Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Hafsa

(1135-1190)

andalusische Dichterin

 

Hafsa eine berühmte Dichterin in Granada und nicht minder wegen ihrer Schönheit als wegen ihres seltenen Talentes gefeiert, hatte ein Liebesverhältniß mit dem Dichter Abu Dschafer. Da aber der Statthalter von Granada ein Auge auf sie warf und sich von Eifersucht zu Nachstellungen gegen den Nebenbuhler fortreißen ließ, sah sie sich zu großer Vorsicht genöthigt, und zögerte einst, als der Geliebte sie um eine Zusammenkunft gebeten hatte, zwei Monate lang mit der Antwort. Da schrieb Abu Dschafer folgende Verse an sie:

Du, der ich dieses Briefchen sende -
Nicht darf ich, dich zu nennen, wagen -
Warum erfüllst du meinen Wunsch nicht?
Die Zög'rung kann ich nicht ertragen,
Und warten nicht, bis es zu Ende
Sich neigt mit meinen Lebenstagen.
Wie manche Nächte, wenn die Schatten
Des Dunkels auf der Erde lagen
Und selbst der Tauben Seufzen schwieg,
Hab' ich verbracht in Leid und Klagen!
O wehe, weh den Liebenden,
Wenn ihren Grüßen, ihren Fragen
Die Freundinnen das Ohr verschließen
Und nimmer ihnen Antwort sagen.
Erhöre mich, denn sonst erlieg' ich
Den Schmerzen, die mein Herz zernagen!

Abu Dschafer sandte diese Verse durch seinen Sklaven Assam an die Geliebte und letztere antwortete ihm sogleich in demselben Metrum und demselben Reim:

Du, der du glaubst, an Liebesstärke
Die Andern all zu überragen,
Empfangen hab' ich dein Gedicht,
Allein es schafft mir kein Behagen.
Wer wahrhaft lieben will, sag' an,
Darf der in Kleinmut so verzagen?
Ziemt ihm, den leeren Wahngebilden,
Von ihm ersonnen, nachzujagen?
Stets war der Sieg auf deiner Seite,
Du aber träumst von Niederlagen?
Kein Tag ist, wo die Wolken nicht
In ihrem Schooße Wasser tragen,
Und immer hält, zur Ruhe ladend,
Ihr Zelt die Palme aufgeschlagen.
Erführst du meines Schweigens Grund,
Du hörtest auf, mich anzuklagen.

Hafsa übergab die Antwort demselben Sklaven, der ihr Abu Dschafers Schreiben gebracht hatte, und stieß, während sie ihn fortschickte, Schmähungen und Verwünschungen gegen ihn aus: "Schmach über den Boten und über den, der ihn gesandt! Es ist nichts Gutes an euch beiden und ich will nichts mit euch zu schaffen haben." Der Sklave eilte ganz betroffen zu Abu Dschafer zurück und ergoß sich, während dieser die Antwort las, in Klagen über die Unartigkeit Hafsa's; Abu Dschafer aber, nachdem er die Verse gelesen, unterbrach ihn: Dummkopf, was hat dir den Kopf verdreht; sie verspricht mir ja eine Zusammenkunft in dem Kiosk meines Gartens, welcher die Palme heißt; komm! Er eilte dann in den Kiosk, und es währte nicht lange, so fand sich auch Hafsa ein; Abu Dschafer wollte ihr Vorwürfe machen, aber sie sprach:

Genug, daß wir beisammen sind,
Und schweigen wir von frühern Tagen!
......
 

Aus: Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sicilien von Adolf Friedrich von Schack [Adolf Friedrich von Schack 1815-1894]
Berlin 1865 (Band 1 S. 130-133)


weitere Literaturhinweise:

  • Die Liebesgeschichte Hafsa's und Abu Dschafer ist auch zu finden in:
    Andalusischer Liebesdiwan
    Nachdichtungen Hispano-Arabischer Lyrik
    von Janheinz Jahn [Janheinz Jahn 1918-1973]
    Freiburg im Breisgau 1955
    (darin 13 Liebesgedichte von Hafsa sowie Biographisches)
     

  • Das Wunder von Al-Andalus. Die schönsten Gedichte aus dem Maurischen Spanien.
    Aus dem Arabischen und Hebräischen ins Deutsche übertragen und erläutert von Georg Bossong. Mit einem Nachwort von SAID
    C. H. Beck Verlag 2005 [Georg Bossong geb. 1948]
    (darin 6 Liebesgedichte von Hafsa sowie Biographisches)


     

 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite