Liebeslyrik ausländischer Dichterinnen

von der Antike bis zum 20. Jahrhundert
(in deutscher Übersetzung)

 


Sulpicia

(2. Hälfte des 1. Jh.s v. Chr.)

römische Dichterin
 

Sulpicia an Cerinthus
Nach einer Zusammenkunft

Endlich kam mir ein Amor, so hold, dass, ihn blöde verhüllen,
Weniger, als ihn nackt zeigen, mir wäre zum Ruhm.
Ihn hat Cypria selbst, die Erhörerin meiner Kamönen,
Hergebracht, und mir sanft niedergesetzt in den Schooß.
Wohl ist erfüllt, was Venus verhieß! Rüg' unsere Freuden,
Welchem man nachsagt, nicht hab' er ein Liebchen gehabt!
Niemals möcht' ich geheim etwas den versiegelten Täflein,
Dass ja keiner läs', eh mein Geliebter, vertraun.
Nein, das Vergehen behagt! Dem Gerücht mich verstellen ist widrig!
Sage man, dass ich bei ihm, würdig des würdigen, war!
(S. 297-298)


Sulpicia an Messala
Auf Messala's Landgute

Unwillkommen erscheint der Geburtstag, der auf dem finstern
Land', und ohne Cerinth, traurige Feier mir bringt.
Was doch erfreut, wie die Stadt? Paßt wohl für ein Mädchen der Landhof,
Und in Aretiums Flur Arnus, der kältende Strom?
Allzu geflissener Freund, o ruhe mir endlich, Messala!
Der du zur Unzeit oft nahest dem einsamen Gang.
Hier verläßt mich Entführte noch Mut und alle Besinnung,
Weil ja vergönnt nicht ist, eigene Herrin zu sein!
(S. 302-303)



Tibull an Cerinthus
Als Sulpicia zurückkehren wollte

Weißt du? befreit ist das Herz von der finsteren Reise des Mägdleins!
Ihren Geburtstag gönnt uns sie in Rom zu begehn!
Werd' uns allen der Tag mit Geniuswonne gefeiert,
Der dir ganz unverhofft, siehe! so lauter erscheint!
(S. 306)



Sulpicia an Cerinthus
Als er leichtsinnig schien

Dank dir, der schon ganz unbesorgt von mir sich verheißen
Kann, nie plötzlich einmal schlüpf' ich bethört dir hinweg!
Wenn ein feiles Gewand, und die Metz' am lastenden Spinnkorb,
Mehr, denn Sulpicia, dich, Servius Tochter, entzückt;
Noch Theilnehmende haben auch wir, die um jene sich ärgern!
Nie dem dunkelen Bett steh' ich Gefeirteste nach!
(S. 308)



Sulpicia an Cerinthus
In der Krankheit

Hast du gewiß, Cerinthus, auch herzliche Sorg' um dein Mägdlein,
Weil den ermatteten Leib brennendes Fieber mir quält?
Ach sonst nimmer verlang' ich die traurige Qual zu besiegen,
Als wenn glauben ich darf, dir auch sei solches erwünscht!
Denn was frommte mir wohl, die Qual zu besiegen, wofern du
Mit gleichgültiger Seel' unsere Leiden erträgst?
(S. 312)



Sulpicia an Cerinthus
Sich zu entschuldigen

Sei ich dir nie, mein Trauter, hinfort ein so heißes Verlangen,
Als ich, deucht mir, noch war wenige Tage zuvor;
Wenn ich etwas verübt in der ganzen Jugend, ich Thörin!
Welches ich eingesteh' inniger nun zu bereun,
Als dass ich einsam dich am gestrigen Abend zurückließ,
Weil ich zu hehlen die Glut trachtete, die mich verzehrt.
(S. 315)

Übersetzt von Johann Heinrich Voss (1751-1826)

Aus: Albius Tibullus und Lygdamus
Übersetzt und erklärt
von Johann Heinrich Voss
Tübingen 1810
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Sulpicia und Cerinthus
A. Briefchen der Sulpicia

Elegie IV, 8

Unwillkommen erscheint der Geburtstag, der auf dem läst'gen
Gut und ohne Cerinth traurige Feier bescheert.
Was geht über die Stadt? Ist passend für Mädchen ein Landhaus?
Ist es der frostige Strom der bei Arretium fließt?
Laß mich in Ruhe, Messala: du bist mir allzugefällig,
Der du zur Unzeit oft flehest zur Reise bereit.
Seele und Sinne - ich lasse sie hier, wenn jetzt du mich fortnimmst,
Weil du mich ja nicht läßt folgen der eigenen Wahl.
(S. 110)



Elegie IV, 9

Weißt du: vom Herzen geschafft ist die leidige Reise dem Mädchen?
Deinen Geburtstag darf jetzt ich verleben zu Rom.
Dieser Geburtstag sei denn froh von uns Allen begangen,
Welchen der Zufall nun wieder Erwarten uns bringt.
(S. 110-111)


Elegie IV, 10

Lieb ist daß du nunmehr gegenüber von mir dich so sorglos
Gehn läßt; könnt' ich doch sonst lächerlich straucheln einmal.
Möge die Toga dir mehr zusagen, und Dirnen am Spinnkorb
Über Sulpicia jetzt, Servius' Tochter, dir gehn:
Kümmern um mich, der Jene ein Schmerz ist, Andere doch sich,
Daß ich Edle dem Mann folge von dunkler Geburt.
(S. 111)


Elegie IV, 11

Hegst du für deine Geliebte, Cerinth, auch schuldigen Antheil,
Weil in ermattetem Leib Hitze des Fiebers mir tobt?
Ach, ich wünsche nur dann zu besiegen die traurige Krankheit,
Falls annehmen ich darf daß du das Nämliche willst.
Doch was nützte es mir zu besiegen die Krankheit, wofern du
All mein Leiden vermagst ruhigen Herzens zu sehn?
(S. 111)


Elegie IV, 12

Nie mehr will ich von dir, mein Leben, so glühend geliebt sein
Als ich vor Kurzem es noch glaube gewesen zu sein,
Hab' ich Thörin so lang ich jung bin etwas begangen
Das ich mit größerem Schmerz müßte bereuend gestehn
Als daß gestrige Nacht ich dich einsam habe gelassen,
Um zu verbergen die Glut welche ich selber empfand.
(S. 111)


Übersetzt von Wilhelm Sigmund Teuffel (1820-1878)

Aus: Ausgewählte Gedichte der römischen Elegiker
im Versmaß der Urschrift übersetzt
Teil II. Tibullus (übersetzt von W. S. Teuffel)
Stuttgart 1855
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Das sechste Gedicht

Endlich ward mir der Liebe Genuß; aus Schaam dieß zu hehlen
Brächte mir weniger Ruhm, als zu verkünden das Glück.
Cytherea, erweicht durch meine Gesänge, hat selber
Mir den Jüngling gebracht und an den Busen gelegt.
Jetzt hat Venus erfüllt ihr Versprechen; es mag nun erzählen
Meine Wonne, wer nie seiner Geliebten genoß.
Was ich empfand, das will ich versiegelter Schrift nicht vertrauen,
Daß sie keiner vorher les' eh der Meine sie laß.
Wonn' ist solch ein Vergehn: sich des Rufes wegen verstellen,
Haß' ich; da jeglicher spricht: werth war des Würdigen sie.
(S. 173)



Das siebente Gedicht

Schon ist er da der verhaßte Geburtstag, traurig zu feyern
Ohne dich, o Cerinth, auf der verödeten Flur.
Giebt es was süßer als Rom? ob das Land für Mädchen sich schicket?
Oder der Winterfrost auf dem Eretischen Feld?*
Höre doch endlich auf mich zu quälen, Messala, durch Sorgfalt,
Du zur Unzeit oft deiner Geliebten so nah!
Führst du von hier mich fort, so bleiben Gefühl doch und Herz hier,
Weil du mir frey zu seyn nimmer verstatten gewollt.
(S. 175)

* Der Winterfrost auf dem Eretischen Feld:
Eretum war eine Stadt im Sabinischen.
Diese Gegend ist, wegen der Nachbarschaft der Berge, sehr kalt.



Das achte Gedicht

Wie es das Mädchen gewünscht, unterbleibt die traurige Reise,
Und den Tag der Geburt dürfen wir feyern zu Rom.
Alle wollen wir nun uns freuen des frohen Geburtsfests,
Welches dir unverhofft schenket ein günstig Geschick.
(S. 177)



Das neunte Gedicht

Froh bin ich, daß du so viel von mir dir versprichst, um zu wähnen,
Plötzlich könn' ich nicht andern Geliebten mich weihn.
Ist unedele Liebe dir theurer, und theurer die Dirne,
Welche der Korb zerdrückt, als es Sulpicia ist:
Nun, so kümmert's, gekränkt durch jene, noch andre, daß ihre
Zärtliche Sorge sich je dir Unberühmten ergab.
(S. 179)


Das zehnte Gedicht

Hegst du für deine Geliebte, Cerinth, nicht zärtliche Sorgfalt,
Während mir Fiebergluth wüthet im matten Gebein?
Ach, dann wünscht' ich mir nur, zu besiegen die schreckliche Krankheit,
Wann ich wüßte, daß dieß wäre, Geliebter, dein Wunsch.
Denn was hülf' es mir wohl, zu besiegen die Krankheit, wenn meine
Leiden mit lauer Brust Du zu ertragen vermagst?
(S. 181)


Das eilfte Gedicht

Holder Jüngling, dann müss' ich von dir nicht so zärtlich geliebt seyn,
Wie es mir scheint, daß du mich liebtest vor weniger Zeit:
Wenn in dem ganzen Lauf der Jugend ich Thörichte jemals
Etwas beging, daß so sehr, offen bekenn' ichs, mich reut,
Ach, als daß ich allein in der gestrigen Nacht dich gelassen,
Weil ich dir meine Gluth gern zu verbergen gewünscht.
(S. 183)

Übersetzt von Friedrich Karl Strombeck (1771-1848)

Aus: Tibull's Elegien
lateinisch und deutsch
von Friedrich Karl Strombeck
Göttingen 1799
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Siebendes Gedicht

Endlich erschien mir Amor; nun mach' es mir weniger Sorge,
Ihn zu verhüllen aus Scham, als ihn zu zeigen entblös't.
Endlich, bewogen von meinem Gesang voll dringender Bitten,
Brachte Cythere ihn selbst, legt' an den Busen mir ihn.
Ganz hat Venus erfüllt die Verheißung; möge verrathen
Meine Freuden, wer nie glücklicher Liebe genoß.
Möchte doch selber ich nichts versiegelten Täflein vertrauen,
Wissen soll jeder, wie ganz mir nun Cerinthus gehört.
So entzückt mich die Liebe; nicht will ich, dem Ruf zu gefallen,
Heucheln; dem Würdigen fiel, heis' es, die Würdige zu.
(S. 161)



Achtes Gedicht

Mir ist Natalis verhaßt, wenn auf langweiligem Lande
Nun ich, entfernt von Cerinth, traurig begehen ihn soll.
O wie behagt mir die Stadt! taugt wohl für ein Mädchen ein Landhaus`?
Auf Eretum zumal, wo jetzt das Wetter noch stürmt?
Bleib doch nun ruhig hier, du allzubesorgter Messala,
Öfters reisest du ja nicht zu gelegener Zeit.
Führst du mich weg, so bleibt doch zurück mein Sinn und Gedanken,
Denn, sie zu wenden von ihm, steht nicht in meiner Gewalt.
(S. 163)


Neuntes Gedicht

Weißt du? die traurige Reis' ist nach Wunsch des Mädchens verschoben,
Ihren Geburtstag läßt Er jetzt in Rom uns begeh'n.
Nunmehr können wir alle vereinigt feyern den Festtag,
Der dir glücklicher Weis wider Vermuthen erscheint.
(S. 163)



Zehntes Gedicht

Sehr verbunden für dein Zutrauen; du hältst dich für sicher,
Dir untreu zu seyn, wär' ich nicht thöricht genug.
Sey dir lieber die Dirne, die freche, vom Korbe belastet,
Als Sulpicia dir, Servius Tochter; es ist:
Auch um mich, die Gekränkte, ist mancher der Freyer bekümmert,
Seine Ersehnte verlieh' fremder Bewerbung Gehör.
(S. 165)


Elftes Gedicht

Nimmst du, Cerinth, an deiner Geliebten auch herzlichen Antheil,
Das das Fieber mir jetzt quält den ermatteten Leib?
Ach, nicht wünscht' ich es mir, zu ersteh'n aus der lästigen Krankheit,
Glaubte ich nicht, auch dir sey die Genesung erwünscht;
Denn, was könnt' es mir frommen, zu überwinden die Schmerzen,
Wenn du mit lauer Brust unsere Leiden ertrügst?
(S. 165)


Zwölftes Gedicht

Mög' ich dir minder wert, mein Trautester, minder ersehnt seyn,
Als ich vor kurzer Frist glaube gewesen zu seyn,
Falls ich je was habe verschuldet im Laufe der Jugend,
Das ich thörichte jetzt mehr zu bereuen gesteh',
Als, daß einsam dich in der gestrigen Nacht ich gelassen,
Weil ich die heftige Glut dir zu verbergen gesucht.
(S. 165)

Übersetzt von Conrad Alois Bauer

Aus: Albius Tibullus: mit deutscher Übersetzung
und einer Auswahl der vorzüglichsten prüfenden und erläuternden
Anmerkungen verschiedener Gelehrten 1816
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Viertes Buch

7. Sulpicia
Tandem venit amor, qualem texisse pudori

Amor endlich mir naht, und wollt ich's verschweigen, ich fühlte
Mehr mich beschämt, als sein Nahn jedem wer's sei zu gestehn.
Ihn hat Göttin Cythere, gerührt von meinen Gedichten,
Hier ins Haus mir gebracht, mir in den Schoß ihn gelegt.
Was sie verheißen, erfüllte sie mir: von solchen Genüssen
Rede nur immer wer nie ähnliche Freuden gekannt!
Schick' ich ihm Briefchen, so will ich nicht fest sie verschließen, daß niemand,
Eh' es mein Holder getan, lese darin, was ich schrieb:
Nein, mein Fehl mich beglückt, und ich mag vor den Menschen nicht heucheln,
Wisse nur jeder: wir zwei waren einander wohl wert!
(S. 81)
 

 

8. Sulpicia
Invisus natalis adest, qui rure molesto

Ach, nun soll ich, so sehr mich's verdrießt, auf dem traurigen Lande,
Während Cerinthus mir fehlt, meinen Geburtstag begehn!
Was gibt's Schön'res als Rom? in Aretiums rauhen Gefilden
Irgend ein ländliches Haus: hat das Reize für mich?
Du, Messala, nicht allzubesorgt um mich sei beflissen,
Oftmals stellst du dich ein, wenn dein Kommen mißfällt.
Muß ich denn fort, so laß ich doch hier mein Denken und Fühlen,
Denn nicht läßt du mich tun, was allein mir erwünscht!
(S. 82)
 

 

9. Ein Freund an Cerinthus
Scis iter ex animo sublatum triste puellae?

Weißt du's? der Furcht vor der traurigen Fahrt ist dein Mädchen enthoben,
Und nun kann sie in Rom ihren Geburtstag begehn;
Laßt uns alle den festlichen Tag zusammen nun feiern,
Der dir heute vom Glück, wider Erhoffen, geschenkt!
(S. 83)
 

10. Sulpicia an Cerinthus
Gratum est, securus multum quod iam tibi de me

O hab Dank für dein großes Vertraun, daß du nimmer befürchtest,
Sinnlos könnt' ich wohl gar schnell mich wenden von dir!
Aber wenn jetzt dir die Dirne, die Wolle zu spinnen genötigt,
Mehr als Sulpicia gilt, Servius' Tochter, wohlan:
Andre mich schätzen, und Groll sie erfüllt, daß ich einer soll weichen,
Die von niedrer Geburt, ich, die edlen Geblüts!
(S. 84)
 

 

11. Sulpicia an Cerinthus
Estne tibi, Cerinthe, tuae pia cura puellae

Macht, o Cerinthus, dein Mädchen dir jetzt viel herzliche Sorgen,
Weil, vom Fieber gequält, all meine Glieder geschwächt?
Ach! nur dann möcht' ich wieder erstehn vom traurigen Siechtum,
Könnte ich glauben, mein Wunsch würde von dir auch geteilt.
Sieh, was sollte es mir, daß Gesundheit wieder mir kehre,
Wenn dein Herz ungerührt, während solch Leid mich bedrängt!
(S. 85)
 

 

12. Sulpicia an Cerinthus
Ne tibi sim, mea lux, aeque iam fervida cura

Nie mehr mögest, o Teuerster du, so feurig mich lieben,
Wie mein Herz es erfuhr wenige Tage zuvor:
Hab' ich im Sturme der Jugend jemals so töricht gehandelt,
Dennoch, gesteh' ich's nur ein: diesmal stärker denn je
Ward mein Innres von Reue erfaßt, da ich nachts von dir fortging,
Wünschend, du solltest die Glut, mich verzehrend, nicht sehn!
(S. 86)
 

Übersetzt von Paul Lewinsohn

Aus: Tibullus: Elegien. Deutsch von Paul Lewinsohn
Berlin: Pantheon-Verlag 1922
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Biographisches:

siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Sulpicia_die_Ältere


weitere Literaturhinweise:

  • Applaus für Venus. Die 100 schönsten Liebesgedichte der Antike
    Ausgewählt und übersetzt von Niklas Holzberg
    Verlag C. H. Beck 2004
    (darin 3 Liebesgedichte von Sulpicia).
     

 

 


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