Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe He
(Ghaselen 160-180)


160.
Ich sehn' mich nach des Liebsten Lockenbanden;
Es sprenget, närr'sches Herz! der Ketten Banden

Der Schmetterling, der blind umfliegt das Licht.
Schau' wie der Becher kreis't von Hand zu Handen!

Wir lobten Lippenkreis, o Schenkenabt!
Seitdem wir gläubig uns bey dir einfanden.

Du, der du suchst die Welt, erwach' vom Schlummer,
Vom Wahn, daß Andere hier Ruhe fanden.

Bey Baki dringt nicht ein dein Rath, o Frommer!
Weil Zauberformeln nie noch Trunk'ne banden.
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161.
Auf Becher bin ich trunken diese Nacht gefallen,
Der Schenke sprach: Du bist auf Rosen hingefallen.

Aus Furcht, daß in der Brust die Wimpern sitzen bleiben,
Siehst du der Zweige Pfeile zitternd niederwallen.

Als Tänzer auf dem Seil' ist Liebreiz aus den Wimpern
Durch Lockenreif auf Wimperndolche hingefallen.

Der Wangen Schönheit soll mit goldnem Kiel die Sonne
Auftragen auf den Mond, wenn er uns soll gefallen.

Wer schaut den Flaum auf süßen Lippen, Baki! glaubt,
Er sähe Zuckerschrift auf Torten hingemahlen.
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162.
O Herz! ich hielt die Nachtigall in Lust gefangen,
Doch Unglück fiel als Nachtthau auf der Rosen Wangen.

Die Rosenknospe zeigt Schirin's gefärbten Mund,
Die Tulpe thut Ferhard's verbranntes Inn'res kund.

Ich sage: gib, o gib mir, Liebster! einen Kuß;
Von Leila's Pfirsich ward Medschnunen ja Genuß.

Du hörtest von Huri, Kewßer, in jener Welt,
Wer ist's der höher sie als Wein und Mädchen hält?

Vor allen, Baki! sey dir dieses Wort bevor,
Es ist mein guter Rath, du leihe ihm dein Ohr.
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163.
Durch Thränenfeuchtigkeit ist Herzensbrandmaal frisch,
Durch Rosenwangen sind die Rosenbeete frisch;

Doch frisch ist auch der Gram, die Pein von Trennungstagen;
Im Monde Moharrem wird Mond des Brandmaals frisch.

Er legte Baumwoll' auf des Busens blut'ges Maal,
Das sich verwandelte in eine Rose frisch.

Der Herzen Kenner zu gewinnen sey der Schöne,
Wie Baki's Lied, ein Schalk, voll Schelmerey'n und frisch.
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164.
Was ist es, wenn das Herz in blut'gen Dolch verfällt,
Wenn Wimpernpfeilen bloß die Seele ist gestellt.

Das närr'sche Herz begibt sich in der Locken Ketten,
Weil es als Narr sich dieses Dienstes würdig hält.

Das Herz ist Sclave an der Thür' des Sclavensohn's;
Es hatt' der Bettler sich geweiht dem Herrn der Welt.

Wenn Er im vollen Staat des Morgens geht vom Haus,
Die Sonn' in ihrer Bahn mit Ihm nicht Schritte hält.

Die Seele streute Baki aus um Ihn zu gürten,
Als Derwisch band er sich sein Habe um im Belt.*

* Der Gürtel, worein der Derwisch alles steckt, was er besitzt
und bey sich trägt, nämlich: Rosenkranz, Trinkschale
und Rückenkratzer.
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165.
Willst Du ein Rosenbeet! die Schenk' ist das!
Willst Rosen Du? Du findest sie im Glas!

Der Schmetterling genießt die Flamme nicht,
Bis er der zehrenden nicht wird zum Fraß.

So bald Er sah ich sey ein Staub des Weges,
Er mit dem Fuß nicht mehr den Weg durchmaß.

Wer Seines Pferdes Huf mit Wang' anrührt,
Ist einzig in der Welt, der Er vergaß.

Die Verse Baki seyen zugeschnitten,
Nach zartem und nach kriegerischem Maß.
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166.
Der ew'gen Weisheit Kiel schrieb auf das Blatt der Rose,
Daß weinend Nachtigall mit Rosen immer kose.

Die Rose hat die Nachtigall so sehr mißhandelt,
Daß auf der Flur der Schweiß im Thau entquoll der Rose.

In Deinem Haar, o Rosenantlitz! ist die Seele,
Ein Faden, der zusammenhält das Werk, das lose.

Der Baumwolldocht von meines Busens Wunden ist
Jasmin, der sanft zu ruhen pflegt der Nelk' im Schooße.

Wenn auf der Flur, o Baki! tönt des Wein's Gekose,
So singt als Nachtigall der Sänger Vers und Prose.
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167.
Wenn des Fußstaub's Kohol auf mein Auge fällt,
Ist mein Kopf zum Dienste Deines Wegs bestellt.

Meine Nächte leuchten mehr als meine Tage,
Seit der Seufzer Fackel meine Brust erhellt.

Sprüh'n auf meinen Staub die Wimpern Wasser einst,
Wird die Stätte meines Grab's zum Rosenfeld.

Augen hüthet man vor Staub, mich vor dem Thor,
Meiner Seufzer Rauch verhüllt das Sternenzelt.

Während Baki sein Derwischenthum* besingt,
Haben Wimpern Perlen zu dem Wort gesellt.

* Das Derwischenthum spielt hier auf den Thor- oder
Pfortendienst des Schönen an,
indem Der, Thor, und wesch, wie heißt;
Derwisch gleichsam Thorwisch.
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168.
Man trug des Wuchses Lob dem Lebensbaume vor,
Er sah den Cedernleib und neigte sich davor.

Wenn Moschusrehe aus Choten das Feld durchstreift,
So streift es, durch Dein Haar verwirrt, als armer Thor.

O zartes, schönes Kind! es weiß nur Gott der Herr,
Wie viele Seelen man zu säugen Dich erkor.

Was ist's, wenn Seine Liebe nach der Sonne greift,
Der Finger stellt den Neumond, Hand den Vollmond vor.

Es hätte Baki's Arm den dünnen Leib umschlungen,
Läg' nicht der Dolch, der Blut vergießt, im Gurt davor.
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169.
Die Sonne nehmt und schaut nach Seines Sternes Stelle,
Sagt, wer verlacht beym Herz das Ambrahaares Stelle?

Wenn Nebenbuhler seh'n daß ihrer zürnt der Freund,
So schimpft ihr Zorn die Liebenden an Seiner Stelle.

Hoff' nicht an Seinem Thor Mitwerberplatz, o Sofi!
Man bindet dich nicht einmahl dort an Esels Stelle.

Was erst wenn ich als Papagey im Käfig bin,
So lang des Mundes Lob vertritt des Zuckers Stelle;

Der Stein der Schwelle und der Staub von dem Harem,
Dient Baki's krankem Herz an Pfuhl's und Polsters Stelle.
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170.
Wer schaut des Schönheitsschahes Augenbrauen,
Glaubt von dem Glück beschattet sich zu schauen.

Von Fremden habe ich das Haus geleert,
Um deiner Liebe Gram d'rin anzubauen.

Verspott' mich nicht wenn ich die Formen liebe,
Die so zu mahlen Mahler sich nicht trauen.

Für Liebeswein verzehrte einst Kais* das Leben,
Beglückt wer's wagen darf auf solches Pfand zu trauen.**

Der Schenk' vergoß des Weines viel im Kreis des Liebsten,
Doch brauchet es noch mehr Mitbuhler zu bethauen.***

Wie Baki mahlet Deine Schönheit Keiner hin,
Denn nirgends ist ein Blatt so feiner Schrift zu schauen.

* Medschnun, dessen ursprünglicher Nahme Kais war.
** Wörtlich: Dem Betrüger dieses schmählichen Festes.
*** Noch eine Kanne, dieselbe dem Nebenbuhler
auf den Kopf zu gießen.
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171.
Ist's auch, daß Wein kam in's Rubinenauge,
So sieht man keine Blasen doch im Auge.

Als Schuppen fallen Sterne in den Staub,
Ihn einzustreichen als Kohol dem Auge.

Was fällt im Regen denn vom Himmel nieder?
Dein Fußstaub ist's, der Wolken flog in's Auge.

In blut'gen Thränen fließt der Wein aus Schmerz,
Dem Braten kömmt das Feuer in das Auge.

Wach', Baki, auf, der Frühling ist nun da!
Narcissen kömmt des Rausches Schlaf in's Auge.
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172.
Widerschein der Wangen in dem Wein
Strahlt wie in dem Schlaf des Mondes Schein.

In dem Munde ist die zarte Zunge
In der Knosp' als Blatt gehüllet ein.

Ueber Deinen Brauen strahlt die Stirne
Wie die Lamp' an des Altares Schrein.

Seufzerblitz erscheint als Herzensfunken
Goldne Schrift dem Schwert geschmelzet ein.

Noth ist es an Deiner Thür zu seufzen,
Baki soll deßhalb entschuldigt seyn.
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173.
Nun wird die Waare des rosigen Weines geachtet,
Weg mit den gleißenden Stoffen die man nur verachtet.

Becher mit köstlichem Weine von Neuem gefüllet,
Sind jetzt die Nachen mit Wollust und Freude befrachtet.

Becher voll Weines zu leeren taugt nicht dem Efendi,
Der mit papierenem Kahn in dem Wasser verschmachtet.

Was uns die Prediger sagen von Freuden des Himmels;
Wird in dem Kreis als das Ziel des Vergnügens betrachtet.

Baki beritten mit dem Muth auf dem Gaul der Natur,
Schaut unter sich der Beredeten Herzen umnachtet.
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174.
Nichts hat Bestand im wüsten Weltenreich,
Ein Tausend Jahr, ein Augenblick, sind gleich.

Sey nicht wie Knospen eng zur Rosenzeit,
An Lust und Wollust sey die Jugend reich!

O Weiser! läugne nicht des Weines Nutzen,
Wenn auch der Weisheit Buch ihn tadelt gleich.

An Deiner Thür hat keine Wahl das Seufzen,
Unschuldig bin ich, Herr! Gezwungenem gleich.

Was in dem Osten Baki Sonne wähnt,
Ist Wangenwiderschein im Glasbereich.
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175.
Eh Mondfahn' wurde aufgesteckt am Himmelsbogen,
War schon die Welt dem Geld des Herrn der Lieb' gewogen.*

Es waren Seinem Wort die Wesen unterthan,
Und des Ferman's Tughra ward von den Brau'n gezogen.

Des Gartens Ceder gleicht nun dem Jasminenleib,
Weil die Jasminen sich um ihren Stamm gebogen.

Der Mensch kann tragen nicht die drey Mahl drey** des Himmels.
Er wird zuletzt im Rausch um den Verstand betrogen.

Die Reu', o Schenk! ist leicht, doch fürchte ich,
Ich werde zu dem Wein vom Silberarm gezogen.

* Wörtlich: Ward königliche Münze geprägt
auf den Nahmen des Sultans der Liebe.
** Die neun Gläser der neun Himmel, mit welchen
das Schicksal den Menschen berauscht; auch hier
ist die Neunzahl eine heilige Becherzahl, wie beym Horaz.
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176.
Ein Kind in seiner Amme Schooße
Ist noch unabgepflückt die Rose;

Und frisch noch wie des Freundes Lippe
Verschonte sie die Welt, die lose.

Es strömt der Wein im Ueberfluß
Zum Schenkenkuß und Liebgekose.

Der Rebe Tochter trägt das Glas
Als Silberreif auf rother Hose.

Zwey Dolche, Baki! hält bereitet,
So rechts als links das Aug', das lose.
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177.
Rosenzeit und Trinkzeit ist's nun wieder,
Zeit der Flur des Feld's, des Haines wieder.

Hyacinthenmusk und Rosenschminke
Schmücken nun der Erde Wangen wieder.

Rosenbeet ist Abglanz von dem Himmel,
Und Narcissen sind die Pleias wieder.

Lass' die Welt und trink' ein Glas voll Wein;
Wisse, eine Welt ist diese Welt.

Durch Beschreibung Deiner Zuckerlippen
Ist nun Baki süßer Psittich wieder.
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178.
Begnüg' dich Rose Ihm den Fuß zu küssen,
Weil's nicht erlaubt ist Ihm die Hand zu küssen.

Mein Seufzersturm zerstört den Weltenbau,
Weil alle Bauten Stürmen weichen müssen.

Die Ros' ist Unglück; du entsag', o Herz!
Und höre auf den Lockenring zu grüßen.

Es steh'n die Minares vor den Moscheen,
Weil Deinem hohen Wuchs aufsteh'n sie müssen.

Wiewohl Dir Baki, Herr! das Glas nicht bringt,
Ist ihm die Brust von Deinem Gram zerrissen.
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179.
Wenn das Nachtkleid nimmt die Unruh' an den Busen,
Seh' ich wie der Mond sinkt in des Kleides Busen.*

Turteltaube stöhne nicht umsonst des Morgens,
Abends sitzest du in der Cypresse Busen.

Warum weinst du nächtlich von dem Himmel Thau?
Fällst Du nicht zuletzt in schlanker Rosen Busen?

Dich zu loben that ich Versregister auf,
Aber wer nimmt alle Muscheln auf im Busen!

Wangensehnsucht füllet Baki's Brust mit Brandmaal,
Und das Brandmaal steckt als Ros' er sich am Busen.

* Das Nachtkleid nimmt den Geliebten an seinen Busen,
der in dasselbe sinkt, wie der Mond
einst in Mohammed's Busen sank.
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180.
Es fallen trunkene Narcissen
Beym Fest als Sclaven Dir zu Füßen.

Es dienen Viele Deinen Locken,
Von ihren Banden fortgerissen.

Verdienst kommt nicht in unsren Tagen;
Du lach' nicht ohn' warum zu wissen.*

Er kömmt nicht mehr in diese Kreise,
Seit er dem Scheich hat folgen müssen.

Den Bund** schlug Baki mit dem Stock,
Weil er dem Gau entsagen müssen.

* Wörtlich: Vernünftige lachen nicht umsonst.
** Dem Derwischenbund.
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