Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Leila Achjal
(um 660-750)

arabische Dichterin


Leila, die Achjelische

Aus den vielen in der arabischen Geschichte unter dem Namen Leila berühmten Frauen sind die beiden berühmtesten: Leila die amirische, die Geliebte Medschnun's, und die achjelische die Geliebte Tewbet's, von diesen beiden die letztere eine grosse Dichterin. Sie war einer der grössten arabischen Dichterinnen und stand als solche nur der Chansa nach. Sie machte Satyren auf den Dichter Nabiga el-Dschadi, wovon Ibn Koteibe Auszüge gibt. Sie war die Geliebte Tewbet Ibnol Homeir's; dieser warb um sie, aber ihr Vater verweigerte sie ihm und verheirethete sie an einen der Beni Edla, Namens Auf el-Koscheiri. Als aber ruchbar ward, dass Tewbet sie insgeheim besuche, schworen sie seinen Tod, und Leila's Gemahl forderte von ihr, dass sie ihm Nachricht gebe, wann Tewbet komme, widrigenfalls er sie erschlagen würde. Leila rettete ihren Geliebten von der ihm drohenden Gefahr, indem sie ihren Schleier um den Kopf warf, was er als ein Zeichen, dass nicht Alles richtig, verstand, und sich durch die Flucht rettete. Die Eifersucht ihres Gemahls sperrte sie ein und er behandelte sie mit Schlägen. Als altes Weib erschien sie vor dem Chalifen Abdolmelik, der sie fragte: In welchem Lichte hat dich denn Tewbet gesehen, als er in dich so verliebt ward? Im selben Lichte, antwortete Leila, worin dich das Volk sah, als es dir als Chalifen huldigte. Der Chalife lachte hierüber so unmässig, dass man im Hintergrund seines Mundes die angefressenen Zähne sah, die er sonst sorgfältig zu verbergen suchte. Als Hadschadsch von ihr einige Verse zu hören wünschte, sagte sie:

Bei Gott! der Tod macht keinem Helden Schande,
Wenn er ihn trifft im abgemess'nen Leben;
Und Keiner, wenn er auch im Wohlsein lebet,
Kann Bürgschaft für des Lebens Dauer geben;
Kein Lebender ist sicher vor Gefahren,
Kein Todter vor der Schlangen gift'gem Streben.
Denn Alles was da frisch, muss einst verwittern,
Und alle Menschen geh'n zu Gott ein eben.
Ich fürcht' für Tewbet nicht die Beni Auf,
Weil Einem er durch Mord den Tod gegeben;
Ich fürchte für ihn mehr den röm'schen Stamm,
Gewohnt in Wüsten und in Stadt zu leben.


Hadschadsch sagte zu seinem Kämmerer: Iktha-lisaniha, was sowohl heissen kann: belohne ihre Zunge, als: schneide ihre Zunge ab. Der Kämmerer hatte eben einen Bader diess zu vollziehen gerufen, als der Irrthum aufgehellt ward, und sie sagte dann zum Preise von Hadschadsch:


Hadschadsch, du, über welchem Keiner,
Als der Chalif und Gott, der Einer;
Du bist ein Speer im Kampf, der dicht,
Und in der Finsterniss das Licht.
 

Hadschadsch beschenkte sie dafür mit dreihundert Kamelen, nach Anderen soll er ihr gar zehntausend Dirhem angewiesen haben. Dann fragte er sie: ob sie noch Etwas wünsche? Sie äusserte den Wunsch, zu ihrem Vetter Koteibe B. Moslim, der damals in Chorasan, gebracht zu werden. Als sie von Chorasan zurückkehrte, starb sie zu Rei (bei Ibn Koteibe zu Sawa, in Aserbeidschan), und ward dort begraben, wie Assmai erzählt; das Agani aber versichert, er sei irrig, sie sei mit ihrem Gemahle von Chorasan zurück am Grabe Tewbet's vorbeigekommen. Sie wollte das Grab desselben grüssen, ihr Gemahl ihr's verwehren, sie liess sich davon nicht abhalten. Sie bestieg seinen Grabhügel, und sagte: Heil über dich, o Tewbet! - Dann wandte sie ihr Gesicht gegen die Carawane und sprach: Ich wusste bis heut' nicht, dass Tewbet je die Unwahrheit gesagt. - Wie so? fragte man. - Sagte er denn nicht, erwiederte sie:

Wenn Leila, die achjelische einst grüsste,
Den Hügel meines Grabes in der Wüste,
Ich würde freudig ihr den Gruss erwiedern,
Aufflatternd aus dem Grab mit Todesliedern.
Bei Leila streb' ich nie nach höh'rem Gut,
Ist nicht das, was das Aug' erfrischet, gut?

Kaum hatte sie das Grab gegrüsst, als aus demselben ein Nachtvogel aufflog, und um die Sänfte Leila's kreis'te, welche sogleich den Geist aufgab, und an Tewbet's Seite begraben ward. -
Unter ihre schönsten Verse gehören die folgenden:


O dass ich über Tewbet weinen könnte,
Wenn sich versammelen um ihn die Kreise!
Ich schwör's: der Tod ist Schande nicht dem Helden,
Der nie betragen sich auf schlechte Weise;
Und Keiner, wenn auch so gesund, ist sicher,
Dass er zuletzt nicht zu den Gräbern reise;
Wer über die Geschicke sich beklaget,
Der harre in Geduld und klage leise.
Wer lebet in der Welt muss sich bequemen,
Die Zeiten und die Welten geh'n im Kreise;
Der Liebende hat keine Schuld am Loose,
Und nichts befreiet von des Grabes Eise.
Ein jeder Jüngling naht sich dem Verfalle,
Und jedem steht bevor zu Gott die Reise;
Getrennet werden die Vereinigten,
Und wenn auch noch so lang gewährt die Eise.
O Tewbet! wolle Gott sich nicht entfernen,
Dass ich dich als den Schlachtgefall'nen preise;
Ich schwör's, ich hör' nicht auf dich zu beweinen,
So lang' die Vögel fliegen noch im Kreise;
O du, der du die Beni Auf erfliegst,
Sie konnten retten sich auf keine Weise;
Doch fürcht' ich ihren Stamm, der Pässe Rum's
Besitzt als Städter und nach Beduinenweise.


Leila's Ahnung ward bestätigt, denn ihr Geliebter ward wirklich auf einem Streifzuge von den Beni Auf getödtet.

Nach anderen Quellen heisst sie die Tochter Tharif's, und ist unter dem Namen el-Charidschijet bekannt. Sie sagte in der Todtenklage auf ihren Bruder Welid:

O Baum Chaburs, was treibst du frische Blätter,
Und schreitest über'n Sohn Tharif's nicht Zetter.

Sie sagte auf Hadschadsch:

Kommt Hadschadsch zur kranken Erde,
Spricht er, dass gesund sie werde.
Heilt sie durch Freigebigkeit
Von der Pest Unfruchtbarkeit.
Wie ein Jüngling, dessen Kraft
Durch Bewegung Menschen schafft.

Ich sage dem, der strebet nach Genuss,
Dass er bei mir entsagen solchem muss;
Ich habe einen Freund, dem bleib' ich treu,
Gefiel's dir, wäre dir dein Freund untreu?

Entfernung wird vom Volk als Trennung stets benennt,
Nur was im Grabe liegt, das ist fürwahr getrennt.
 

Esch-schobi erzählt, dass er sich bei Hadschadsch befunden, als Leila, die achjelische, eintrat, Hadschadsch fragte sie denn zu ihm bringe? Sie sagte: der Gestirne Widerwärtigkeit und der wenige Schatten der Zeit, Anstrengung, die Allem heut Trutz, und weil nach Gott du unser Schutz; Hadschadsch sagte zu ihr: Die Länder sind rein. Sie antwortete: Auf dem Raub liegt Staub und die Erde flösst Schrecken ein. Es sind mehrere ihrer Worte im Umlauf, wie das folgende: Die Jahre haben uns alt gemacht, sie haben uns weder Heu noch Spreu gebracht, keine Eilende, keine durch's Wort sich Mittheilende, die Güter sind geköpft und die Männer erschöpft.
In der Hamasa Bohtori's finden sich von derselben die folgenden Gedichte auf den Tod ihres Geliebten Tewbet:
 

Ich sah, es dunkelte die Wolke nah',
Wie Grund des Brunn's war finster was ich sah;
Verändert war das Pferd durch Zauberei,
Ihm rannten andere wie Katha vor.
Gott gnade Tewbit, denn der Tod fällt an,
Bepanzerten und panzerlosen Mann;
So fielen sie ihn an mit scharfen Klingen
Der Schwerter, welche durch das Eisen dringen;
Mit indischen, auf denen sich das Nass
Des Blut's mit Flecken rostigen einfrass.
Die Tode nah'ten zwischen braunen Speeren,
Und festen Panzern und dünnbauch'gen Mähren.
Den ritterlichen Mann, dem nie entlaufen
Die Strausse über das Gestein in Haufen;
Den Ritter, der ge'n Herren stolz erhaben,
Dem Reisenden der Nacht bescherte Gaben;
Ein Ritter, der bedeckt mit Ruhm und Adel,
Durch Prahlen nie sich ausgesetzt dem Tadel;
Ein Ritter, dem Omm Aassim baut ein Haus,
Verfloss'ne Nächte trieben ihn heraus.
Er war lebendiger als junge Schlange,
Und trotziger als Leu am Bergabhange.
Rief Einer dich zum Schutz in finst'rer Nacht,
Bedurft' er ausser dir nicht and'rer Macht;
Er rief dich auf zu fürchterlichem Streit,
Die Tode waren alsogleich bereit;
Ein Ritter, dem vorschritten nie Gefährten,
Und dem die Nachbarn waren die Geehrten.
Nach dir o Tewbet sprüht die Schlacht nicht Feuer,
Und Reisendem ist Ritt nicht mehr geheuer;
Ich schwör's, nach Tewbet's Tod für stets zu klagen,
Mit denen, so Schicksale hat geschlagen.
 

Von derselben auf denselben:
 

Tewbet war ein Ritter, in der Nadschd nicht blieb,
Der zu Gur* ausredend sich nicht Wirthschaft trieb;
Der am reichen Brunnen tränkte nicht Kamele,
Wann er sich bepanzerte im Morgenshelle.
Er erschlug den Ritter, dessen Lanz' im Toben,
Wann im Pferdgewühl' die Speere rings zerstoben;
Hast vielleicht den Traurigen du nicht erhört,
Du den das Gebot und das Verbot nicht stört.
Tewbet, du der Schirmherr, Tewbet, Freund der Gäste,
Tewbet für Unglückliche die Hilf' die grösste.

* Nadschd, das hohe Gebirgsland,
Gur
, das tiefe Thalland Arabiens.
 

Tewbet, welch' ein Ritter! dem die Tage
Niemals brachten gegenseit'ge Klage;
Wenn du trafst die Brust mit hohen Speeren,
Niedrige Kamele brachtest hoch zu Ehren.
Welch' ein Ritter, der von Furcht entbrannte,
Um zu schützen seine Stammverwandte;
Tewbet, welch' ein Ritter! früh und spät,
Wann der Wettstreit der Vortrefflichkeit besteht.
Tadel wird dir Tewbet zugetheilet,
Weil der Tod dich hat so früh ereilet;
Tewbet, nie soll Gott sich dir entfernen,
Dass die Eilenden Termin erlernen.
Ritter Tewbet, stets soll Gott dich segnen!
Wolke strömende dein Grab beregnen!

Übersetzt von Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856)

Aus: Literaturgeschichte der Araber von ihrem Beginne
bis u Ende des zwölften Jahrhunderts der Hidschret.
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung: Die Zeit vor Mohammed
und die ersten drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band: Unter der Herrschaft der Beni Omeije
vom Jahre der Hidschret 40 (661) bis 132 (750)
Wien 1851 (S. 690-696)
 

 

 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite