Carl Dallago (1869-1949) - Liebesgedichte

 

Carl Dallago
(1869-1949)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte (Teil 2):
 

 

 

Einsamkeit

Ob du wohl auch so selig bist
und all des Lebens Not vergißt
vor Lieb, die du in mich gesenkt?
Ein Erdgeruch umzittert mich
und Knospe drängt an Knospe sich,
Des Himmels Blau ein bleicher Dunst verhängt.

Rings reiht sich schimmernd Baum an Baum,
es bebt der Erlen Wipfelsaum,
und keine Menschenseele weit.
Ein Brausen schleicht sich übern Bach
und ruft in mir ein Sehnen wach
nach dir - und zittert durch die Einsamkeit.

Schon übern Weg der Dämmer bricht;
mein Blick taucht tief ins gelbe Licht,
es weitet sich der Augenstern.
Wie sanft die Erlenzweige schwingen -
ich höre deinen Namen klingen
hindurch und sich verlieren in die Fern.

Doch bleibt in mir ein zager Ton
zurück so lebenswarm, und schon
loht eine Glut zum Firmament
empor; es sieht sich immer blasser
und fiebernd tret ich dicht ans Wasser
und seh wie in der Flut dein Bildnis brennt.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 5-6)

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Der Garten

Die Unrast tobte mir im Blut -
ich konnt nicht mehr: es war so lang,
seit ich sie sah. In heller Glut
mein krankes Herz - mir war so bang.

Da eilt ich durch die Gassen hin
verworrenen Sinns in wilder Hast;
ich ging ja nicht, ich ließ mich ziehn
von Weh und Sehnsucht tief erfaßt.

Im Garten ihrer Freundin stand
sie schlank im Morgensonnenschein,
durchs Gitter gab sie mir die Hand,
und ging - ich durfte nicht hinein.

Die Kirschbaumzweige rauschten schwül -
ich sah noch einmal heiß nach ihr,
dann ging ich fort mit dem Gefühl,
als ging die weiße Hand mit mir.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 7)

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Schwüle

Auf gefällten Fichtenstamme
starr ich in die Weite trunken,
des Empfindens tolle Flamme
wirft ins Hirn mir glühnde Funken.

Und ich seh den Himmel brennen
in der Lohe der Gefühle,
höre deinen Namen nennen
im versengenden Gewühle.

Und es ist wie Fieberschauer:
tastend zucken meine Hände -
mählich aber weht ein lauer
Atem durch die wilden Brände.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 8)

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Wahlverwandtschaft

Sünde drückt. Von gellen Klängen
fühl ich Tag und Nacht umkreisen
mein Gehirn. Sehnsüchte drängen
mich die Bande zu zerreißen.

Dahin, wo es lind und linder
mich umweht, mich zu erlaben:
dir zu! - Sollen ihre Kinder
deine lieben Augen haben?

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 9)

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Erlösung

Endlich allein der Welt entrückt,
ein Himmelbett im Haidekraut
von Föhrenzweigen fast erdrückt;
im Sommerwind der Himmel blaut.

Der Freundin traute stille Näh
deckt unser Sein in Harmonie.
Erlösung fand mein tiefes Weh
so lind, so lau - ich weiß nicht wie.

Wie lebt es sich so süß, so klar,
so Blick in Blick in selger Ruh,
und staunend werd ich es gewahr:
ein Jesus ich - mein Jesus Du!


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 10)

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Morgengruß

Meiner Sehnsucht tiefes Wehe
zieht durchs Frühlicht still die Kreise
hin zu dir auf müden Schwingen:
an dein Fenster pocht es leise.

Und du hörst ein seltsam Klingen
um dein Bette, und es wittern
deine Sinne meine Nähe -
und du fühlst dein Herze zittern.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 11)

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Erwartung

Durchs Gezweige eilt mein Auge
hin auf lichtbestreuten Wegen
zwischen Wiesengrund und Hecken
dir entgegen - dir entgegen.

Seh ich endlich dich dann nahen,
hängt mein Blick an deinem Gange,
und am ganzen Leibe bebend
wird mir seltsam selig bange.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 13)

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Vorm Hause

Traumverloren dir zur Seite
ich - du saßest still, so still,
silbern klang es in die Weite,
wo der Mondglanz niederfiel.

Und es schlich in uns ein Drängen,
das uns preßte aneinand,
glühend lauschten wir den Klängen
zitternd leise Hand in Hand.

Über schwarzem Fichtenkranze
spann der Mond sein leuchtend Zelt, -
mählich stand vom Silberglanze
rings der ganze Raum erhellt.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 16)

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Die Waldkapelle

Im Sommersonnenwind die Wipfel schauern,
schilfgrüne Lichter schwingen in den Föhren.
Ein Düftewehen von Zitterzweigenmauern,
und eine Lichtung eng im Kranz der Föhren.

Von Stamm zu Stamme wie ein Blumenbogen
schwebt eine Hängematte überm Moose,
drin ruhst du still, den schlanken Leib gebogen
so wundersüß, die Hände auf dem Schoße.

Und meine Seele schwingt in Jubeltönen,
zag nah ich mich und überschritt die Schwelle
und knie mich hin und bet im Rund der Föhren
zur seligen Jungfrau meiner Waldkapelle.


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 18)

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Uebern Bach

Auf dem Söller du mit deiner Freundin,
ich am Waldsaum hart am Bachesrand:
Nur verschwommen seh ich deine Schöne,
doch ich späh hinüber unverwandt.

Und von banger Sehnsucht überwältigt
schreit dir zu mein weißes Taschentuch,
und es weht gleich einem Freudenbanner
mir zurück dein weißes Taschentuch.

Und mir schien ein Weiß noch nie so leuchtend,
nie so silbern klingend einer Farbe Ton -
o du Wunder, du mein lichtes weißes,
du, mein Herzweh - meines Glückes Kron!

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 19)

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Jubel

Zitternd schreit ich still zu Thal,
jeder Schritt ein Lied.
Wies sich mir ins Herze stahl -
obs dein Herz erriet?

Weißt du wie wir oft den Steg
gingen Hand in Hand?
Sieh, es ist derselbe Weg -
wieder blüht das Land!

Soll ich da nicht selig sein -
dein bei jedem Schritt!?
Bin ich sichtbar auch allein
führt mein Traum dich mit.

Träumend meine Hand vielmal
dich ans Herze zieht:
glühend schreit ich still zu Thal,
jeder Schritt ein Lied.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 22)

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Mondscheinbilder

1.
Übern Weg floß Mondenlicht,
und das Wasser rauschte schwer. -
Wir lehnten stumm am Brückenwehr
dein Atem streifte mein Gesicht.

Ich hauchte dir manch Wort ins Ohr
bis du den Blick mir zugewandt,
da fuhrst du staunend jäh empor:
mein Auge in hellen Thränen stand.


2.
Silbern leuchtet das Land,
und der Weg ist so kalt,
auch die Sterne scheinen mir
ohne Leuchtgewalt.
Vorher doch -

Wie ich deine Hand umschloß
all das viele Silber rings
warm um meine Seele floß.
Silbern leuchtet das Land . . .


3.
Und ich ging durch die Nacht
mit schwerem Gemüt.
Durch die Zweige troff Mondlicht,
und es hing verstreut am Weg;
darob ward ich froh wie ein Kind
und lächelt in mich hinein -
lächelte mit schwerem Gemüt.


4.
Die Nacht troff von Mondenschein,
und die Sterne hingen bleich wie dein Gesicht.
Einsam stieg ich empor,
und das Schweigen sprach zu mir
und es war trunkene Sprache der Liebe.
Dann sanken mir die Lider schwer
hoch oben auf freier Alm
in Mondlichtflut.
Eine Schwaige nahm mich auf.
Ich kroch ins Heu:
über mir hing leuchtend dein Gesicht -
ein bleicher Stern.


5.
O Gott, wie lieb ich diese bleichen Nächte,
wenn so des Mondes Glast behängt die Hänge
und lautes Flirren rings im Land! -
Das wirre Tongemenge
drückt schwer auf mich, und einsam schwüle Nächte
langen begehrend tief ins Laub.
Wie steil das Blut zum Himmel brennt! -
O Gott, schon glüht das ganze Firmament!

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 25-27)

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Deine Nähe

Mächtiger die Pulse tosen,
und die Lungen atmen schneller;
Wang und Schläfen zeigen Rosen
und die Augen blitzen heller.

Und die Lippen zittern leise
und die Glieder mit erbeben:
tief im Herzen eine Weise
ringt nach Atem - ringt nach Leben.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 28)

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Heilige Nacht

Sie kannten sich schon lange. Ein tiefes Sehnen
sangen die Augen sich seit Monden zu;
sie litten viel, es trugen keine Thränen
ihren gequälten Seelen Lindrung zu.

Die Nacht war schwül und schwer Gewölk am Himmel,
sie wandelten verträumt am Waldessaum.
ein Tropfen fiel, bald quoll es laut vom Himmel,
sie suchten Schutz gedrängt an einem Baum.

Und Blick in Blick, drin Hochzeitfackelhelle,
jeder des Andern Wunderwelt erkennt:
schon stehn sie zitternd an der Wunder Schwelle . . .
Die Nacht hing tief um sie als Sakrament.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 30)

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Ein Sonntag

Spähend schritt ich auf und nieder,
endlich kamst du schlank gegangen:
meiner Augen Küsselieder
blieben glühend an dir hangen.

Und du schrittst zur Kirche stille,
ich doch schlich durch Waldesräume:
über tiefe Feierstille
wogten Sommersonntagsträume.

Wie im Sang der Kirchenglocken
ich sah strahlen deine Schöne,
wars als webten deine Locken
um mich süße Wundertöne.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 31)

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Morgengang

Wie ein Traum kamst du gegangen.
grau der Morgen hing
und es war, als ob ein Bangen
durch die Erlen ging.

Zitternd mit berauschten Blicken
trat ich in den Weg.
Deines Hauptes leichtes Nicken
trank ich durchs Geheg.

Und ich starb fast vor Verlangen
in dem stillen Raum -
wie ein Traum bist du gegangen
und ich wußt es kaum.


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 33)

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Landschaft

Graue Lichter schwelen durch den Raum
über totenstille Föhrenwipfel.
Leise streift mich deines Kleides Saum.

Und es singt und flüstert rings im Raum.
Deine Augen eilen über Wipfel
hin - ich folg: Das Leben wird zum Traum.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 34)

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Sommerglück

Leuchtend trinken unsre Sinne
dieses Sommersonnenwetter,
aus der Erde quillt die Minne,
und es singen Quell und Blätter.

Und die güldnen Saaten reifen
unterm Himmelszelt, dem klaren,
und in jedem Sommerstreifen
Welten sich uns offenbaren.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 35)

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Schimmer

Ich sah voll Freude die Bäume,
woran die Sonne hing,
wie zitternd jedes Blättchen
das schimmernde Licht empfing.

Und meine Augen tranken
und wurden vom Lichte schwer, -
da kamst du durchs Gehege
so traumesstill daher.

Und wie mein Aug den Schimmer
von deinem Auge fing,
da fühlt ich mich wie ein Blättchen,
das zitternd im Lichte hing.


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 36)

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Ich liebe dich

Auf meinem quellenumrauschten Thron
lausch ich dem Licht, und feierlich
der Morgensonne güldner Ton
singt im Gezweig: ich liebe dich!

Hoch blaut es still. Der Wipfelsaum
der dunklen Fichten ringt empor,
es zittert leise durch den Raum:
ich liebe dich! wie Geisterchor.

Es schwingt mein Blut in heilger Glut,
der Himmel senkt sich schwer auf mich,
und in die Sommersonnenflut
schreit heiß mein Aug: ich liebe dich!

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 37)

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Du!

Sieh mich an mit deinen lieben Augen -
und die Erde wird mir ein sonniges Bild sein!
Rühr mich an mit deinen trunknen Augen -
und die Sehnsucht wird in mir gestillt sein!

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 38)

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Lied

Jeden Morgen staun ich mehr
über deine Schöne,
schreitest du so schlank daher
wiegen rings sich Töne.

Ueber deinen Scheitel hin
rauscht ein Meer von Düften:
oh ich fühl empor mich ziehn
aus des Daseinsgrüften:

Deines Auges Lichtgewalt
schenkt mir neue Breiten,
wie ich still die Hände falt
Lieder sich bereiten.

Und ein weißer Schimmer nimmt
mich so tief gefangen:
durch die weite Erde schwimmt
nur ein Deinverlangen.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 39)
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Endlich

Schon sickert Sonne durchs Geäst
und meine Augen glühn nach dir.
Wie lange du mich warten läßt!
Das Bächlein weint,
die Erlen rings sind taudurchnäßt
und in dem wirren Blattgezier
manch Tropfen sich veredelsteint.

Schon schleicht ein tiefes Weh in mich,
ich fühl wie meine Wange blaßt.
Es ist so einsam ohne dich -
so schrecklich leer!
Die vielen Lichter drücken mich,
ich zittere vor innrer Hast
und meine Augen taumeln schwer.

Nur still, nur still! ich zürn dir nicht,
wär nur dies Sehnen nicht so wild.
Die Liebe zuckt mir im Gesicht:
oh wie dies schreit -
und dieses tolle Sonnenlicht -
doch nein: da schimmerts schon süß mild
das blaue Kleid - dein liebes Kleid.


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 48-49)

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Darling

Darling sagtest du,
Vorher warst du herb
und mein Herz litt so sehr,
doch das Auge blieb kalt.
Darling! sagtest du -
und des Tonfalls Allgewalt
drängte ins Aug mir Thränen schwer.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 50)

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Sommerbild

Ein Bursche auf dem Bänklein im Gezweig.
Zwei weiße Falter schwärmen übern Weg.
Mittsommersonne träufelt aufs Gezweig,
ein Bächlein bricht sich schäumend durchs Geheg.

Unruhig starrt des Buschen Blick ins Licht,
da knickt es leise nahe im Geäst:
froh schaut er auf: ihr wundersüß Gesicht,
hält schimmernd sich ans weiche Laub gepreßt.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 51)

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Gestillt

Und Stunde lang auf Stunde rann,
tief bohrte sich mein Weh:
Das Land lag schwarz und dunkle Flut
stieg hoch und ward zum See.

Ein weißer Schwan schnitt schlanken Flugs
der Wogen dunkles Heer,
auf schäumger Furche blutend schritt
mein Deinverlangen schwer.

Es ward so furchtbar müd um mich,
ich wußt nicht mehr wohin -
da schlug des Schlummers gütige Hand
ein Tuch mir um den Sinn.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 53)

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Mir ist, als müßt ich verstorben . . .

Mir ist, als müßt ich verstorben
noch betteln um deine Gunst,
als müßte der starre Körper
noch zittern in heißer Brunst.

Als ob ich aus dem Grabe
empor zu dir noch müßt,
um dir ins Ohr zu flüstern:
hab mich nicht satt geküßt!

Wenn schwarze Cedernzweige
dann um dein Fenster hacken,
breit ich verlangend die Arme
aus weißem Todtenlaken.


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 54)

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Der Weiher

Der Weiher schläft im braunen Licht,
kein Ruderschlag bewegt die Flut.
Nach ihrem wundersüß Gesicht
schreit seiner Augen müde Glut.

Der Föhrensaum vor Sehnsucht stöhnt,
und überm Wasser rollt der Ton.
Der Wassermann am Grunde höhnt:
"Die Wasserrosen winken schon.

Und wolig weich ists tief am Grund,
wenn man sich nur zu betten wüßt - - - -"
Er horcht und glüht, es zuckt sein Mund
bis er die bleichen Rosen küßt.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 55)

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Kunterbunte Strophen

Ein Bettler bin ich nahe deinen Reizen,
mein Tastsinn zittert zuckend dir entgegen.
Du sonderst in mir alle Spreu vom Weizen
und diesen reifet deiner Schönheit Segen.
Und trunkne Lieder sä' ich deinen Wegen
und bau dir blumge Sonnenschlösser - sinn ich;
und Kron und Purpur will ich um dich legen
du meiner Träume Wunder - König bin ich!
*

Wenn du so dasitzt, singen mir die Adern,
die Augen leuchten und die Nüstern zittern;
des Willens Bau auf noch so festen Quadern,
dein Anblick macht ihn bis zum Grund erschüttern.
Ein Wrack treibt hungrig hin ans Lichtgestade
wenn meine Sinne deine Reize wittern,
dein schlanker Leib ist meine Bundeslade -
mit meinen Gluten will ich ihn erschüttern.
*

Dein Goldgelocke ist ein Meer von Tönen,
ich möcht in ihn die trunknen Finger bohren!
Mich reizt Nichts mehr: mein Lilienland des Schönen
bist du, ich hab mich ganz in dich verloren.
Hoch steigt die Flut, der Liebe Flut in Tagen
und Feuergarben sprühn zum Firmamente;
Sei mein! ich will dich auf den Händen tragen
und meine Brust birgt lauter Sakramente.
*

Die Menschen kamen mir gleich bösen Hunden
und schnappten nach der weißen Wunderblume,
der'n Duft mein müdes Dasein ließ gesunden.
Ich hielt die Hände schirmend meiner Blume.
Doch als die Meute drohte mich zu fällen,
da trat ich unter sie mit wuchtgen Hieben
und hab sie alle vor mir hergetrieben -
nun faucht sie noch aus dumpfen Eheställen.
*

Ein Lied ist jeder deiner Atemzüge.
Es blaut so leuchtend durchs Geäst der Föhren -
ich will nicht weiter deine Ruhe stören,
nur gönne mir, daß ich an dich mich schmiege.
Oh, wenn ich so an deiner Seite liege
singt alles rings, mich völlig zu betören:
es rauscht von Wundern im Gezweig der Föhren -
ein Lied ist jeder deiner Atemzüge.
*

Du gingst und ließt mich in der Nacht zurück.
Noch lange fühlt ich deine Augen klingen,
und jeder Ton war wie ein Meer von Glück.
Der Mond lief übern Weg mit Silberschwingen,
und alle Bäume rauschen schwarz empor . . .
Wo deines Antlitz Schimmer sich verlor,
sah ich der Zweige wirre Schatten schwingen -
und blieb verdüstert in der Nacht zurück.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 56-58)
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Sommerwetter

Am dunklen Himmel zuckten Feuerschlangen.
Der Sturm schüttelte die schlanken Fichten,
ihr Laubdach bot uns Schutz; schon klangen
die Wetterglocken. Große Tropfen fielen.
Da glittst du still und scheu an meine Brust.
Es klang so schirmend im Gewühl der Fichten -
und Hand in Hand wie Kinder unbewußt
kletterten wir empor zu unsern Zielen.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 60)

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Der Ring

In meiner Kammer hängt der Glanz der Nacht.
Wie fiebernd wälz ich auf dem Lager mich.
Müd taumelnd irrt das Auge durch die Nacht
so heiß und laut im wilden Weh um dich.

Am Bettuch tastet zuckend meine Hand: -
Vor wengen Stunden noch saßt du geschmiegt
an mich so eng und über uns gespannt
der Fichten schwarzes Dach vom Glück umwiegt.

Dann warst du durch mein stürmisch Thun gekränkt
und standest hoch in zürnend hehrer Pracht
und nahmst den Ring, den du mir erst geschenkt.
Und meine Thränen flossen in die Nacht.

Und du gingst fort. - Nun wälz ich schlaflos mich:
es blinkt der Ring aus dunkeltiefem Schacht,
und zuckend suchen meine Augen dich . . .
In meiner Kammer spielt der Glanz der Nacht.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 61)

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Das weiße Haus

Die weißen Mauern schimmern weit
im Mondenglast. Ob du schon schläfst?
Des Schlerns Nebelflockenkleid
neigt sich zum Tann;
der steht so schwarz und drohend breit.
Ob du schon schläfst?
Die Nacht rauscht silberhell heran.

Ich ruh verträumt im Stoppelfeld
und in den Garben singt der Wind.
Hoch leuchtend hängt das Himmelszelt,
die weißen Mauern glühen still.
Es regt sich lind
ein Weh in mir. Rings liegt erhellt
das Land und Grillen flöten still.

O Gott! wie einsam ist die Nacht -
wie todtenblaß des Mondes Flut!
all meine Sehnsucht steht erwacht.
Die Erde schreit
in ihres Mantels Silberpracht
und hauswärts zitterts rot wie Blut -
die weißen Mauern schimmern weit.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 62)

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Stelldichein

Die Fichten starrten stumm herab,
tief im Gezweige hing die Nacht.
Der Kiesweg hob sich leuchtend ab
vom schwarzen Forst; es tropfte sacht.

Ein Bächlein klagte wie im Traum,
Geflüster wob sich drüber hin.
Vier Augen flackerten im Raum
und glühten nach dem Kiesweg hin.

"Still jetzt: sieh dort!" Sie stehn empor,
wie Schatten eilt es übern Weg
und aus dem Forst wühlt es hervor
und bricht sich jubelnd am Geheg.

Scheu streift das Glück entlang den Ried
und steht im Forste tief entfacht, -
und schirmend um ein hohes Lied
schlägt ihr Gewand die schwarze Nacht.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 63)

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Notturno

Tiefnacht. Der schwarzen Fichten
zerrissen schirmend Dach
hängt über Felsenblöcke.
Vier Augen liegen wach.

Ihr Funkeln gellt durchs Dunkel
wie Menschenwonneschrei.
Scheu zittert tief im Grunde
der Sünde Melodei.

Die Flamme zweier Seelen
wie Blut zum Himmel brennt,
und aus der Lohe ringt sich
das reine Sakrament.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 64)

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Weihelied

Du hast in mir das Leben
zur heilgen Glut entfacht,
nun lodern Tag und Nacht.

Und auf dem Brandaltare
steht meiner Gottheit Bild:
du lächelst lichtumwoben
mit Menschenaugen mild.

Es zieht in meine Seele
des Glückes Rosenschein,
und eine stille Weise
lullt meine Wünsche ein.


Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 66)

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Das letzte Mal

Spätsommermorgensonne hing
verschämt am Föhrenwipfelsaum,
scheu übern Grund ein Flüstern ging
und Sehnsucht flackerte im Raum.

Mein Auge trank sich durchs Geäst
und hing so müd und hing so schwer
vor Kummer, daß du mich verläßt: -
da kamst du wie ein Lied daher.

Es sang sich seine Melodei
berauschend übern Haidegrund.
Auf meinen Lippen starb ein Schrei
dann hing ich still an deinem Mund.

So blieben wir. Und als du gingst
kam Thrän gerollt auf Thräne dir -
noch einmal du mich lind umfingst,
dann starb der Sommersang in mir.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 67)

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Das Birkenstämmchen

Ich ruh auf Fels und Haidekraut,
und über mir der Zweige laut
Gefächel, sanft von Wind gewiegt,
und spielend meine braune Hand
ein Birkenstämmchen schlank umspannt,
das kreisend vor mir auf und nieder fliegt.

Der Morgenwind hat sich gelegt
ein bleicher Dunst ins Blaue schlägt
und stiller wird es rings um mich.
Das Stämmchen sich sanfter wiegt
schon zärtlich meine Hand sich schmiegt
an ihn, und Sehnsüchte erheben sich.

Das Stämmchen wächst und wird zum Baum
und wird zum Bild und wird zum Traum
und klingt so süß und flirrt so licht. -
Wie brennt so rot das grüne Kraut!
Die tiefe Stille schreit so laut,
und vor mir zittert leuchtend - dein Gesicht.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 68)

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Schwüle Nacht

Dichtgrau Gewölk hängt über mir,
und drüben rauscht der Bach vorbei;
und durch die Nacht so laut und schrill
und endlos wie die Sucht nach dir,
die dich und immer dich nur will,
der Grillen laue Litanei.

Wie horch ich auf! Die Brücke dort
steht fahl im bleichen Mondlichtglanz
von Nacht umringt.
Und lärmend einsam ist der Ort;
im Laub des Windes Atem schwingt,
und dunkler drückt der Wolken Kranz.

So dunkel schwer! es stöhnt mein Lied,
das zitternd deine Kammer sucht
und langt nach Glück.
Erschreckt ein Glühwurmpärchen flieht,
mich aber hält im Feld zurück
allmählig schwer - der Liebe Wucht.

Aus: Ein Sommer Liederreigen
von Carl Dallago
Berlin E. Ebering 1901 (S. 69)

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Ausblick

Ein seltsam Leuchten geht durchs Land.
Wie der November um mich stürmt!
Fast schwankend wird mein hoher Stand,
und flatternd rings das Laub sich thürmt.
Ein wildes Lied durchbraust das Land:
Es knickt und bricht das morsch Geäst.
Oh gib mir deine weiße Hand!
Ja so - hab Dank, nun steh ich fest . . .
Ein seltsam Leuchten zieht durchs Land.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 8)

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Dezemberwetter

Trüb schaut der Morgen durch die stillen Scheiben -
in feuchten Glanz mein Auge auf Dir ruht.
Durch meine Seele wilde Wehen treiben,
du siehst es nicht in deinem Uebermut.
Und höher steigt nach Liebe mein Verlangen,
das Auge brennt und zage irrt mein Mut.
Mein armes Herz bleibt zitternd an Dir hangen:
in meinen Träumen bist du licht und gut . . .


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 12)

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Nach dem Balle

Lärmend rollte unser Wagen
durch die Straßen hin,
östlich strich ein bleiches Tagen
übern Himmel hin.

Und du lehntest weiß im Kissen
wie ein Marmorbild,
in den blassen Finsternissen
klang dein Auge mild.

Draußen durch die Dämmerweite
tanzten Busch und Strauch,
und ich trank an deiner Seite
deiner Lippen Hauch.

Meine trunkne Seele irrte
dir im Dunkel zu,
und um meine Sinne flirrte
schwer dies weiße Du.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 19)

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So hat noch Niemand je mit mir gethan!

Wie flammten seine Augen, wenn er sprach,
und seine Worte klangen so empfunden
und tönten lang im Herzen mir noch nach.
Wie sah er mich mit weiten Augen an,
glücktrunken leicht den Arm um mich gewunden: -
so hat noch Niemand je mit mir gethan!

Es war ein Fluß. Wir gingen still voraus
und traten dann in ein Gerank von Reben
und horchten in die blasse Nacht hinaus.
Der Mond brach durchs Gewölk. Er aber stand
so nah bei mir mit seinem jungen Leben
und zog an seine Lippen meine Hand.

So hielten wir, und unten sang der Fluß,
im Mondlicht zitterte die Gegend stille,
da fühlt ich zitternd seinen ersten Kuß.
Und wieder sah er mich so bittend an,
Daß nicht zu zürnen ihm vermocht mein Wille: -
so hat noch Niemand je mit mir gethan!

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 21)

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Zuflucht

Der Abend kam. Ich floh zu dir ins Haus:
Mein Herz schlug laut und meine Glieder bebten;
die Ohren sangen mir noch vom Gebraus
der bösen Stunden, der vorher durchlebten.
Doch Alles klang in Mollakkorden aus
so nah bei dir, und Rosenschimmer webten
rings deine Blicke - du sahst herrlich aus:
ich fand kein Wort, doch meine Lippen bebten.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 23)

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Irrlichter

Ich wollte nicht, da sah er mich so an:
Oh dieser Blick: die Augen braun wie Moor -
Irrlichter tanzten drin. - Er ging voran
und zog mich fort mit diesem Glanz von Moor.

Und Schritt für Schritt - ich wollte stets zurück -
hielt dieser Schimmer mich an sich gebannt,
nur ab und zu sprach er so müd von Glück,
die Irrlichtaugen heiß mir zugewandt.

Ich mußte mit; es schwand in mir die Kraft,
ich fühlte, wie ich mich an ihn verlor.
Der Frühling hing am Weg wie ich verschlafft,
und weiter trieb mich dieser Glanz von Moor.

Und zog mich in ein einsam Haus am Fluß,
vorm Fenster sang der Wellen banger Chor,
sonst war es still - - da fühlt ich Kuß auf Kuß,
und schwer auf mir die Augen braun wie Moor.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 30)

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Jung-Hedda

Wie war es rings so trübe -
Da kamest du daher:
Dein Anblick ließ mich beben,
bald trug mein Herz so schwer.
Da fing ich einen Schimmer
von deinen Augen her -
und heller ward es immer,
es gab nichts Trübes mehr.


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 32)

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Im Mai

Wie hängt der Mai im Lande licht
und schwingt im Liede jeden Zweig,
und bunte Blumenkränze flicht
er still ins Grün:
es will ja Alles neu erblühn -
so blüh auch du und sei nicht feig!

Mailust rollt übern Rasen hin
und haucht mir Düfte ins Gesicht.
Es bäumt sich hoch mein zager Sinn
zum Schwüre dir:
mag man auch Alles nehmen mir -
die Liebe nicht! - die Liebe nicht -


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 34)

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Maiandacht

Maimorgen hing im Lande licht,
von jungen Zweigen quoll das Laub.
Wir saßen still: dein süß Gesicht
hob weiß sich ab vom dunklen Laub.

Der zage Zug um deinen Mund
machte dich wunderrührend mild -
bald kniete meine Seele wund
vor einem Maimadonnenbild.

Und deine Huld troff schwer auf mich
von deinem heiligen Augenpaar,
mein Herz empfand so feierlich,
als bötst du mir den Heiland dar.

Mir war so lind - so süß, als blieb
mein zitternd Herz in deiner Hand,
und doch wars Lieb - nur tiefe Lieb,
die Alles, Alles überwand.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 35)

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Maiabend

Es war ein Maienabend grau,
die Wolken hingen schwer ins Land.
Im Laube glänzte Tropfentau
wir saßen stille Hand in Hand.

Aus meinen Augen quoll ein Lied,
ein müdes Lied, so heiß und schwer,
das Zittern deines Munds verriet,
daß du verstandest mein Begehr.

Indeß der Tropfen sacht Getick
aufs Blattwerk fiel in heiliger Stund,
hing nur für einen Augenblick
dein süßer Mund an meinem Mund.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 36)

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Herzweh

Wie ich durch die Wälder lief
um mein brennend Weh zu stillen:
Oh, es nimmt mir allen Willen,
was da rinnt im Herzen tief!

Wie es seltsam müde klingt -
und ich laß mich zitternd nieder
bis ein geller Ton mich wieder
herzlos auf und weiter zwingt.


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 37)

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Auf der Lurlei-Bank

Soeben bin ich aufgewacht
von dunklen Fichten überdacht.
Der Wildbach braust zu Füßen mir
und jäh hinunter stürzt der Hang,
und durch die Fichten drängt sich bang
ein Ton zu mir: ein Schrei nach dir
und hebt mich hoch -
und brennend fühl ich deine Macht.

Nun sitz ich da mit heißem Sinn,
und wild und laut die Wellen ziehn
an mir vorbei mit weißem Schaum.
Und schlanke Birken fächeln mild
ihr leicht Gezweig: ein süßes Bild,
umrahmt vom Fichtengürtelsaum -
doch rings so schwer
eilen Erinnerungen hin.

Einst hing die Bank im Wonneschein
wir saßen da so still allein:
der Schiffer und die Lorelei.
Der Wildbach unten zornig rang,
dein wunderdunkles Auge sang
mir zaubersüße Melodei . . .
Nun starren irr
zwei Augen in die Flut hinein.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 40)

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Auf dem Dachsöller

Die Nacht hängt flimmernd über mir:
ich irr am Dache hin und her
und jeder Stern drückt mich schwer.
Ich ruf nach dir:
unruhig kreist das Sternenheer -
die Nacht hängt schreiend über mir.

Und finster rings die Dächer stehn,
ins blaue Dunkel starr empor,
der Pfarrthurm sticht so grell hervor.
Du solltest sehn
mich mit gespanntem Aug und Ohr
im Nachtwind auf und nieder gehn.

Die Nacht hängt schreiend über mir
und glühend auf dem Söller steht
die Seele mein im Nachtgebet
zu dir, zu dir - - - -
Wie mich dein Atem lind umweht
so süß und lind -
ists Traum? - tief müde streicht der Wind:
die Nacht hängt leuchtend über mir.


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 41)

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Junge Liebe

Wenn ers wüßte,
Daß mein junges Herz ihm eigen! -
wenn ers wüßte!
und ich darf es ihm nicht zeigen.

Und es sind verhaltne Lieder
in der Luft, die ihn bekennen,
und durch Laub und Blüten nieder
fühl ich seine Augen brennen.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 42)

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Der neue Charon

Die Barke schnitt mit Silberton
im Dämmer durch die Flut:
sie saß am Kiel, er stand vor ihr -
hoch schlug sein Herz in Glut.

Und wie die Nacht ins Wasser hing
rauschte das Boot so hohl:
vereinsamt in der Finsternis
sein Herze überquoll.

Nun weilt als Fährmann er am Styx
bei Charon, was ihm frommt
und wartet bis sein weißes Lieb
zum schwarzen Flusse kommt.


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 43)

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Bild

Lauschend stand er. Tiefe Stille
lag um ihn, und von den Bäumen
hin und wieder Vogelstimmen.
Zwischen dunklen Fichten glänzten
silberfarbne Birkenstämme,
und die Aeste hingen hungrig
überm leicht gefrornen Teiche . . .
In die bleichen Sommerschleier
dieses herbstfrostharten Morgens
wob sein zitterndes Gelüste
ihre jungen weißen Brüste.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 44)

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Heimweh

Und seh ich dich, stürzt brausend auf mich ein
der Heimat einzig wundersüßes Bild:
Der dunkle Tann steigt hoch im Abendschein
die Stämme leuchten, Wipfel rauschen wild.

Die Abendglut hängt tief am Dolomit
und mählig ziert sein Haupt ein Diadem
von Feuerrosen, die die Sonne schnitt
für ihren Liebling vor dem Abschiednehm'.

Der Wildbach tobt, Bergseen stehn empor
und schaun mich an mit ihrem Nixenblick,
von Thal zu Berge schwingt ein Liederchor
und von den Wassern tönt geheim Musik.

Oh, wenn du lächelst, weiß ich nicht wohin
vor Glück und Weh! mich drängts so wild dir zu -
wie zuckt mein Herz, es schwirrt mir vor den Sinn:
in meine Heimat möcht ich! - hörst du? - du - -


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 46)

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Bitte

Mutter du darfst nicht böse sein!
Er ist wie der Frühling; seine Hand
trug Blumen mir ins Herz hinein.
Da sah ich auf zu ihm und fand
in seinem Aug ein innig Lied.
Es troff auf mich wie Sonnenschein:
Das ists, was mich zu ihm hinzieht -
ob weh es thut, ob wohl es thut! . . .
Mutter du darfst nicht böse sein -
er ist so gut - ist mir so gut! . . .


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 47)

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Septemberabend

Die Dolomiten glimmen schon
und aufwärts eilt der frohe Glanz.
Im Westen blitzt der Sonne Kron
noch überm Hang
und sinkt, und oben wogt ein Meer
blaugülden Licht. Der Berge Kranz
schon dunkelt rings - es treibt wie Sang
durchs Thal, und zitternd hinterher
mein Sehnen steil und sinnenschwer:

Wo du auch weilst, ich bin bei dir
und meine Seele trinkt dir zu.
Hoch ragt mein Herz in Sucht nach dir,
so zackig kühn wie Dolomit,
drin wohnst nur du,
umspült von meiner Lieder Flut.
Doch sieh, wie rasch das Dunkel schritt
zu Thal. - Ein Glöcklein ruft zur Ruh,
und drüber wie getaucht in Blut
der Dolomit in Abendglut.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 56)

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Mein Lied

Es klagt ein Lied im Schlehdornstrauch:
O wärst du da!
Der Nebel trinkt den Sonnenstrahl
und kriecht durch Busch und füllt das Thal
und hängt am Hang wie lichter Rauch - -
O wärst du da!
Es klagt mein Lied im Schlehdornstrauch.

Es träumt ein Lied den Fluß entlang
im Nebelgrau.
Die lieben Erlen stehn verblaßt
und scheu, als hätt sie Furcht erfaßt,
vorm düster schwermutbangen Sang
der Wasserfrau . . .
es träumt mein Lied den Fluß entlang.

Der letzte Dämmer bricht am Ried.
Schon hängt die Nacht
in meine Welt. Gespenstisch droht
der Erlensaum. Durch Nebel loht
der Mond; sein Glanz verschwimmt am Ried.
Ein Sternlein lacht -
und übern Wasser weint mein Lied.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 57)

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Durch die Nacht

Einsam schreit im Mondenlicht
ich so still dahin,
seh dein liebes Angesicht
immer vor mir ziehn.

Einer Glocke großer Ton
zittert übers Land. -
Diese Wege ging ich schon
mit dir Hand in Hand.

Oben blickt der Mond so klar
aus dem bleichen Feld: -
ja so ward ich dich gewahr
in der weiten Welt.

Leuchtend redet mein Gesicht
schweigend durch die Nacht -
und es ist wie ein Gedicht,
das mich glücklich macht.


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 60)

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Auf dem Stahrenberger See

Der Dampfer schnitt die blaue Flut,
die Furche schäumte weiß.
Die grünen Ufer winkten froh -
wir plauderten so leis.

Ich stand so eng an dich geschmiegt,
die Freundin dir zur Seit -
und in die Sonne sah das Glück
mit Augen glänzend weit.

Es war, als streute eine Hand
uns wundersüßen Duft
und über herbstbesonntes Land
strich weiche Wasserluft.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 62)

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Wandlungen
(Ein Nachtpanorama)

O Jugendzeit - o Traum - o Strahl! -
wie lag die Welt so rot und schwer,
als ich liebte als Knabe zum erstenmal:
Der Kreuzbrunnen stand im Abendglanz,
da kam sie lächelnd vom Dorfe her
und grüßte. Heiß stieg in mir die Glut
und wand ihr schnell einen Glorienglanz -
und ich ward ihr gut - o innig gut!

Es schwand die Zeit, ich ward groß und stark
und trug mit mir herum ihr Bild;
die Wollust sog mir nie am Mark,
ihr Bild sah immer nach mir so mild
und hob mich hoch, -
und eines Tags, das Korn lag schwer,
und rings das Land nach Heuduft roch -
da stand sie vor mir so froh und traut;
der Vater gab das Jawort her,
und sie ward lächelnd meine Braut.
***

O Liebe, du Liebe, du nahmst mich gefangen
und trugst mich in Fernen licht und weit,
meines Knabengemütes schwüle Verlangen
zerfloß vor junger Glückseligkeit.
Wie war ich in seliges Sinnen versunken
und starrte, betört von der Liebe Huld,
hinaus mit Augen zukunfttrunken;
im Walde war ich hingesunken
von blendenden Träumen eingelullt.
***

War dann ein Morgen sommerhell,
das Bergdorf hing in Festeszier,
mein Knabenherz schlug laut und schnell.
Die große Glocke vom Thurme rief,
und sie klang so weit und klang so tief
und zog mein Leben hin zu ihr.
Still stand die Braut im Myrtenkranz,
die Brautschar wogte um sie her,
die Kirche strahlte Licht und Glanz.
Mit meinen Augen liebesschwer
sah ich nach ihr so glückbereit
in meiner jungen Seligkeit,
und ich hab sie sonnig lächeln gesehn.
Die Orgel rauschte nieder vom Chor,
wir stiegen zum Altar empor:
ein Ringetausch - und es war geschehn.

Wie lag die Welt so freudeschwer
und heiß vor uns in junger Lust;
ich that so neu und unbewußt,
und stille staunend schritt ich her
mit meinem Glück so hilfbereit,
die Augen voller Trunkenheit
von Lieb und Glauben in meiner Brust.
Der Sommerwind lachte mir ins Gesicht
und küßte mich auf Mund und Haar;
ich sah ihr leuchtend Augenpaar,
und es ward um mich so brennend licht,
daß ich blind genoß - -
und die Freude floß - und die Liebe floß:
was wußte ich, was da lauerte,
in dunklem Winkel lauerte,
als mich das Leben so schmeichelnd umschloß.
***

O Liebe - du Liebe, du heißes Leben -
wie schnell dein freies Aussehn blich!
Die Ketten legte um uns das Leben,
ich wollte nur Freiheit für dich und mich.
Ich sah vor mir nur goldene Zügel,
an denen wir sicher durchs Leben gejagt, -
was wußte ich von der Kraft deiner Flügel!
Nun freilich seh ich, daß Schloß und Riegel
dich reizen zum Fluge unverzagt.
***

Es flackerte seltsam um mich wie Rauch,
und tastend regte die Sehnsucht sich.
Die Räume durchlief oft ein kalter Hauch
von Mißmut. Die Enge der kleinen Stadt
schlug von außen her, und die hohe Sippe
pfiff drinnen ihr Lied in Jubel und Ach -
schlecht tanzte der Bär -: es legte die Klippe,
an der sich das Glück - die Treue brach.

Kam still ein Abend regenschwer
und trüb mit Nebeln grau und fahl,
welk lag das Laub verstreut umher,
die Bäume standen müd und kahl,
und es war so einsam öd um mich: -
da sah ich sie und fühlte, wie
ein schwüler Drang mein Herz beschlich,
und ich klagte es ihr - und sie - verzieh.

Und ich ging zu ihr und schlich mich ins Haus
wie ein Dieb in der Nacht.
Den Flur durchquoll der Stille Gebraus,
ich streifte mir rasch die Schuhe aus
und stieg empor so sacht, so sacht.
Sie stand an der Thür und ließ mich ein:
einer magern Kerze trüber Schein
erhellte mühsam das hohe Gemach;
ans Fenster schlug der Regen wild,
ich sah sie an: steil stieg mein Blut,
und es dampfte mein Herz in verhaltener Glut -
da hab ich unter vielem Weh und Ach
die schreiende Not in mir gestillt . . .
***

O Liebe - du Liebe! wohin du mich zerrtest
mit deiner verräterisch süßen Macht -
wie du schmerzst und beseligst und rührst und härtest
und einen erdrückst mit der Uebermacht!
Als Knabe war ich dir schon ergeben
und rang und buhlte um deine Gunst, -
da nahm ich die Liebe für heiliges Leben:
doch nun will ich leben, lieben und leben
nur nicht diese schwüle, schreiende Brunst!
***

Es kam eine trübe, böse Zeit -
ich wußte nicht mehr wo aus und ein;
die Augen glühten groß und weit,
ich hörte sie nach Liebe schrein
durch all den Schwall von Sinnlichkeit.
Dann saß ich scheu und still für mich
im dunklen Zimmer stundenlang,
die Schwermut breitete sich aus,
und in die Ferne sah ich bang,
wo lange schon der Tag verblich. -
Und ich raffte mich auf und floh hinaus.
Die Nacht war kühl und sternenlicht,
die Straßen starrten menschenleer
in mein erhitztes Angesicht.
Wie trug mein müdes Haupt so schwer,
und ich lief so rasch in meiner Not
und sah hinauf - und fühlte, wie
mein Auge wieder nach Liebe schrie,
und die Sterne funkelten so rot.
Da ward ich wild und lachte vor Schmerz
in das nächtliche Schweigen gell empor,
wie krampfte sich mein armes Herz,
als sich der gelle Ton verlor,
und ich ballte die Faust und sah hinauf
und verklagte den Himmel für meine Not;
im Westen zogen Wolken herauf -
und wilder hatte mein Wehe geloht,
als still eine Sternschnuppe fiel. -
Da verrauchte mein Zorn. Ein eigner Glanz
floß rauschend durch die stille Nacht
und flocht um mich einen Strahlenkranz,
und ich sah ein Ziel - ein neues Ziel -
wie hat es mich so froh gemacht,
so froh und still.
Noch einmal auf! noch einmal die Kraft!
Und ich hab mich wieder aufgerafft
und Alles bedacht -
und wußte, daß ich Liebe will.
***

O Liebe - du Liebe, du brennendes Wunder,
wie funkelt dein Glanz durch des Lebens Geäst!
Du machst des Daseins alltäglichen Plunder
zu einem wundersam süßen Fest.
Der Tag ist zu laut und die Nächte sind weit,
und lauter schwere Sehnsüchte hangen
in meine unendliche Einsamkeit.
Die Adern schwellen vor Verlangen -
und wieder ist Alles kreidebleich:
Da fühl ich meine Arme langen
hin über des Lebens wogenden Teich.
***

So fand ich dich. Hell strahlt dein Bild
vor mir noch unversehrt im Glanz.
Dein Antlitz brannte engelmild
und drüber der Haare duftgoldner Kranz.
Es bebte der Mann von Tanz und Spiel, -
sie sahen es nicht im Gewoge der Lust,
wie der zündende Funke niederfiel:
nun weisen mir strenge Wege und Ziel
die heiligen Flammen in meiner Brust.

Wie tönt dein Blick so süß und mild
aus ferner Welt ein hehrer Klang.
Er ist dein lautes Seelenbild
und hallt in meiner Seele bang,
wo er stolze Triebe greift und biegt,
bis Alles, Alles unterliegt,
was in mir gährte, schrie und rang -
o dieser zwingend süße Sang -
mein heiliges Mädchen, du hast gesiegt!


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 63-69)

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Huldigung

O du bist anders - anders als die Andern!
Du bist so süß, ich weiß es nicht zu nennen;
wie heiß die Lippen auch nach Worten brennen -
ich hör nur: du bist anders als die Andern!

Sieh, meine Seele jauchzt dir zu im Wandern,
schon lebensmüd und klanglos vom Bekennen
ihrer Gefühle, die wie Kerzen brennen
vor dir allein, mein Lieb, und keiner Andern.

O wie mein Herz blüht, wenn du kommst, du Reine:
so blüht des Gläubigen Herz, wenn von Altären
die Jungfrau niedersieht im Glorienscheine,
beweinte Schuld mit ihrer Huld zu klären.
Madonna du, in deinem Mädchenscheine
will sich mein ganzes Dasein neu verklären!

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 70)

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Macht

In deine Hand ist mein Geschick gegeben.
Es droht von allen Seiten auf mich nieder,
man vergewaltigt meine jungen Lieder
und träufelt Unrat in mein lichtes Streben.

Doch steht der Menge rings mein heißes Leben
noch ungebeugt in Mitten seiner Lieder,
wenn zitternd auch - ich ring es immer nieder:
in deine Hand  ist mein Geschick gegeben!

Sieh mich nur an! ich will empor die Stufen
zum Licht, der Menge Thun will nicht viel taugen,
wenn deine Mächte willig nach mir rufen.
Im Strahlenbanne deiner Gottesaugen
stürm ich dahin auf meines Sanges Hufen
und ruf dir zu mit meinen Menschenaugen.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 71)

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Allerseelen

O sieh doch lächelnd in die grauen Töne
sie sollen dein Gemüte nicht bezwingen!
die schwülen Flammen meiner Sinne schwingen
in lichter Glut um deine Wunderschöne.

Laß um die Gräber Kranz und Kerzen singen
ihr Trauerlied. Du lebst: Wie Glücksgetöne
ringt es sich los in mir, und Jubeltöne
hör silbern ich durch Allerseelen klingen.

Und wartet meiner auch die braune Erde,
mein Leben jubelt dir wie trunken zu -
ich wein und lach nicht mit der breiten Herde!

Den Todten laß ich ihre stille Ruh.
Dein Blick umfängt mit wonniger Geberde
mein ganzes Ich und doppelt lebt dein Du.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 72)

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Psalm

Dein Kämmerlein ist meine Betkapelle:
ich knie zu Füßen dir von Schuld genesen,
du bist mein Herr und Gott - ein Wunderwesen,
dein Anblick macht mir Alles rings so helle!

Ich tret mit Ehrfurcht über deine Schwelle,
und was in meiner Seele auserlesen,
stell still ich vor dich hin. Du klärst mein Wesen -
wie sonn ich mich an deines Daseins Helle!

O laß sie murren, laß sie mich verdammen,
die Heuchlerbrut! Der Schöpfungsgott ist milder,
ehr ich sein Werk anstatt der Heiligenbilder,

die schwachen Menschenhirnen nur entstammen,
und geb ich seinen Namen dir, nicht schilt er,
du Heiligstes, das ich geschaut je! - Amen.


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 73)

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Besitz

Nun du wieder da bist,
glänzt wie ein Sonnenball die Welt,
und die Luft ist voll Kraft.
Erwärmung sprießt aus deiner Hand
du Engelskind!
Du stehst von eignem Licht umflossen da,
und Demantfäden schwingen übers Land -
mein Wunder du!

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 84)

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Friede

Ein Wetter hinter uns. Ein Dunstkreis rings,
und wir in Acht und Bann.
Durch Stauden kriecht der Nebelflockenflaum
verschleiernd Haus und Tann,
und dunkler glänzt das braune Feld.
Von fernher Glockenton
wie aus uns längst vergessner Welt.
Und wir allein in seeliger Ruh:
nur du und ich - und ich und du -

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 87)

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Lenzfrühe

Du schläfst noch süß und meine Lieder ziehn
mich schwer hinaus ins taudurchtränkte Feld.
Von Halm zu Halmen eilt ein Schimmer hin,
den Lenzfrühsonne in die Weite schnellt.

Auf einem Baume schnäbeln Finken laut,
und vom Gebüsche hallt der Drossel Lust:
ein jedes Männchen ruft nach seiner Braut,
verlangend hebt sich schneller meine Brust.

Wie trunken schwankt mein Sinn die Gräser hin
und will zu dir und quert die lichten Weiten:
dein Fenster winkt und meine Lieder ziehn
mich schwer hinein zu deinen Heimlichkeiten.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 91)

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Maria Verkündigung

Der Lenzwind rast. Die Dächer streift ein Sausen,
das morsche Astwerk flattert im Getöse.
Die braunen Felder fegt ein scheues Brausen,
im Forste fangen sich des Sturmes Stöße.

Die Leidenschaft steigt steil empor, es beben
mir die Gedanken bleich im Sinnendrange,
was dumpfes ringt in mir geheim nach Leben;
die Weite schwillt im Kräfteüberschwange.

Ich werf entgegen feiler Satzung Banden
mein freies Ich, gleich Frühlingssturmeswehen,
der Triebe Not drückt mir das Recht zu handeln: -
In deinem Schoße will ich auferstehn!

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 93)

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Tannhäuser

Mitsommerwind streicht mir mit linder Hand
um Wang und Stirn und rüttelt mein Gemüt,
noch traumschwer eilt mein Auge übers Land,
und Alles in mir zittert, treibt und blüht.

Wie Mädchenleiber rings die Blumen stehn
so zag und bloß und meine Sinne ziehn,
zu lauter Nacktheit mich; und wieder sehn
sie ein Madonnenbild, vor dem sie knien.

Mein Mädchen, du - o wie erkenn ich klar
daß nach den Reizen dein mein warmes Blut
sich härmt, - dann wieder bist du der Altar,
vor dem die Seele die Gebete thut.

Sieh! wenn der Abend naht auf Seidenschuhn,
lacht uns der Klee dort wie ein Hochzeitbett.
Dann komm mit mir zu beten und zu ruhn,
du meine Venus und Elisabeth!


Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 106)

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Sommerabend

Auf mein Bänklein unterm Baume
Sonnenstrahlen niederfließen.
Meine müden Augen eilen
über schattenstreifge Wiesen.

Und die alte Linde plaudert
süß im Sommerabendwinde,
und mein Sinnen flattert wieder
heim zu meinem schlanken Kinde.

Eine Weihe wundermächtig
ist an mich herangetreten
und so liebeszag und leise
fängt es in mir an zu beten.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 107)

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Im Dunkel

Ein lauer West durchs Fenster zieht,
sie summt mir leise Lieder.
Der Abend draußen sachte flieht,
das Dunkel senkt sich nieder.

Und höher strebt der Schroffensaum,
der Himmel wölbt sich weiter,
die Bäume sehn sich an im Raum,
wie kampfesmüde Streiter.

Sie summt ihr Lied: ob Schatten bleich
sich auch durchs Fenster drängen,
die Stube wird ein Königreich,
drin lauter Lichter hängen.

Und in den Lichtern, nachtumringt,
vom Liede tief durchdrungen
es mich ihr immer näher zwingt,
bis wir uns eng umschlungen.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 109)

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Ein Spielmannslied

Schon färbt das Laub des Herbstes Hauch
und noch kein Heim empfunden,
nach dieser faulen Sitte Brauch
sind wir noch nicht verbunden.

Und haben uns seit Jahr und Tag
geliebt schon und gelitten,
und uns, soviel ein Mensch vermag,
nach Ehe umgestritten.

Bis jetzt doch hat der Pfaffe nicht
ein Bett für uns gesegnet,
geheim beschimpft uns mancher Wicht,
so oft er uns begegnet.

Dabei sie manchem Schandgeschäft
den Namen Ehe geben,
wenn das Empfinden noch so äfft
ihr Thun an Leib und Leben.

Nein, Kind! mit dieser Satzung Not
kann ich mich nicht befassen.
Schon färbt der Herbst die Blätter rot
und alle Blumen blassen.

Ich wart nicht, bis der Jahre Last
verdrängt die Not der Triebe.
Ob jener knurrt und dieser rast,
und all der feile Pack uns haßt,
bist du doch meine Liebe.

Schon falbt das Laub, schwer fällt die Frucht
und Nebel hangen nieder.
Wie dich mein Auge brennend sucht
und höher, höher steigt die Sucht
nach dir und zieht mich fort mit Wucht
hinein in eine stille Bucht,
drin flattern Hochzeitlieder.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 113-114)

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Des Spielmanns Braut

Zur Straßensicht am Fenster lehnt
ein Mädchen still und licht:
Wie diese Häuserspalte gähnt -
die Augen schauen so versehnt
aus blassem Angesicht.

Steil über finstres Dachgezack
ein Taubentroß sich schwingt.
Die Stadt liegt hilflos wie ein Wrack,
ein Stückchen Himmel drüber winkt
und eine Weise klingt.
***

Oh Vaters Garten war so groß
und schön und hell der Teich,
ein weißer Schwan mein Spielgenoß,
und ich so jung und reich.

Mit Bruder und der Schwester mein
lief ich durch Blumen wild
und lachte in den Teich hinein
zu meinem Spiegelbild.

Wie war ich da ein Wildfang noch
voll Uebermut und Hast,
oft schaukelte mich schwindelnd hoch
ein schwanker Lindenast.

Und nun! - Kein Garten lockt mich mehr
hinaus zu frohem Spiel;
es ist, als ob ein Weh so schwer
auf meine Seele fiel.

Die Mutter härmt sich um mich,
die Schwester ist so still,
der Bruder schmäht: Es senkt in mich
sich oft ein Ton so schrill.

Wie seid Ihr klein und zürnt mir,
daß Liebe fort mich trug.
Es rauschen Tauben über mir
in sonnenfrohem Flug.

Stellt Sehnsucht auch der Heimat Bild
verlockend vor mich hin -
ich bin nicht mehr das Mädchen wild,
mein Leben rankt um ihn.

Die Seele mein, mein junger Leib
verlangen seine Näh,
bald werde ich sein eh'lich Weib
in lauter Glück und Weh.

Ja, ich bin sein! - Seid gut, ich bitt,
Ihr wißt nicht, wie es ist:
oft thut so wehe jeder Schritt,
doch zittern Seligkeiten mit
weil er mein Leben ist.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 115-116)

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Morgenandacht

Morgens such ich mit verträumten
Augen schon nach meinem Kinde,
wo die herbstlich rotumsäumten
Blätter wehen wirr im Winde.

Und bei jedem meiner Schritte
schwingen leise Melodien,
welche als Erlösungsbitte
meinem Lieb entgegenziehen.

Und der Garten, wo ich wandre,
schaut verwundert, wer es ist:
eine Blume frägt die andre,
wer der stille Spielmann ist.

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 117)

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Am Ziel

Es glättet junger Friede
mein müdes Angesicht,
das Blut schwillt mir zum Liede,
rings wird es seltsam licht.

Den leisen Gang der Zeiten
hemmt keine Leidenschaft,
schon hör in mir bereiten
ich eine weiße Kraft.

Der Sinne dumpfe Schwüle
zerstob: - wie klar es ist,
und Alles, was ich fühle,
ist, daß du heilig bist!

Aus: Strömungen Neue Gedichte
von Carl Dallago
Tiroler Verlag Innsbruck 1902 (S. 120)

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Maienminne

Maisonne zittert durch den Hag.
Ob uns auch schmäht der Feinde Grimm -
O zage nicht! Schon naht der Tag,
Da ich dich in die Arme nimm.

Ein Blumenbeet - lachst du mir zu:
Daß ich dein Aug' in meines zwäng! -
Mein Glück, mein Heim, mein Garten, Du
in deiner Flechten Goldgehäng!

Du bist der Mai, der in mir schafft,
Und ich der Wald: - In Dunkel schwimmt
Mein Sein bis deine Sonnenkraft
Es fest in ihre Arme nimmt.

Aus: Spiegelungen Ein lyrisches Album
von Karl Dallago
Leipzig Hermann Dege 1903 (S. 24)

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Nächtliche Fahrt

Hör nur - schon knurrt Nachbars Hund,
Tritt leise, leise auf!
Komm her mit deinem süßen Mund -
Ich trage dich bergauf.
Ich bin mit Weg und Steg vertraut,
Sei ohne Furcht und Scheu!
Und oben bett ich meine Braut
Ins frische Almenheu.

Kein Sternlein leuchtet meinem Raub,
Geborgen bleibt mein Gang.
Der Nachtwind stellt sich blind und taub -
Oder er schläft schon lang.
Ich fühl wie deiner Brüste Last
An meiner Brust sich regt,
Wenn so ein schwanker Kiefernast
Uns um die Schultern fegt.

Ist das 'ne bange Seligkeit:
So einsam mit dem Lieb
Im weiten Schooß der Dunkelheit,
Die uns als Wächter blieb!
Und unten schläft das Dorf so lind,
Vertrauend seiner Hut.
Doch wenn es wüßte, wo wir sind -
Dann schlief es weniger gut!

Aus: Spiegelungen Ein lyrisches Album
von Karl Dallago
Leipzig Hermann Dege 1903 (S. 50)

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Seele der Landschaft

Spätsommerluft liebkost mein Gesicht.
Ich fühl, wie in mich die Sonne tropft,
Und die Welt wird so licht - die Welt ist so licht:
Mein Herz vor Freude stürmisch klopft.

Wenn ich die Augen erhebe, schau
Ich Berge so hoch, so klar erhellt,
Und das versonnte, grundlose Blau
Umwickelt wie ein Linnen die Welt.

Und drinnen schläft - wie selig ist mir -
Von Laub und Blumen umringt die Zeit,
Und friedlich spielen Gott, Mensch und Tier . . .
Mein Herz, mein Herz ist die Ewigkeit!

Aus: Spiegelungen Ein lyrisches Album
von Karl Dallago
Leipzig Hermann Dege 1903 (S. 88)

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siehe auch Teil 1

 


 

 


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