Sophie Albrecht (1757-1840) - Liebesgedichte

Sophie Albrecht

 

Sophie Albrecht
(1757-1840)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

Als ich ihm die ersten Blumen schickte

Abgeschieden jeder süßen Freude,
Die mir sonst das kleinste Blümchen gab,
Sah' ich die Natur im Sterbekleide,
Wünschend mich mit ihr in's stille Grab. -

Doch du kamst, und deiner Liebe Feuer
Weckte wieder meines Busens Schlag;
Schnell zerfloß der düstre Trauer-Schleier,
Der um mich auf Welt und Blumen lag.

Dir nur dank ich's, daß mir wieder Freude
Glänzt vom Throne der Natur herab.
Nimm dafür das erste Brautgeschmeide,
Das der Frühling meinen Fluren gab.
(S. 68)

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In die Ferne

Ahne nichts von meinen bangen Leiden,
Laß mir nur den Schmerz;
Träume von des Wiedersehens Freuden,
Fröhlich poch' dein Herz.
Leis' und ruhig küsse dich der Schlummer,
Wie der West die Flur;
Ach, der Liebe unruhvoller Kummer
Ist für Frauen nur.
(S. 124)
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Der letzte Abend im Vaterlande
Im August 1780

Allein wall' ich am dämmernden Gestade
Und sehe mit thränendem Blick
Das letzte Roth am westlichen Himmel weilen.

Weh' mir! Schon sinkt sie herab
Die fürchterlichste der Nächte.
Ach! sie kommt bräutlich geschmückt,
Wie sonst an Festen der Liebe.
Die Falsche! – sie reicht mir mit heiterm Blick
Den tödtlichen Kelch.

Jedes Elend schweigt in ihrer Gegenwart;
Ringsum herrscht Ruhe -
Nur meine Klage bebt lauter
Durch die stillen Gefilde.

Wo bist du, der da schwur
Mich nicht zu lassen? -
Wer konnte mich aus deinen Armen reißen? -
Schwurst du nicht: Deine Liebe sei stark! -

Wo bist du?
Warum wein' ich ungetheiltes Elend? -
Schläfst du, mein Jüngling? -
Hebt deinen Busen nicht
Schwere Ahnung vom Abschied? -
Glüht mein Name nicht stärker in deiner Seele,
Da ich diese heißen Thränen weine? -

Wach auf! wach auf vom Schlummer,
Und höre den bangen Abschied
Deines scheidenden Mädchens.

Hörst du das frohe Getümmel der Schiffer
Durch die Stille der Nacht? -
Horch! – die frohen Töne
Kündigen uns schreckliche Trennung.
Der Wind vom Ufer
Blähet die weißen Segel,
Und die flatternden Wimpel
Wehen zum Abschied.

Ach! das heuchlerische Meer
Verhüllt seine Tücken
Im Gewand des Himmels, -
Und ihre wüthenden Kinder
Hat die Betrügerin
Süß lispeln gelehrt,
Wie deine Liebe. -

Der Sturm schläft in seiner Höhle,
Nur der West küßt die Wellen,
Sanft, wie er sich sonst
Auf unsrer Laube wiegte.

Man ruft: Lebe wohl! -
Lebe wohl! -
Ich schwanke den letzten Schritt
Am väterlichen Ufer.

Lebe wohl! -
Welt und Himmel schwinden
Meinem Blick.
Nur dein Bild umschwebt mich noch,
Wie der Odem Gottes.

Er sank auf dem Purpurflügel
Dahin, der letzte frohe Tag, -
Und vom heimathlichen Hügel
Sah ich ihn mit Thränen nach. -
Meer, zerreiß die Himmelshülle!
Sturm, verscheuch die sanfte Stille!
Reißt mich in des Abgrunds Fluthen,
Wo des Lebens Hoffnung flieht:
Nimmer wird sein Bild verbluten,
Das in meiner Seele glüht! –
(S. 30-33)
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An den Mond, als er am Tage schien
Im Mai 1781

Blicke nicht so bleich und traurig,
Wie auf eines Lieblings Grab,
Bald ja kommt so süß und schaurig
Deine Freundin, Nacht herab.
Lächelnd blickst aus Sternen-Höhen,
Freundlich du dann zu uns her,
Spiegelst dich in Silber-Seen
Und im blauen, stillen Meer.

Stark in deiner Silberhülle,
Hebt sich was am Mittag sank,
Und dir wird in reicher Fülle
Guter Erdensöhne Dank.
Frischer grünt die hohe Linde,
Lauter rauscht der Wasserfall,
Kühler weh'n die Sommer-Winde,
Schöner blüht das Veilchen-Thal.

Und was mehr als Baum und Blühen,
Mehr als Bach und Quelle ist,
Stille Liebe siehst du glühen,
Wo nur du der Zeuge bist. -
Sendest aus entlegner Sphäre
Hoffnung, wen nicht Liebe eint,
Schwimmest in der goldnen Zähre,
Die beglückte Liebe weint.
(S. 40-41)
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Verzweiflung unterm Monde

Da schwimmt er lachend ruhig durch die Sterne,
Der stille Mond auf seiner Wolkenbahn,
Hüpft über Gräber, schleicht durch Blüthen-Lauben,
Sieht Freuden ruhig den Zerstörer nah'n.

Ha, dich! dich konnt' ich einst als Zeugen ehren,
Da mir die Freude heil'ge Treue schwur?
Dich, Heuchler! konnt' ich zum Vertrauten wählen
Vor allen Wesen rings in der Natur?

Als er und ich in süßer Herzensfülle
Ein Bündniß küßten für die Ewigkeit;
Dir schenkten wir den Blick in jene Scene
Und nannten sie: von deinem Strahl geweiht! -

Wollüstig schwammst du in der heißen Stunde,
Wie sie dein Blick Jahrhunderte nicht sah;
Wie rein, wie voll, wie näher dieser Erde,
Wie mitempfindend, Heuchler, schienst du da!

Wir freuten uns des hohen Himmels-Zeugen,
Der nur für uns so freundlich niedersah,
Und küßten keuscher in der Strahlentrauung,
Und glaubten uns dem Himmel selber nah. -

Schon lange sahst du uns nicht mehr wie damals,
Schon manche Nacht sank mir von Thränen schwer,
Vereinsamt, nicht von seinem Arm umschlungen,
Wank' ich in diesem Blüthen-Thal umher. -

Ach, jede Stelle nennt gestorbne Freuden,
Und führt mir peinlich die Erinnrung vor;
Tieftraurend wein' ich in die kalte Asche
All' meines Reichthums, den ich hier verlor.

Kein Auge weint mit mir um meine Leiden,
Ich suchte Trost und Mitgefühl bei Dir;
Ha! Falscher! Kalt und ruhig blickst du nieder,
Kein Wölkchen trübt die freche Stirne Dir.

Du schwimmst so leicht in unsrer Trennungszähre,
Du scheinst so hell in meines Jammers Nacht,
Als wär' es unsers Wiedersehns Minute. -
Weg, frecher Mond, der meiner Leiden lacht. -

Verhülle dich in deine dicht'sten Schleier,
Die Täuschung flieht, ich seh dich wie du bist.
Ein kalter Erdball, wo, wie hier auf Erden,
Der Tugend Thräne, Blut der Unschuld fließt. -

Was meine Phantasie einst Lächeln nannte,
Sind kahle Berge, wo der Müde sinkt.
Dort ragen Scheiterhaufen, Rabensteine,
Wo man dem Fanatismus Opfer bringt.

Was ist der Stirn und Wange Silberglätte? -
Ein wildes Meer, wo Todesröcheln rauscht. -
Und deine Locken? – Schwarze tiefe Wälder,
Wo Schlang' und Tiger auf die Beute lauscht. -

Verläumdung, Bosheit, arg bethörte Liebe,
Und alle Qualen, die mein Herz empfand,
Schließt deine Gränze in gestohlne Strahlen,
Die ich Betrogne friedevoll genannt.

Vernichten will ich dir gesungne Lieder,
Kein Kranz, kein Blümchen schmücke den Altar,
Den thöricht wir dem kältsten Götzen bauten,
Der einst getäuschter Herzen Zeuge war.
(S. 90-93)
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Lied an ***
Im Juni 1782

Denke meiner in der Blüthenlaube,
Holder Jüngling, denke weit von mir:
Tiefem, bleichen Gram zum sichern Raube
Sehnt dein armes Mädchen sich nach dir.

Denke meiner, wenn im sanften Schimmer
Dich der Mond in unserm Hain entzückt,
Denke, daß er deinem Mädchen immer
Jetzt, getrennt von dir, nur Schwermuth blickt.

Traurig schlich ich durch die schönsten Scenen;
Wo Natur in voller Blüthe stand,
Lohnt' ihr Lächeln nur mit heißen Thränen,
Da ich dich nicht, den Geliebten fand.

Ach, umsonst hieß ich den Abend weilen
Und den Mond in blauen Wellen glühn.
Bis des Phöbos Rosse aufwärts eilen
Und das Meer ein Rosenbette schien

Saß ich traurig; - jene weite Fläche,
Die uns trennte, war mir schauerlich:
Wünschte mich an meine stillen Bäche,
Wo wir küßten – ach! – und grämte mich.

Oede wird mir jeder Tag entweichen,
Jede Nacht sinkt mir in Thränen hin;
Nie wird Friede dieses Herz erreichen,
Jüngling! da ich ferne von dir bin.

Doch die Hoffnung, die wie Frühlings-Wehen
Um mich säuselt, und den Glauben stützt,
Sagt mir: Gott läßt dich mich wiedersehen,
Er, der gern ja fromme Liebe schützt.
(S. 52-53)
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Am Abend am Ufer der Moldau
Im Juni 1788

Des Abendhimmels Röthe bleicht,
Im Grau der Dämmerung;
Der volle Mond am Felsen steigt,
Und schafft Begeisterung.

Und leiser küßt der laue West
Die junge Rosenflur,
In Thal und Hain ist stilles Fest
Der feiernden Natur.

Doch durch der Berge Ufer-Grün,
In feierlicher Pracht,
Rauscht ernst die stolze Moldau hin,
In der die Nixe lacht.

Schwimm' eilend her, du kleiner Kahn,
Fort aus dem Stadtgewühl,
Führ' mich von wilder Freude Wahn
Zum ruhigen Asyl.

Schwimm' zur vertrauten Insel hin,*
Wo ich im Lindenhain
So gern mit meiner Liebe bin;
Sie nur und ich allein.

Einst war das Plätzchen feste Stadt,
Was jetzt der Strom umfließt;
Und ein verfolgtes Pärchen hat
Dort manchen Tag geküßt.

Da riß es sich vom Ufer los,
Und floh im Sturm hieher;
In der verschwieg'nen Wellen Schooß
Lauscht kein Verräther mehr.

Dies sagte mir ein Genius,
Der am Gestade weilt,
Und mit der Hoffnung Zauberkuß
Der Trennung Wunden heilt.

Färbt blauer das Vergißmeinnicht,
Das rings am Ufer lacht,
Und pflegt, wo sich die Welle bricht,
Des Lindenhaines Pracht.

Und Ahndung von Verschwiegenheit
Schuf nach so manchem Jahr,
Dem frommen Nepomuck geweiht,
Hier Andacht und Altar.

Dem Märt'rer ihrer Herrlichkeit
Webt oft aus Sternenglanz,
Für Tugend jener alten Zeit,
Ihr Engel Palm und Kranz.

Und streut der Ruhe süßen Mohn
Ins heiße, wunde Herz,
Spricht von der Zukunft hohem Lohn
Für treuer Liebe Schmerz.

Doch still mein Lied – nun bin ich hier;
Willkommen, trauter Strand!
Horch! Baum und Blüthen lispeln mir
Den Namen – Ferdinand!
(S. 94-97)

* Klein-Venedig, Insel in der Moldau, mitten in Prag.
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Am Grabe eines Mädchens,
das sich selbst den Tod gab
Im Mai 1781

Du – von deinen Schwestern längst vergessen,
Schlummernde! der Keine Thränen gab,
Fremde Hand umpflanzet mit Zypressen,
Armes Mädchen! dir dein stilles Grab.

Mild umschattet von der Dämmrung Flügel,
Von des Halmes Grille nur gehört,
Rollen Thränen auf den niedern Hügel,
Den dir hartes Mitleid kaum gewährt.

Ist kein freundlich Zeichen dir geblieben?
Nicht ein Kreuzmal oder Leichenstein? -
War der ganze Lohn für treues Lieben,
Nur dies Grab im düstern Eichen-Hain? -

Ruhig, Herz! – auch hier schläfst du im Frieden,
Und ein Gott der Liebe ruft auch dich
Zu der Palme, wo, von Leid geschieden,
Treue Liebe währet ewiglich.
(S. 34)
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An Ferdinand
Im Mai 1788

Du liebest mich! -
Mir blüht die Rose wieder
In neu erwachter Gluth;
Froh tönen mir des Haines Lieder,
Mir braus't der Sturm, mir rauscht der Elbe Fluth:
Du liebest mich! -

Ich liebe dich! -
Mir lispelts durch die Bäume,
Mir rufts des Morgens Pracht,
Ich les' es in der Blüthen Keime,
In Dämmerung, in schwarzer Mitternacht:
Ich liebe dich! -

Du liebest mich! -
Der ganzen Schöpfung Fülle
Gehört uns beiden nur.
Des Lebens Puls, noch jüngst so stille,
Hüpft glühend durch die Adern der Natur:
Du liebest mich!

Ich liebe dich!
Von deinem Arm umschlungen,
Möcht ich unsterblich sein;
Von deiner Liebe Kuß durchdrungen,
Durchbebt es wonnig mein Gebein:
Ich liebe dich!

Du liebest mich!
Des Todes kalte Stunde
Schmilzt nicht des Herzens Gluth;
Die Flammen in der Seelen Bunde
Löscht nicht der Tod; - nicht Lethes düstre Fluth:
Du liebest mich!
(S. 105-106)
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Wie sich mancher rächt

Eine Doppelrose glühte
Einst auf offner Flur;
Schöner lachte, wo sie blühte,
Ringsum die Natur.

Einsam standen alle Rosen
Auf der ganzen Flur;
Diese Blüthe zu liebkosen
Wehte Zephyr nur.

Alle kamen, alle gingen
Fort mit süßem Geiz,
Und voll heißer Sehnsucht hingen
Sie an Röschens Reiz.

Doch zu ihrem Liebling wählte
Sie sich Einen nur,
Dem sie duftend sich vermählte,
Vor der ganzen Flur.

Neidisch waren alle Männer
Ueber ihre Wahl;
Neidisch waren kalte Kenner,
Rings umher im Thal.

Das erhob den stolzen Ritter;
Für sich ganz allein,
Schloß er hinter dichte Gitter,
Unser Röschen ein.

Oede waren alle Haine,
Sie, die Wald und Flur
Jüngst belebte, glüht' allein
Ihrem Ritter nur.

Oefter war's dem Röschen bitter,
Jung und schön zu sein,
Und das alles hinterm Gitter
In die Luft zu streu'n.

Bleicher wurden ihre Farben
In der Liebe Grab,
Und so manche Reize starben
Ihrem Busen ab.

"O, was kränkt dich, holde Rose?"
Rief der stolze Mann;
"Sage, was in meinem Schooße
Dir noch fehlen kann?" -

"Duften will ich dir alleine,
Dem ich mich geweiht;
Doch Bewunderung im Haine,
Und der Blumen Neid: -

"Laß mir den," sprach sie zum Ritter,
"Ach, zu jung, zu schön
Bin ich noch für dieses Gitter,
Laß die Flur mich sehn."

Doch dem Ritter hieß Verbrechen,
Was sein Röschen sprach.
Schwurs beim Himmel, sich zu rächen
Für erlebte Schmach.

War zu meiden sie beflissen,
Wählt' den Distelstrauch,
Hoffend, Niemand werd' ihn küssen,
Und so war es auch.
(S. 101-104)
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Trost

Es lebt ein Gott der Liebe -
Der Trost soll uns genügen!
(S. 122)
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Was ich am liebsten hätte

Gäbe mir der Reiche Millionen,
Oeffnete der Sultan seine Pforte,
Böte selbst der Kaiser seine Kronen,
Und der Weise seine schönsten Worte,
Könnt' ich für die stolzesten der Gaben,
Einen Kuß von deinen Lippen haben,
Ließ ich gerne Gold und Kaiser-Kronen,
Ließ die Türken in Serailen wohnen,
Und vergäße in der Lieb' Entzücken,
Hin nach Gold und Kaiserthron zu blicken.
(S. 131)
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Die gefeierte Mimin an den Freund

Glaube nicht, daß in dem bunten Schimmer,
Den die Welt jetzt um dein Mädchen webt,
Sie vergessen wird das stille Zimmer,
Wo ihr lieber Trauter einsam lebt. -

Ach! selbst in dem wilden Gaukelschwarme
Glänzt so manche Thräne, die dir fließt,
Wenn sie einsam mit der Liebe Harme
Klösterlich sich in sich selbst verschließt.

Dein gedenk' ich, wenn der Liebe Rollen
Wehmuth in der Mädchen Herzen spricht;
Und die Thränen, die mir Kenner zollen,
Sie sind dein, und meinem Spiele nicht.

Dich – nur dich seh' ich in allen Bildern,
Bist mir Ferdinand, Karl und Zamor;
Hör' in allen unsre Liebe schildern,
Und ihr Seufzen steigt zu dir empor.

Wohl ist mir's, wenn es so viele hören,
Wenn ich darf, vor Aller Angesicht,
Dir so glühend jene Liebe schwören,
Der sie horchen – und errathen's nicht.
(S. 128-129)
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An die Freiheit

Gold'ne Freiheit, kehre wieder
In mein wundes Herz zurück,
Weck' mir neue, heit're Lieder
Und entwölke Geist und Blick.

Komm und trockne meine Thränen
Mit der rosig-zarten Hand,
Stille meines Busens Sehnen,
Löse, was die Liebe band.

Liebe schafft Olympos-Freuden,
Und wer ehrte sie wie ich? -
Tiefer doch sind ihre Leiden,
Und allein sie trafen mich.

Ach! mit Jahren voller Qualen,
Mit des halben Lebens Glück
Mußt' ich ihre Wonne zahlen,
Flüchtig, wie ein Augenblick.

Ohne Freuden stieg der Morgen
Für mich arme Schwärmerin,
Und der Liebe bleiche Sorgen
Welkten meinen Frühling hin.

Wonne hat sie mir versprochen,
Treue war mein Gegenschwur,
Unsern Bund hat sie gebrochen,
Schmerz und Thränen gab sie nur. - -

Nimm für deine Palmenkrone
Was die Liebe mir verspricht,
Hier in dieser Männer-Zone
Grünt für mich die Myrte nicht.

Gold'ne Freiheit, kehre wieder,
Stimme meiner Harfe Ton;
Jubelt lauter, meine Lieder,
Ihr Umarmen fühl' ich schon! –
(S. 98-99)
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Wenn er es gewesen wäre

Hüllen gleich schon traurende Zypressen
Juliens Gruft – Romeo's Grabmahl ein;
Dennoch kann ich Julie nie vergessen,
Möchtest du doch mein Romeo sein!

War es mehr, als kalte Rolle spielen,
Was mir da durch Mark und Ader drang?
Als durchbebt von süßesten Gefühlen
Mir Romeo in die Arme sank? -

Warst du nicht vom Spiel nur hingerissen,
Als dein Auge feurig Liebe sprach,
Herzensliebe in den heißen Küssen,
Als ich glühend dir am Busen lag? -

O, so bist du's, bist du's, der mir fehlte,
Er, nach dem ich Erd' und Sterne frug,
Den sich Jahre lang mein Geist erwählte,
Dem mein Herz noch ungefunden schlug.
(S. 132)
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Nach Mitternacht
Im November 1784

Ich muß mich los aus deinen Armen winden;
Noch diesen Kuß, nun eile schnell von hier! -
Im Traume wirst du mich so glühend wiederfinden,
Und bis zum Morgen bleib' ich dann bei dir.
(S. 61)
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Als ich ihn wiederfand
Im October 1780

Ihr Fluren rings und Felder,
Gefilde, schatt'ge Wälder,
Wißt: er ist wieder mein!
Ihr Thäler, Berg' und Höhen,
Ihr Flüsse, Bäche, Seen,
Sollt All' Euch mit mir freu'n!

Blüht schöner, blum'ge Felder,
Grünt doppelt, schatt'ge Wälder,
Ertöne froher, Hain;
Blüh' röther, Rosenlaube,
Girr' zärtlicher, o Taube,
Denn er ist wieder mein! -

Streut eure Balsam-Düfte,
Ihr Veilchen, in die Lüfte,
Sing lauter, Nachtigall!
Weh't, Weste, leis're Küsse
Um Rose und Narcisse;
Rausch sanfter, Wasserfall!

Und dort in blauer Ferne,
Blickt freundlicher, ihr Sterne,
Auf den, der wieder mein! -
O! könnt ihrs ohne Neiden,
Kommt, feiert meine Freuden,
Ihr Engel! – er ist mein! –
(S. 23-24)
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Als er mir zur Verschwiegenheit rieth
Im Mai 1781

Immer laß die Welt es wissen,
Daß dich meine Seele liebt,
Und mein Mund dein glühend Küssen
Glühender noch wieder giebt.

Daß mein Busen stärker strebet,
Wenn mein Auge dich erblickt,
Deine Seele wonnig bebet,
Wenn mein Auge dich entzückt.

Daß ich dir im Arme liege,
Wenn der Stern der Liebe wacht,
Mich an deinem Busen schmiege
In der stillen Laube Nacht.

Holder, laß die Welt es wissen! -
Sei die Laube noch so dicht:
War bei unsern heißen Küssen
Gottes keuscher Engel nicht? - -

War nicht unser Geist erhoben,
Und umschwebt uns Ahnung nicht:
Daß wir lieben wie dort oben
Einst vor Gottes Angesicht?
(S. 42-43)
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An den Mond
Im August 1783

Kaum öffnet die Nacht ihre Hallen;
Purpurn weilt noch
Der Abschied des Abends an ihrer Schwelle;
Die Nachtigall
Beginnt ihr Lied noch nicht
Und das Käuzlein lauschet in seiner Höhle.

Was siehest du so verwundernd
In mein ödes Zimmer? -
Ueberschaue die Wege
Deiner glänzenden Gefährten
Und staune! -

Siehe! der hohe Sirius
Ist kaum am Hügel erwacht,
Und der Stern der Liebe
Glänzt noch in junger Schöne. -
Der Adler beschließt erst seinen Strahlenflug,
Und du wandelst die ersten Schritte
Auf der nächtlichen Bahn.

Dennoch – o Artemis,
Findest du mein Zimmer einsam! -
Er – o verbergt euch, ihr Sterne!
Und du Leuchtende! -
Er – der die Morgenröthe schalt,
Wenn sie unsren Küssen lauschte
In der nächtlichen Laube; -
Der noch wachte in glühender Liebe,
Wenn ihr eure Kammern schlosset: -

Er schläft schon! -
Er schläft -
Und die Nacht ringt noch
Mit der Dämmerung
Um euren Schleier.
Er schläft -
Und die Stille herrschet noch nicht.

Losgewunden
Vom Kummer der Liebe
Und ihrem belebenden Entzücken
Umschweben ihn Träume des Friedens
Und der stillen Ruhe,
Die so gern
Die Herzen der Unempfindlichen beglückt. -

Er schläft
Und denkt meiner nicht mehr
In seinen süßen Träumen.
Ach, meine Thränen
Stören seine Ruhe nicht. -

Mond! und ihr prangenden Sterne!
Geht in eure Kammern
Auf ewig.
Nacht! tritt auf immer
Aus deiner schwarzen Halle
Und du, Morgenröthe!
Lausche nie wieder
Den Küssen der Liebe.

Er schläft -
Und meine Thränen
Stören seine Ruhe nicht. - -
(S. 56-59)
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An Ihn
Bitte an Winde und Wellen

Kommt – o – kommt ihr lieben Winde,
Nehmt sein Schiffchen auf die Flügel,
Bringt es über Klippen, über Wellen-Hügel,
Schwellt die Segel – eilt geschwinde
Her an's Ufer, wo sein Liebchen weilt.

Wilde Wellen! werdet stille,
Rauschet wie der Liebe Sehnen,
Bringt ihm, krause Wellen, bringt ihm diese Thränen,
Zittert in der Abendhülle,
Lieblich seines blassen Mädchens Bild.

Schläft er schon mit Lerch' und Käfer? -
Beugt euch flacher hohe Wogen,
Wiegt ihm Schlummer – Mond! vom hohen Sternenbogen,
Blicke segnend meinem Schläfer
Träume unsrer goldnen Hoffnung zu.
(S. 142-143)
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Als ich ihn erwartete
Im Mai 1770

Matt erhellt von meiner Lampe Schimmer,
Sitz ich einsam hier im öden Zimmer
Und erwarte, dich! so sehnlich dich. -
Ringsum ist die Welt so schaurig stille,
Niemand wacht mehr als die kleine Grille
Und der Wächter, meine Uhr und ich.

Selbst der Mond mit seinem Silberscheine
Floh' hinweg und ließ mich ganz allein,
Schwarze Wolken hüll'n die Sterne ein.
Hier am Fenster lieg' ich, ach! und weine,
Und du läßt dein Mädchen so alleine
Der du schwurst, um Zwölfe hier zu sein!

Hörst du's? – durchs Geheul vom wilden Sturme
Tönet schon die Glocke Eins vom Turme,
Eins, o Gott! und noch bist du nicht hier! -
Ein Geräusch! – Ists nur im süßen Traume?
Oder kommts von unserm Blüthenbaume? -
Fort! – Er ist schon an der Gartenthür! - -
(S. 10-11)
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Mit einem Briefe

Mit der Liebe schnellem Flügel,
Ueber Berge, über Hügel,
Eile, theures Briefchen, hin,
Wo ich oft im Geiste bin.

Heiß und innig ihn zu fragen,
Ob der Inhalt meiner Klagen,
Ob die Thräne, die ihm fließt,
Heilig seinem Herzen ist.
(S. 156)
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Verständigung

O, nennt es nicht getäuscht, ihr Schwestern, Tugend -
Daß ich und er mit heißem Blick der Jugend
Nicht weiter gehn, als bis zum Feuerkuß;
Ihr habt in allen euren Wolluststunden
Nicht das, was wir in einem Kuß, empfunden,
Uns war er jeder Wollust Vollgenuß.
(S. 113)
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Namenlose Liebe

Schön ist der Lenz,
Wenn Thal und Hügel,
Wenn Wald und Haine blühn;
Und über meiner Bäche Spiegel
Nickt junger Weiden Grün.

Doch fühlt' ich's nicht,
Eh' ich die Liebe kannte,
Die mir im Herzen lag,
Die ohne Namen oft mein Seufzen nannte,
Am Frühlings-Auferstehungstag.
(S. 133)
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An den Geliebten
Im August 1781

Schrecklich wär's, wenn du mich verließest!
Deine Geliebte mit quälender Verachtung begegnetest, -
Dich los von meinem liebenden Herzen rissest,
Und mich mit der blutenden Wunde
Von dir stießest! -

Ach, ich würde im mütterlichen Thale
Verwais't umher wanken. -
Diese schöne Erde
Wäre mir die Wohnung des Elends.
Der Morgen brächte mir neue Thränen
Und in der nächtlichen Stille
Würde meine Klage lauter.

Doch bald würde meine Kraft ermatten,
Bald würde mir erscheinen
Das Siechthum – jene süße Dämmerung
Der ewigen Nacht.
Ihr düstrer Schleier
Hüllt mitleidig die schrecklichen Gegenstände
In lindernde Schatten;
Und ihre Begleiterin, die Hoffnung,
Lispelt der Sinkenden von Gefilden,
Die sie jenseits des Todes kennt,
Wo Liebende sich wieder finden.

Aber schrecklicher wär's,
Wenn sie entflohen wären,
Die Stunden des Seyns,
Süß durch Deine Liebe;
Und ich noch taumelte
In glühendem Entzücken an deiner Hand,
Durch die Fluren der Erde
Für mich in ihrem besten Schmuck. -

Wenn der Morgen mich weckte zur Wonne
Und der Abend mit goldnen Träumen mir sänke,
Und es fiele das letzte Stäubchen
Der Stunde des Lebens.

Er, der unempfindliche Tod,
Der keine Jugend schont,
Keine Liebe kennt,
Griffe mit kalter Hand
Nach dem klopfenden, bebenden Herzen;
Meine brechenden Augen
Wagten den letzten Blick
nach dir und der schönen Welt -
Und der schreckliche Gedanke,
Die schreckliche Ahnung
Einer ewigen Vernichtung
Umschlänge die zaudernde Seele.

Ich werde ihn nie wieder sehen,
Dieses Herz voll Liebe muß verwesen,
Die Erinnerung und die Hoffnung
Fliehen mit dem Leben!
Wer vermag die Schrecken des Augenblicks
Der Trennung ganz zu schildern? -

Doch der Tod reißt endlich
Das bangklopfende Herz
Aus der ächzenden Brust,
Und der Schweiß des Sterbenden
Löscht die Bilder seiner Angst.
Das Grab, wo keine Hoffnung wohnt,
Kennt keine Wünsche.
Wo keine Freude jauchzet,
Da schweiget der Schmerz.

Bitter ist der Kelch des Kummers
Am Grabe. -
Schrecklich der Tag des Scheidens
Ohne Hoffnung.
Aber entsetzlicher, wenn er schwände,
Der tiefe Schlaf im Grabe! -
Wenn die Verwesung nun
Das letzte Band von Erde
Der freien Seele lös'te.
Sie nun eilte zu Gefilden des Lichts
Durch die dämmernden Thäler des Erwachens,
Mit der unsterblichen Liebe für dich,
Im unverweslichen Herzen,
Mit heller Erinnerung
Der Seligkeiten in deinem Arm; -
Und – schaudernder Gedanke! -
Dich nicht fände! -
Jahrtausende dich suchte,
Wo Ewigkeit die Hoffnung verbannt;
Des Lebens müde
Von Sonne zu Sonne irrte,
Wo kein vergessendes Grab winkt.
Dann, im Schooß der Morgenröthe
Wünscht sie sich in die Nacht des Grabes,
Und im Schimmer der Sternen-Laube
Sehnt sie sich in den Arm der Verwesung.

Reiche mir, Schicksal, reiche mir
Den Kelch des Kummers am Grabe! -
Ereile mich, Stunde des Todes,
Ohne Hoffnung! -
Gott! Nur laß mich nicht erwachen ohne ihn,
Hülle den Blick in ewige Nacht
Der ihn nicht wiedersehen soll.
Zerstreut dieses Herz, ihr Winde -
Vernichte meine Seele, o Gott!
Wenn Trennung die Ewigkeit kennt.
(S. 47-51)
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Lied auf dem Friedhofe

Sei leiser hier, du meines Kummers Klage,
Und flüstre nur, was mich zu Gräbern beugt;
Verzeiht – verzeiht, ihr Todten, daß ich’s wage
Zu klagen, wo des Schmerzes Stimme schweigt.

Nichts kann der Gräber stolze Ruhe stören,
Der Friede wohnt im stillen Schattenreich;
D'rum will ich heilig eure Thäler ehren,
Denn wißt, mein Herzensfreund, wohnt unter euch.

Mein Freund, der wieder all' die süßen Bande,
Die längst die Welt von meinem Herzen riß,
Verknüpft, und mir im finstern Wechsellande
Elysiums ewig daurend Glück verhieß.

Die heiße Stirn gelehnt am kalten Steine,
Der meiner Trauer Hügel überdeckt;
Rinnt sanft, ihr Thränen! wie im Frühlingshaine
Der Morgen-Thau die junge Rose weckt.

Sie fließen nicht, dich Freien zu beklagen,
Der nicht im Kerker der Verwesung wohnt;
Dir jauchz' ich zu, dem nun nach schwülen Tagen,
Das kühle Weh'n der Himmelspalme lohnt.

Dort seh' ich dich den großen Morgen feiern,
Der nur an jenem Purpurufer tagt;
Wohin von dieses Lebens Ungeheuern,
Das Glück zu stören, kein's sich wagt.

Nur mir, der Nachgeblieb'nen, rinnt die Zähre,
Um mich Verlass'ne klagt dies Thränenlied;
Mir ist die Welt nur eine öde Leere,
Durch die der Wand'rer zu der Urne flieht.

Sie deckt mit dir auch alle bleiche Schrecken,
Die Gruft und Tod mir einstens schaudernd gab;
Es muß die Nacht den jungen Morgen wecken,
Du starbst – und Heimath wird mir Tod und Grab.

Umschlungen von der Hoffnung schönstem Lande
Späh' ich, ob bald der Kahn herüberschwimmt,
Der mich von der Verwesung düstr'rem Strande
Zu dir – zu dir, mein Freund, hinübernimmt.
(S. 107-109)
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An den Mond

Sei mir gegrüßt – du lieber Mond,
Auf deinen Sternenhöhen;
Sag' ihm, der mir im Herzen wohnt,
Wie du mich hier gesehen;
Daß ich bei deinem sanften Blick,
Mit einer heißen Thräne,
Mich nur in seinen Arm zurück,
Voll glüh'nder Liebe sehne.
(S. 123)
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Werth der Welt

Sie wär's nicht werth, so eine Welt, wie diese,
Daß man ihr auch nur eine Thräne weiht;
Die Welt, wo ich den Freund am Busen schließe,
Die Welt, wo Liebeskuß erfreut? -

Die Mutter sanfter Sympathie der Seelen,
Die Lebensfunken aus Verwesung treibt,
Die hier verlobt, was dort sich wird vermählen,
Die unsern Lehnsschein für den Himmel schreibt? -

Die schöne Welt! voll Melodie der Flöte,
Die Schlaf und Blumen um die Quelle streut;
Die Welt, voll Pracht in Mond und Abendröthe,
Womit sie Fürst und Bettler gleich erfreut? -

Die traute Welt, die ihre Schattenlauben,
Mir noch gewiß für jene Zukunft flicht;
Die Schöpferin von Edens Wunderglauben,
Verdiente unsre heiße Thräne nicht? -

O, schöne Welt, es soll mein Lied verehren,
Dich, unsres Bundes Vaterland,
Gern wein' ich dir noch tausend – tausend Zähren,
Wenn eine nur sein liebend Herz verstand.
(S. 114-115)
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Liebe

Süße Qual in meinem Herzen,
Die sein holder Name giebt,
Ruft mit tausendfachen Schmerzen:
Nie als jetzt hab' ich geliebt!

Dieses Klopfen, dieses Sehnen,
Ha! wem gilt der Flammenstreit?
Sind der Tugend diese Thränen?
Sind der Wollust sie geweiht?

Sehnsucht, wie sie keine kannte,
Seit die Lieb' ein Weib gekannt,
Knüpfst du himmlisch unsre Bande?
Wirst du Unschuld noch genannt?

Tausend kühne Wünsche beben,
Kühn vermess'ne Pulse fliehn -
Wollt' ich ihnen Namen geben,
Würde Schaam die Stirn' umglühn.

Selbst der Tugend ernste Büste -
Einst mein schönstes Heiligthum -
Wandelt, seit sein Mund mich küßte,
Sich zur Liebesgöttin um.
(S. 126-127)
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An sein Schattenbild

Theures Bild, dich will ich nicht entbehren,
Denn du trankst die heißesten der Zähren,
Die ein Weiberauge je geweint. -
Warst ein Zeuge, wenn die Morgenröthe,
Mich für ihn im heißen Frühgebete,
Gottes Hülfe flehend, fand.

Warest bei des Wiedersehens Freude,
Hörtest seiner Liebe neue Eide,
Und mein Lied von unsrer Liebe Glück,
Die ich mir durch Schmerz und Gram erworben;
Seine Liebe ist mir längst gestorben,
Du nur, Schatten, bliebst allein zurück. –
(S. 119)
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Wiedersehen

Trennen mich von dir des Lebens Pfade,
Dennoch werd' ich niemals dich vergessen;
Sieh', es schimmert durch des Grab's Zypressen
Uns ein Sonnenmorgen vom Gestade,
Wo an Quellen Gottes wir uns einst begegnen,
Und die Engel unsre Freundschaft segnen.
(S. 130)
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Lied

Umschattet von der Mitternacht,
Im düstern Tannenhain -
Ist's bleiche Schwermuth die nur wacht,
Mit meinem Schmerz allein.

Sei leise, Lied, daß nicht erwacht,
Wen süßer Schlummer deckt;
Mir nur gehört die schwarze Nacht,
Die keinen Stern erweckt.

Denn fühlte jemand meinen Schmerz,
Der Lieb' in wunder Brust -
Verwahren würd' er schnell sein Herz
Vor jeder Liebeslust.

Er schien so fromm, er schien so gut -
Nur mir allein geweiht
Schwur er der Liebe heil'ge Gluth,
Für Zeit und Ewigkeit.

Da sang ich froh, da sang ich laut,
Das Lied von unsrer Gluth;
War stolz wie eines Engels Braut;
Denn er schien fromm und gut! -

Doch, ach! bald schwand sein frommer Sinn
Und Sünde ward sein Ziel;
Er schleuderte für Wallung hin
Des Herzens Hochgefühl.

Kalt blieb bei meinem keuschen Kuß,
Er, der so rein geliebt;
Besang der Wollust Vollgenuß,
Den nur das Laster giebt.

Schwur heiß, daß der nur Liebe sei,
Und mein Gefühl nur Tand;
Schwur sich von meinem Herzen frei,
Bei dem, der uns verband.

Da riß ich mich von seiner Hand,
Schied ab von Lieb' und Schmerz;
Doch, Gott! mit unsrer Seelen-Band,
Zerriß ich auch mein Herz.

Und alle Freuden der Natur
Hab' ich nun überlebt -
Denn alle – alle waren nur
In dieses Band verwebt.
(S. 147-149)
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An F*.

Von allem, was wir einst in süßer Fülle hatten,
Von unbegränzter Liebe Glück,
Bleibt nichts, als der Ahnung Schatten,
Von goldner Zukunft mehr zurück.
Doch, ach! vielleicht, daß dieser Ahnung Palmen
Erst jenseits über Gräbern weh'n;
Hier sehn wir unsrer Liebe Erndtehalmen,
Dort werden wir die Früchte sehn.
Geschworen sei dir Liebe auch für jenes Leben,
Wo Treue ihre Strahlenkrone flicht;
Die Ewigkeit wird uns den Aufschluß geben,
Warum so manches Herz zu früh hier bricht.
(S. 136)
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Im Sommer
1780

Was, Rose, blühest du so schön
Und duftest mir so süße?
Was, holder Zephyr, soll dies Weh'n
Und Flüstern deiner Küsse? -
O Rose! dufte Todten-Duft
Dem langgequälten Herzen;
Komm, rauher Nord! zerpeitsch' die Luft
Und Zephyrs kos'ges Scherzen.

Zur blassen Todten-Krone nur
Kannst du mir, Rose, prangen;
Ihr Lüfte, heiße Thränen nur
Küßt ihr auf meine Wangen.
Weg! – fliehet zu dem falschen Mann,
Sag't ihm von meiner Treue,
Und bring't zu meinem Grabe dann
Einst Thränen seiner Reue.
(S. 27)
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Dem fernen Freunde
Im August 1782

Wenn der bange Traum von Leiden schwindet
Und mein Geist sich unter Blumen findet,
Die in meinem Vaterlande blühn;
Theuerster, dann will ich dein gedenken,
Dir die erste Wonnestunde schenken,
Die das Schicksal endlich mir verliehn.

Wenn ich froh in meinen Thälern gehe
Und die Hügel und die Haine sehe,
Wo für mich allein noch Ruhe thront;
O dann bitt' ich Gott mit heißen Zähren,
Laß dem Freunde jeden Wunsch gewähren,
Der, mich liebend, in der Ferne wohnt.

Freundlich theilt er alle meine Sorgen. -
Du, dem gute Thaten nicht verborgen,
Gott, du weißt es! send' von deinem Thron
Ihm die Ruhe und die süßen Stunden
Die ich hier im Vaterland gefunden, -
Gieb der Freundschaft ihren schönsten Lohn.

Wie mich jetzt, laß Frieden ihn umschweben,
Wenn der letzte Tag von diesem Leben
Seinem stillen Sterbebette nah',
Und wenn einst des Todes Schlaf geschwunden,
Laß ihn fühlen, was ich hab' empfunden
Als ich meine Fluren wieder sah.
(S. 54-55)
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An den Tod

Wenn er, hohe Freude im Geleite,
Kommt, der Tag im hellen Purpurkleide,
Und der Frühling ihm zur Seite geht, -
Wenn ihm, schwebend auf umglänzten Flügel,
Froh entgegen jauchzen Thal und Hügel
Und sein goldnes Haar der West umweht.

Wenn im Thau die ersten Rosen glänzen,
Muntre Bäche junge Veilchen kränzen,
Und die Bäume farbenprächtig blühn,
Wenn der Abend uns mit Schatten lohnet,
Wenn der Mond am stillen Himmel thronet
Und die Sterne in den Quellen glühn -

Wenn dies alles himmlisch zu verschönen,
Er – der liebste mir von Menschensöhnen
Nahet, freundlich so wie die Natur;
O dann schwindet mir, von ihm umschlungen
Und von seinem heißen Kuß durchdrungen,
Nacht und Morgen und der Glanz der Flur.

Tod! dann bist du mir der schönste Segen! -
Sehnend wallt mein Busen dir entgegen,
Komm! ruf ich, und führe mich dorthin,
Wo des Morgens Purpur nie erbleichet,
Wo den Frühling nie der Herbst erreichet,
Wo ein trüber Abend nie erschien. -

Wo am Bach die Bäume ewig blühen,
Unter Purpur-Rosen Veilchen glühen,
Wo sich Frieden ohne Trennung küßt. -
Und wo alles dieses zu verschönen,
Er – der liebste mir von Menschensöhnen
Ewig mein vor allen Engeln ist.
(S. 71-72)
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An mein Kreuzifix
Im November 1784

Wenn wir uns bebend in den Armen liegen,
Und fast die Macht der starken Tugend sinkt;
Wenn seine Lippe heiß, mit vollen Zügen
Den Feuerkuß von meinen Lippen trinkt;
Die Seele glaubt, daß sie nur Liebe fühlet
Und Wollust schon sich in die Adern stiehlet:

Wenn wir nur unsre Liebe noch empfinden
Und jeder andre Sinn uns treulos flieht;
Die Pulse laut den Sieg des Blutes künden
Und Aetnas Gluth in unsern Wangen glüht;
Wenn zu des Busens ungestümen Schlagen
Sich unsre Engel zitternd nicht mehr wagen:

Dann blick ich hin nach deinen Sterbezügen,
Und dieses tief herabgesenkte Haupt
Winkt Muth mich loszureißen vom Vergnügen,
Das frech den Kranz der lautern Minne raubt,
Und schwöre keusch bei deiner Duldermiene:
Dem Tage Fluch, wo ich der Sünde diene! –
(S. 63-64)
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Beseligung
Im August 1788

Wer kann, wie ich, die Wonne ganz verstehen,
Die das Gefühl an meine Seele knüpft -
Ich soll den theuren Jüngling wieder sehen,
Für den mein Blut so heiß zum Herzen hüpft!

Ich trag' sie nicht, der Freuden hohe Fülle,
Bei seinem Kuß fühl' ich entkörpert mich;
Sie sinkt zum Staube, diese Erdenhülle,
In seine Seele stürzt die meine sich.
(S. 125)
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Alle Gedichte aus: Anthologie aus den Poesien von Sophie Albrecht erwählt und herausgegeben von Friedrich Clemens Gerke Altona 1841


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Albrecht



 

 


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