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Pau Ling-hui
(Sung-Epoche
420-479 n. Chr.)
chinesische Dichterin
Frühlingshauch
Es treibt zwei, drei Zweig' der Zimmetstrauch,
Und drei, vier Blätter die Magnolia;
Allein mein Schatz ist immer noch nicht da;
Es lächelt meiner nur der Frühlingshauch.
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Die Zither
Mein Schatz hat eine Zither
Mir zum Geschenk gemacht;
Sie ward durch einen Wand'rer
Von fern mir überbracht.
Dass mein in Lieb' er denket,
Am blanken Holz ich seh';*
Den Saiten nur erklinget
Ein Lied vom Trennungsweh.
Ich werde dieses Klanges
Gedenken immerdar,
Es bleibt zu allen Zeiten
Mein Herz unwandelbar.
Ein Lied wohl möcht' ich singen
Von holder Frühlingszeit,
Dass es in vollen Tönen
Erschalle weit und breit.
* Eine gewisse Holzart mit eigenthümlichem Geäder nennen die Chinesen
Hsiang-sse-mu "Erinnerungsholz".
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Abschiedsgaben
Mein Herr gab, als zur Reise
Er sich hat angeschickt,
Mir eine Seidenrolle,
Zwei Sprüche drauf gestickt.
Auch liess, als grade nahte
Der Trennungsaugenblick,
Er mir zum Angedenken,
Dies Kissen noch zurück.
Es hält die beiden Sprüche
Mein Herz in treuer Hut,
Und bei dem Kissen denk' ich,
Wie wir darauf geruht.
Seit meines Gatten Abschied
Gar mancher Tag verfloss,
Doch fühlt' ich meine Liebe
Niemals so stark und gross.
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Übersetzt von Alfred
Forke (1867-1944)
Aus: Blüthen chinesischer Dichtung
Aus der Zeit der Han- und Sechs-Dynastie
II. Jahrhundert von Christus bis
VI. Jahrhundert nach Christus
Aus dem Chinesischen metrisch übersetzt von A. Forke Magdeburg 1899
Commissionsverlag Faber'sche Buchdruckerei (S. 47-48)
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