Der Buchstabe Nun
(Ghaselen 140-157)
140.
Das Herz ist Sündfluth von der Augen Blut,
Wogegen Noe sich nicht prahlen thut.
Mein Herz ist ganz versenket in dem Blut,
Der Wimpernpfeile Wunden sind mir gut.
Juwelendolch ist Lilienblatt mit Thau,
O steinern' Herz! mit Stein und Eisenwuth.
So Seel' als Herz sind Gäste Deiner Liebe,
Im Liebeskloster viel Gesindel ruht.
Ich fürchte Baki stirbt aus Gram am Weg',
Des Weggenossen Unglück gibt ihm Huth.
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141.
Wer mit Dir im Dorf darin,
Ist im Himmels Schehnischin.*
Für den Moschushirschen nahm
Deine schwarze Brauen Sin**.
Mond hielt sie für Hochaltar,
And're suchen Sterne d'rin.
Um zu küssen Deinen Staub,
Streut man Rosen und Jasmin.
Wenn Du, Schah! um Baki fragest,
Wiß', er weih't Dir Sclavensinn.
* Schehnischin für Erker ist ein
in der persischen
und auch in der Gesellschaftssprache von Pera
ganz gang und gäbes Wort;
wörtlich heißt es Sitz des Schah's.
** China
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142.
Seelenfreund ist wer sich neigt der Seele,*
Dem an Schönheitsmitteln es nicht fehle.
Als Genuß die Seele kaufen wollte,
Hieß es, daß die Karawane fehle.
Liebesschmerz ist meines Herzens Gast,
Auggranaten steh'n ihm zu Befehle.**
Funkenseufzer ward zum goldnen Schwerte,
Daß den Stern des Unglücks es entseele.***
Baki senkt den Kopf vor Feinden nicht,
Wenn ihm Schwerterzung' nicht stehet zu Befehle.
* Dschawan, Seelenfreund, Geliebter,
Dschan der Seele.
** Ich habe, ihn zu bewirthen, die blutigen Augen
als ein Paar Granatäpfel bey der Hand.
*** Um mit dem Sterne meines Loses Krieg zu führen.
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143.
Du schneidest Köpfe ab mit wirrer Locken Enden,
Du richtest Blutbad an mit Deiner Wimpern Enden.
Es drängen hart auf mich als Unglücksboten ein,
Die Pfeile Deiner Brau'n und Deiner Wimpern Enden.
Gefall'ne hofften sich in Deinem Staub zu wälzen:
Steht dieß geschrieben so an Deines Saumes Enden?
Dein Herzensvogel Baki girrt wie Turteltauben,
Mit zärtlichem Gestöhn auf der Cypressen Enden.
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144.
Was soll der Schöne mit der Lust des Herzens machen?
Der Königsaar sitzt nirgends auf, was ist zu machen?
Wer in dem Glas voll Wein das Weltgemählde schaut,
Was soll er mit Iskender's Weltenspiegel machen?
Medschnun versteht der Liebe Herz bey Kettenrasseln,
Was soll er mit dem Ton von Flöt' und Laute machen?
Wer sieht an Deiner Lieb' ist ganz ergeben,
Was soll ein leidend' Herz mit Arzneyen machen?
An deines Freundes Lieb' ist krank die Welt, o Baki!
Was soll ein Arzt bey dieser Weltenseuche machen?
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145.
Als Ambra flieget Flaum den Wangen an,
Er ist ein Negersclav, genannt Rihan.*
Das Maal ist Agtstein**, und die Lippen sind
Koralle und Rubin aus Bedachschan.
Gesegnet sey Dein schwarzes Lockenhaar
Als Zobelkragen auf dem Festkaftan.
Es würde hochgeadelt seyn der Mond,
Käm' er bey diesem Mond als Sclave an.
Wie Baki reihe Einer Perlen an,
Wenn anders Einer so sie reihen kann.
* Rihan ist ein gewöhnlicher Nahme von
Negersclaven;
Rihan heiße aber auch das Basilikon, so daß also der Flaum
hier in der doppelten Bedeutung eines Negers
und dunkelgrünen Basilikons erscheint.
[** Agtstein ist Bernstein]
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146.
Er zeige wandelnd sich! Du sollst das Schauspiel sehen;
Wart' ein Paar Tage nur! Du sollst das Schauspiel sehen.
Der Lippen Schöpferkraft weckt Todte auf zum Leben,
Wie Jesus Wunder that wirst Du ein Beyspiel sehen.
Das Herz wird von dem Haar in Ketten hingezogen,
Dieß macht mich einmahl noch zum Narr'n, Du wirst es sehen.
Ich zünde diesem Mond aus Liebe Lampen an,
In meines Busens Maal kannst Du die Pleias sehen.
Wird nur mein Wunsch erfüllt, so kannst du, Baki! dann
Des Herzens Spiegel rein und wohlgeglättert sehen.
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147.
Vom Frühling isr nicht Ruhm und Spur geblieben,
Von Fluren hat der Wind das Laub vertrieben.
Die Bäume haben sich des Kleid's entäußert,
Der Herbstwind hat Platanen nackt gerieben.
Von allen Seiten gießen Bäume Gold
In's Silber, das sich Flur vom Fluß verschrieben.
Verweile länger im Gefilde nicht,
Der Baum ist frey von Blatt und Frucht geblieben.
Auf Fluren ist das Blatt zerstreut, o Baki!
Es klaget über das, was Wind getrieben.
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148.
Mit Klagen und Gestöhn' kam zu der Schwelle ich,
Auf Seufzerleitern stieg zum höchsten Himmel ich.
In der Hoffnung von der Schnur der Perlen Deiner Zähne,
Die Thränen Perl' an Perl' hab' angereihet ich.
In der Erinnerung von dem Rubinenmunde
Den rothen Wein bey Maghen* hab' gesuchet ich.
Es liebt das Herz von Dir gepeinigt zu werden;
Den nur zu Pein und Qual kam in das Leben ich.
Des Wortes Region ward, Baki! dir gegeben;
Als Chosroes des Wort's den Thron besitze ich.
* Die Maghen, gewöhnlich für
Schenkenwirthe;
bey den Wirthen suchte ich den rothen Wein
Haus für Haus.
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149.
Viel* sind Mondgesichter, Ein Verliebter ich;
Nicht genügt das Herz wenn es zerstücke ich;
In die Liebe fiel ich und verlor Verstand,
Unbekannt ist wo der Schelm gefunden mich.**
Wenn dem Herzen Hoffnung des Rubines bliebe,
Würd' als Bergmann viel Gestein' zerschlagen ich.
Deinetwegen litt ich alle Qual der Welt,
Ohne Dich was soll die ganze Welt für mich!
An des Freundes Schwelle liegt der arme Baki;
Glücklicher als Anka auf dem Kaf bin ich.
* Zahllos.
** Mich sorglosen Unbekümmerten.
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150.
Wie das Herz stöhnt in der Haare Netz gefallen,
Stöhnen Vögel in des Falkens spitzen Krallen.
Deck' den Bauer in dem Schah nicht mit den Locken,
Nimm die Königinn, das Herz, nimm es vor Allen.
Weinend, weinend fiel ich aus dem Aug' als Thräne,
Wie mein blut'ges Aug' getrennt von Freundeshallen.
Wenn Du säh'st wie Deine Wimpern mich behandeln,
Sähst Du wie, dem Feind' ein Opfer, ich gefallen.
Baki's Lied ist lauter Reiz und Anmuth:
In die Tonart Liebreiz soll der Sänger fallen.
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151.
Daß Du in Eden wohnst*, mein schöner Abgott! weiß ich;
Daß Du die Ceder Edens überragest, weiß ich.
Wenn ich um Dich und um Jusuf gefraget werde,
Daß den Jusuf ich nicht, und Dich nur kenne, weiß ich.
Die Lust nach Deinem Haar geht nimmer aus dem Herzen;
Daß diese Lust nie wird gestillet werden, weiß ich.
Ich weiß nicht, was der Gram des Freundes aus mir machet;
Zu helfen weiß ich nicht; auch Arzney nicht weiß ich.
O zeig' dem Baki nicht des Paradieses Lust,
Daß Seine Thür das wahre Eden ist, das weiß ich.
* Daß das Ende Deines Dorfes der
Aufenthalt
des Paradieses sey, mein Götze! weiß ich.
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152.
Einmahl behandelt die Bittenden gnädig, ein andermahl nicht,
Unser Geliebter, der kosend und schelmisch zu Liebenden spricht.
Nachtigall seufze zum Lobe des Wuchses, des hohen, ein Lied,
Nehme zu nieder den Ton der die Herzen beseliget nicht.
Wer nach Rubinen des Mundes verlangt, nach dem heilenden Hauche
Blase wie Flöten im Unglück sich selber ein Klagegedicht.
Wer nach dem Fußkuß verlanget des Sängers mit heilendem Hauche,
Falle berauscht wie Narcissen zu Boden und kümm're sich nicht.
Treibe wie Baki die Jagd, und verleg' Dich auf's Jagen der Schönen
Falke des Muthes, des hohen, der Herzen mit Liebe bespricht!
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153.
Ich weiß, Du weißt wie Du treulos bist,
Daß Du Zeit- und Weltenunruh' bist;
Ist's nicht schwer Treulosen schön zu lieben,
Der, wie Du, des Lebens Folter ist.
Was ist Vorwand Deiner Grausamkeit?
Wahr ist's, daß Du ohne Vorwand bist.
Welt, du hast mich zwar mit Pein' durchpfeilt,
Du das Ziel von Seufzerpfeilen bist.
Baki streue auf den Weg das Aug',
Weil der Thränen Schatz verstreuet ist.
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154.
Weder Würd' und Ehr', noch Gold und Silber will ich,
Eine Ceder mit Cypressenbusen will ich.
Um in meines Freundes Paradies zu fliegen
Fittige und Flügel von dem Herren will ich.
Wenn ich rastlos streiche über Berg und Feld,
Einen Ruheplatz für's Herz, für's närr'sche, will ich.
Meine Neigung in der Welt ist rother Wein,
Und den Mund des Freundes als Latwerge* will ich.
In der Liebesschenk' ist Baki wieder Bettler;
Diesen Abgott bey dem Fest zum Schenken will ich.
[* Arznei in Breiform.]
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155.
Das Herz verlangt nur nach des Ambrahaares Huld,
Verlangt sich keineswegs der Huris Lockenhuld.
Befrachtet ist der Ost für Nebenbuhlerstirn,
Befrachtet wie ein Ochs mit aller Erdenhuld.
O Freund! Nicht jeder kennt den Werth von Deinem Mund,
Auf meine Seele drück' des Siegelringes Huld.
So lang der Demantdolch der Wimpern blitzt im Auge,
Kennt selbes in der Welt nicht Eisenklingenhuld.
Für die Juwelenschnur von Baki's Wort und Sinn,
Verschmäht das Herz der reinsten Perlen Werth und Huld.
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156.
Wer nächst den Lippen noch die Pflanzen* nennt,
Fürwahr! das Recht des süßen Mund's nicht kennt.
Des Herzens Nachtigall, vom Lockenschwarzwald** her,
Von Lust zu seh'n der Wangen Bagdad, brennt.
Weil Er Gestöhn der Kranken liebt, geschieht's
Daß Er die Seele nicht vom Leibe trennt.
Wenn Er uns Hefen reicht, ist's wahre Leitung,
Die nur des Klosters alter Herr bekennt.
Von Gleißnerumgang trennte Baki sich,
Der sich vom Scheich der Schenken nimmer trennt.
* Unter den Pflanzen ist hier das
Zuckerrohr gemeint.
** Ein geographisches Wortspiel zwischen Karabagh (Schwarzgarten),
die heute zwischen Rußland und Persien getheilte Grenz-Provinz,
und Bagdad, das seiner weißen Mauern und Gebäude wegen
berühmt ist.
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157.
Zerrissen ist der Kragen von der Drängershand,
Und tausendfach zerstückt das Herz von Seiner Hand.
Zum Bogen ward gekrümmt durch Deine Qual mein Wuchs,
Durch der
verwirrten Lockenspitzen Schelmenhand.
Die Hand versprach zwar Treue bey des Festes Lust,
Ich aber trinke Blut, kredenzt von Trennungshand.
Jusuf's Geheimniß wäre ruchbar nie geworden,
Wenn ihm den Kragen nicht zerriß Suleicha's Hand.
Wie lang, o Baki! soll ich noch, gleich Turteltauben,
Gestöhn erheben, tief gekränkt von Cedernhand.
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