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Marceline Desbordes-Valmore
(1786-1859)
französische
Dichterin
Elegie
Ich war wohl dein von allem Anbeginn,
Mein Leben, kaum bewußt, dir schon verkettet!
Dein Name sagte mir's, der meinen Sinn
Verwirrend überfiel, in den gebettet
Dein Herz sich barg, das meine zu verlocken.
Ich hörte ihn – und er verführte tief;
Ich lauschte lange, bebend und erschrocken:
Da war's, daß deine Seele nach mir rief!
Hast du's gewußt, daß du, mir unbekannt,
Schon mein Geliebter warst für alle Zeiten,
Daß ich ein lang Gefundnes wiederfand,
Als du dann kamst, mein Leben zu begleiten?
Du sprachst – und unsre Seelen küßten sich,
Ich wurde bleich und schlug die Augen nieder;
Aus deinen Blicken rief dein Name mich,
Und Antwort gab mein Herz: "Da ist er wieder!"
Von neuem nahm sein Zauber mich gefangen;
Wie süßes Schicksal klang er meinem Ohr,
Ich sprach ihn immer, und ich sah voll Bangen,
Wie Glut und Hoffen sich an ihn verlor.
Ich las ihn überall, las ihn im meinen,
Ich gab ihm Tränen, gab ihm nie genug;
Oft wollt es meinem Blick, geblendet, scheinen,
Als ob er eine Krone trug.
Ich schrieb ihn nieder – doch verlor den Mut
Und wagte mehr nicht, als ihn stumm zu lächeln;
Er trug des Nachts in meinen Schlaf die Glut,
Und morgens weckte mich sein sanftes Fächeln.
Er lebt in mir, mein Seufzer schließt ihn ein,
Ich atme, und sein Hauch durchschwillt mein Herz:
Geliebter Name, meine Welt ist dein,
Wie ewige Inschrift und wie Erz in Erz!
Du gabst mir Leben, und du wirst im Sterben
Mit letztem Kuß mein letztes Sein erwerben.
(S. 90-91)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Die Rosen von Saadi
Heut morgen wollte ich dir Rosen bringen,
Ich füllte mit ihnen den Gürtel zum Springen -
Der allzu bedrängte, er konnt es nicht fassen.
Er brach auseinander; die Rosen verflogen
Im Wind und sind alle zum Meere gezogen.
Die Wogen, um die sie mich wirbelnd verlassen,
Erschäumen von rötlicher Glut übergossen,
Mein Kleid aber hält noch die Düfte verschlossen …
Komm abends – ich will sie dich atmen lassen!
(S. 92)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Herbstsang
Gedenkst du noch, mein Herz, mein armes Leben,
Des bleichen Herbsttags, der so traurig schien?
Die Wälder seufzten und beklagten ihn,
Der zögernd nur sein Lebewohl gegeben.
Die Vögel sangen keine Zuversicht -
Ein kalter Reif bedrängte ihre Schwingen -
Und wie sie stumm an kahlen Ästen hingen,
Ersehnte man die Blüten und das Licht.
Ich war allein, dem lauten Fest enteilt
Und deinem Blick, um zur Vernunft zu finden,
Doch Schwermut der Natur ist nichts, das heilt,
Wird nur mit unsrer Schwermut sich verbinden.
Ziellos und hoffnungslos und ganz versunken,
Mit langsam scheuen Schritten ging ich hin:
Nun schien der Herbsttag schwül und feuertrunken,
Denn dein geliebtes Bild trug ich im Sinn.
Mit letzter Kraft entfloh ich deinen Ketten
Und meinte so, mich vor mir selbst zu retten.
Mein Auge aber, das in Tränen glühte,
Empfand ein Wirken, das herübersprühte;
Und durch den Nebel kam es auf mich zu,
Ließ mich in Schreck und Zärtlichkeit erbeben:
Vom neuen Sonnenglanz verklärt, umgeben -
Die Himmel öffnen sich – erschienest du!
Ich wagte nicht zu reden; tief betört,
Vom Zauber der Begegnung heiß benommen,
Vermocht ich nicht zu reden, wie verstört,
Daß deine Seele nun zu mir gekommen.
Doch als du meine Hand mit deinen Händen
Umspanntest und ein Schauer mich durchfloß,
Als Röte meine Stirne übergoß -
Mein Gott! Wie flog mein Blut in heißen Bränden!
Nichts mehr von Flucht und gar nichts mehr von Grauen;
Zum erstenmal gestandest du dein Herz.
Mein eignes Leid verband sich deinem Schmerz,
Und meine Seele gab dir ihr Vertrauen.
Ich weiß es noch! Weißt du es noch, mein Leben?
Die köstlich süße Pein
Der Worte, dir von Schwermut eingegeben:
"Ich leide, doch dies Leiden muß vom Himmel sein!"
Vom Walde brach kein andrer Laut das Schweigen.
Der Tag war unsrer Tage hellstes Glück;
Ob nah am Schwinden, hielt er noch zurück.
Und seine Flucht schien deine anzuzeigen!
Das Licht der Welt beglänzte unsern Frieden,
Doch eine Wolke schlang sein Feuer ein -
In unsern Herzen, ewig jetzt geschieden,
Bleib nichts zurück als nur der Widerschein.
(S. 93-94)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Vor dir!
Das Schicksal hatte schon dreimal die Runde
Im Teppich meines Lebens neu geflochten,
Drei Jahre, die ein Dank zu sein vermochten
Für meiner Mutter schmerzensreiche Stunde -
Als deine dich gebar; seitdem bestand
Von dir zu mir ein unsichtbares Band,
Das wies mich durch die Welt, nur dir entgegen,
Den gleichen Pfad, den du zu mir genommen:
Uns hieß das Leben zueinander kommen
Und führte uns auf vorbestimmten Wegen.
Wir fanden uns, und du erkanntest mich,
Dein Auge war mein Himmel, und ich liebte dich!
Es stirbt die Nachtigall am Übermaß der Lieder
Und hinterläßt der Brut doch nur das gleiche Los;
Als meine Mutter starb, da sah sie fassungslos
Auf mich, ihr Kind, das ihre Seele erbte, nieder.
Ihr Blick sprach Zuversicht, doch die besorgte Hand
Hielt innig lange Zeit die meine fest umspannt,
Als suche sie vom Erbe, das sie mir gegeben,
Mein junges Sein befreiend mit empor zu heben.
Und lange, lange Zeit beweint ich ihren Tod,
Trug ihr Geheimnis, das ich nicht zu deuten wußte,
Versiegelt in der Brust und litt gleich ihr und mußte
Gleich ihr, die Stirn gesenkt, bedrängt von bittrer Not,
Die allzu viele Liebe tief in mir bewahren:
Ich hatte noch kein Lied, mein Leid zu offenbaren!
Sein schwaches Schlagen, das der Zeiten Maß
Nur zögernd wiedergab, verriet, wie wenig Leben
In diesem Herzen war; und wie ein Kind, das eben
Halb eingeschlummert über seinen Büchern saß,
Hielt meine Hand mein Schicksalsbuch verschlossen;
Mein schwarzer Gürtel, meine dunkle Trauer band
Mich an der Mutter Grab – was hatte noch Bestand?
Die Welt war groß und leer; es fehlte ihr die Stimme,
Die einzige, die das wüste Lärmen und Gebraus
Zur Heimat machte; nein! die Welt war nicht mein Haus!
Ich scheute ihr Gesetz, ihr Urteil, ihre schlimme
Verlockung und Bedrohung – und von Angst gehetzt
Fand ich das Wort, den Ruf, das laute Lied zuletzt!
Doch als du sprachst: "Ich komme!" welch Geläute
Verscheuchte da den Schlaf aus meinem Blick?
Mit gleichem Arm umschlang uns das Geschick
Und trug uns hoch empor; mein Herz, das heute
Noch müd gewesen war und ohne Halt,
Es blühte auf und hatte nicht mehr kalt.
Gleich matter Blume, die im Licht von oben,
Ganz ohne Stütze, ohne Halt und Pfahl,
Nur an dem Sonnenkuß, dem rosigen Strahl,
Sich aufwärts reckt, ward ich von Glut erhoben -
Und daß du aus den Höhen kamst – so tief!
Das war, weil meine Hoffnung dich auf Knieen rief!
Dann, seit dein Wille mich ergriffen hatte,
Warst du mein Himmel, meine Religion,
Und schweigend nenn ich Bruder dich und Sohn
Und meine Seele, mein Gebet, mein Gatte.
Du wirst es niemals wissen, du, wie weit
In dich hinabgreift meine Innigkeit!
Und würdest du vom Tode mir entrissen -
Ich fände dennoch Augen, dich zu sehn,
Und Rufe, Tränen, die ins Dunkel flehn,
Und Helligkeit und Sieg für Hindernisse!
O selige Mutter, die als Kind dich kannte
Und schützend ihren Arm um deine Jugend spannte!
Sei nicht besorgt, siehst du mich schweigend und versonnen
Dich meiden; meine Liebe sinnt – und sehnt sich oft,
Und brächt es mir auch Tod: die Seele träumt und hofft
Und hat schon manche Frage heimlich fortgenommen.
So höre dies: als du damals mich erwählt -
Hast du dich mir auf Tod und Leben anvermählt?
Hast du so Ewiges gefühlt? – O sag mir's, sage!
Denn sieh, aus allen Tiefen frägt dich meine Frage,
Ich möchte, dir zur Lust, ein ganzes Weltall sein -
Und bin doch nur ein Weib und trage mehr an Jahren
Als du. So bitt ich dich, laß es mich nie erfahren,
Daß du's empfindest, nein, sei gütig, wehr dem Schein:
Ich weiß dir Dank dafür und will beim Schicksal werben,
Daß es mir gönnt, vor dir – vor deinem Tod – zu sterben!
(S. 95-97)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Brief einer Frau
Da du es bist, der unser Bündnis neu
Verknüpfen will,
Da du es bist, der fleht: "Sei lieb, sei treu!" –"
So höre still:
Der Schwur, der das, was süßer Traum sich malt,
Im Brief verspricht -
Da man den Schwur mit tausend Tränen zahlt,
So schreib ich nicht!
Gleichwie die Landschaft, ist der Sturm vorbei,
In Sonne ruht,
Sei unser Auge hell, die Stirne frei
Und froh und gut.
Noch scheucht von meinem Weg dein liebes Wort
Die grauen Sorgen,
Doch sage nicht "auf ewig!" fort und fort,
Sag nur "auf morgen!"
Die hehren Tage, rein und anmutvoll,
Die blumigen Tage, -
Die schweren Tage, wild und dornenvoll,
Durchschrillt von Klage -
Nicht dieses Bild, das schmerzt, lähmt und erstickt!
Komm, sieh nicht hin;
Nein, Zuversicht, die kindhaft vorwärts blickt,
Trägt mehr Gewinn!
Ach, könnt es sein, daß neues Leben sich
Erschließen würde,
Um anders zu verketten dich und mich -
Und ohne Bürde -
Hier, dieses Wort, das wahrste Wort von mir,
Dir fliegt es zu,
Heut abend wacht ein Weib und träumt von dir,
Komm, nimm mich, du!
(S. 98)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Die Verzeihung
Ich sterbe, von der Pein des Schicksals übermannt;
Willst du des letzten Augenblicks Entsetzen lindern?
Leg wieder auf mein Herz die schuldige Hand -
Laß nichts dich hindern!
Sobald es aufgehört, dich flammend zu erleben,
Macht keine überflüssige Reue dir Beschwer;
Sprich nur: "Dies Herz, so zärtlich mir ergeben,
Es liebt nicht mehr …"
Die Liebe flieht aus meiner wunden Brust; ich sterbe!
Schau an dein grausam Werk, schließ nicht die Augen zu:
Der Tod in mir ist nicht so kalt und herbe,
So Eis wie du!
Nimm hin dein Gut! Dies Herz, das nur für dich gewesen,
Hat keine andre Gabe als sich selbst bereit;
Zerreiß es! Und noch immer wirst du lesen,
Daß es verzeiht.
(S. 105)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Schlafe
Dein Schicksalssturm hat mich ins Knie gebogen,
Und deine Tränen weinte ich mit dir;
Wie hoch du flogst, ich bin dir nachgezogen,
Dein Weheschrei fand Widerhall in mir.
Doch was ist Freundschaft dem, der Liebe fühlt?
Ich habe nichts geheilt und nichts erworben.
Verbrannter Boden, den die Woge kühlt,
Er bleibt verbrannt – so bleibt das Herz gestorben.
Ich liebe noch – o nein! Ich bin nicht tot!
Ich gleite vor dir her durch die Gelände;
Wie erster blasser Schein von Morgenrot
Erwärm ich deine Blicke, deine Hände.
Der Kranke fühlt in seinem Schlummer nicht
Den kühlen Hauch, der seine Leiden wendet,
Den sanften Traum, der Schmerz und Fieber bricht:
Ich bin der Traum, den Gott für dich gesendet.
Wie müder Cherubim, der das Gefunkel
Der goldnen Schwingen fest zusammenrafft,
Verhülle deinen Glanz – und durch das Dunkel
Geleite dich mein Licht und meine Kraft.
(S. 106)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Gebet
Laß nicht mich sterben unterm Eis der Jahre,
Gott, der mein Herz aus reinem Feuer schuf.
Mich ängstet Nacht; gib mir in tagesklare
Und sturmdurchjagte Stunde deinen Ruf!
Und vor dem Tod des Einen sei's vollbracht,
Den ich geliebt; zu schwer ist andres Sterben!
Sein Atem hauche Glut in mein Verderben
Und dulde nicht, daß Frost mich fühllos macht …
(S. 107)
Übersetzt von Gisela
Etzel-Kühn (1880-1917)
Aus: Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin
von Stefan Zweig Im Insel Verlag zu Leipzig 1927
Darin die Übersetzungen von Gedichten
Marcelines Desbordes-Valmore von Gisela Etzel-Kühn
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Das erlaubte Geständnis
Komm her, mein Freund! Zu herb bin ich gewesen.
Mama erlaubt's: ich thu' dir etwas kund.
Doch ach! ich bring's nicht fertig. – Kannst du lesen?
Mama erlaubt's, prüf' meiner Augen Grund!
Wie bin ich wirr! Gesenkt sind ja die Lider.
Mein Antlitz flammt, - so schäm' ich mich vor dir!
Mama erlaubt's, das schlägt die Skrupeln nieder:
Fühl' meine Glut, fühl' nach dem Herzen mir!
Du Aermster, ahnst noch immer nicht die Kunde?
Es ist so süß! Hilft dir mein Herz nicht fort?
Du findest's nicht. So nimm's von meinem Munde!
Die Augen schließ' ich, - nimm, und sprich kein Wort. (S. 60)
Übersetzt von Sigmar
Mehring (1856-1915)
Aus: Die französische Lyrik im 19. Jahrhundert
Mit eigenen Übertragungen von Sigmar Mehring
Grossenhain und Leipzig 1900
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Erste Liebe
Ob er noch denkt an jene Mädchenblüte,
Die bang und züchtig einst vor ihm erschien?
Sie fühlte in noch kindlichem Gemüte,
Daß sie doch nur geschaffen war für ihn.
Nicht Schwüre gab es, noch Beteuerungen,
Sie war so jung, daß ihr ein Zweifel kam.
Die Liebe war der reinsten Brust entsprungen,
Sie gab sich ohne Kampf ihm, ohne Scham.
Und er verließ sie, den ihr Herz erkoren.
Und rasch verglomm des ros'gen Glückes Licht!
Wohl längst ging ihre Blütezeit verloren, -
Von ihrer ersten Liebe läßt sie nicht.
(S. 61)
Übersetzt von Sigmar
Mehring (1856-1915)
Aus: Die französische Lyrik im 19. Jahrhundert
Mit eigenen Übertragungen von Sigmar Mehring
Grossenhain und Leipzig 1900
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Des Weibes Traum
Wünscht du dich wieder jung auf Erden,
O Weib mit schon gebleichtem Haar?
Willst du zum Kinde wieder werden,
Umschmeichelt von der Engel Schar?
Willst du, daß dich die Mutter kose
Und daß ihr Lied dir wieder tön'?
- "Das süße Glück, das namenlose?
O ja, mein Gott, wie wär' das schön!" -
Willst du, im Elternhaus geborgen,
Bei frohen Spielen und Gebet
Aufdämmern wie ein Frühlingsmorgen,
Noch von der Unschuld Hauch umweht?
Soll dich die Jugend neu beschwingen
Wie Vögel in den lichten Höh'n?
- "Wollt' sie so schnell nur nicht entspringen!
O ja, mein Gott, wie wär' das schön!" -
Willst du noch fremd ins Leben schauen
Wie in ein unbekanntes Buch,
In jungfräulichem Weltvertrauen
Nichts ahnen von des Unglücks Fluch?
Und willst dieselben Pfade schreiten,
Die lockten deinen Mädchensinn?
- "Wenn sie nicht hin zu Gräbern leiten,
O ja, mein Gott, dann hilf mir hin!" -
So labe dich von Jahr zu Jahren
An Freundschaft, Blumen, Harfenspiel, -
Sollst jede Freude neu erfahren,
Bis zu des Herzens schönstem Ziel.
Schon ist die stille Glut erglommen, -
Nun, wilde Flamme, loh' heraus!
- "Soll mir die Liebe wiederkommen?
- O du mein Heiland, lösch' mich aus!"
(S. 61-62)
Übersetzt von Sigmar
Mehring (1856-1915)
Aus: Die französische Lyrik im 19. Jahrhundert
Mit eigenen Übertragungen von Sigmar Mehring
Grossenhain und Leipzig 1900
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Hätt' er's gewußt
Hätt' er's gewußt, wie tief er mich verwundet,
Ihr heißen Thränen, hätt' er euch geseh'n,
O hätte nur dies Herz, von ihm erfüllet,
Die Macht behalten, ihm es zugesteh'n;
Unmöglich hätt' er so sich ändern können;
Getäuschte Hoffnung brächt' ihm keine Lust;
So reiche Liebe müßt' ihn doch besiegen,
Hätt' er's gewußt.
Hätt' er's gewußt, was man erwarten dürfe,
Von einer Seele, rein, warm, nie versteckt;
Die meine fordert' er, es zu erfahren,
Und Liebe kennt' er, wie er sie geweckt.
Wohl künden ihm es die gesenkten Blicke,
Hat er es nicht durch meine Schaam gewußt?
Werth war ein solch Geheimniß seiner Seele,
Hätt' er's gewußt.
O hätt' ich selbst gewußt, wie seine Augen
Beherrschen, wenn sie einmal faßt der Blick;
Statt ihn zu suchen, wie die Luft des Himmels,
In and're Länder trüg' ich mein Geschick.
Es ist zu spät, mein Daseyn zu erneuen,
Das Leben kostet mich die süße Lust.
Doch er, der mir es raubt, wird seufzend klagen:
Hätt' ich's gewußt!
(S. 107-108)
Übersetzt von Oskar
Ludwig Bernard Wolff (1799-1851)
Aus: Poetischer Hausschatz des Auslandes
Übersetzungen in den Versmaaßen der Originale
von O. L. B. Wolff
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1848
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Erinnerung
Als eines Abends plötzlich er erblaßte,
Als seine Stimme unverhofft verstummte
Im halbgesproch'nen Wort, als seine Augen
So brennend heiß, mich schwer verwundeten
Mit Leiden, die ihm eigen, wie ich wähnte -
Als seine Züge von der Gluth durchflammt,
Die nimmermehr erlischt, sich lebend prägten
In meiner Seele tiefsten, tiefsten Grund,
Da liebt' er nicht, ich liebte, ich allein.
(S. 108)
Übersetzt von Oskar
Ludwig Bernard Wolff (1799-1851)
Aus: Poetischer Hausschatz des Auslandes
Übersetzungen in den Versmaaßen der Originale
von O. L. B. Wolff
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1848
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Ich weiß nicht mehr
Ich weiß nicht mehr, was meinen Zorn erregte,
Er sprach zu mir – sein ganzes Unrecht floh,
Sein Auge fleht, sein Mund strebt zu Gefallen. -
Wohin mein Zorn entwischt du schüchtern so?
Ich weiß nicht mehr. -
Ich will nicht mehr betrachten, was ich liebe
Denn lächelt er, vergeblich wird mein Schmerz,
Er zwingt durch Himmelssanftmuth mich zur Liebe
Und thut er's nicht, so thut's das eig'ne Herz.
Ich will's nicht mehr.
Ich kann ihm nicht entfliehen, wenn er ferne
Und mein Gelübde ist umsonst, ich blieb,
Als er zugegen, hindernd daß er's lerne. -
Doch fern von ihm sein, der allein mir lieb,
Ich kann's nicht mehr.
(S. 108-109)
Übersetzt von Oskar
Ludwig Bernard Wolff (1799-1851)
Aus: Poetischer Hausschatz des Auslandes
Übersetzungen in den Versmaaßen der Originale
von O. L. B. Wolff
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1848
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Ich schlief
Man schellt, man schellt, man schellet noch,
Er ist's! o Gott! – um den ich litt;
Doch er kehrt heim, ich lieb' ihn doch:
Macht auf, beeilet euren Schritt!
Wo seiner ich so oft geharrt,
Erfüll' mit Glanz dich, Stübchen traut!
Er kommt sogleich – mein Blut erstarrt;
Er zögert noch, mein Herz pocht laut.
Ich seh' Nichts mehr, der Himmel dunkelt,
Fort, schwarze Wolk'! ich rief;
Die Arm' weit auf, das Auge funkelt -
O Gott, ein Traum war's und ich schlief!
(S. 413)
Übersetzt von F. W.
Dralle
Aus: Bildersaal der Weltliteratur.
Aus dem Literaturschatz der Morgenländer –
der Alten – der Romanen – der Germanen –
der Slaven – der Magyaren und der Neugriechen
Ausgewählt, systematisch geordnet, von der ältesten
bis auf die neueste Zeit fortgeführt
und mit Anmerkungen und einem literarhistorischen Katalog
versehen und herausgegeben von Dr. Johannes Scherr.
Stuttgart 1848
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Biographisches:
siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Marceline_Desbordes-Valmore
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