Stine Andresen (1849-1927) - Liebesgedichte

Stine Andresen



Stine Andresen
(1849-1927)



Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 




Mein Stern

Du bist mein Stern! Und willst du's gleich nicht wissen,
Du leihst doch unbewußt mir deinen Strahl,
Gleich wie des Himmels Sterne leuchten müssen
Den armen Sterblichen im Erdenthal.

Einst trieb das Schicksal dich in meine Nähe,
Und stolz und strahlend zogst vorüber du.
That auch dein Stolz mir tief im Herzen wehe,
Du sandtest doch dein segnend Licht mir zu.

Und werden nie sich unsere Wege einen,
Und bleibst du mir auch ewig, ewig fern,
Stets wird dein Licht in meine Seele scheinen
Voll heil'gen Glanzes, denn du bist mein Stern.
(S. 33)
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Meereszauber

Der Abend sinkt hiernieder
Und still ist's rings umher;
Ich und mein Liebchen wandern
Hinaus ans blaue Meer.

Das liegt in stiller Feier
So klar, so blau, so mild;
Aus seinem Spiegel blicket
Des Abendhimmels Bild.

Auf seinem tiefen Grunde
Liegt ein krystallnes Schloß;
Die Schätze, die es birget,
Bewacht der Nixen Troß.

Sie schmücken die Gewänder
Sich aus mit Perlen klar,
Und flechten sich Korallen
Ins feuchte Lockenhaar.

Es tönt ihr süßes Singen
Hinauf zum Ufershang;
Ich und mein Liebchen lauschen
Dem holden Zauberklang.

Rings liegt um uns versunken
Die Welt mit ihrem Leid;
Ich blicke ihr ins Auge
In stummer Seligkeit.

Wie gleicht ihr Aug' dem Meere,
So mild, so klar, so blau;
Darinnen, tief versenket,
Ich meinen Himmel schau.

Die Lippen wie Korallen,
Teilt sie ein Lächeln fein,
Enthüllen silberblitzend
Zwei weiße Perlenreihn.

Wenn wir Gedanken tauschen,
Zeigt sie mir unbewußt
Die wunderbaren Schätze,
Die ruhn in ihrer Brust.

Mein sind die blauen Augen,
Mein der Korallenmund
Und mein die edlen Schätze
Auf ihrer Seele Grund.

O, welch ein wonnig Leben
Wird das in Zukunft sein!
Die Schätze all' zu heben
Hab' ich das Recht allein.
(S. 69-70)
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Bitte

O zieh nicht fort, o zieh nicht fort,
Und laß mich nicht allein!
Die Heimat ist ein sichrer Port,
Die Heimat ist der schönste Ort,
Und meine Lieb' ist dein.

Des Glückes Blümlein suchen lern;
Es blüht auch in der Näh'.
Es zog schon mancher in die Fern
Und hatte weder Glück noch Stern
Und starb am Heimatsweh.

Und würdest du ein großer Held,
Dein Reichtum ungezählt,
Was thust du mit dem Ruhm der Welt?
Was thust du mit dem schnöden Geld,
Wenn dir die Liebe fehlt?

Glaub' mir, sie blüht dir nimmer dort
So wahr, so treu, so rein!
Drum höre auf mein bittend Wort:
O zieh nicht fort! o zieh nicht fort,
Und laß mich nicht allein!
(S. 71)
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Liebchens Klage

Wie kannst du nur so kalt gemessen,
So feierlich vorübergehn?
Als hättest du die Zeit vergessen,
Da wir uns freundlich angesehn.

Du bliebest stumm bei meinem Grüßen.
Sag' an, wie hast du es vollbracht,
Die Lippe trotzig zu verschließen,
Als hätte sie mir nie gelacht?

Warum willst du dich selbst belügen?
Ob du mit Kälte dich umgiebst,
Mich kannst du damit nicht betrügen;
Ich weiß es doch, daß du mich liebst.

O höre im Vorüberwallen,
Wie ich so herzlich bitten kann:
Nur einmal laß die Maske fallen,
Nur einmal sieh mich freundlich an!
(S. 71-72)
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Der Ungetreuen

Als kalt du sagtest einst: Wir müssen scheiden,
Und deine Hand mir eine Rose brach,
Da nahm ich still die Rose, müßt' es leiden,
Daß mir der Dorn die Finger blutig stach.

Doch schärfer, als der Dorn am Rosenstengel,
Durchbohrte mir das Herz ein scharfes Schwert;
Mir war's, als wandte sich mein guter Engel,
Als hätte sich das Glück von mir gekehrt.

O denk' daran, nun es dein Herz erfahren,
Wie sich's am Grabe seines Glückes steht,
Was ich gelitten einst vor vielen Jahren,
Als meine treue Liebe du verschmäht.

Doch kann es Lindrung deinem Schmerze geben,
Denkst du an die Vergangenheit zurück,
So wisse auch, daß ich dir längst vergeben
Und stets zu Gott gebetet für dein Glück.
(S. 72-73)
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Verlornes Glück

Wir liebten uns und konnten scheiden,
Wie's oft so gehet in der Welt.
Wer trug die Schuld wohl von uns Beiden?
Ich glaub', wir haben beid' gefehlt.

Ich konnt' das rechte Wort nicht finden,
Das zur Versöhnung führt so bald.
Du mochtest nicht dein Herz ergründen
Und wandtest ab dich stolz und kalt.

Da fiel ein Reif auf unsre Herzen,
Als sie das Heiligste verneint.
Und unter tausend heißen Schmerzen
Hab' ich nachher darum geweint.

Ich hab' umsonst gestrebt nach Frieden,
Mein Herz ist müd', mein Auge brennt.
Einst hat uns kind'scher Trotz geschieden,
Heut giebts ein And'res, das uns trennt.

Was helfen mir der Reue Thränen
Und Leid um mein verlornes Glück?
Umsonst! Mir bringt kein heißes Sehnen
Der Jugend Paradies zurück.

Nur manchmal, wenn mir naht der Schlummer,
Grüßt mich im Traum die alte Zeit,
Schwelg' ich, enthoben jedem Kummer,
In seliger Vergangenheit.
(S. 73-74)
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Versöhnung

Vor deiner Thüre steh' ich hier
Und bitte: Laß mich ein!
Ich sprach manch hartes Wort zu dir,
Laß es vergessen sein.

Laß sprengen nun den kalten Bann
Der Liebe Allgewalt.
Ich biete dir den Frieden an,
Wenn's sein soll, sei es bald,

Eh' noch das Blatt vom Baume sinkt,
Und rauh der Herbstwind weht.
Wenn uns der Todesengel winkt,
Dann ist's zu spät, zu spät!
(S. 74)
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Liebesgruß

Es grüßen dich die Blümelein
Aus deiner Heimat Garten;
Sie wiegen ihre Köpfchen fein
Und können's nicht erwarten,
Mit ihren Farben bunt und frisch
Zu schmücken den Willkommentisch
Dir, Liebchen!

Es grüßen dich die Vögelein,
Sie fliegen hin und wieder
Vor deinem Kammerfensterlein
Und üben süße Lieder
Sich ein zum festlichen Empfang;
Bald tönt ihr jubelnder Gesang
Dir, Liebchen!

Es grüßen freundlich dich zumal
Die Herzen all, die treuen,
Die hier im lieben Heimatthal
Sich deiner Ankunft freuen.
Und eines, das in Glück und Not
Will angehören bis zum Tod
Dir, Liebchen!
(S. 74-75)
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Der gute Vorsatz

Am Tage kommt's mir oft so vor,
Als müßt' der Liebsten ich ins Ohr
Viel schöne Dinge sagen:
Wie sie so rein, so schön, so gut,
Und wie mein Herz in Liebesglut
Wird ewig für sie schlagen.

Wie mich verfolgt ihr süßes Bild,
Ihr Blick so treu, ihr Lächeln mild,
Im Wachen und im Träumen,
Das muß ich alles ihr gestehn
Beim ersten, sel'gen Wiedersehn;
Nicht länger will ich säumen.

Und wenn der Abend nieder sinkt,
Freund Hesperus am Himmel blinkt,
Hin eil' ich voll Verlangen
Zum trauten Lieb, o sel'ge Lust!
Bald ruhet sie an meiner Brust,
Von meinem Arm umfangen.

Wie dann ihr Aug' in meines glüht,
Zwei Lippen, hold und keusch erblüht,
Sich mir entgegen neigen,
Da reißt es mich gewaltsam fort,
Vergessen hab ich jedes Wort,
Ich kann nur küssen und schweigen.
(S. 75-76)
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Der Fischer

Der Fischer zieht den Kahn ans Land
Und schreitet auf und ab am Strand;
Umwölkt sind seine Mienen.
Sein Herz ist krank, sein Herz ist weh,
Heut' ist die schöne Wasserfee
Ihm auf der Fahrt erschienen.

Sie lockte ihn mit süßem Mund:
Komm' mit zum Schloß auf Meeresgrund,
Sag' Lebewohl der Erde;
Dort unten wohnt allein das Glück,
Hier oben läßt du nichts zurück
Als Arbeit und Beschwerde.

Der Fischer aber sagte: Nein!
Ich hab' daheim ein Liebchen fein
Mit rosenroten Wangen.
Mich locket nicht dein Zauberreich;
Nach deiner Schönheit kalt und bleich
Mein Herz trägt kein Verlangen.

Nun denkt er an das schöne Weib,
Sieht ihren wunderholden Leib
Im Wellenschaum zerfließen.
Ein heißes Sehnen ihn beschleicht;
Daß er ihr nicht die Hand gereicht,
Ihn will es schier verdrießen.

Es ist umsonst, er weiß es schon,
Daß einmal nur dem Erdensohn
Erscheint solch Wunderwesen.
Er drückt die Hand aufs wunde Herz,
Ihm ist, als könnt' von seinem Schmerz
Er niemals mehr genesen.

So schreitet er dem Dörfchen zu.
Das liegt in feierlicher Ruh
Vor ihm im Abendscheine.
Nun stockt sein Fuß, er ist zur Stell',
Ein Lachen klingt, so silberhell;
Er ist nicht mehr alleine.

Sein Liebchen steht am Gartenzaun
Mit Wangen rot, mit Augen braun,
Mit süßem, keuschen Munde.
Drauf küßt er sie unzähl'ge Mal;
Verschwunden ist die Herzensqual,
Er wird gesund zur Stunde.
(S. 76-77)
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Das Haus am Strande

Es steht ein Haus am Strande,
Umrauscht von Schilf und Ried,
Die Welle rollt zum Lande
Und singt ihr altes Lied,
Es huschen wie Gespenster
Die Möwen um das Haus;
Es blickt zum offnen Fenster
Ein holdes Kind hinaus.

Die Sonne will versinken
In blauer Meeresflut
Und zarte Wölkchen trinken
Des Westens Purpurglut;
Am kleinen Häuschen schimmert
Jedwedes Fensterlein,
Des Mägdleins Goldhaar flimmert
Im Abendsonnenschein.

Vor meinem Geiste schwebet
So wundersam und mild,
Indes das Herz mir bebet,
Dies heimatliche Bild.
Und wie's so schön gestaltig,
So freundlich an mich lacht,
Ist in der Brust gewaltig
Das Heimweh mir erwacht.

Du stilles Haus am Strande,
Ich ließ mein liebstes Gut
Auf diesem Erdenlande
In deiner treuen Hut;
Nicht länger will ich säumen,
Eh' noch verrinnt das Jahr,
Birgst du in deinen Räumen,
Will's Gott, ein selig Paar.
(S. 78)
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An ein Brautpaar

Der Braut
Liebliche Rose du, im Herbst erblühte,
Zu unsrer Freud' dem Stamme noch geschenkt,
Als trauernd er die Zweige einst gesenkt,
Als ihm im Dunkel jeder Stern verglühte.

Du zauberst mir den Frühling ins Gemüte,
Seh' ich dich so vom Thau der Lieb' getränkt.
Zum Vater fleh' ich, der das Schicksal lenkt,
Daß er vor rauhen Stürmen dich behüte.

Du bist nun Braut, und dem du dich verbunden,
Ich seh's an deinem strahlend heitern Blick, -
Du hast in ihm dein zweites Ich gefunden.

O zahl ihm Lieb' um Liebe denn zurück,
Bereite ihm viel wonnig sel'ge Stunden
Und blühe weiter fort zu seinem Glück.


Dem Bräutigam
Und du, den sie für's Leben sich erkor,
An dem sie künftig sich hinauf will ranken,
Steh' fest im Sturm ohn' Beben, ohne Wanken
Und trage sie zum Himmelslicht empor,

Daß nie sie möge hin und wieder schwanken,
Wenn sich einmal die Sonn' in Nacht verlor.
Der Liebe Sonne scheint durch Nebelflor,
Denn Lieb' ist ewig, Lieb' ist ohne Schranken.

Ja, treue Lieb' hat sie bisher geleitet,
Sie ist ja ihrer Mutter einzig Kind,
Und Gutes ward in Fülle ihr bereitet.

Nun, da ein neues Leben sie beginnt,
In das hinein an deiner Hand sie schreitet,
Mach' du, daß sie darin das Beste find'.
(S. 89-90)
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Aus: Gesammelte Gedichte von Stine Andresen
Herausgegeben von K. Schrattenthal
Zweite vermehrte Auflage
Bielefeld Schriften-Niederlage der Anstalt Bethel 1896


 

Biographie:

Stine Andresen geb. Jürgens (* 23. Dezember 1849 in Boldixum; † 13. Mai 1927 ebenda) war eine deutsche Schriftstellerin von der Insel Föhr. Ihre Lyrik ist oft auf ihre Heimatinsel bezogen. Neben Gedichten in deutscher Sprache verfasste sie auch einige in nordfriesischer Sprache.

Andresen wurde als Tochter des Landwirts Jürgen Erich Jürgens in Boldixum, heute einem Stadtteil von Wyk auf Föhr geboren und verbrachte dort den Großteil ihres Lebens. Die Mutter starb früh. Andresen besuchte die Dorfschule in Boldixum und bildete sich durch Lesen weiter. Zeitig verfasste sie Gelegenheitsgedichte, die sie zu Festen vortrug. Andresen gehörte zum Freundeskreis der Familie Friedrich Hebbels. Nach dem Tod Hebbels im Jahr 1863 arbeitete sie zeitweise als Sekretärin seiner Witwe Christine Hebbel.

Im Jahr 1875 heiratete Andresen den Müller Emil Andresen, der in den 1890er-Jahren verstarb. Bereits 1893 erschienen Gedichte von Andresen im Druck. Als sich nach dem Tod ihres Ehemannes ihre finanzielle Lage verschlechterte, unterstützte sie der Autor Karl Schrattenthal durch eine Neuauflage ihrer Gedichte im Jahr 1896.

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Stine_Andresen

 

 

 


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