Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Saghirnun
(Ghaselen 101-115)


101.
Wähn' nicht es lege ab das Herz die Leiden nun,
Bey vielen Schmerzen hatte nicht Vernunft Medschnun;

Wann Du mit hohem Haupt anstoßen wirst am Himmel,
Wirst Du versteh'n wie ungerecht er pflegt zu thun.*

Das Glas mit rothem Wein sey Schenke dir genug,
Sonst kümmr're dich um nichts, willst du in Frieden ruh'n.

Dein Posten ist zuletzt doch nirgends als im Grab,
Wenn du besäßest auch die Schätze von Karun.**

Es zeiget Baki nicht dem Freunde gelb Gesicht,
Er hat mit rothem Wein es hochgefärbet nun.

* Du, der Du den Kopf so hoch trägst, wirst erst alsdann
erfahren wie ungerecht der Himmel sey,
wenn Du an denselben mit dem Kopfe anstoßen wirst.
** Karun, der Kora der Schrift, der Krösus der
heutigen Morgenländer.
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102.
Verbirg in Knospen nicht der frischen Rose Lust,
Knöpf' auf das Kleid und laß uns schau'n die Brust.

Wo bist Du? komm' und laß den Lauf der Welt uns seh'n!
Den Gürtel wenigstens Du küssen lassen mußt.

Der Moschusflaum verdirbt nichts an der Schönheit Glanz,
Des Mondes Glanz erhöht vielmehr der Nächte Lust.

Des Freundes Staub ist Liebenden nur Augenschminke,
Wir dienen Ihm, der Herrschaft auf die Blicke fußt.

Kein Wunder ist's wenn Frommen Baki's Lied nicht mundet:
Ist denn Unwissenden Juwelenwerth bewußt?*

* Wörtlich: Das Wort ist Juwele; kennt wohl der Unwissende
den Werth der Juwelen?
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103.
Der Schwelle Kaaba schaut der Seelen Kibla nicht;*
Ward Dein Compaß vielleicht im Aug' Ihm Splitter nicht?

Man gab der Rebe Tochter Keinem und sie blieb,
Man nahm dem schweren Glas des Weines Schwere nicht.

Für Herzergebene ging nimmer durch Sein Wort,
Weil wie der Knospe Mund der Seine eng und dicht.

Es freute Deine Mitte sich vom ganzen Herzen,
Um wie der Dolch zu rauben uns das Lebenslicht.

Warst du auf Seelenflur, o Baki! groß erzogen,
Des Wuchses Ceder kam aus einer Welt von Licht.

* Die Kaaba, das heilige Haus zu Mekka, dessen Vorderseite Kibla heißt.
Weil nach dieser Seite sich alle Moslimen beym Gebethe
wenden, so heißt Kibla insgemein so viel als die Seite,
wohin sich die Bethenden wenden müssen; ein Compaß,
welcher diese Seite anzeigt, heißt Kiblenüma.
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104.
Die Welt hat so den Fuß des Wein's mit Leid' geschlagen,
Daß Blasen sich darauf zur Schau' als Augen tragen;

Es sinnen Zarte nur auf den geheimen Sinn,
So daß die Freunde kaum das Glas zu nehmen wagen;

Schon lange Zeit ist's daß der Bund gebrochen ward,
Und daß der Braten des Gemüth's ward mürb' geschlagen.

Es hat der Strom des Wein's mit sich geführt die Lust,
Die Cythern und die Cymbeln hörten auf zu schlagen.

Es streute Baki in den Wein der Verse Salz,
Nun weißt Du was dieß Zuckerwasser hat zu sagen.
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105.
Laßt uns ertragen ein wenig* die Leiden des Glases,
Laßt uns genießen ein wenig die Freuden des Glases.

Sieh' wie es sich in dem Garten des Frohsinn's eröffnet,
Lang' schon hat Niemand gesehen die Schwärze des Glases.

Hätte gewiß man gewußt wie gebrochen das Glas ist,
Hätte man längst schon gebethet Gebethe des Glases.

Sieh' es erheben sich Blasen als Zelte der Freude,
Seit sie erfuhren gemäßigtes Klima des Glases.

Gestern vertrieben wir Abends, o Baki! die Zeit uns,
Machten mit Rosengesichtern den Mondschein des Glases.

* Ein, zwey Tage.
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106.
O Wanderer* du sollst den Weg der Schwelle halten!
Die Jünger müssen ja des Meisters Lehren halten.

Ihr Schenkenfreunde sollt das Herz vom Gram entfalten,
Und bey dem Freudenfest Rubinenbecher halten.

Verliebte thut Verzicht auf freudige Gestalten,
Ihr sollt auch einen Platz bey'm Unglück aufbehalten.

Da es nicht möglich ist, mit Ruhe hier zu walten,
Fahr' wohl o Welt! wir wollen uns an's Ewige halten.

Es trinket Baki Wein zum Aerger der Gewalten,
Nun möget ihr für gut, ihr mögt für schlimm ihn halten.

* Des Weges der Liebe.
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107.
Es ist Rubinenglas Dein leuchtend Angesicht,*
Berühmt wie Becher Dschem's und Skander's Spiegellicht.**

Sieh' an dem Schönheitsdom der Augenbrauen Bogen,
Und sprich von Kesra's Dom, von Kaiserhallen nicht.

Es scheuet nicht den Tod wer trinkt aus Deinem Mund,
Des Paradieses Quell macht Rausch und Kopfweh nicht.

O Welt! du altes Weib, hüth' dich vor Seufzergluth,
Es brennt einmahl durch sie der Himmel loh und licht.

Es bath um einen Trunk Dich Baki bey der Trennung,
Doch gab dem Durst'gen Wein des Dolches Wasser nicht.

* Der Spiegel Deines leuchtenden Gesichtes.
** Der Becher Dschem's mit den sieben darauf gegrabenen
Ortgürteln ist bekannt; der Spiegel Alexanders war der des Pharos
von Alexandrien.
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108.
Nachts aus Gier nach Deinem schwarzen Haar,
Dauern die Gedanken immerdar.

Ist's ein Wunder wenn Verliebter stöhnt,
Kranke ächzen stets bey Todsgefahr;

Frühling und der Narrheit Quell ist da,
Fesselfrey springt nun die Zeit als Narr.

Ros' und Buchsbaum locken nicht das Herz,
Welchem Wang' und Wuchs sind Hochaltar.

Singe, Baki! farbiges Ghasel*,
Zeit zu trinken ist es offenbar.**

* Zum Andenken seiner Lippen.
** In meinem Exemplare enthält dieses Ghasel
vor dem letzten Distichon noch die beyden folgenden:

Rose und Narcisse schmückt die Flur,
Rosenbeet schlägt auf das Auge klar;

Tropfen Thaues fallen von der Rose
Wie vom Ohrgehäng des Freunds fürwahr.
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109.
Viel Leid hast Du Verliebten angethan,
Leb' lang! Du hast des Guten viel gethan.

Die Seufzer sind die Funken Deines Grimm's,
Als Mond hat sich das Maal hervorgethan.

Mein Inn'res blutet von dem Liebreizschwert,
Wie hast Du mir's so blutig angethan!

Kein Wörtchen von Genuß kömmt aus dem Mund,
Geheimniß ist die Lieb' in's Herz gethan.

Mich, Baki! lachtest Du wie Rosen an,
Dann haben Dornen erst mir weh gethan.
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110.
Es läugnet ab vielleicht den Herzensraub Dein Haar,
Es legt die Hand auf den Koran und schwört dabey Dein Haar.

Es küsset Dir den Fuß, und opfert hin sein Haupt
Für Dich, o Cedernwuchs! an Deinem Pfad das Haar.

Wenn Deiner Wangen Rosenflur vom Thaue schwitzt,
So soll denselben trocknen ab, o Herr! Dein Haar.

Es unterjocht die Welt auf dem Diplom der Schönheit,
Verzogen als Tughra im Pfauenschweif* Dein Haar.

Es ließ auf Deinen Pfad den Kopf wie Blasen** Baki,
Des Armen hat sich nicht erbarmt (o sieh!) Dein Haar.

* Von dem Nahmenszuge (Tughra) der sultanischen Diplome
ist schon ein paar Mahl die Rede gewesen;
um aber den Pfauenschweif zu verstehen,
ist es wichtig zu wissen, daß die Tughra's
auf den alten Reiter- und Dolmetschdiplomen
gewöhnlich mit grüner, rother, blauer, gelber
oder goldener Tinte geschrieben sind.
** Die Moschusblasen, die man öffnet, indem man denselben
den Kopf abreißt.
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111.
Den Weg zur Schenke schnitt des Sultans Richtschwert ab,
Es schnitt den Weg von Galata und Stambul ab.*

Die Flasche und das Glas steh'n zwischen Gluth und Wasser,
Es ordnete das Loos das Fest das Welt uns gab.

Es füllt der Flöten und der Zinken Schall den Kreis,
Schau' Sofi wie die Welt im Tanz sich mattet ab.

Vom Wein sind Humpen leer, die Schenke ist verödet,
Des Gleißners Hoffnung ging gar seltsam hier zu Grab.

Wie soll in diesem Kreis, wo sich neun Tänzer dreh'n,
Sich Baki freu'n der Welt, die ihm nie Freude gab.

* Wie das Meer, welches Constantinopel von der Vorstadt Galata
durch den Hafen trennt; in Galata sind die Weinschenken und Knaben-Bordelle.
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112.
Es ward des Frommen Sinn erweicht durch Dein Gesicht,
Durch Deiner Liebe Wein erwärmt der Sonne Licht;

Weil Du nicht zugibst daß die Lust gebrochen sey,
Gibst Du das Glas Dschemschid's aus Deinen Händen nicht.

Die Kunde von dem Dolch des Mond's vernahm die Weide,
Und zittert daß der Wind ausblas' ihr Lebenslicht;

Anhänglichkeit wirf' weg in Seinem Gau als Armer,
Es harrt Beschauender des Heiland's Himmelslicht.

Als Bettler Seines Gau's hör' auf zu prahlen Baki!
Es schicket sich den Sultan nachzuahmen nicht.
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113.
Die Brau'n, den Flaum und den Rubin
Schrieb Schönheit als sechs Verse hin.*

Der Mundrubin ist reinster Wein,
Der Schenke ist Dein Silberkinn;

Ein Unglück ist für Liebende
Gerader Wuchs, gerader Sinn.

Der Stock dem Nebenbuhler ziemt,
Der als Trabant sich pflanzet hin.

Es kennet Baki Qualen nicht,
Wenn ihm wird Deiner Huld Gewinn.

* Die zwey Lippen, die zwey Augenbrauen und die zwey
Zeilen des Bartes sind sechs Verse; im Texte steht aber
nur eine vierzeilige Strophe.
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114.
Weil Knospe sich dem Flaum' verglich, o Schelmensinn!
Ward ihr nur kurze Zeit der Flur Gewinn.

Aus Neid des frischen Flaum's, der auf den Wangen sprießt,
erspaltet sich die Brust mit Zähnen der Jasmin.

Nach Seinem Herz verlangt, wie nach den schönsten Perlen,
Der Jusuf'sbrunn* voll Reiz, das ist Dein Silberkinn.

O Tulpe, auf der Flur des Herzensleid's gewässert,
Aus Sehnsucht schwindet unser Eingeweide hin.

Geduldig tragen wir den Spott der Brau'n, o Baki!
Daß zu dem hohen Wuchs die Hand nicht reichte hin.

* Das Kinngrübchen.
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115.
Zur Lyra hast den Wuchs, das Aug' zum Strom gemacht,
Den Leib zu Gluth, zu Aloe die Seel' gemacht.

Aus Sehnsucht nach dem Maal hast du, o Herz! geseufzt,
Und hast mit Ambraduft den Geist durchwürzt gemacht.

Ist's Wunder, Herz! wenn Thränen ich nicht stillen kann,
Du hast mein Haus mit Rauch der Seufzer voll gemacht.

Es ward durch Seufzer Gluth, o Herz! in jeder Nacht
Ein Feuerball an Sonne Statt von dir gemacht.

Um mit dem Staub' des Freund's das Auge dir zu schminken,
Hast, Baki! wunderliche Schritte du gemacht.
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