Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Agnes
Armengol de Badia
(1852-1934)

katalanische Dichterin


Schüchternheit

Wo oft ich träumt' von ihr,
Hier auf dem Weg so stille,
Es ahnt's mein Herz, wird heut
Vorbeigehn die Geliebte.
Heut sag' ich Alles ihr,
Was meine Brust empfindet.
O fürchte nichts, mein Herz,
Uns hört nur Gott, sonst Niemand!

Gleichwie die Vöglein reizend,
Die durch's Gebüsche fliegen,
Den Weg vom Meierhof
Kommt sie am Abend immer;
Ich wart' auf sie versteckt,
Versteckt wohl hinter'm Schilfe,
Möcht' immer sagen ihr
So gern, dass ich sie liebe;
Doch flieht mich stets der Muth,

Wenn sie mir nah geschritten,
Ich berg' mich selbst noch mehr,
Sie von der Spur zu bringen.
Der Tag entfernt sich schon,
Mit ihm die Nebel ziehen;
Schon sind auf Berg und Thal
Die Strahlen, die von Silber.
O meine Schöne, komm',
O säume nicht, Geliebte,
Heut sag' ich Alles Dir,
Was meine Brust empfindet.
Doch ach, welch ein Geräusch
Dort aus den Weiden dringet?
Sie ist's! Mein Gott, was nun?
Ich berg' mich unter'm Schilfe;
Hernach geh' ich und küss'
Die Spuren ihrer Schritte.


Übersetzt von Johannes Fastenrath (1839-1908)

Aus: Catalanische Troubadoure der Gegenwart
Verdeutscht und mit einer Übersicht
der catalanischen Literatur eingeleitet
von Johannes Fastenrath
Leipzig 1890 (S. 8-9)

 

Biographisches: ?


 

 


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