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Hedvig
Charlotta Nordenflycht
(1718-1763)
schwedische Dichterin
Ungeduld
Sag' mein Herze mir,
Wo blüht Freude dir?
Von dem ird'schen Heil
Was ward dir zu Theil?
Glückes Kranz,
Goldes Glanz
Bergen sich
Stets für mich,
Schlingen doch
Sonst ihr Joch
Über Alle, klein und hoch.
Reichthum, äuß're Pracht
Fesseln alle Macht,
Und die Tugend sinkt zurück in Nacht.
Was ward mir vom Glück?
Wann wird das Geschick
Wenden ach! den bösen Blick,
Der mich so verfolgt!
Trübsal, Schmerz und Noth
Sind mein Lebensbrot.
Himmel mich verstieß,
Mir den Kummer ließ.
Hier wogt nur das Herz, wie in stürm'scher Fluth,
Findet Frieden erst, wenn im Grab' es ruht.
(S. 50-51)
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Abschied von der Welt
(In heftiger
Krankheit, nach dem Tode des Gatten)
So ist die Freiheitsstunde da
Und die Erlösung tritt mir nah,
Nach der so lange ich geschmachtet;
So eilt mein Geist der Heimath zu,
Der Staub geht dort zur ew'gen Ruh,
Wohin so innigst er getrachtet.
Ach, bitter floß die Lebenszeit
In Zweifel, Unruh, Trauer, Leid
Mir schnell dahin auf diesem Runde.
Nun geh' ich in der Hoffnung ein,
Gelöst wird dort des Zweifels Pein,
Wie nie vor unsrer letzten Stunde.
Das einz'ge Glück, das ich genoß,
Der Liebe ohne Maß entsproß
Zu ihm, den sich das Herz erwählet.
Sein Leben war mein Freudenbrod,
Sein Hingang mein gewisser Tod,
Der sich nun auch mit mir vermählet.
Ach, nicht mehr schwer dünkt mir der Tod:
Der höchste, gnadenreiche Gott
Hat für uns All' ein mild Erbarmen:
Zu Ihm in Demuth ich mich wend',
Befehle mich in seine Händ',
Ruh' aus in seiner Liebe Armen.
Das Grab, das meinen Gatten schließt,
Wohin auch meine Asche fließt,
Wird einst ein Denkmal reinster Treue:
Ach, ird'scher Liebe höchstes Glück
Gab uns hienieden das Geschick,
Dort winket sie verklärt auf's Neue.
(S. 64-65)
_____
Rune
geritzt auf den
Grabstein des Theuersten
Hab sanften Schlaf in dunkler Gruft,
Du sel'ger Staub, von mir geschieden!
Dein Geist genießt dort Himmelsluft
Und den hier so gesuchten Frieden.
In süßer Ruhe schlafe nun,
Nur einen kleinen Raum laß offen:
Ich will auf Erden nichts mehr hoffen
Als nur an Deiner Seite ruhn.
(S. 66)
_____
Lebens-Abschluss
In dieser Einsamkeit will ich fortan nur sein;
Aus dieser stillen Ruh des Lebens Sturm betrachten,
Will Hoheit, Glanz und Lust, des Glückes süßen Schein
Als unbeständ'gen Hauch, als leeren Schaum nur achten;
Will tragen lernen hier das schwere Joch der Zeit
In Hoffnung und Geduld, bis in der letzten Stunde
Der Tod den Trauerflor selbst löst von meinem Leid
Und kühlt in tiefer Gruft des Schmerzes heiße Wunde.
Bis dahin will auf mein verlornes Glück ich schaun,
Das sel'ge Paradies, das wie die Ros' erblichen,
Mit treuen Thränen ach! das theure Bild bethaun,
Das in der Seele steht mit ew'gen Flammenzügen.
Und rufen will ich hier des Gatten Namen wach;
Die Felsen sollen mir die Klage wiedergeben,
Und sinnen will ich hier dem sel'gen Hafen nach,
Wo reine Herzen einst in ew'ger Liebe leben.
(S. 67)
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Beständigkeit der Liebe
O laß, Du theurer Staub, Dein Grab
Noch einmal netzen mich mit Thränen.
Die Zeit mir keine Lind'rung gab
Für meines Busens brennend Sehnen.
Noch denk' ich Dein, mein einz'ger Freund,
Noch lebest Du in meinem Herzen,
Das ach mit Freuden und mit Schmerzen
Den treu bewahrt, den es beweint.
Ach Keiner hat wie Du gewußt
Der Liebe zart geheimes Wesen,
Wie nur an treuen Freundes Brust
Ein krankes Herze kann genesen.
Als endlich so mit güt'ger Hand
Das Schicksal Herz an Herz geleget,
Hast warm Du den Besitz gepfleget,
Und treu das Dir vertraute Pfand.
Warum wird doch so treu und zart
Hienieden selten nur empfunden?
Ach ja! Du sprachst in trauten Stunden:
Das Herz hast Du um Rath gefragt:
So wird das zärtliche Verlangen
Nimmer ein Raub der Phantasie.
Soll Dich die Reue nicht befangen
Nach Deiner Wahl, so prüfe sie.
(S. 86-87)
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Ungehorsam des Herzens
So hör' o Freund! doch auf zu fragen,
Daß ich gerührt von Damons Herz
Und ruhig bin bei deinem Schmerz!
Ich kann dir selbst nicht Antwort sagen.
Du hast Verdienst wie mancher Mann;
Doch nie wird's dem Verdienst gelingen,
Die Brust in Liebesgluth zu bringen,
Wenn sie einmal nicht lieben kann.
Umsonst befehligst du dem Herzen:
Es duldet nicht ein fremd Gebot
Hat eigne Freuden, eigne Schmerzen
Und seine eigne Lust und Noth.
Vernunft hat hier nicht größ're Macht,
Wie sehr sie auch zu herrschen ringet,
Als daß sie zu entsagen zwinget:
Doch mehr hat sie noch nie vollbracht.
(S. 88)
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Der Liebe Schweigen
Flücht'ge Liebe stets begehret,
Laut zu künden all' ihr Glück;
Doch die Gluth, die ewig währet,
Hält sich scheu und keusch zurück.
Auch die Flamme, die ich hege,
Die so süß mein Herz beschlich,
Hält sich stets im Busen rege,
Doch für Niemand, als für Dich!
Andre ritzen wohl in Steine
Ihren Schmerz und Rinden ein.
Doch der Name, den ich meine
Steht im Herzen mir allein.
Niemals wird, um Dich zu ehren
Tönen meiner Laute Klang;
Denn ihn könnte Echo hören,
Neid erwachen bei dem Sang.
Ihr die schier von Liebe trunken
Laut erhebt der Liebe Lust
Heget sie doch nur zum Prunken
Nicht im Heiligthum der Brust.
Läßt doch Vorsicht Niemand wissen
Was man ihr zu hüten gab:
Liebe, dich recht zu genießen
Lehr' mich schweigen bis ins Grab.
(S. 92-93)
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Gebrechlichkeit der Schönheit
Die Blume aus dem Staub ersteht,
Um ihren Kelch der Sturmwind geht
Sie bleichet hin und sie fällt ab,
Der Winter bettet ihr das Grab.
So ist es mit der Schönheit auch:
Sie ist gebrechlich wie der Hauch,
Und leidet unausweichlich Noth
Von Sorg' und Krankheit bis zum Tod.
Nur Eine Schönheit kennt die Welt
Die keiner Zeiten Sturm entstellt:
Ein Herz, geheiliget und rein.
Es strahlet in des Himmels Schein,
Es kleidet sich mit seiner Pracht,
Die Gott es wohlgefällig macht.
(S. 94)
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Heimliche Liebe
Im Stillen ach! lieb' ich!
Die Flamme erquickt mich:
Doch Lieb' ohne Hoffen
Mischt Freude
Mit Leide.
Mit Zweifeln kämpf' ich;
Mit Seufzern dämpf' ich
Den Schmerz
Der mein Herz
Im Verborgenen zehrt.
O, seliges Bangen,
O, wonnige Qual
So heimlich zu hangen
An süßester Wahl!
Soll ich denn in tiefster Brust
Meine Leiden all' verschließen?
Bleibt mir nicht vom Schmerz die Lust
Mich in Klagen zu ergießen?
So verbirg denn armes Herz
Was dich so im Stillen quälet:
Und ihr Augen, Nichts erzählet
Von der Seele stummem Schmerz!
Fliehe nur, Liebe, mit deinen Pfeilen,
Nimmer traue ich deinem Glück,
Laß mich einmal in Frieden weilen,
Schone mich endlich mit deinem Blick!
Denn deine Schmeichelmienen künden
Meiner Freiheit ha nur den Tod;
Hoffe nicht mehr, sie in Fesseln zu binden,
Muthig trotze ich deinem Gebot.
So singend wähn' ich wohl mich frei,
Seh' ich Clarisse nicht:
Indeß zu neuer Sclaverei
Sie frische Ketten flicht.
Ein Blick, ein Wort beugt ohne Müh'
Den kaum gefaßten Sinn; -
Geb' wieder mich der Liebe hin,
Kehrt mit Clarissen sie.
(S. 99-100)
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Liebes-Klage
Ach! umsonst die Seufzer klagen,
Kalt wie Marmor ist sein Herz,
Fühlet nicht die Brust hier schlagen,
Höhnt wohl gar der Liebe Schmerz!
Oder irr'n mich meine Blicke?
Glüht nicht auch sein Angesicht? -
Ach! zu einer Andern Glücke,
Aber zu dem meinen nicht! -
Zögre d'rum, du bitt're Stunde,
Die den Jammer endlich bringt,
Daß aus zweier Herzen Grunde
Ew'ges Lebewohl! erklingt.
Und doch! komm' nur! kann ich missen
Seine Stimme, seinen Blick?
Mögen Thränen auch beschließen
Dies mein letztes Lebensglück. (S. 101-102)
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Gefahren der Liebe
O Mädchen, flieh', wenn dir die Liebe winkt,
Denn ach! es folgt' ihr schmerzliches Bedauern;
Ist Blumen gleich, darunter Schlangen lauern,
Ein Trank, der durstig macht den, der ihn trinkt.
Ein Augenblick voll Lust, gefolgt von langer Qual,
Ein Rosenbeet, das unsre Thränen netzen,
Ein dunkler Hain, deß Pfade aus Ergötzen
Hinführen in der Reue düstres Thal.
Schmeichelnde Frucht, die schnöden Tod nur birgt,
Ein Labyrinth, das die Vernunft beirret,
Ein süßer Traum, der Schlummernde verwirret,
Ersehntes Joch, das Menschenherzen würgt.
Ein seltsam Feu'r, das sich von Kälte nährt,
Ein Gift, nach dem die Kranken heftig fragen,
Die Hölle selbst, erfüllt von ew'gen Klagen,
Weil hier kein Strom Vergessenheit gewährt.
(S. 103-104)
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Ein beleidigtes Herz
So lohnest du Treue mit täuschenden Ränken!
Hab' Dank für die Falschheit, bin traurig belehrt!
War's recht wohl, du treuloses Herz, so zu denken
Zu vergelten der Liebe, der nimmer du werth!
So brenn' denn zu Asche, du Feuer im Herzen,
Du loderst zur Thorheit, du flammst nur zur Qual;
Und dennoch! o Himmel, welch' zehrende Schmerzen:
Zu verachten des Herzens geliebteste Wahl!
(S. 105)
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Mein Schicksal
In meiner Jugend Frühlingszeit,
Als hell aufloderten des Herzens Triebe,
Fand einen Gegenstand die Liebe
An dem sie hangen konnt' mit aller Heftigkeit.
Ach! einen Freund, schön, lieb und theuer! -
Sein ganzes Wesen hauchte Liebesfeuer.
Er hat zum reinsten Glücke mich erhoben;
Durch ihn ward mir der Liebe Höchstes offenbar,
Und als er endlich ganz mein eigen war:
Schlug alle Seligkeit der Tod zu Boden.
Nach langer Jahre Trauerzeit,
Als diese Brust den Schmerz hielt überwunden,
Hat Freundschaft einen Gegenstand gefunden,
An dem sie hangen konnt mit aller Innigkeit.
Ach! einen Freund, verständig, mild und gut,
Sein klarer Geist und fester Muth
Hat mich zur Weisheit Gipfel einst erhoben,
Durch ihn ward mir der Freundschaft Höchstes offenbar,
Und als er endlich nun mein eigen war,
Schlug alle Seligkeit der Tod zu Boden.
Verdient das wohl den Namen Glück?
Ach! diese Schätze, kaum gewonnen,
Sind wieder bald zu Schaum zerronnen,
Und ungenossen gab ich sie zurück!
Nein glücklich nur, wer nie gewußt,
Welch' eine Seligkeit und Lust
Dem Herzen, welches liebt, erscheinen.
Er seufzt nicht seiner Liebe nach,
Und er entgeht dem Kummer, ach!
Auch seine Freunde zu beweinen.
(S. 117-118)
Übersetzt von Ferdinand von Nordenflycht (1816-1901)
Aus: Ausgewählte Dichtungen
von Hedwig Charlotte von Nordenflycht
Aus dem Schwedischen von
Ferdinand Otto Freiherrn von Nordenflycht
Berlin 1859
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Biographisches:
siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hedvig_Charlotta_Nordenflycht
weitere Literaturhinweise:
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