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Isabella Arkadjewna Grinewskaja
(1864-1942)
russische Dichterin
Wenn ich dein Lachen höre
und deiner Stimme Ton
und seh in deinem Auge
den holden Blick erlohn -
dann scheint es mir: auf Erden
gibt's mehr kein Herzeleid,
keine Scheiden, keinen Treubruch,
kein Bangen, keinen Neid.
Allein wenn deine Braue
sich furcht und heimlich bebt
und über deiner Stirne
ein düstrer Schatten schwebt -
dann scheint es mir: das Leben
ist voller Not und Pein,
das Leben, das uns malmet
wie Korn der Mühlenstein.
O schenke mir ein Lächeln,
o rede mir ein Wort
und scheuch aus meinem Herzen
die Furcht des Lebens fort!
O laß dein Auge strahlen
den alten holden Blick,
damit ich wieder glaube
an dieser Erde Glück!
(S. 39)
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Streicht klingend durchs Gebüsch der Wind,
wie Harfensaiten beben? -
Nein, deine Seele fühl ich lind
in meiner Seele weben.
Schickt holden Gruß der Mondenstrahl mir
aus des Gewölks Geschiebe? -
Nein, in den tiefen Blicken dir
erglüht der Strahl der Liebe.
Rinnt über Steine plätschernd fort
der Bach zu nächtger Stunde? -
Nein, schüchtern flutet dir das Wort,
das zitternde, vom Munde.
Schmilzt von der Sonne heißem Kuß
das Firneis hoch im Blauen? -
Nein, mir bei deinem Lächeln muß
das Eis des Herzens tauen.
(S. 40)
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Wenn sie vor deinem Blick, dem liebetrunknen, steht
gleich einer Blume keusch und schön wie Gletscherschimmer,
mit Augen, deren Strahl gemahnt an Sternenflimmer,
doch dich - der lohe Hauch der Leidenschaft durchweht;
Wenn tempelschänderisch mit deinen starken Armen
du willst im wilden Drang sie ziehn an deine Brust -
o, scheuch den zarten Traum nicht durch die rohe Lust,
gebiete deinem Blut und hab mit ihr Erbarmen!
Der Seele rett ihr Bild aus der Gebilde Wust -
erheben wird es dich! Ja, hat dich aufgewiegelt
die Macht der Leidenschaft unbändig, ungezügelt -
wird leuchten dir ihr Blick gleichwie des Sternes Glut,
der als ein Spiegelbild bebt in des Teiches Flut . . .
O, trüb das Wasser nicht, darin der Stern sich spiegelt!
(S. 40)
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Zwei Lose
Ein plumper Kasten ward getragen
durchs Marktgewühl voll Achtsamkeit.
"Zerbrechlich! Eine Harfe!" warnte
auf ihm die Aufschrift, sichtbar weit.
Ein zartes Mädchen trat zur Seite,
die Augen überflort von Pein.
"Ein Herz! Zerbrechlich!" schien geschrieben
in diesem Jammerblick zu sein . . .
Beschädigt wurde nicht die Harfe
in ihrer starken Bretter Hut.
Sie klingt, wie immer sie geklungen,
und klingt im lebensfrohen Mut.
Doch in des zarten Leibes Hülle
hat nicht gerettet sich das Herz:
gebrochen ward's im Marktgewühle -
nun klagt es nimmer seinen Schmerz!
(S. 41)
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In der Übersetzung
von Friedrich Fiedler (1859-1917)
Gedichte
und Biographie aus:
Russische Dichterinnen. Ausgewählte Dichtungen
übertragen
und mit biographischen Notizen versehen von Friedrich
Fiedler.
Leipzig Verlag von Philipp Reclam jun. 1907
Biographie:
Isabella Arkadjewna Grinewskaja geborene Freidberg wurde am 15. / 3. Mai
1865 in Polen geboren und heiratete den Schriftsteller Alexander
Kajetanowitsch Grinewskoj (gest. 1905).
Sie veröffentlichte mehrere kritische Essays (Gerhard Hauptmann),
Novellen, Dramen (z. B. "Der Bab", auch ins Armenische übertragen) und
Übersetzungen (Rovetto, d'Annunzio). Lebt in Petersburg.
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