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Margarete Bruns
(1873-1944)
Inhaltsverzeichnis der
Gedichte:
Frühling
Wie's von funkelnden Farben glimmert und glüht!
Nur wir beide auf sammtenem Wiesengrunde, -
und ich küsse dir still den Lenz vom Munde,
der so rot auf deinen Lippen blüht.
(S. 5)
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Unrast
Welch rastlos quälendes Verlangen
durchzittert mich so fremd und bang,
seit mich in siegendem Umfangen
dein jugendstarker Arm umschlang!
Ich möcht' mein Angesicht verstecken,
o tief verstecken, denn mir ist,
ein jeder müßte dort entdecken,
wie tausend mal du mich geküßt.
Und bei der Arbeit welches Säumen!
Du, du allein bist Schuld daran:
Ich kann ja nichts als von dir träumen,
du einzig heißgeliebter Mann!
(S. 6)
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Plötzlich -!
In leisen Tönen fordert es zum Tanz,
verführerische, weiche Walzerklänge;
den weiten Saal füllt mondlichtweißer Glanz
und flutet über wogendes Gedränge.
Da plötzlich ist's im wirrenden Gewühl,
als fühlt' ich eine Hand mich heimlich kosen -
betroffen fahr' ich auf – und drückend schwül
umglutet mich der Duft von deinen Rosen.
(S. 7)
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Überfall
Weiß und staubig die Chaussee,
sonnenschwere Lindenbäume -
wenn ich einsam mich ergeh',
träum' ich hier die tiefsten Träume
zwischen Sommerkorn und Klee.
Durstig trink' ich Luft und Licht,
in das klare Bild versunken:
wie der Wind die Felder wiegt
und die schlanken Halme biegt,
die in reifem Golde prunken.
Klatschmohn wirkt sein rotes Band;
Raden blühen farbenblitzend; -
und der Himmel, fern am Rand
auf den blauen Berg sich stützend,
leuchtend über mich gespannt!
Plötzlich – horch! ein kurzer Trab -:
Rain und Raden sind versunken!
Lachend springt mein Reiter ab,
und er preßt mich siegestrunken,
eh' ich recht begriffen hab'!
(S. 8-9)
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Erfüllung
Sieh, der Frühling hielt, was er versprochen,
wie ein Bräutigam die Treue hält:
Jeder Kirschbaum blütenüberschüttet,
lüsteheiß die lachend bunte Welt!
War es nicht ein rauher Wintertag,
da die Schollen sich im Strome bäumten,
trüber Schnee auf allen Wiesen lag,
und wir zag
die Erfüllung unsrer Liebe träumten -?
Sieh, der Frühling hielt, was er versprochen:
Jede Knospe ist heut' aufgebrochen,
und wir trinken uns den Rausch der Liebe
in dem wirren, heißen Maienglanz -!
(S. 10)
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Abend
Wir haben kein Wort gesprochen
und saßen so lange allein; …
deines Blutes Pulsen und Pochen
sang mich in Schlummer ein.
Mit beiden Händen hielt ich
lose dein blondes Haar -
tief im Traume noch fühlt' ich,
wie ich glücklich war …
(S. 11)
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Mädchenlied
Von deinem heißen Kusse
zittert noch mein Haar,
mir ist noch wie im Traume:
fremd und wunderbar.
Du machst mich ganz zum Weibe,
so stolz und frei:
An deinem Halse lernt' ich,
was Liebe sei; -
du machst mich ganz zum Kinde,
so jung und rein:
ich weiß von keiner Sünde,
seit ich dein.
In dunkler Sommerreife
glänzt heute Feld und Flur;
ich sitze still und träume
von deiner Güte nur;
und weich wie deine Hände
streichelt die Sonne mein Haupt; -
nimmer, nimmer hätt' ich
an soviel Liebe geglaubt!
(S. 13-14)
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Gefahr
Schwer athmend bebt der Fichtenhain.
Am Waldesrande wir allein -
weit alles still, kein Vogel ruft,
die Wolken ballen sich wie Rauch,
schwül geht die Luft,
noch schwüler geht dein Hauch.
Wie's über'm Berge finster droht!
Wie's bläulich durch die Lüfte loht!
Scheu hat die Sonne sich versteckt,
das dumpfe Donnergrollen weckt
kein Echo weit im Walde.
In deinen Augen züngelt blau
und flackt der Blitze Widerschein -:
Am Waldesrande wir allein -
und drohend wächst die Wolkenwand -
so eigen fiebert deine Hand - - :
Nein, nein, du! Komm: nach Haus!
(S. 16)
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Erwachen
Du hast aus meinen Träumen mich gerissen,
mich aufgeschreckt mit wilden Mannesküssen;
was in mir schlummerte, nun wurd' es wach,
und all mein Leben wird ein lichter Tag.
Du hast mit nie geahnten Liebesgluten
die Schätze aufgedeckt, die in mir ruhten;
zu neuem Ringen jüngt sich meine Kraft,
und Alles in mir gährt und Alles schafft.
So ringen wir vereint im ernsten Leben
- zum Trotze denen, die am Boden kleben, -
auf steilem Weg, ob auch das Herz erbebt,
hinan zum Ziel, das leuchtend vor uns schwebt!
(S. 18)
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Vorahnung
Fühltest du damals
nicht dies? -:
Noch zitterst du, von meinem Blick verwirrt,
wie Knospen schauern, die der Lenz berührt,
und deine roten Lippen werden bleich.
Weit um uns senkt sich tiefes Abendschweigen.
Wie still die Nebel von den Wiesen steigen -.
Nur noch ein Vogel regt sich im Gesträuch.
Doch in den Bäumen lebt ein leises Flüstern,
und hinter Zweigen, die gespenstisch düstern,
fließt es wie fahler, weißer Mondesschein;
Nachtschmetterlinge schwirren auf im Rohr,
und in den Wassern gurgelt es empor
und bricht sich leise plätschernd am Gestein.
Längst schied der Tag und alles Licht zerrann.
Was ist's in uns, das doch nicht schlafen kann
und mit dem dumpfen Flüstern um uns wacht -?
Der Nachtwind streift dein Haar, du fühlst es kaum -:
Durch unsere Seelen irrt es wie ein Traum
von einer düfteschwülen Sommernacht …
(nach Verlaine) (S.
19-20)
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Hingebung
So sei es denn: Du hast gesiegt!
So will ich alles And're missen
und, stumm an deine Brust geschmiegt,
berauschen mich an deinen Küssen.
Von deinem starken Arm gewiegt,
von deinem heißen Blick umflossen, -
ist nicht vom klaren Himmelslicht
ein Schimmer über mich ergossen?!
Dein bin ich ewig – kein Zurück!
Du bist mein Trost, mein starker Leiter,
in deinen Händen ruht mein Glück,
und ich – dein Weib, und sonst nichts weiter!
(S. 21)
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Lied der Verlassenen
Es lockte die Sonne so freudig und hell,
da schnürte sein Bündel mein trauter Gesell,
ein Sträußchen zum Abschied, und dann war er fort -
das Sträußchen am Fenster ist lange verdorrt.
Ihr Blumen im Felde, wie habt ihr's so gut:
Es steckt euch mein Liebster als Schmuck an den Hut,
es küßt euch die Sonne, es kost euch der Wind, -
wer aber küßt mich noch, mich armes Kind?! -
Ein Bursch, der muß wandern; so sagen die Leute.
Ich sitze am Rocken und träum' in die Weite, -
die Hand sinkt so müde, - das Rädchen schläft ein -.
- Ach, wer doch mitkönnte: in die Welt hinein -!
(S. 23)
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Mädchenlied
Schwarz sinkt die Nacht herab,
bald wird es Schlafenszeit.
Wieder zermartert mich
sehnendes Herzeleid -:
Mußt du denn ferne sein?!
Will ja nichts Böses thun:
einmal nur, einmal nur
still dir am Herzen ruhn!
(S. 25)
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In unserem Reiche
Doch hier sind wir allein; hier laß uns bleiben!
Wie du auch spähst: Kein Lauscher ist zu schauen,
Weit hinter uns des Städtchens lautes Treiben;
nur noch der Kirchturm dämmert fern im Blauen.
Der Weiher schweigt in Sommermittaggluten;
erzitternder, rotgold'ner Sonnenschein
liegt buhlend in dem Schoß der Wasserfluten
und hüllt sie warm in satte Farben ein.
So feierstill! – Kein Lüftchen mag hier wehen,
nur manchmal raschelt es im Binsenrohr;
geheimnisvolle wilde Blumen sehen
aus großen Farnen still zu uns empor.
In deinen Armen ruh' ich warm und weich;
die Sommersonne flutet um uns hin - -;
Ja, hier ist unser unermess'nes Reich:
Mein König du, ich deine Königin!
(S. 36-37)
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Seltsam
Du bist so stolz und kühn und groß,
ringst dich von jeder Fessel los
und duldest keinen Herren; -
und beugst dich doch mit Beben
meiner Macht,
und ich nur kann dir geben,
was ganz dich selig macht. (S. 38)
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Aus: Die Lieder des werdenden Weibes
von Margarete Bruns
Minden in Westf. Im Verlage von J. C. C. Bruns 1900
Biographie:
Margarete Bruns (geb. Sieckmann) geb. 24.09.1873 in Minden (Westfalen),
gest. 18.12.1944 Minden, heiratete 1899 den Verlagsbuchhändler Max Bruns.
Gab mit ihrem Mann die Reihe "Auf silbernen Saiten" (1918-1920) heraus und
übersetzte Baudelaires "Novellen und kleine Dichtungen in Prosa" 1904.
Schriften: Die Lieder des werdenden Weibes 1900; Der Stil unserer Kleidung
(Eine ästh. Studie) 1902; Die Märchen der Salamander-Höhle 1913; In
sinkender Sonne (Gedichte) 1925; Die Nacht des Atair (3 Dichtungen) 1927;
Die Hochzeit der Prinzessin Chiera 1929; Ein Traum vom Tode (Trag. Spiel)
o. J.
Aus: Deutsches Literatur-Lexikon Biographisch-Bibliographisches Handbuch
Begründet von Wilhelm Kosch. 3. Völlig neu bearbeitete Auflage
Francke Verlag Bern und München 1968
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