Hafsa eine berühmte
Dichterin in Granada und nicht minder wegen ihrer Schönheit als wegen
ihres seltenen Talentes gefeiert, hatte ein Liebesverhältniß mit dem
Dichter Abu Dschafer. Da aber der Statthalter von Granada ein Auge auf sie
warf und sich von Eifersucht zu Nachstellungen gegen den Nebenbuhler
fortreißen ließ, sah sie sich zu großer Vorsicht genöthigt, und zögerte
einst, als der Geliebte sie um eine Zusammenkunft gebeten hatte, zwei
Monate lang mit der Antwort. Da schrieb Abu Dschafer folgende Verse an
sie:
Du, der ich dieses Briefchen
sende -
Nicht darf ich, dich zu nennen, wagen -
Warum erfüllst du meinen Wunsch nicht?
Die Zög'rung kann ich nicht ertragen,
Und warten nicht, bis es zu Ende
Sich neigt mit meinen Lebenstagen.
Wie manche Nächte, wenn die Schatten
Des Dunkels auf der Erde lagen
Und selbst der Tauben Seufzen schwieg,
Hab' ich verbracht in Leid und Klagen!
O wehe, weh den Liebenden,
Wenn ihren Grüßen, ihren Fragen
Die Freundinnen das Ohr verschließen
Und nimmer ihnen Antwort sagen.
Erhöre mich, denn sonst erlieg' ich
Den Schmerzen, die mein Herz zernagen!
Abu Dschafer sandte diese
Verse durch seinen Sklaven Assam an die Geliebte und letztere antwortete
ihm sogleich in demselben Metrum und demselben Reim:
Du, der du glaubst, an
Liebesstärke
Die Andern all zu überragen,
Empfangen hab' ich dein Gedicht,
Allein es schafft mir kein Behagen.
Wer wahrhaft lieben will, sag' an,
Darf der in Kleinmut so verzagen?
Ziemt ihm, den leeren Wahngebilden,
Von ihm ersonnen, nachzujagen?
Stets war der Sieg auf deiner Seite,
Du aber träumst von Niederlagen?
Kein Tag ist, wo die Wolken nicht
In ihrem Schooße Wasser tragen,
Und immer hält, zur Ruhe ladend,
Ihr Zelt die Palme aufgeschlagen.
Erführst du meines Schweigens Grund,
Du hörtest auf, mich anzuklagen.
Hafsa übergab die Antwort
demselben Sklaven, der ihr Abu Dschafers Schreiben gebracht hatte, und
stieß, während sie ihn fortschickte, Schmähungen und Verwünschungen gegen
ihn aus: "Schmach über den Boten und über den, der ihn gesandt! Es ist
nichts Gutes an euch beiden und ich will nichts mit euch zu schaffen
haben." Der Sklave eilte ganz betroffen zu Abu Dschafer zurück und ergoß
sich, während dieser die Antwort las, in Klagen über die Unartigkeit
Hafsa's; Abu Dschafer aber, nachdem er die Verse gelesen, unterbrach ihn:
Dummkopf, was hat dir den Kopf verdreht; sie verspricht mir ja eine
Zusammenkunft in dem Kiosk meines Gartens, welcher die Palme heißt; komm!
Er eilte dann in den Kiosk, und es währte nicht lange, so fand sich auch
Hafsa ein; Abu Dschafer wollte ihr Vorwürfe machen, aber sie sprach:
Genug, daß wir beisammen
sind,
Und schweigen wir von frühern Tagen!
......
Aus: Poesie und Kunst
der Araber in Spanien und Sicilien von Adolf Friedrich von Schack [Adolf
Friedrich von Schack 1815-1894]
Berlin 1865 (Band 1 S. 130-133)
weitere Literaturhinweise:
Die Liebesgeschichte Hafsa's
und Abu Dschafer ist auch zu finden in:
Andalusischer Liebesdiwan
Nachdichtungen Hispano-Arabischer Lyrik
von Janheinz Jahn [Janheinz Jahn 1918-1973]
Freiburg im Breisgau 1955
(darin 13 Liebesgedichte von Hafsa sowie Biographisches)
Das Wunder von Al-Andalus.
Die schönsten Gedichte aus dem Maurischen Spanien.
Aus dem Arabischen und Hebräischen ins Deutsche übertragen und erläutert
von Georg Bossong. Mit einem Nachwort von SAID
C. H. Beck Verlag 2005 [Georg Bossong geb. 1948]
(darin 6 Liebesgedichte von Hafsa sowie Biographisches)