Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Sin
(Ghaselen 77-80)

 

77.
Kannst du wie der Kamm zu Freundes Haar gelangen,
Schneid' als Scheer' den Lebensfaden ab, den langen.

Hätt' im Kreis' gehört die Flöt' Sein Wort,
Tönte nicht ihr Hauch von Liebesschmerz', dem bangen.

Glocken selber, wenn sie anders sprechen könnten,
Sprächen ohne Zung' von meiner Pein, der langen.

Keine Ameis' sprang mir noch in's Auge
Auf dem Markte, als das Maal der Wangen.

Baki! Hart und schwer ist Liebesunglück,
Willst du Rath, sollst du nach Ruh' verlangen.
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78.
Becher sind mit Taubenblut gefüllet schon,
Hahnenaugen roth berändert sind sie schon.

Bey'm Gelag beschrieb ich den Rubin der Lippen,
Hefen küßte mir dafür den Fuß zum Lohn.

Reine Wangen, eingefaßt vom dunklen Haar,
Sind wie Spiegel in der Rahm' von Mahagon.*

Hätte Seiner Schönheit Weltenglas** geseh'n,
Nimmer gält' als solches das von Philipp's Sohn.

Baki! dir schlägt Schahi*** selbst des Wortes Pauke,
Und in Dehli**** hört man deiner Musik Ton.

* Statt Ebenholz, das im Texte steht, um mit dem ihm
folgenden Filikos (Philipp, der Vater Alexander's) zu reimen.
** Das Welten zeigende Glas Alexander's war der
alexandrinische Pharos.
*** Schahi, ein berühmter persischer Lyriker.
**** Anspielung auf den berühmten persischen
Dichter Chosrew aus Dehli.

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79.
Von Deiner Lieb' ist die Natur voll Lust wie Wein,
Wie ich mit Herzensschmerz kann Keiner seyn.

Mich soll der Liebe Schwert zerspalten wie den Kamm,
Bis Ambrahaar in meine Hand wird gehen ein.

Verglichen mit dem Meer der Liebe ist die Welt
Nur eine Handvoll Spreu im Ocean des Seyns.

Wer stolz nicht auf die Güter dieser Welt, ist weise, -
Ein Augenblick die Zeit, der Mensch ein Hauch darin.

Scher', Baki! dich nicht um die Welt, sie ist nun so;
Man sperrt die Nachtigall mit Spreu im Käfig ein.
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80.
Schenke du findest sonst nirgends so fröhlichen Kreis,
Bringe geläuterten Wein zu erheitern den Kreis!

Sonne, sie sey nur der Abglanz des Bechers am Himmel,
Und nur vom Glanze des Bechers erhellt sey der Kreis!

Wäre der Becher die Sonne und Nectar* der Wein,
Ohne dich wäre mir traurig in Eden der Kreis.

Gläser sind blutig und Deffen** zerschlagen die Brust sich,
Ist in dem Schmerze der Liebe befangen der Kreis.

Glas ist die Röhre, der Wein ist das Wasser im Becken***;
Baki! der Springquell im Garten der Lieb' ist der Kreis.

* Der Lebensquell.
** Die Halbtrommeln
*** Die Trunkenen stellen das Wasserbecken vor.
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