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Ada Christen
(1839-1901)
Inhaltsverzeichnis der
Gedichte:
Ach wie war es leer und
schaurig (Einst)
Die Luft ist wie verpestet
(Elend)
Du kennst mich nicht, du
liebst mich nicht (So ist es)
Es liegt voll seichter Logik
(Logik)
Evoe! Es klingen die Becher
(Verloren)
Ich hab' einen schönen Traum
geträumt (Eine Nacht)
Ich hatt' ihn lang nicht mehr
gesehen (Wiedersehen)
Ich hörte heute deine Schwüre
(Erklärung)
In bangen Nächten, wenn der
graue Wahnsinn (Wiedersehen)
Küsse mich, denn, ach! sie
bluten (Wiedervereinigung)
Mir war, als ob in dumpfen
Schmerz (Erwachen)
Nicht mehr die heißen, süßen
Küsse (Nichts mehr)
Nur Du allein, Du schautest
wie ich litt (Nur Du allein)
O könnt' ich Alles geben
(Herzblut)
O sieh', wie von der Wahrheit
Wort (Vermälte)
O, wende ab Dein Angesicht
(Finis!)
Reize mich nicht - o reize
mich nicht! (Zorn)
Sei nicht so hart, wenn aus
der Brust (Bitte)
Und als ich fortgezogen
(Abschied)
Unseliges Weib! - Ich sah
Dich auf der Bühne (Faustina)
Uns're Schiffe willst Du
lenken (Zu spät!)
Vergieb mir, daß der Schmerz
aus alten Tagen (Mitleid)
Wie seltsam! Unser feiger
Muth (Nach Jahren)
Wie sie lodern, wie sie beben
(Asche)
Einst
Ach wie war es leer und schaurig,
Als ich einst die Straßen zog,
Lebensmüde, sterbenstraurig,
Still mich in Dein Fenster bog.
Als ich dann mit dumpfem Weinen
Auf der Schwelle niedersank,
Von den eis'gen Marmorsteinen
Glühend heiße Tropfen trank.
Bangte Dir, daß sie mich fänden? -
Doch Du hast mich nicht geschaut -
Denn es ward von Priesterhänden,
Fern, ein Weib Dir angetraut.
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 5)
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Elend
I.
Die Luft ist wie verpestet,
Vergiftet, was ich seh',
Und alle Blicke sind Dolche
Und jedes Wort ein Weh.
Die Herzen sind verschlossen,
Erkennen mich nimmermehr;
Von Allen aber, von Allen
Verkennt mich am meisten er!
Und würd' ich's ihm erzählen,
Ihm Alles sagen - o Gott!
Er würde auch dann noch lachen
Und ich - ich wäre todt!
II.
Und bist Du auch so höhnisch mit mir,
Und siehst du mich auch nicht gern,
So ist es mir dennoch manches Mal
Als ständ' ich dir nicht so fern.
Als wären deine Gedanken
Dennoch öfter bei mir;
Und wenn ich so denke und sinne,
Dann treibt's mich hin zu dir.
Ich stehe zitternd vor deinem Haus,
Mir ist, du müßtest mich holen;
Doch Niemand kommt und Niemand ruft -
Und weinend enteil' ich verstohlen.
III.
Ist es nicht thöricht und kindisch schwach,
Wenn ich so seufze und schwärme
Und tugendhaft und thränenreich
Leib und Seele verhärme.
Das Gestern mag vergessen sein
Sammt allen dunklen Sorgen,
Das Heut' ist mein - der Sonnenschein
Vergessen macht das Morgen.
IV.
Lebend unter Niedern und Rohen
Zieht's mich mächtig empor zum Hohen;
Doch die Flügel beschwert mit Steinen,
Sink' ich auf's neue herab zum Gemeinen.
Müde des Eklen und Kleinen
Eil' ich zur Lust, von Schmerz und Noth -
Und so begeistert vom Reinen,
Erstick' ich noch im Koth!
V.
Daß im Herzen mir erstorben
Alle, alle milden Keime,
Daß vom Elend überfluthen
Meine Worte, meine Reime;
Daß in der entweihten Brust
Dunkle Leidenschaften toben:
Menschen, das verdank' ich euch!
Teufel müssen euch belohnen.
VI.
Es giebt viel Jammer in der Welt,
Viel tausend gebrochene Herzen;
An allen Ecken und Enden hallt
Der Aufschrei großer Schmerzen.
Ein Elend aber kenne ich -
Es kann kein größ'res geben;
Zwei kleine Worte schließen's ein -
Es heißt: verfehltes Leben.
VII.
Hab' oft nicht zurecht mich gefunden
Da draußen im Gedränge,
Und oft auch wieder wurde
Die Welt mir fast zu enge.
Dann liebt' ich schnell und lebte schnell
Und schürte mein Verderben;
Der Pöbel johlte - ich lachte
Zu meinem lustigen Sterben.
VIII.
So kommt und seht und staunt mich an!
Ich bin schon, die ihr sucht:
Das Wunderthier, das, noch so jung,
Der ganzen Welt schon flucht.
Doch fürchtet euch nicht, ich bin kein Thier,
Das Menschen zerreißt und verschlingt:
Ich bin ein armes Wesen nur,
Das von seinem Schmerzen singt.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 37-44)
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So ist es
Du kennst mich nicht, du liebst mich nicht,
Und Alles bist du mir;
Du hältst mich wie ein Spielzeug nur,
Und Alles zieht mich zu dir.
Aus Moder, Schutt und Elend
Schlagen heilige Flammen,
Dich wärmen sie nicht; - mein Leben
Brennen sie zusammen.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 76)
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Logik
Es liegt voll seichter Logik
Dein Brief in meinen Händen;
Du meinst, was einen Anfang gehabt,
Das müss' auch wieder enden.
Ich kann mit solcher Weisheit
Mich heute nimmer raufen;
Doch meine beste Logik wär',
Mir einen Strick zu kaufen.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 78)
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Verloren
I.
Evoe! Es klingen die Becher;
Evoe! Es kreischen die Weiber,
Wilder, brünstiger klammern sich fest
Zum lüsternen Tanz die lüsternen Leiber.
Evoe! Die trunkene Lust
Kann uns der Himmel nimmer geben:
Aber die Hölle vergessen läßt -
Evoe! Dieses wüste Leben!
II.
Es rauscht und schwirrt das Saitenspiel;
Sie faßten mich an zum Tanz.
Hei, wie der bachantische Kreis sich schwang
Im blendenden Lichterglanz!
Sie preßten mir in die Hand ein Glas,
Bekränzten mit Rosen mein Kleid:
Ich ward in Bachus Namen getauft
Und der Frau Venus geweiht.
Und wie ich in dumpfer Betäubung
Im Wagen bin gesessen,
Da sagte man mir lächelnd:
So wirst du ihn vergessen.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 27-28)
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Eine Nacht
Ich hab' einen schönen Traum geträumt
In einer langen Nacht;
Da warst du gut und freundlich mit mir,
Doch hat's mich traurig gemacht.
Du hieltest mich an die Brust gedrückt,
Unser Athem hat sich vereint;
Ich habe dir leise die Hände geküßt
Und leise dabei geweint.
Du legtest die Hände mir auf's Haupt
Und sahst mich forschend an;
Ich aber weinte immer fort:
Du hast mir Leides gethan.
»Und hab' ich dir auch Leides gethan,
Vergiß es nur geschwind
Und weine nicht« - so sagtest du,
»Mein armes verlorenes Kind!«
»Du sollst nicht mehr verlassen sein,
Ich will dich hegen und pflegen,
Und weil du bald stirbst, so will ich
Dich selber zur Ruhe legen.« -
Ich aber weinte immer fort
In der langen bangen Nacht -
Und bin wieder einsam, verlassen
Am Morgen aufgewacht.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 34-35)
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Wiedersehen
Ich hatt' ihn lang nicht mehr gesehen -
Und mich beinahe todt gesehnt;
Ich kam zurück zu ihm -
Und habe mich glücklich gewähnt.
Drei Stunden stand ich vor dem Thor
Im Regen pudelnaß
Und holte mir einen Schnupfen
Und Husten so zum Spaß.
In später Nacht kam er nach Haus
Und lud' mich mit Müh' nur ein;
Erzählte, er habe Kopfweh
Von schlechtem Ofnerwein.
Dann sprach er von seinem Windspiel,
Daß es kein schön'res gibt;
Und dann von einer Todten,
Die er vor Zeiten geliebt. -
Wir gingen plaudernd zu Bette,
Er schlief sehr bald auch ein;
Ich aber mußte noch lange,
Sehr lange wach noch sein.
Der Mond schien still durch's Fenster,
Goß über den Schläfer sein Licht
Und sah, wie ich weinend küßte
Des blassen Mannes Gesicht.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 32-33)
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Erklärung
Ich hörte heute deine Schwüre -
Und es bewegt das Herz mir nicht,
Glaub' ich auch selbst, daß heiße Liebe
Aus jedem deiner Worte spricht.
Denn unwillkürlich muß ich denken
Der Zeit, wo du dich wirst bemühn,
Mit leeren Phrasen zu verhüllen,
Des leeren Herzen matt'res Glühn.
Wo endlich du des Kämpfens müde
Und satt der selbstgewählten Ketten,
Schamlos dein eignes Wort verleugnend,
Ein Judas vor mich hin wirst treten.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 68)
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Wiedersehen
In bangen Nächten, wenn der graue Wahnsinn
Mit dürren Fingern an das Hirn mir pochte,
Wenn glüh'nde Thränen meine Kissen netzten,
Mein wildes Herz vor Zorn und Sehnsucht kochte -
In solchen Nächten war mir der Gedanke,
Daß Du noch lebst, daß ich Dich wiedersehe,
Ein Stern, nach dem ich zitternd hob die Hände -
Und trotzig weiter schleppt' ich dann mein Wehe.
Ich sah Dich wieder - wieder plötzlich flammten
Sie alle auf, die alten Wahnsinnsgluthen,
Der wilde Zorn, der Schmerz, die herbe Liebe -
Es war, als müßte ich vor Dir verbluten.
Du aber standest mit dem argen Lächeln,
Das mir bekannt aus gottverfluchten Tagen;
Der fahle Blick macht mir das Herz erstarren:
Es war ein freches, antwortsich'res Fragen!
Und Deine Hände streckten fieberglühend
Sich plötzlich so begehrend mir entgegen,
Und mehr und mehr sah ich Dein Bild erblassen,
Das mich begleitet einst auf allen Wegen:
»Das ist er nicht!« schrie es in meiner Seele,
»So war er nie, so kann er nimmer werden.«
Wofür wär' meine Seligkeit verspielet,
Wofür wär' ich verflucht - verflucht auf Erden! - -
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 6)
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Wiedervereinigung
I.
Küsse mich, denn, ach! sie bluten
Alle noch die alten Wunden,
Küsse mich, daß ich vergesse
Alle die verfluchten Stunden!
Laß mich von den süßen Lippen
Wieder Glück und Liebe saugen,
Laß mich sterben, überstrahlet
Von dem Himmel deiner Augen!
II.
Nein, ich will dich nimmer fragen,
Ob du mich auch wirklich liebst;
Mit geschlossnen Augen nehmen
Will ich, was du gnädig giebst.
Mit gebundnen Händen stelle
Ich mich schweigend deiner Macht,
Nichts mehr hoffend, nur befürchtend
Einer Trennung ew'ge Nacht!
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 82-83)
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Erwachen
Mir war, als ob in dumpfen Schmerz
Die Seele wollt' erlahmen -
Da plötzlich, schier halb unbewußt,
Nannt' still ich deinen Namen.
Und nun im selben Augenblick
Hat es mich überkommen,
Hab' mehr dich als mein Kind geliebt,
Drum ward es mir genommen.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 73)
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Nichts mehr
Nicht mehr die heißen, süßen Küsse,
Nicht mehr die Worte mild und warm,
Nicht mehr den treuen Blick der Augen,
Nicht mehr den Druck von deinem Arm.
Nichts mehr von allen jenen Wonnen
Die Liebe hat und Liebe giebt,
Nichts will ich - um noch fortzuleben -
Sag' nur, daß du mich einst geliebt!
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 79)
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Nur Du allein
I.
Nur Du allein, Du schautest wie ich litt,
Nur Du allein hast meiner Qual geglaubt,
Du schirmtest die Gedanken mir im Haupt -
Als Nacht mit Licht in meiner Seele stritt.
Nur Du allein, Du lieh'st mir Deine Hand,
Als ich einst kam, geschmähet und bedroht -
Als sich kein heimathlicher Heerd mir bot,
Als ich allein auf weiter Erde stand....
Nur Du allein, Du hast mich nie betrübt,
Seit Du erschaut, wie ich so tief verarmt -
Nur Du allein hast Dich einst mein erbarmt,
Hast mich beschützt - und hast mich nie geliebt ...
II.
Sag' nicht, ich soll Dich meiden
Und nimmer sehn,
Wollt' ich Dich auch verlassen,
Wohin sollt' ich gehn? -
Du weißt es ja, ich habe
Keine Heimath dann -
Kein Glück - und keine Stätte,
Wo ich ruhen kann....
Aus: Ada Christen Schatten
Hamburg Hoffmann & Campe 1872 (S. 5-6)
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Herzblut
I.
O könnt' ich Alles geben,
Was dieses Herz bewegt,
Und all die tausend Gedanken,
Die wüst mein Schädel hegt!
Es dränget heiß zur Lippe,
Was mir das Herz zerbricht;
Ich kenn' es, ach, ich fühl es -
Doch sagen kann ich's nicht!
II.
Es fragen mich die Menschen,
Was mich so elend gemacht
Ich sag' euch, ich habe mein Elend
Mit auf die Welt gebracht.
Es liegt in meinem Fühlen
In dem halbentfesselten Geist,
Der aufwärts will und den Alles
Zur Erde doch wieder reißt.
III.
Ich blickte jüngst in mich -
So recht in's Herz hinein
Und glaubte noch etwas zu finden
Von dem, was einstens mein.
Ich sah mein verlorenes Eden,
Mein versunkenes Paradies,
Mich selbst den gefallenen Engel,
Den Himmel und Erde verstieß.
IV.
Ach nur einmal möcht ich sinken
Noch in deine Arme hin,
Und nur einmal noch vergessen
Was ich war und was ich bin!
Ach nur einmal so dich sehen
Wie du einst gewesen bist;
Und dann Alles wieder leiden,
Was schon war und was noch ist.
V.
Nur eine Thräne gebt mir wieder,
Nur eine einz'ge will ich haben!
Mit dieser Thräne aber will
Das todeskranke Herze laben.
In diese Thräne will ich senken,
Mein ganzes namenloses Weh,
Mit dieser Thräne will ich sagen,
Was ich stets fühl' und kaum versteh'!
VI.
Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,
Athmet in der Trunkenheit
Einer Liebe, die befreit,
Die begeistert, die erhebt!
Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,
Athmet in Versunkenheit
Einer Liebe, die entweiht,
An der Schmach und Elend klebt!
VII.
Von dem, was ich besessen,
Ist wenig mir geblieben,
Von meinem süßen Träumen,
Von Glauben, Hoffen, Lieben!
Nur schmerzliches Erinnern
Ist's, was das Herz behielt,
Verachtung, Haß und Thräne -
Und eines Mannes Bild.
VIII.
»Heut haben wir schönes Wetter.«
»O ja, recht schönes, mein Herr!«
Das sind so unsre Gespräche,
So kalt, so dumm, so leer.
Du streichelst mir fragend die Wange,
Du kennst das gewisse Roth;
Für dich ist's nichts als Schminke -
Für mich: in der Brust der Tod.
IX.
Ich hab' in langen Tagen
Gar oft an dich gedacht,
Ich hab' in langen Nächten
Gehofft, geweint, gewacht.
Wie einstmals sitz' ich wieder
Beim abgebrannten Licht;
Ich wache - aber hoffen
Und weinen kann ich nicht.
X.
Ich weinte um den Frühling -
Ich Thörin!
Ich weinte um die Blumen,
Die alle verblüht und verwelkt -
Ich Thörin!
Wer weint um meine Jugend?
Wer weint um meine Träume? - -
XI.
Sieh', in dies dein theures Bildniß
Möcht ich mich so ganz versenken;
Könnt' ich, ach! dem Bilde doch
Athem, Leben, Sprache schenken!
Könnt' ich in die kalten Formen
Gluth und Blut und Liebe gießen,
Könnt ich diese lieben Hände
Heiß zu heißem Drucke küssen! -
Ach, ich kann es nicht. Es bleibet
Kalt und stumm in stolzer Ruh'!
Aber du bist gut getroffen:
Denn es ist so ganz wie du!
XII.
Wenn ich ihn manchmal sah,
Hab' ich gezittert, gebangt;
Und dennoch wieder hab' ich
Nur ihn zu sehen verlangt.
Und wenn er im Vorbeigehen
Nur leicht mein Kleid berührt,
Hab ich noch lang darüber
Mit den Blumen diskurirt.
XIII.
Da sprach er so lieb und so freundlich,
So zärtlich, gütig und mild;
Man konnte beinahe glauben,
Er hab' auch Alles gefühlt.
Doch plötzlich dieser Blick,
Dies Lächeln - o mein Gott!
Dies höhnische Compliment -
Ich wollt', ich wäre todt!
XIV.
Ach ja, es ist nur allzu wahr,
Was nützt dir mein Lieben und Leben,
Und würd ich aus den Adern
Mein rothes Blut dir geben.
Blut ist Blut und bleibt es,
Und wird ja nie zu Geld,
Und Geld gehört zum Leben:
Das ist der Lauf der Welt.
Mein Leben nützt dir nichts;
Bezahlte man mich für's Sterben,
Ich stürbe ja gerne morgen
Um alles dir zu vererben.
XV.
Ich sehne mich nach wilden Küssen,
Nach wollustheißen Fieberschauern;
Ich will die Nacht am hellen Tag
Nicht schon in banger Qual durchtrauern.
Noch schlägt mein Herz mit raschem Drang,
Noch brennt die Wang' in Jugendgluthen -
Steh' still, lösch' aus mit einem Mal!
Nur nicht so tropfenweis verbluten.
XVI.
Wie unglücklich hast du mich gemacht!
Und doch, ich kann dich nicht lassen;
Ich liebe dich stets mehr und mehr -
Und sollte dich endlos hassen.
Mein letzter Stern ging unter,
Als du dich von mir gewandt:
Da bin ich mit vollem Herzen
In's leere Leben gerannt.
XVII.
»Dein Vers hat nicht das rechte Maaß,«
So will man mich verweisen,
»An Fluß und Glätte fehlt es ihm« -
Und wie sie's sonst noch heißen.
Sie zählen an den Fingern ab,
Verbessern wohl zehnmal wieder;
Ich leg' die Hand auf mein blutendes Herz:
Was das sagt, schreib' ich nieder.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 5-21)
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Vermälte
O sieh', wie von der Wahrheit Wort
Die kalten gift'gen Nebel schwanden,
Gesegnet sei der Tag hinfort,
An welchem wir uns wieder fanden.
Wie lange hielt uns Menschen Trug
Und stolzes Schweigen dumpf umfangen,
Wie hemmten wir der Seelen Flug,
Die zweifelnd in dem Dunkel rangen.
Und stehen wir uns weltenfern,
Ist auch vergeudet unser Leben,
Ich habe jedes Leid doch gern
Aus tiefstem Herzen Dir vergeben.
Es ist des Glückes letzte Huld,
Das wir uns heut' die Hände reichen;
Wir büßen ja die alte Schuld,
Gekettet an lebend'ge Leichen.
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 9)
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Finis!
O, wende ab Dein Angesicht,
Das thränenfeuchte, schmerzenbleiche,
Die Thränen wecken Todte nicht,
Und Du knieest hier vor einer Leiche.
Fleh' nicht mit gellem Jammerschrei:
»Nur eine Stunde soll sie leben!«
Es ist vorbei, - es ist vorbei -
Das fühlst Du durch die Seele beben.
Du suchtest Freude hier und Lust,
Der todten Jugend süße Namen;
O Mann! - schau' in die öde Brust -
Und Du verstehst mein »Nein,« mein »Amen!«
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 18)
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Zorn
Reize mich nicht - o reize mich nicht!
Ich könnte sonst vergessen,
Wie viel ich thörichte Liebe für Dich
Und Selbstverleugnung besessen!
Ich könnte vergessen, was ich Dir galt
Und was ich um Dich gelitten,
Drum reize mich nicht - o reize mich nicht,
Zur Stunde kann ich noch bitten!
Doch wehe! wenn ich es nicht mehr kann,
Dann kenn' ich kein Zögern und Schwanken,
Du weißt, wenn meine Lippe zuckt,
Dann morden die bösen Gedanken.
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 8)
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Bitte
Sei nicht so hart, wenn aus der Brust
Ein Mißton sich mir ringt,
Wenn oft ein trotzig-wildes Wort
Gar zu unweiblich klingt.
Hab' sonst nicht viel danach gefragt,
Was zahme Weiberart,
War niemals sanft und selten still -
O sei darum nicht hart.
Ich müh' mich jetzt, so recht zu sein
Wie andre Weiber sind,
Und der Beweis, wie sehr mir's Ernst,
Ist wohl mein kleines Kind.
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 70)
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Abschied
Und als ich fortgezogen,
Hab' ich in der letzten Nacht
Der Straße, wo er wohnte,
Eine Abschiedsvisite gemacht.
Hab' angesehen die Steine,
Die oft sein Fuß betritt,
Und dachte, wär' ich reich,
Ich nähme sie alle mit.
Ich kam zu seinem Hause
Und wußte selbst nicht wie,
Und hin bis an das Thor -
Dort sank ich in die Knie'.
Und sah empor zum Fenster
Und hab' es schmerzlich gegrüßt;
Ich habe mit heißer Lippe
Die Stufen am Thore geküßt.
Ja selbst die kalte Mauer
Berührte mein brennender Mund;
Doch hielt ich zitternd inne,
Denn an mich hinan sprang sein Hund.
Und er stand hinter mir;
Ich sah ihn schweigend an.
Da fragte er mich lächelnd,
Was ich denn hier gethan?
Dies Lächeln war vernichtend,
Ich rang nach einem Wort;
Dann sagte ich kaum hörbar:
»Herr, morgen geh' ich fort.«
Und abermals dies Lächeln,
Das mich so elend gemacht:
»Ich wünsche glückliche Reise -
Und mithin gute Nacht.«
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 25-26)
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Faustina
Unseliges Weib! - Ich sah Dich auf der Bühne,
Ich hörte Dein berauschend-süßes Singen,
Ich sah Dich lachen und den Becher schwingen,
Sah Deinen Blick - und fühlte Deine Sühne...
Denn Deines Auges dunkle Wimper zittert,
Schaut es den Mann, der auf den sammtnen Kissen
Der Loge ruht - den Du an Dich gerissen
Mit wahrstem Lieben - den Dein Reiz umflittert.
Und immer wieder sucht Dein Blick den seinen,
Du fühlst sein Aug' an Deinen Lippen hangen
Voll heißem, jugendfrohem Liebverlangen -
Da zuckt Dein Mund von unterdrücktem Weinen...
Wohl bist Du schön, die königlichen Glieder
Sie leuchten durch die schimmernd-weiche Hülle,
Der gold'nen Locken üppig-duft'ge Fülle
Rollt auf dem stolzen Nacken glänzend nieder.
Und dennoch ist, Unselige, Dein Lieben,
Dein echtes, tiefes, viel zu spät entglommen,
Bald wird der Tag, bald wird die Stunde kommen,
Wo von dem Glück nur Elend Dir geblieben.
Du fühlst schon heute Deiner Jugend Sterben,
Die Todesangst sie klingt selbst durch Dein Lachen,
Du weißt es: der Geliebte wird erwachen -
Und sein Erwachen, Weib, ist Dein Verderben...
Umhüll' Dein Haupt alsdann mit schwarzen Schleiern
Und komm' zu mir in jener Todesstunde,
Hier kannst Du bluten lassen Deine Wunde
Und das Begräbniß Deiner Jugend feiern.
Aus: Ada Christen Schatten
Hamburg Hoffmann & Campe 1872 (S. 7-8)
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Zu spät!
Uns're Schiffe willst Du lenken
Nun nach einem gleichen Ziel?!
Fern Dir, losgerissen treib' ich,
Längst der wilden Stürme Spiel.
Fürchte Du das böse Zischen,
Kalte Grollen, fürcht' das Meer,
Lass' mich ringen mit den Wogen,
Einsam, haltlos, ohne Wehr!
Bleibe still und unbekümmert
Ferne mir und nah' dem Strand,
Bald entsinket ja das Ruder
Meiner kraftlos müden Hand -
Oder - stürze muthig nach mir,
Wenn mein Fahrzeug untergeht -
Sterben können wir zusammen,
Doch zum Leben ist's zu spät!
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 12)
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Mitleid
Vergieb mir, daß der Schmerz aus alten Tagen
Das kranke Herz mir konnte wild verbittern
Und seine rührend kindlich-bangen Klagen
In heiser-schrilles Lachen mir zersplittern.
Ich liebte Dich und wähnte Dich zu hassen,
Als all' die Andern Dir zu Füßen lagen;
Nun da Du alt geworden und verlassen,
Erfasset mich ein unerklärbar Zagen.
O würdest Du wie einst, voll trotz'gem Wagen,
Voll Jugend-Uebermuth mein Herz zerfleischen,
Viel leichter als die Blicke würd' ich's tragen,
Die unbewußt nur tiefes Mitleid heischen.
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 11)
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Nach Jahren
Wie seltsam! Unser feiger Muth
Läßt alle Schmerzen uns tragen;
O hätten wir doch den rechten Muth,
Das lösende Wort zu sagen.
Wir laufen neben einander her
Und werden müder und müder;
Ich werde blässer und kränker stets
Und du wirst kälter und rüder.
O raffe dich auf und fasse Muth
Und sei zum letzten Mal ein Mann.
Brich du mit einem Wort entzwei,
Was ich nicht länger tragen kann!
Aus: Ada Christen Lieder einer Verlorenen
Hamburg Hoffmann & Campe 2. Auflage 1869 (S. 84)
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Asche
I.
Wie sie lodern, wie sie beben,
Still verglimmen und verweh'n -
Und ein Stück von meinem Leben
Seh' in Asche ich vergeh'n.
Weiche, goldig-blonde Locken,
Manche Blume, die da schlief,
Es zerstirbt in Aschenflocken
Mancher alte Liebesbrief.
Welches Glück die Worte brachten,
Diese Phrasen, - Gott erbarm'!
Wie sie heiß den Kopf einst machten -
Heute wird die Hand kaum warm!
II.
Im Kamin lag grau die Asche,
Und ich saß, nachdenklich schürend,
In dem letzten tauben Reste
Nach verborg'nen Gluthen spürend.
Und es flammte aus der Asche,
Wieder helle Funken sprühend,
Eine halbverglomm'ne Kohle
Und zersplitterte verglühend.
Und es flüstert in der Asche:
Warum tödtest Du, berührend
Was noch aufflammt, Dir zur Leuchte,
Dich aus Nacht und Kälte führend? ....
III.
Wilde, ungeberd'ge Flammen,
Die sich suchen und verstecken,
Wie sie zischeln, wie sie schmeicheln
Und sich schlängeln und sich necken;
Wie sie prasseln, knistern, jubeln,
Sich verfolgen und umschlingen,
Wie sie zu dem heißen Reigen
Ihre lockern Lieder singen!
Wie sie endlich glühend züngeln,
Jauchzend hoch und höher schlagen,
Mit den schlanken rothen Armen
Gierig in einander ragen!
Welches glühend frische Leben
Seh' ich in den Flammen treiben -
Und nichts als ein Häuflein Asche
Soll von all' den Gluthen bleiben? ....
IV.
Todte Liebe, - kalte Asche!
Armer, längst zerstob'ner Traum -
Wie ein geisterhaftes Mahnen
Weht es durch den öden Raum!
Oft ist mir, als müßt ich hüten
Dich, wie einst, mein sterbend Kind -
Doch ein Luftzug - und die Asche
Fliegt hinaus in Nacht und Wind!
Aus: Ada Christen Aus der Asche. Neue Gedichte
Hamburg Hoffmann & Campe 1870 (S. 13-16)
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Biographie:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ada_Christen
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