingt die Leier -
 Ihre Töne tragen ihn -
 
 Ziehen aus der Felsen Klüften
 Wo der scheue Wilde lebt,
 Alle bei, um ihn zu hören,
 Wenn er leicht vorüberschwebt.
 
 Und der Wüste Ungeheuer
 Schleichen ihrem Halle nach,
 Felsen rütteln sie und Bäume
 Aus der ew'gen Ruhe wach!
 
 Unaufhaltsam geht er weiter
 Und erreicht den finstren Ort,
 Wo der Styx sich ewig wälzet
 Zwischen Tod und Leben fort.
 
 Doch es wehen seine Klänge
 Charon's Herz bewegend an
 Und der finstre Mann nimmt willig
 Ihn in seinen morschen Kahn.
 
 Dort am andern Ufer treten
 Schatten ihm entgegen schon,
 Führen gern den schönen Sänger
 Zu des strengen Gottes Thron.
 
 Diesem lagern Zornesfalten
 Schreckend auf die Stirne sich,
 Daß der freche Sohn der Erde
 Bis zu seinem Throne schlich!
 
 Doch der Sänger neigt sich bittend
 Vor dem hohen Herrscherpaar,
 Legt in rührenden Gesängen
 Ihnen sein Begehren dar;
 
 Und in schmelzenden Accorden
 Wendet er zur Göttin sich,
 Fleht, daß Ceres strenge Tochter
 Seufzend seinem Flehen wich.
 
 Bittend schaut sie auf den Gatten
 Und der spricht: "Du seist erhört,
 Doch nur unter der Bedingung
 Sei die Bitte dir gewährt:
 
 Gehe, ohne umzuschauen,
 Gehe eiligst jetzt zurück,
 Gehe, und sie wird dir folgen;
 Aber wendet sich dein Blick,
 
 Könnt ihr meinem Wort nicht glauben
 Und beschleicht die Neugier euch;
 Fällt zurück sie, ohn' Erbarmen,
 In mein ew'ges Schattenreich!"
 
 "Feierlich versprech' ich dieses!"
 Ruft der Sänger hocherfreut,
 Macht sich eilig auf, zu folgen
 Dem, was Pluto ihm gebeut.
 
 Mühsam kämpfend geht er weiter;
 Und der Styx ist schon erreicht,
 Als der Zweifel: ob sie folge?
 Immer stärker ihn beschleicht.
 
 Eh' er in den Nachen steiget,
 Wendet schnell er seinen Blick;
 Sieht die Gattin, die ihm folgte -
 Sinken - in die Nacht zurück.
 
 Und mit gräßlichen Geberden
 Reißt ihn Charon in den Kahn,
 Setzet ihn, betäubt von Schmerzen,
 Dort am andern Ufer an.
      (S. 168-173)
 _____
 
 
 
 Das Mädchen am Berge
 
 Ein Mädchen sitzt am Berge,
 Und schaut ins Land hin weit;
 In ihren jungen Jahren
 Hat sie schon viel erfahren,
 Und ist voll Traurigkeit.
 
 Es zog ihr Vielgeliebter
 Am Wanderstab hinaus,
 Fort, in die Welt, die weite,
 Fort unter fremde Leute,
 Und kömmt nicht mehr nach Haus.
 
 Und nun sind es zwei Jahre,
 Daß er von dannen ging;
 Zwei Jahre sind vorüber,
 Seit trüb und immer trüber
 Das Leben sie umfing!
 
 Und groß und immer größer
 Wird ihrer Sehnsucht Schmerz,
 Und wild und immer wilder
 Umklammern Schreckensbilder
 Ihr angstgequältes Herz!
 
 Und nimmer kann sie ruhen,
 Es läßt sie nicht zu Haus,
 Des höchsten Berges Spitze
 Wählt sie zu ihrem Sitze,
 Und schaut ins Land hinaus!
 
 Und schauet in die Ferne,
 Bis spät die Sonne sinkt,
 Ob von den vielen Wegen
 Nicht einer ihr entgegen
 Den Heißgeliebten bringt?
 
 O! sitze nur am Berge
 Und schau' dich weinend um!
 Es Niemand dir verarge,
 Denn es liegt ja im Sarge
 Dein Liebster - kalt und stumm;
 
 Was deine ganze Seele
 So ängstlich dir bewegt,
 Es ist ein düstres Mahnen -
 Es ist ein Todes Ahnen,
 Das sich ans Herz dir legt.
 
 Es ist das letzte Grüßen,
 Das dir dein Jüngling bringt;
 Mit dem, vom Tod durchzücket,
 Er an die Brust dich drücket,
 Eh' er zusammensinkt.
 
 Drum weile nur da Oben,
 Du armes Mädchen du!
 Auf diesen stillen Höhen
 Wird dich sein Geist umwehen,
 Da lächelt er dir zu.
      (S. 185-187)
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 Die Ruine
 
 Zwei kleine Hüttchen sind zu sehen
 Ringsum im weiten Land,
 Daneben noch die Trümmer stehen
 Von einem großen Brand.
 
 Die Trümmer sind so lebensleer,
 Und drinnen wohnt der Graus,
 Ein einzig Weib sitzt wahnsinnschwer
 Vor dem verfallnen Haus.
 
 Es spielt der Wind mit ihrem Haar,
 Das wehend er durchflicht,
 Die Sonne scheinet mild und klar
 In ihr verstört Gesicht.
 
 Da drin war einst ein großes Fest,
 Und sie, sie war die Braut,
 Und nimmer sie den Treuen läßt,
 Dem sie sich angetraut.
 
 Und diesen Ort verläßt sie nie,
 Wo seine Asche ruht!
 Der Bräutigam, er starb für sie!
 Und starb in Feuergluth!
 
 Denn mitten unter frohem Tanz
 Und bei des Festes Braus,
 Da brach ein wilder Feuerglanz
 An allen Orten aus!
 
 Die Gäste sind gerettet schon,
 Vermißt wird nur die Braut,
 Und durch die Flammen schrillt ein Ton,
 Wie Schmerzes Jammerlaut!
 
 Da brach sich durch das Feuer Er
 Und durch die Trümmer Bahn
 Und stürzt sich in der Flammen Meer,
 Die leckend ihn umfah'n.
 
 Und fliegend trägt er sie heraus -
 Gerettet liegt sie hier -
 Und haucht den letzten Athem aus,
 Liegt todt zur Seite ihr.
 
 Seitdem ist's hier so lebensleer,
 Seitdem wohnt hier der Graus,
 Seitdem sitzt sie, so wahnsinnschwer,
 Vor dem verfallnen Haus.
      (S. 188-189)
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 Die Windsbraut
 
 "O! Herr, wie ist die Luft so schwül!
 Das Reiten wird mir fast zu viel.
 Nun reiten wir zehn Tage fort,
 Du sagst vom Halten noch kein Wort!"
 
 "Und wenn ich noch zehn Tage reit',
 Bin ich vom Ziele doch sehr weit,
 Der Weg geht noch durch manchen Schlund
 Bis hin zur stolzen Fredegund!"
 
 "Zu Fredegund', im Sachsenland?
 Der Weg, der ist mir wohl bekannt;
 Zu ihr der holden Fürstenmaid,
 O da! da ist's ja nimmer weit!"
 
 "Ja, jenes stolze Fürstenschloß
 Und jener reiche Dienertroß,
 Wie der doch meinen Knappen zieht,
 Daß er den rechten Weg nicht sieht!"
 
 "Ich sehe wohl, wir sind im Wald,
 Gerad' die Mitte ist jetzt bald,
 Und um die Zeit ist's Mitternacht,
 Wo nur die Eule mit uns wacht!"
 
 "Gar richtig weißt du wohl den Pfad
 Für den, der ihn zu reiten hat,
 Doch wir geh'n nicht zu Tanz und Schmaus;
 Der Hochzeitreigen, der ist aus!
 
 Die holde Maid, das Fürstenkind,
 Ist treulos, wie sie Alle sind,
 Mir zu entfliehen, stieg in's Grab
 Mit einem Andern sie hinab,
 
 Auf daß ich meinen Hochzeitkuß
 Mir in der Hölle holen muß!
 Dies schwör' ich dir, du holde Braut,
 Das Brautbett sei vom Sturm gebaut! -"
 
 So ruft der Ritter knirschend aus
 (Den Knappen überfällt's mit Graus)
 Und schlägt ein Hohngelächter auf
 Und spornt sein Pferd zu wildrem Lauf.
 
 Und Feuer sprüht des Rosses Huf,
 Nachtvögel schreckt sein wilder Ruf,
 Sie flattern krächzend her und hin,
 Bis kreisend sie das Pferd umzieh'n,
 
 Das wild am Boden stampft, sich bäumt,
 Die Mähnen schüttelt, wiehert, schäumt,
 Bald rückwärts geht, bald aufwärts fast,
 Um abzuschütteln seine Last!
 
 Und immer schwärzer wird die Nacht
 Und durch des Waldes Bäume kracht
 Nur gräßlich laut des Sturmes Braus,
 Es hebt sie aus den Wurzeln aus.
 
 Und furchtbar aus der Wolken Schoos
 Reißt Blitz auf Blitz sich zuckend los,
 Und knarrend Donner, Schlag auf Schlag,
 Folgt seinem Feuerzucken nach,
 
 Und rings die weite Erde dröhnt,
 So schweren Sturmes ungewöhnt!
 Dem Knappen wird es ängstlich schwer -
 Der Ritter lenkt sein Pferd nicht mehr,
 
 Das wild und immer wilder jetzt
 Scheu über Stock und Steine setzt,
 Fort durch Gestrüpp und Wildniß hin
 Sieht er's mit seinem Reiter flieh'n.
 
 Bekämpfend jedes Ungemach,
 Dringt er, wohl mühsam, ihnen nach,
 Und sieht bei einem Wetterstrahl
 Jetzt endlich, daß der Ritter fahl
 
 Und todt! auf seinem Pferde liegt,
 Das unaufhaltsam weiter fliegt,
 Und doch von seinem Sattelkopf
 Grinzt schrecklich hohl ein Todtenkopf!
      (S. 202-205)
 _____
 
 
 Aus: Gedichte von 
      Margaretha Adelmann
 Leipzig F. A. Brockhaus 1844
 
 
 
      
      Biographie:
 
 Margaretha Adelmann
 (3. November 1811, Würzburg – 12. Dezember 1887*, Würzburg)
 
 Margaretha Adelmann war eine deutsche Dichterin.
 
 Im 8. Jahre verlor sie ihren Vater und wurde von ihrer Mutter 
      ausgezeichnet erzogen. Sie blieb unverheiratet. Daß sie viel Trauriges und 
      Bitteres erfahren, davon sprechen ihre Gedichte wie ihre Briefe rührend 
      genug. 1844 erschienen ihre Gedichte bei F. A. Brockhaus. Spurlos gingen 
      sie an dem Publikum vorbei und resigniert zog die Dichterin sie zurück. 
      Ebenso wirkungslos blieb ein Bändchen Gedichte aus dem Jahre 1864. 
      Vergebens machten Alexander Jung und Karl Schrattenthal auf sie 
      aufmerksam; sie blieb unbekannt wie bisher. Da wollte letzterer ihr durch 
      eine zweite Auflage ihrer Gedichte ihren Lebensabend verschönen, aber ehe 
      es ihm gelang, einen Verleger zu finden, starb sie im Alter von 76 Jahren 
      am 12. Dezember 1887.
 
 * Nach Lexikon 
      deutscher Frauen der Feder von Sophie Pataky am 12. November 1887)
 
 Aus: Die 
      Gesellschaft, Monatschrift für Litteratur und Kunst, herausgegeben von 
      Michael Georg Conrad und Karl Bleibtreu, Jahrgang 1889 Viertes Quartal, 
      Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig, S. 1661.
 
 
 
 
 
 
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