Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Contessa Lara
Evelina Cattermole-Mancini
(1849-1896)

italienische Dichterin
 


Die Dorfpost

Mag heiß die Sonne glühn in Sommers Mitte,
Decemberschneesturm heulen in der Runde,
Der alte Postmann kommt zu dieser Stunde
Des Wegs daher, gebeugt, mit müdem Schritte.

Auftauchen siehst du dann aus jeder Hütte
Altmütterchen mit zahnlos falt'gem Munde,
Und auf der Blumenfenster Hintergrunde
Blondköpfe, scheu und stumm nach Dorfessitte.

Ein banger Augenblick. An seine Lieben
Hat aus der tristen lärmenden Kaserne
Vielleicht voll Heimweh der Rekrut geschrieben.

Vielleicht - ein leiser Hauch durchschwingt die Lüfte -
Schickst du mir einen Brief aus deiner Ferne,
Mit einer Rose drin voll süßer Düfte.
(S. 222)
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Abends

Und so nun sitz' ich ganz allein und starre
Lauschend in des Kamins Geflacker dort
Und wart' und warte. Eben ging er fort,
Trällernd, vergnügt, im Munde die Cigarre.

Er sagte, daß sehr Wicht'ges seiner harre.
Die Freunde trifft er am gewohnten Ort
Beim Spiel. Vielleicht, falsch greifend den Accord,
Singt dort ein lockres Dämchen zur Guitarre.

Und darum bleibt er fern von mir so lange,
Bis Mitternacht, vielleicht bis Eins sogar,
Indeß der Mond mir trüb ins Fenster scheint.

Dann kommt er munter heim, klopft mir die Wange
Und fragt mich, ob ich auch hübsch artig war,
Und ahnt auch nicht einmal, daß ich geweint.
(S. 223-224)
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Rückkehr

Ich kam zurück. Mein Auge forscht
Neugierig rings umher. Mein Nestchen sieht
So hübsch mich und so friedlich an,
Wie in der Stunde, da ich von ihm schied.

Das Zimmer ist's, das einsame,
Wo manchen Traum ich dem Papier vertraue,
Wo wie ein kühner Falke sich
Mein Geist erschwingt aus engem Nest ins Blaue.

Die Tasten sind's von Elfenbein,
An deren Ton sich süß die Stimme schmiegt,
Die Bücher, drin ein Rosenblatt
Als Zeichen zwischen mancher Seite liegt.

Dort die Terrasse, überall
Epheuumrankt, wo, wenn die Nacht erglänzt,
Mit einer Silberglorie
Der volle Mond mein blondes Haupt umkränzt.

All das begrüß' ich. Heimlich doch
Fühl' ich das Herz bedrückt von Todesschmerz.
O du mein Nest, mein friedliches,
Was ward denn anders hier? Vielleicht mein Herz?
(S. 224)
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Auf dem Esquilin

Manchmal des Abends, während rings umher
Schon alle lauten Tagesstimmen schweigen,
Lockt's uns, den Hügel langsam zu ersteigen,
Als ob dort ein Asyl des Friedens wär'.

Da steht das Haus, darin - wie lang ist's her? -
Uns Liebe gab das erste Nest zu eigen.
Weiß unter Bäumen steht's. Beim Sternenreigen
Es wiedersehn, ist unser heiß Begehr.

Dann sag' ich, traurig: damals, weißt du noch,
Wie sehr du mich geliebt? - O schöne Stunden,
Sagst du, umspielt von deiner Locken Hauch!

Dann seufzen wir und lachen heimlich doch.
Wir wissen ja, das Band, das uns verbunden,
Wird täglich fester nur und heil'ger auch.
(S. 227-228)

 

Übersetzt von Paul Heyse (1830-1914)

Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang Neue Folge
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Hrsg. von Markus Berbauer und Norbert Miller
Reihe V Band 5
Georg Olms Verlag 2002
Nachdruck der Ausgabe Stuttgart und Berlin 1905

 

Biographisches:

siehe:
http://it.wikipedia.org/wiki/Evelina_Cattermole

 

 

 


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