Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Faustina
Maratti-Zappi
(1680-1745)

italienische Dichterin

 

Eintritt ins Reich der Liebe

Süße Labung der menschlichen Sorgen, freundliche Liebe,
Zitternd betrat mein Fuß Dein mir gefürchtetes Reich.
Doch du verhießest mir so schönen Lohn, und du schenktest
Schöneren mir, als selbst lockend dein Mund mir verhieß.
Schon der erste Ton und der Anblick meines Geliebten,
Seiner Empfindung Ton, seiner Gefälligkeit Bild,
Ach sie entnahmen der Furcht auf Einmal alle Gedanken,
Trauend neigte mein Herz sich zu dem Seinigen hin -
Süsse Labung der menschlichen Sorgen, heilige Freundinn,
Mein unendlich Vertraun, Liebe, du täuschest es nie.
(S. 319)
_____
 


Die Schülerinn

Seit mein Einiggeliebter der Führer meiner Gedanken,
Meiner Entschließungen ist, folg' ich ihm willig und froh,
Folge dem ewigen Strahl, der glänzend in Ihm so gewaltig
Mir die Seele regiert, Leben und Willen mir schafft,
Kühn zu betreten den Weg, der ohne Irren den Pfad mich,
Tugenden, Euren Pfad führt zum unsterblichen Ruhm.
Langsam folg' ich ihm zwar; wie viel er auch Kräfte mir leihet
Jetzt mit weisem Gespräch, jetzo mit lehrendem Blick;
Dennoch folg' ich ihm stets, dem lieben Glanz, und ereil ihn
Mit verdoppeltem Schritt, dort wo er stehet, am Ziel.
(S. 319)
_____




Der goldene Pfeil

Nicht mit dem Bleigeschoß, mit dem goldnen Pfeile der Freundschaft
Traf die Liebe mein Herz, traf es im Innersten mir,
Und ich trage den Pfeil, und werd' im Herzen ihn tragen,
Bis ihn des Todes Geschoß selbst mit dem Herzen zerbricht.
(S. 320)
_____





Fesseln der Liebe

"Wie? Du glaubetest dich, du scheue Stolze, den Pfeilen
Meines Bogens entrückt? Wolltest entfliehen der Macht,
Der die Götter gehorchen und alle Sterbliche dienen;
Sieh', hier Ketten für dich, Fesseln und Bande bereit."
So sprach Amor, und gab mir sanfte Ketten. Die Fessel
Ward zum lohnenden Kranz, zum Diademe das Band.
(S. 320)
_____





Der Redner

Wenn mein Inniggeliebter im Kreise der Hörenden auftritt;
Welch ein himmlischer Glanz gehet den Hörenden auf!
Liebliches Morgenroth deckt seine Wange; sein Antlitz
Strahlet göttlichen Geist, glänzt in gefälliger Huld.
Jetzt entschließet die Lippe sich ihm; Gedanken erscheinen,
Wie sie die heutige Zeit neidet, die alte begrüßt.
Schön ists anzuschauen, wie tausend Seelen gefeßelt
Hangen an seinem Wort, folgen dem lieblichen Laut
Seiner Stimme, die jegliches Herz bezwinget und fortzieht -
Glaubet die Nachwelt einst, daß mich die Liebe getäuscht,
O so zeuge, du Rom, bezeugt es, die ihr ihn hörtet,
Hört und sahet, daß ich lange zu wenig gesagt.
(S. 320)
_____




Die Abbitte

Dankbar küß' ich den Knoten, in den mich die Liebe geschlungen,
Dankbar küß' ich den Pfeil, der mir die Seele getheilt,
Knieend vor dem Altar, auf dem die geweihete Flamme
Allen Schmerz mir entnahm, alle Verlangen gestillt.

Ach der Zeiten des Wahns! als ich die Qualen der Liebe
Sang, und wußte noch nicht, was sie für Freude gewährt.
O verzeih' es, unsterbliche Liebe! Vergesset, ihr Freunde,
Mein wehklagendes Lied; höret die Dankende nur.
(S. 320-321)
_____




Erinnerungen der ersten Liebe

Dies ist der Feigenbaum, und dies das Ufer, o Daphne,
Wo den Geliebten und mich Amor auf immer verband.
Lieblich tönte, beseelt von seinen Lippen, die Flöte;
Leiser rollte der Bach murmelnde Wellen dahin.
Um uns ruhte die Heerde. Zu seiner gefälligen Flöte
Sang ich, und wand für ihn einen belohnenden Kranz.
Und er blickte mich an. Was Götter und Menschen entzündet,
War in dem Blicke; mein Herz fühlte den göttlichen Strahl.
Sein: "ich liebe dich!" sprach er, und ich, mir selber entnommen,
Ward - ich weiß nicht mehr, was mir vom Meinigen blieb.
Siehe, da blühn noch jetzt des Frühlings Blumen. Violen,
Blaue Vergiß mein nicht, Schlüßelchen, Glöckchen im May.
(S. 321)
_____





Die Abreise des Geliebten

Neidende Sonne, die heut, (mich dünkt es) früher den Tag bringt,
Ach, verweil' in dem Meer, halte die Roße noch an.
Zitternd hör' ich ihr Schnauben, und seh die Botin Aurora,
Wie sie mit mächtiger Hand Nacht und Gestirne verjagt.
Zögr', o gütiges Licht! Auf deinem Altare zu Delos
Weih' ich das reineste Lamm, Dir ein Gelübde des Danks.
Aber ich fleh umsonst. Die meine Sonne des Lebens
Mir entziehet und lang' lang' mir entziehet, sie kommt!
(S. 321)
_____




An die Muse

Mein Geliebter begehret von mir Gesänge zu lesen;
Musen, den steilsten Pfad führt mich zum Pindus hinauf -
Auf den Gipfel, und gebt mir süße Töne, die höchsten
Ehren und jeden Reiz lieblicher Jugend zurück;
Daß ich, allen Kummer vergessend, mit edlen Gesängen
Ihm umkränze die Stirn, Strahlen umflechte dem Haupt
Meines Geliebten. Entzückt von meiner himmlischen Flamme,
Les' er mit meinem zugleich seinen unsterblichen Ruhm.
(S. 321-322)
_____




An die Nymphen

Die ihr Thäler und Höhen bewohnt, ihr freundlichen Nymphen,
Jene Thäler und Höhn, die der Geliebte betritt,
Jene Auen, wo jetzt er Blumen, glückliche Blumen
Bricht mit schöner Hand, grüßet mit freundlichem Blick;
Nymphen des Silberbachs, die seine liebliche Stirn itzt
Schauen; Weste, die ihm spielen im lockigen Haar,
Waret ihr Menschen einst, ihr lustigen Geister und Nymphen,
Fühltet ihr Freud' und Leid je in der liebenden Brust,
O so säuselt und rauscht und sagt ihm, was ich empfinde,
Was, dem Geliebten fern, sehnend die Liebende fühlt.
(S. 322)
_____




Die Trauerboten

Ach! wohl sagte mir das die leise Sprache des Herzens,
Und die gepreßte Luft, und der vertrocknete Bach,
Und das niedergebeugte Gras, und die trauernde Blume,
Und die Sonne, die mir eine Verhüllete schien;
Auch mein Vögelchen sagt mir das: statt froher Gesänge
Stimmt' es Klagen nur an, Klagen im ahnenden Ton;
Und die Fischchen spielten nicht mehr in der glänzenden Welle,
Zephyr scherzte nicht mehr unter den Blüthen am Bach;
Alles schwieg, als wollt' es in tiefer Trauer mir sagen:
"Rüste dich, Freundinn, es naht Angst dir und Jammer und Schmerz."
Siehe, sie sind gekommen. Mein Einig- und Allen Geliebter,
Ferne von meinem Blick, schmachtet und siechet und krankt.
(S. 322)
_____




Gedanken der Eifersucht

Was wollt ihr, Gedanken, die in furchtbarer Gebehrdung
Mein verwirrtes Gemüth regen und schwellen empor?
Seyd ihr Argwohn? Schleichet in mir vom Haar der Alecto
Eine Schlange, die sich Furie-Eifersucht nennt?
Ach, ich fühle den Frost der Hölle mir nahe dem Herzen;
Mir entweicht der Vernunft ruhiger goldener Strahl.
Sage, was that ich dir, o Liebe, daß du mich also
Quälest? Oder war ich deiner Geschenke nicht werth?
Fandest du treulos mich, mich, deine Getreueste? - Göttinn,
Nimm die Qualen von mir, sende der Schuldigen sie.
(S. 322-323)
_____




Die Nebenbuhlerinn

Du, die meinem Geliebten so wohlgefallen, (entzücket
Spricht er noch jetzt von Dir, preiset dein goldenes Haar,
Deinen lieblichen Mund und die sanft-anmuthigen Reden,
Voll von Grazie-Zier,) Du, die Bescheidenheit selbst,
Sage mir, wenn du zu ihm so lieblich sprachest, empfand er
Nichts? und hörte dich an, ruhig, gelassen und kalt?
Oder wandt' er zu Dir, wie Er zu Mir sie auch wandte,
Seine Blicke? Verwirrt war er, der liebende Blick,
Und er glühte sich an, an deinen leuchtenden Augen,
Und - ich weiß es - Du schweigst? siehest zum Boden hinab?
Schaamroth? - Red'! Antworte! - Doch nein! Ich bitte dich, schweige,
Wenn du mir sagen willst, daß er dich jetzo noch liebt.
(S. 323)
_____





Andenken an die Jugend

Oft, wenn ich gedenke der süßen Tage der Jugend,
Da mir noch frei mein Herz, da ich mir eigen noch war;
"Brechen will ich den Pfeil, der mich zur Hälfte mir selbst macht,
Sprech' ich, reiße mein Fuß dieses umschlingende Band."
Aber umsonst. Ein Blick von Ihm, dem ganz ich mich schenkte,
Gräbt mir tiefer den Pfeil, schlinget mir vester das Band.
(S. 323)
_____




Wirkungen der Liebe

Wie die Liebe mit Lust und wie sie mit Qualen belohnet;
Wie ihr Köcher den Tod streuet und Leben umher,
Wer's zu sehen begehrt, der komm' und schaue das Antlitz
Meines Geliebten, und seh' meine verfallne Gestalt.

Seine heitere Stirn, der Seele leuchtenden Spiegel,
Und sein goldenes Haar, Augen und Wangen im Glanz; -
Mich, das Opfer der Liebe, mein Herz mit Leiden umgeben;
Süße Leiden! sie sind Kinder der liebenden Treu.
(S. 323-324)


Übersetzt von Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Aus: Johann Gottfried Herder Sämtliche Werke Band XXVII
Herausgegeben von Bernhard Suphan
Georg Olms Verlagsbuchhandlung Hildesheim 1968
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1881)


_____

 

Biographisches:

siehe:
http://it.wikipedia.org/wiki/Faustina_Maratti


 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite