Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Kaf
(Ghaselen 92-96)


92.
Wund ist die Brust von dem Gram und Gedanken der Trennung,
Siehe gefesselt das Herz von den Schmerzen der Trennung!

Ist es ein Wunder, wenn blutig die Thränen entströmen?
Ward nicht zerstücket das Herz von dem Dolche der Trennung?

Längst ist verschwunden in Nichts die Geduld und die Ruhe*,
Und es erhellte den Weg die Fackel der Trennung.

Armen gekränkten Verliebten ergeht es so übel,
Daß sie verhandelt um nichts der Verfrachter der Trennung.

Durstigen Mundes erharret den Trunk des Genusses
Baki auf Polstern des Grams, erkrankt an der Trennung.

* Wörtlich: Die Karawane der Geduld und der Ruhe ist
in das Land des Nichts gezogen, und (im folgenden Verse)
die Trennung war ihres Weges Fackelträger.
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93.
O Frommer, schau genau Gestalt, die schöne, schau!
Den Spiegel von den Wunderwerken Gottes schau!

Im Herzen ist das Meer der Wahrheit ew'gen Seyns,
Schau wie es wogt das Meer der innern Welten, schau!

Ob Unbeständigkeit des Glücks entsag' dem Gram
Der Welt, schau ein Paar Tage zu mit Ruh', o schau!

Wer ist nicht wie das Glas beym Feste blut'gen Herzens!
Schau an der Knospe Beet die rothe Tulpe, schau!

Willst Du ein Bild von Baki's tiefem Herzensweh,
Das krumme Horn mit gelbem Angesichte schau.
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94.
Ich bin nicht stolz auf Tugend und Vortrefflichkeit*,
Erröthe nicht, wenn man mich Deiner Liebe zeiht.

Wenn ich viel tausend Mahl der Liebe Sieger wäre,
Wär's nicht mein höchster Ruhm, o Abgott unsrer Zeit!

Wiewohl ich vor dem Scheich vollkommener Lehrling bin,
Hab' ich doch keine Wahl zu lieben allezeit.

Des Herzens Knospe soll sich öffnen auf der Flur,
Ich habe mich nur Dir, o Rosenwang'! geweiht**.

Seit langem, Baki! schon geh' ich in's Reich des Nichts;
Zu geh'n mit Liebesrausch ist keine Möglichkeit.

* In dieser Welt.
** Wörtlich: Es gibt für mich keinen
rosenwangigteren Schelm, als Dich.
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95.
Das Volk der ew'gen Welt ist so zerstreut zumahl,
Die Einen lachen, Andre stöhnen auf zumahl.

Die klagen wie die Nachtigall um Rosenwangen,
Und die sind Schmetterling des Wangenlichts zumahl.

Den Einen ist die Welt Pallast der Lust und Wonne,
Den Andern ist sie Pein und Kerkerqual zumahl.

Zuletzt tritt alle gleich, den Kaiser wie den Bettler,
Das Weltkamehl in seiner Füße Staub zumahl.

Im Kloster dieser Welt ist jeder Fremdling, Baki!
Ob den Mysterien erstaunet ganz zumahl.
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96.
Der Frühling schrieb den Vers* von Deiner Schönheit auf
Und auf;
Den Rosenkoran las die Nachtigall hierauf,
Hierauf.

Auf Deinem Wege fand das Herz nicht Sicherheit
Und Ruh',
Der Wimpern Heere** raubten aus, das Haus im Lauf,
Im Lauf.

Zum Angedenken Deines Mundes zog im Hain,
Im Feld,
Die Allmacht Gottes rothen Wein in Trauben auf
Und auf.

Des Wuchses Zweig, der Wangen Purpur ist für uns
Gemacht,
Die Ros' ist Busch im Busch und zarte Ranken d'rauf,
Darauf.

In Deinen Schwellenstaub ist Baki hingestürzt,
Und sieht auf,
Schau den Verliebten ohne Herz, o schau darauf!
Darauf!

* Den Koranvers, deren jeder ein Wunder.
** Tatare
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